Samstag, 25. Juni 2011
klappe zu/auf, die -xte
den ganzen freitag nur darauf gewartet, dass der freitag vergeht. arbeiten, einkaufen, saubermachen.

dann endlich klingelte das telefon und das objekt war dran, wo ich doch eigentlich k. erwartet hätte.
das objekt war noch auf arbeit, müde, aber in the mood für einen gemeinsamen abend. wir verabredeten uns für in einer stunde beim objekt in a. eventuell sollte noch ein freund kommen.
"gehst du dann heute später noch weg?" fragte ich das objekt.
"kommt drauf an, wie viel kraft ich noch habe."
kommt drauf an, wie viele drogen noch in haus waren, übersetzte ich.
"und du?"
"ich weiß auch noch nicht", sagte ich und fühlte meiner stimmung nach, die wie ein zartes spinnennetz in einer ständig auf- und zuschwingenden tür unter einer art flexibler spannung stand. "auf jeden fall brauche ich eine kleine realitätsflucht."
"darf´s auch ein bisschen mehr sein? dann fahr ich noch zur tanke, nachhher."

gegen elf uhr abends kreuzte ich beim objekt auf. es stand noch in jeans und pulli im flur.
"ich bin gerade aus der klinik gekommen", seufzte es.
"überstunden?"
"notfall. einer unserer alkis hatte einen diabetischen schock und ich war ganz alleine mit dem und hatte keine ahnung von der ganzen krankenvorgeschichte. ich hab ihn dann zum glück stabil gekriegt, aber das war echt knapp."
"oh wow. ich glaube, ich wäre durchgedreht."
das objekt schüttelte nur den kopf und schob mich in die küche. feierlich hielt es mir die augen zu und holte etwas aus der tasche.
"und jetzt bitte schnuppern!"
zwischen küchendämpfen roch es zart nach frisch gemähtem heu.
"das ist das beste, was man kriegen kann. eine ganz leichte sorte, die auf unheimlich schöne art und weise die pforten zum unbewussten öffnet."
"also genau das, was ich heute brauchen werde, willst du mir damit sagen."
"genau. und jetzt würde ich zur tanke fahren und uns einen wein holen. was magst du haben?"
"keinen rotwein jedenfalls."
"mir wäre heute nach rose."
"in ordnung. bloß nichts rotes, das würde mir jetzt alles kaputtmachen."
als wir unser kleingeld zusammengeworfen und das objekt sämtliche hosen auf verstreckte groschen ausgeschüttelt hatte, kamen wir zusammen auf sage und schreibe mehr als 25 euro. der abend war gerettet.

während das objekt unterwegs war, schaute ich mich in der küche um, die mal wieder echten objektstyle hatte: unaufgeräumt mit bergen von dreckigem geschirr, das sich über herd und spüle stapelte. weingläser waren auch aus. ich durchwühlte die geschirrstapel nach zweien und wurde fündig. dann sah ich mich nach spüli um. keines da.
ich rief das objekt an.
"lass mal nen euro übrig und kauf noch spüli. du hast keines mehr."
"du spülst doch jetzt nicht etwa bei mir ab!"
"wir brauchen aber gläser."
"wir können auch aus der flasche trinken."
"faulpelz. los, bring spüli mit und nachher machen wir gemeinsam die küche klar schiff."
"aber es ist freitag nacht!"
"eben drum. morgen ist wochenende, dein lütter kommt und dann wollt ihr spielen und du wirst wieder nicht aufräumen und putzen."

zehn minuten später stand das objekt auf der matte mit einer flasche wein, einer flasche wodka und spüli. es reichte mir das spüli und drückte wein und wodka an seine breite brust.
"das ist deins, und das ist meins", grinste es frech.
ich zuckte cool mit den achseln und ließ wasser ins becken.
"hör sofort auf damit", sagte das objekt, "das ist mir jetzt wirklich peinlich. du bist mein gast und nicht meine putzfrau."
"jetzt hab ich schon angefangen."
das objekt schaute mir einige sekunden zu.
"allein, wie du das glas nimmst..."
"was ist damit?"
"du bist so... achtsam, so gründlich... so fein."
dann schob es mich von der spüle weg und nahm mir den lappen aus der hand.
"du machst da drüben weiter", befehligte es mich augenzwinkernd und deutete auf tabak und kräutersammlung. "ich erwarte einen schönen, kerzengeraden joint, der konisch zuläuft und der nicht krümelt."

eine halbe stunde später sah die küche halbwegs ordentlich aus. das objekt hatte sogar den herd geschrubbt, ohne dass ich motivierende worte gesprochen hatte.
"mission erfüllt", bilanzierte ich.
"ja, ich bin fertig", sagte das objekt stolz.
"nee", sagte ich, "ich habe meine mission erfüllt. ich hab den anfang gemacht, weißt du? der anfang, das ist das, was du nicht kannst. aber dann... sieh dir den blitzblanken herd an. du bist genauso gründlich und achtsam wie ich."
das objekt nickte bedächtlich.
"du bist ganz schön clever."
"ich kenn mich halt. und da du in vielerlei hinsicht genau so bist wie ich, muss ich nicht mal groß nachdenken."

dann saßen wir zusammen und rauchten und tranken.
"was ist nun mit party?" fragte mich das objekt.
"ich weiß nicht", sagte ich. "ich bin eigentlich eher für nicht-party." das dope hatte mir die socken ausgezogen, ich schwebte unter einer ich-käseglocke von erinnerungen und emotionen und fühlte mich unkommunikativ und unfeierlich.
"hm", sagte das objekt. "eigentlich spräche nichts dagegen, hier zu bleiben, sich die köpfe wegzuvögeln und nachher zusammen einzuschlafen."
"aber?"
"anderseits habe ich mich die ganze woche auf diese party gefreut."
"dann geh doch. wenn ich gleich keinen bock habe, kann ich doch auch einfach nach hause fahren."
so, und jetzt kam es.
das objekt sah mich fragend an:
"was ist das bloß für eine liebe, deine liebe?!"
ich guckte groß.
"du lässt mich einfach", fuhr das objekt fort. "und du lässt mich so, dass ich das annehmen kann, dass ich mich frei fühle. obwohl dir nach etwas ganz anderem ist, oder?"
es schaute mich durchdringend an. ich zuckte die achseln und guckte an die tapete:
"liebe ist nunmal so. liebe ist, wenn der andere einem mindestens so wichtig ist wie man sich selbst. entsagen, nennt man das, glaub ich."
"ich habe noch nie jemanden erlebt, der so liebt wie du."

über was sprechen wir hier eigentlich, fragte ich mich an dieser stelle. von der theorie des liebens, von mir als psychologischem sonderfall oder von dieser merkwürdigen freundschaft/beziehung?
das objekt schaute mich wieder ernst an:
"morphine, wonach ist dir wirklich?"
glücklicherweise war ich stoned und zugleich schlau genug, dass ich wusste, dass ich jetzt nur das falsche sagen konnte. also hielt ich die klappe, während mich das objekt abwartend ansah.
"weißt du, manchmal muss man auch mal stellung beziehen", sagte es.
was wollte das objekt bloß von mir? dass ich auf die knie falle und ihm einen heiratsantrag machte? oder meinte es das ganz allgemein und ich zermarterte mir gerade vollkommen sinnlos das gehirn?
also schwieg ich weiter und konzentrierte mich auf die strickmuster im objekt-pulli, während meine gedanken ins weltall flogen. das objekt schien immer noch auf eine antwort zu warten.
nach einigen minuten erhob es sich dann.
"ich geh mal ins bad."

kurz darauf tanzte das objekt halbnackt durch die wohnung und fragte mich, was es anziehen solle.
"und die haare? offen oder zusammen?"
"mir egal", sagte ich.
"hey! bezieh doch mal stellung", scherzte das objekt. "oder ist es dir egal, wie ich rumlaufe?"
"dann lass sie doch mal offen."
"sieht das nicht zu pennermäßig aus?"
das objekt hatte leichte naturlocken, die, ähnlich wie meine, sich bei feuchtem wetter zu einem wirren, welligen haufen ballten.
"dann nimm doch mal gummis mit und ich mach dir nachher gegebenenfalls einen pferdeschwanz."
problem gelöst, objekt glücklich.
endlich steckten wir in unseren jacken und waren abmarschbereit. nach einem kleinen wachmacher ging es los.

draußen merkten wir erst, wie stoned wir waren.
"oh", sagte ich, als ich auf dem fahrrad saß. auch das objekt schwankte heftig und hatte schon nach wenigen metern die erste unsanfte begegnung mit einem zaun. wir lachten, bis wir nicht mehr konnten.
"wie willst du fahren", nuschelte das objekt, als es wieder festen sattel unterm arsch hatte, "die romantische oder die schnelle strecke?"
"in diesem zustand die schnelle." ich merkte, dass ich lallte.
auf der max-brauer-allee fiel dem objekt ein, dass es dringend eine rauchen musste:
"aber ohne absteigen!"
es fuhr neben mich und suchte fahrend in meiner tasche nach zigaretten. die lenker kollidierten, das objekt rauschte nach rechts und fuhr in ein schaufenster. die scheibe blieb glücklicherweise heil, aber die alarmanlage ging an.
"sorry, wir klauen nix", rief das objekt ein paar verdutzt dreinschauenden passanten zu.
"da sind die bullen", sagte ich mit blick auf die kreuzung.
wir machten, dass wir weiterkamen.

als wir den club betraten und die treppe hinuntergingen, legte das objekt den arm um mich. so begegnete uns die aktuelle objektgespielin. an die hatte ich gar nicht mehr gedacht. zumindest war jetzt klar, wo ich heute nacht schlafen würde. jedenfalls nicht beim objekt.
die objektgespielin musterte mich keineswegs unfreundlich, aber mit einem gesichtsausdruck, als bestätige ihr unser gemeisames auftauchen eine lang gehegte befürchtung. kein guter start in den abend.

ich tanzte zwei, drei lieder. es war heiß und extrem laut. ich fühlte mich nicht gut. das objekt unterhielt sich mit verschiedenen freunden und bekannten. zweimal kam es auf mich zu und fragte mich, wie es mir gehe. ich blieb bei der wahrheit:
"ich mach´s heute nicht lange."

nach knapp zwei stunden verabschiedete ich mich von den anwesenden und schwang mich aufs rad, jenseits von bewusstsein, aber mit dem merkwürdigen satz im kopf: das muss ich mir jetzt nicht geben. was meinte mein alter ego bloß damit, fragte ich mich, während ich nordwärts fuhr. das kraut, das die pforten zum unbewussten öffnet, würde ich jedenfalls so rasch nicht wieder konsumieren. zumindest nicht in dieser hardcore-kombi.
und als ich die schlafzimmer tür schloss, die vorhänge zu- ud die bettdecke über den kopf zog, war mir klar: ich hatte die richtige entscheidung getroffen. für mich und mein bett. und zwar jetzt.

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