Dienstag, 23. Dezember 2014
seit ich beim fernsehen arbeite
meine nachbarn schleppen tüten, christbäume und allerlei kladderadatsch ins haus. alles sehen abgehetzt und genervt aus. die nachbarskinder streiten sich, der kleinere fängt irgendwann zu heulen an.
ich lehne am fenster, rauche eine und trinke tee.
"na, schon alles fertig für morgen?" ruft die blockwartin, die ihren milchsemmeligen mann hinter sich herschleift, im offizierston.
"nö, ich mach nix", sage ich salopp. "ich arbeite durch."

meine nachbarn sind der meinung, ich arbeite für das fernsehen. ich weiß nicht, wann sie sich das zurechtgesponnen haben, aber das gerücht hält sich hartnäckig. so findet man mich zwar seltsam und einzelgängerisch, verzeiht mir diese absonderlichkeit aber, weil ich ja beim fernsehen und damit vermutlich irgendwie wichtig bin. deshalb werde ich - anders als mein lieblingsnachbar - auch nicht mehr drauf angesprochen, wenn ich das licht in der nacht brennen habe (arbeitet vermutlich an einer eiligen reportage).

auch meine häufige abwesenheit und meine rückkehr in frühen morgenstunden wird zwar registriert, aber nur noch gelegentlich kommentiert. leute, die fürs fernsehen arbeiten, sind in den augen meiner nachbarn wahrscheinlich ständig irgendwo undercover unterwegs, um brandheiße storys aufzudecken. ich sag nur: is, pegida und udo jürgens. deshalb kann ich auch schamlos sonntagnachmittags augenberingt und bleichgesichtig durchs treppenhaus schlunzen und jetlagig statt verkatert tun.

manchmal frage ich mich, was meine nachbarn denken, wenn so viele männer bei mir ein- und ausgehen, die auch häufig kein zweites mal wiederkommen. sollte ich eines tages mal gefragt werden, werde ich vielleicht antworten, das sind alles castingkandidaten für dsds und bauer-sucht-frau. möglicherweise werden das einige von denen ja sogar mal.

ich arbeite solange mal weiter an meinem eigenen format "pornografisches quartett". sendungen, die deutschland dringend braucht.

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