Sonntag, 2. März 2014
die langen nächte
die gedankenkreisel zähmen, langsam runtertakten. nie rechtzeitig, aber doch irgendwann einschlafen.

zwei, drei stunden später wieder erbarmungsloses bewusstsein. meist nach einer ersten schweren traumphase, die die gedanken, die kommen werden, schon eingeleitet hat. das gefühl beim erwachen erinnert an starkes heimweh, mit dem kleinen, aber bedeutsamen unterschied, dass man ja zuhause ist. es gibt also keine zeitspanne, auf die man schauen könnte, die ein ende dieses empfinden verspräche.

medikamente fangen das loch, das diese langen nächte reißen, nicht auf. meine benzodiazepine kann ich nicht nehmen, wenn ich vier oder fünf stunden später wieder aufstehen und arbeiten soll. meine antidepressiva kann ich ebenfalls nicht nehmen, da sie in den ersten zwei stunden nach der einnahme wach machen. also steht man auf und versucht, etwas zu tun. manchmal kann ich ein buch lesen. oft aber wandern die gedanken zwischen die buchstaben, bis man fünf seiten später merkt, dass man nicht sagen könnte, was man da eben gelesen hat.

4:33 uhr. draußen zwitschern die vögel. die katzen freuen sich über mein wachsein und mauzen ohne unterbrechung. der kleine schnuppert an meinem beruhigungstee und rümpft das näschen. der beruhigungstee ist ein objektgeschenk, weil es in der klinikapotheke günstiger einkaufen kann. manchmal in diesen langen nächten schreibe ich ihm eine nachricht. dinge, die ich niemandem sonst anvertrauen kann.

der wunsch, mit jemandem zu sprechen, überfällt mich häufig in den langen nächten. aber wen ruft man um 4:35 uhr an? der freund, der sich im dezember das leben nahm, litt ebenfalls unter schlafstörungen. man traf sich des öfteren auf facebook, schrieb einander nachrichten und tauschte hörbücher, weil zuhören manchmal einfacher ist als lesen und weil es erinnerungen wachruft an die zeit, als man noch klein war und vorgelesen bekam.

manchmal in den langen nächten besuche ich das facebookprofil des freundes. ich kenne fast jeden eintrag bis zum ersten tag. es ist schön, dass doch etwas bleibt, mehr als ein grab 600 kilometer weit weg auf einem kleinen dorffriedhof.

4:49. ein joint und der zweite versuch, ins bett zu kommen.

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