Mittwoch, 19. März 2014
grauphase
das objekt und ich sitzen in einer bushaltestelle. wir haben uns kurz spontan getroffen, weil ich mein rad von einer s-bahn-station in der nähe holen wollte. leider war die gespielin zuhause, weshalb ein betreten der wohnung meinerseits unmöglich war. also kam das objekt runter.

der regen pladdert gegen die scheibe. autos rasen vorbei. menschen. wir schauen uns um, schauen uns an und wieder weg. schweigen. lächeln.

ich zünde die x-te zigarette an. meine hand zittert. das objekt bemerkt es, nimmt sie, fühlt meinen puls.
"ich muss mal was trinken", sage ich, "ich habe seit heute mittag nichts mehr getrunken."
das objekt steht auf und geht über die straße zu einem döner. kommt dann wieder mit einer cola für mich. außerdem hat es börek mit spinat gekauft, weil es weiß, dass ich das manchmal mag.
"danke", sage ich, exe die halbe cola und beginne dann, an meinem börek zu zupfen.
"wie viele jahre brauchst du schätzungsweise, um das zu ende zu essen?" zieht mich das objekt auf.
ich zeige ihm den stinkefinger.

"gehts dir gut", will das objekt wissen und beobachtet mich beim zerlegen des börek.
ich nicke.
"schon in ordnung."
das objekt betrachtet mich aufmerksam.
"für mich sieht das alles aus wie gedeckelte anspannung. du zittert... und dein blick... der ist ganz unstet."
"ich hab heute noch keine medikamente genommen", erkläre ich.
"warum nicht?"
"ich war nicht arbeiten."
"was soll das denn?"
"ich hab mich nicht gefühlt."
das objekt fixiert mich streng.
"du meinst, du hast heute also keine struktur gefunden? weder zum arbeiten, noch für medikamente, noch um etwas zu trinken?"
"ich wollte mein rad holen. das hab ich ja wohl auch gemacht."

das objekt legt seinen kopf auf meine schulter und schnuppert an meinem halstuch.
"sehr angenehmer duft."
"kennste doch."
"trotzdem. das bist du."
ich lege meine hand an die objektwange und streichle sie. das objekt summt leise vor sich hin. ich kann spüren, wie es lächelt.
"weißte, wann sommerferien sind", fragt es mich dann.
"nee", sage ich. "irgendwann im juli?"
"ja, so in der richtung. da hab ich jedenfalls urlaub genommen."
"weil du mit deinem sohn wegfahren willst."
"ja. und ich wollte es dir sagen, damit du mal schauen kannst, wie du urlaub kriegst."
"du glaubst, dass ich schon mal urlaub nehme, für den fall, dass die gespielin sagt, ach, kein problem, fahr mal mit der morphine weg, ich bleibe gern zuhause?"
das objekt schaut mich verletzt an.
"ich dachte, du freust dich."
"so nicht. das ist doch quatsch."
"ist es nicht. ich werde es der gespielin erst kurzfristig sagen. dann kriegt sie vielleicht keinen urlaub und kann gar nicht mit."
"und dann sagste ihr, och schade, schatzi, ich nehm dann die morphine?"
das objekt schaut zu boden.
"ich werd ihr gar nichts sagen, wenn du dabei bist."
"und der kleine?"
"der hält dicht. dazu mag er die gespielin zu wenig und dich zu gern. das verklicker ihm schon."

ich starre auf die regentropfen, die über die scheiben rinnen.
"es wär ja zu schön, um wahr zu sein. was ist jetzt mit ostern und berlin?"
"das geht nicht. mein vater hat mich abkommandiert, die renovieren das haus und ich muss ihm helfen, das dach neu zu decken."
"na super."
"hast du nicht gesagt, deine eltern wollen auch, dass du kommst?"
"ja, aber ich hab keine lust. bzw. gehts mir immer noch zu mies, als dass ich denen das gutelaune-kind vorspielen könnte."
"dann lass das doch."
"du hast keine ahnung. du kennst die nicht."

ich betrachte das objekt von der seite und fühle mich sehr weit weg. keine liebe. keine geilheit. nur ruhige nüchternheit.
das objekt spürt das.
"du bist heute total... undurchdringbar."
"ich bin gar nicht da."
"wie fühlt sich das genau an für dich?"
"wie unter einer käseglocke. nichts dringt durch, nichts hat eine bedeutung. ich kann dann auch keine verbindung zu anderen menschen aufbauen."

das objekt hat den arm um mich geschlungen und wiegt mich ein wenig und summt mir ins ohr, wie es es gerne macht, wenn ich angst habe oder aufgeregt bin.
"ich werde jetzt gehen", sage ich.
das objekt richtet sich auf, schnappt sich mein halb aufgegessenes börek und schlingt es in zwei happs hinunter.

als es mich umarmen will, sitze ich schon auf dem rad.
"tschüß", sage ich und winke nonchalant.
dann fahre ich nach hause, während der regen wie eine graue nasse wand über mir hängt.

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