Sonntag, 25. Mai 2008
gothic-nachwuchs 2008
als ich vor etwa 12 jahren anfing, anne clark und depeche mode zu hören und auf meine ersten schwarzen parties ging, fand ich frauen in langen mittelalterkleidern und männer in schwarzen mänteln und stiefeln sehr toll. es dauerte auch nicht allzu lange und ich hatte auf ein kleid gespart, welches ich mir in einem bekannten bekleidungsladen für schwarzvolk kaufte. 280 deutsche mark, das tat weh und war genug für ein ganzes gothic-dasein. ich stutzte das kleid im laufe seines tragelebens um seine engels-tüllflügel und sämtliche schleifchen und bänder, weil ich mir mit jedem anziehen alberner und verkleideter vorkam. etwa zwei jahre später fuhr ich die reduzierte variante - schwarz und gut, ohne extrarüschchen und klimperkram, einfach nur von hasi und mausi oder aus omas klamottenkiste. einzige wirkliche investition wurden strümpfe, stiefel und hochhackige schuhe, immer mit allzweck-charakter.
mit meinem irgendwann ab 2001 etablierten freundeskreis unterhielt ich mich über gott und die welt. die beziehungen zwischen den einzelnen waren eng, es gab liebeleien, aber die freundschaften waren meist stabiler. wir waren allesamt sehr naturverbunden, liebten darüber hinaus musik, bücher und theater und suchten im begrenzten kulturellen angebot dieser stadt möglichst vielfalt.
das waren die jahre 2001-2007.

an einem maiabend 2008 vor einer gothic-diskothek: ich gehe in jeans und t-shirt bis zum eingang, wo sich die rauchenden massen tümmeln, und es ist mir fast ein bisschen peinlich: tatsächlich die einzige frau in blue jeans. ich sehe jungs in lackkostümen, gespickt mit stacheln und schnallen, die gesichter angemalter als die mädchen. die mädchen, ob dünn oder fett, tragen fast alle dasselbe: möglichst kurze röcke, strümpfe über netzstrumpfhosen und die unvermeidliche korsage. pink ist das neue schwarz, zusammen mit converse-schluppen. da werden kurze dicke stummelbeinchen nicht unbedingt vorteilhaft gestreckt. dieses problem erkannt hat eine junge frau, die auf ca. 30 zentimeter schwarzem plateau an mir vorbeischwankt. im wahren leben maximal 1,60m, werden ihre schätzungsweise 90 kilo so kräftig in die höhe gestemmt und die volle wucht ihres hinterteils entlädt sich erst da, wo normalerweise ihr enormer busen schwebt. und zwar unter einem falten-lackminirock, der beim besten willen keine falten mehr werfen kann.
und wie es so ist, wenn man inzwischen alternder außenseiter unter dem gothic-nachwuchs ist, lauscht man so dem ein oder anderen gespräch. und wundert sich. ungelogen, jedes gespräch hat dasselbe thema: klamotten. ein mädchen, ich schätze sie auf anfang zwanzig, zählt all ihre nietengürtel auf und berichtet stolz, dass sie neulich einen gürtel für 55 euro gekauft habe.
eine unterart des themas kleidung ist das thema schuhe, ebenfalls bis um erbrechen bekakelt.
ein bekannter, auch ein altes eisen mit seinen 33, gesellt sich kurz zu mir.
"ich war auf dem wgt", erzählt er mir, als ich vom kleidungsfetisch der neuen generation berichte, "und da war ein mädchen, das trug eine korsage, aber total verkehrt. also dort, wo normalerweise der arsch ist, das trug sie vorne oben am busen. ich war zunächst unsicher, bin ich doch ein mann und habe nicht soviel ahnung, aber als ich meine freundin fragte, bestätigte die mir meinen verdacht. die kaufen sich arschteueres zeug und könnens noch nicht mal richtig anziehen."
seine freundin kommt dazu und bestätigt die aussage: "wir haben ja so gelacht. und noch besser fand ich all die typen mit ihren netzhemden. die sind entweder total spargelig und sehen aus wie tote hühner im elektrozaun, oder sie haben teils riesige titten und bierbauch und hängen die fleischmassen dann in diese komplett durchsichtigen oberteile. hauptsache, sie haben eines an."
"und die labern alle drüber, als gäbs nicht anderes, was die welt bewegt. das ist tibet, da ist die nahrungsmittelkrise, aber niemand scheint sich hier dafür zu interessieren", schließt mein bekannter die beobachtungen.
"waren wir damals auch so oberflächlich?" fragt seine freundin.
wir finden: nein.
"ich geh dann mal besser wieder nach hause", sage ich, "ich merke schon, das thema kleidung und co ist irgendwie ansteckend. man redet automatisch mit, wenn auch auf dem anderen standpunkt."
und weg bin ich.

... link


dann und wann
...wünscht man sich eine person, die anruft und fragt: kann ich was für dich tun?
wenn´s hart auf hart kommt, ist man allein. ist man bittsteller und muss auf knien rutschen, wenn man jemanden mühsam davon überzeugen kann, einem für zwei stunden beizustehen. oder überhaupt.

... link