Donnerstag, 26. Dezember 2013
state of mind
weihnachten ist fast vorbei. ich mache drei kreuze. zwei tage gefressen, ein kilo schwerer. und sich dann wegen des knies noch nicht mal bewegen zu können. ich meide blicke in den spiegel.

mama und papa sind happy. weil ich doch gekommen bin. weil ich wieder das coole, unterhaltsame und sorgenfreie kind bin, das für alle probleme eine lösung weiß. ich saß sogar am mittagstisch und habe eine mahlzeit gegessen, als hätte ich nie eine verweigert. ich frage mich, ob ich als mutter auch so feige wäre und nicht wagen würde, mein kind richtig anzusehen. ob ich es auch mit zeter und mordio und den eigenen gefühlswust emotional erpressen würde, damit es funktioniert. ich glaube, sie merken es nicht mal, wie sie handeln. das macht sie fast wieder liebenswert, auch wenn diese liebe verschwendung ist, energie, die mir hinterher fehlt.

ich ziehe ein wenig energie aus materialismus.
"frag doch deine eltern einfach, ob sie dir dies oder jenes ermöglichen würden", hatte mir das objekt geraten. "nachdem sie dir emotional nichts bieten können. die haben nach dem letzten auftritt bestimmt unbewusst ein schlechtes gewissen und sind froh, wenn sie sich davon freikaufen können."
direkt fragen und betteln ist nicht so meine sache, also habe ich ein wenig von meiner neuen steuerberaterin geschwärmt. schwuppdiwupp war ich um 200 tacken reicher. das argument lautete zwar anders, aber ich merkte, dass das objekt die situation mal wieder völlig richtig eingeschätzt hatte.
schmerzensgeld. jemanden nicht so billig davon kommen lassen. gedanken, die mir weh tun. aber gedanken, die ich inzwischen denke. ich werde brutaler, auch wenn ich noch nicht die abgebrühtheit der merkelschen regierung erreiche.

abiturverbot für demonstranten und verweigerung des bleiberechts. führerscheinentzug. warum nicht gleich zwangssterilisation? wann baut frau merkel die ersten kzs für systemgegner? auf facebook die große empörung, weil die polizei sagt: "das grundgesetz ist erledigt." das sind keine news in meinen ohren, sondern längst vollzogene realität. eine anwohnerin, die bei der demo sagte, so sei das damals im krieg gewesen, genau so. wir haben krieg. arm gegen reich. kapitalismus gegen sozialismus, gerade jetzt, wo eine neoliberalistische, kapitalistische regierung die letzten merkmale des sozialstaats erodiert.

in der mopo entdecke ich einen großen betroffenheitsartikel über eine ach so unschuldige familie, die sich von anhängern des schwarzen blocks angegriffen fühlte. selbstredend ist niemandem etwas passiert. wer mit seinem audi a6 durch eine demo fährt, muss eben mit kollateralschäden rechnen. der artikel aber instrumentalisierte die kleine begebenheit zur politischen agitation im sinne der herrschenden. großes drama in einer gekauften presse.

und selbst wenn? wer einen audi a6 oder ähnliches fährt, präsentiert seinen reichtum öffentlich mit einem statussymbol und zeigt, dass er tragender teil eines verachtungswürdigen systems ist. damit riskiert er nunmal, eins in die fresse zu bekommen. denn es ist ein statement. zumindest hier und jetzt, im krieg. auch wenn allethalben lamentiert wird, warum diese zerstörungswut - ich kann sie verstehen. reichtum erfordert charakter und ein soziales gewissen. wer seinen reichtum lediglich nutzt, um ihn nach außen zu tragen, um ein dickes auto zu fahren, eine protzvilla zu bauen oder seine kinder bei einer privatschule einzukaufen, benutzt den reichtum zur selbststilisierung und machterhaltung. aber die fetten jahren sind vorbei. sie sind sowas von vorbei.

der "mob", wie die presse diejenigen nennt, die dagegen sind, dass sich reiche das recht auf alles erkaufen, wird sich holen, was ihm zusteht. angefangen beim grundrecht, artikel eins: die würde des menschen ist unantastbar. wenn ein staat lohndumping, altersarmut und soziale verwahrlosung billigend in kauf nimmt oder sogar willentlich fördert, ist ein menschenwürdiges leben nicht mehr möglich. ich kenne sie, die rentner, die als pizzaausträger arbeiten, obwohl sie kaum mehr treppen steigen können. die fließbandarbeiter, die nachts noch taxifahren. die ausgebrannten pflegekräfte im drei-schicht-system, die die arbeit von drei kollegen mitmachen. es sind menschen, die meist viel härter arbeiten als die reichen, menschen mit zwei und mehr jobs, mit einer sieben-tage-woche. trotzdem können sie kaum überleben oder eine familie ernähren. ich kenne die berechtigte verzweiflung, die in hass umschlägt. dieser formiert sich nun langsam, aber sicher zu widerstand. und das ist verdammt gut so.

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