Samstag, 20. Dezember 2014
wie mich vor eurer liebe gruselt
ich komme aus einer sogenannten intakten familie. das heißt, mami und papi leben einträchtig nebeneinander her und streiten sich so begrenzt, dass keiner von beiden jemals ernsthaft das verlangen nach einer scheidung verspürte. für mich war es daher selbstverständlich, später ebenfalls einmal teil eines paares zu werden. denn nur so hat das leben einen sinn, nur so erreicht man vollkommenheit. dachte ich.

bullshit.
den kopf kann man, vor allem in zeiten von proklamiertem liebesscheiß und hollywoodrosarotem konsum- und medienkitsch, eine gewisse zeitlang recht erfolgreich benebeln. ein bestimmtes gefühl in mir war jedoch immer dagegen. wenn ich dieses gefühl beschreiben sollte, träfe es wohl "grusel" am besten. ich erinnere mich an meine letzte lange beziehung und wie ich dem mann gerne morgens noch ein brot schmierte, bevor er zur arbeit aufbrach. ich tat, was mir meine mutter in der beziehung zu meinem vater vorgelebt hatte und ja, da war ein gefühl von nützlichkeit und dem-anderen-gefallen dabei, zumal die aktion durch meinen damaligen lebensabschnittsgefährten positiv bewertet wurde. aber ich erinnere mich sehr wohl, wie jedesmal eine stimme in mir sagte: "WAS ZUM TEUFEL MACHST DU DA EIGENTLICH? FUCKING HELL, IST DAS DEIN ERNST?"

handelte es sich um "liebe" oder wie man den gefühlswühltisch im hirn bezeichnen mag? es handelte sich auf alle fälle um gesellschaftliche konditionierung und die sehnsucht nach einem bestätigenden reiz, der für eine erfolgreiche rückkoppelung des gelernten sorgte. das traf, im nachhinein ganz kühl und nüchtern betrachtet, auf recht viele momente dieser und anderer beziehungen zu.

(ich habe nie wieder einem mann ein wurstbrot geschmiert, schon aus prinzip.)

die große "romantische liebe" in bislang ungekannter form überfraute mich beim objekt. die chemie setzte jahrelang erfolgreich mein denken außer kraft, oder zumindest entmachtete sie es bis zu dem punkt, an dem wollust und emotionen jedesmal siegen konnten. handelte es sich vielleicht hier um "liebe"? es handelte sich auf jeden fall um die rauschhaften folgen großer ausschüttungen von oxytocin und prolaktin. vermutlich hätte ich mir auch heroin spritzen können - mit denselben effekten von totaler hingabe und bitterer (sehn)sucht. dazu kam, dass ich mit dem objekt einen höchst cleveren verführer gewählt hatte, der wie auf knopfdruck empathie ein- und ausschalten und mich auf diese weise zwischen dem gefühl vollkommenen angenommenseins und kalter ablehnung hin- und herwerfen konnte. ich halte es sogar für wahrscheinlich, dass mein im rahmen der wechselhaften objektbeziehung stark schwankender hirnchemie-spiegel meine depression phasenweise enorm verstärkt und selbstzerstörendes verhalten getriggert hat.

abgekoppelt vom effekt des rausches überlege ich derzeit, was ich von "liebe" zu halten und zu erwarten habe. warum sollte ich mir einen partner suchen? weil ich alleine keine dübel in die wand bekomme? weil mit zwei einkommen das leben leichter zu bestreiten ist? weil ich angst davor habe, allein zu sterben?

ich bin alleine. es geht mir den umständen entsprechend gut. ich habe kein bedürfnis, neben jemandem einzuschlafen und aufzuwachen. mit jemanden hand in hand auf der straße zu gehen. den alltag zu teilen. es ist schön, so ab und an, immer mal wieder, so für ein paar wochen. aber dann ist es langweilig und beengened. es raubt mir die zeit, die ich lieber mit mir selbst verbringe. der sex, der schwanz ist immer dasselbe, und ich werde kribbelig und umtriebig.

der mann mit hund hat inzwischen auch verstanden, dass wir nicht heiraten werden. die begegnungen sind kühl, die anrufe bleiben aus. ich bin erleichtert, obwohl ich noch nicht das finale good-bye ausgesprochen habe. vielleicht ist es auch gar nicht mehr nötig.

ein weniger persönliches, aber doch sehr kluges licht auf das thema "liebe als (überbewertete) ersatzreligion" wirft übrigens markus günther hier: http://bit.ly/Zdz7Ms