Samstag, 3. August 2013
come closer, i´m a friendly person.
gestern rückten der dritte und die drittefreundin an und besuchten mich. wir mixten ein paar drinks und unterhielten uns prächtig. die drittefreundin versuchte, sich mit meiner püppi zu befreunden, während dem dritten von einer 1,5-liter flasche wodka energy schlecht wurde und ich noch mal eben nachts um eins essen auffahren lassen musste, um seinen kreislauf zu retten. gegen halb zwei beschlossen wir dann, zu einer party aufzubrechen.

"ich muss dich noch warnen", sagte der dritte. "heute wird jemand ganz bestimmtes da sein."
mir fiel das gesicht runter.
"das objekt etwa?!!"
"ja", sagte der dritte kleinlaut, "wir sind verabredet. ich hoffe, du bist jetzt nicht sauer? ich weiß ja, was zwischen euch in letzter zeit so abgegangen ist..."
"nee, das ist ja in einem großen club, ich geh euch einfach aus dem weg", sagte ich mit vorgetäuschter coolness.

dann zogen wir los. der dritte verkündete in der bahn freudig, dass das essen seine wirkung getan hatte und er sich wieder fit fühlte, während mir zunehmend übel wurde. als wir den eingang des clubs passierten, klammerte ich mich an den arn der drittefreundin und zerrte sie erstmal zur bar. einen ermutigungdrink bitte. bei 35 grad im schatten war das ja wohl auch legitim!

kurze zeit später begegnete ich dem objekt, das den dritten gesichtet hatte und gerade auf ihn zustrebte. es starrte mich an, schlich dann aber mit eingezogenem kopf weiter. aha, also wieder ignore-modus. ich leerte meinen drink und zog mich schwindelig in den raucherbereich zurück, wo ich einen bekannten traf, mit dem ich mich unterhalten konnte und der mich überredete, ihn ende august auf ein festival zu begleiten.

irgendwann, als ich wieder alleine dasaß, bemerkte ich, dass das objekt den raucherbereich betrat. ich spürte ohne hinzusehen, dass es mich ansah und überlegte. bitte bitte, geh, flehte ich still, kein smalltalk. doch da kam das objekt schon auf mich zu. klar, dachte ich bitter, heute ist es ja auch ohne bewachung.
als es vor mir stand, sah ich vorsichtig hoch.
"guten abend, morphine", sagte das objekt förmlich, aber freundlich.
ich glotzte, dann flüsterte ich:
"hi."
das objekt sah mich herzzerfetzend offen an.
"du, morphine, ich hab heute so deine sachen zusammengepackt... der dritte hatte mir gesagt, dass er und die drittefreundin dich heute besuchen und dass ihr hierherkommen würdet. ich bin also losgefahren und da hab ich dann gemerkt, scheiße, ich hab den beutel mit deinem zeug vergessen."
ich starrte das objekt wortlos an, überrascht und irgendwie schockiert. das hatte ich ja nun gar nicht erwartet. hatte ihn der dritte etwa zusammengefaltet?
"jedenfalls, es tut mir leid", sagte das objekt und ich spürte, dass es damit sowohl die vergessenen sachen als auch das ganze chaos dahinter meinte.

ich wartete auf einstürmendes gefühl, das mir zurufen würde, los, wirf dich dem objekt in die arme! sei ihm gut, er hat sich doch entschuldigt! doch es passierte nichts. vielmehr war mir das objekt fremd und ich merkte, dass ich ihm keine zwei zentimeter über den weg traute.

das objekt guckte lächelnd, erwartungs- und hoffnungsvoll. ich glotzte zurück, müde, leer und wortlos.
nach einer weile wurde es dem objekt unangenehm:
"ähm, ich wollte eigentlich auch nur eine rauchen", haspelte es, "also ich mach das jetzt mal und lass dich in ruhe, ja?"
ich nickte stumm und das objekt verzog sich.

ich ging richtung tanzfläche und sah dem dritten beim abhotten zu. dann bemerkte mich der dritte und kam zu mir.
"hast du dem objekt gesagt, es soll mit mir reden?" fragte ich ihn.
"nee", antwortete der dritte und lächelte entschuldigend, "hätte ich aber sicher noch gemacht!"
"naja, es kam vorhin zu mir und meinte, es hätte meine sachen mitbringen wollen. hattet ihr da vorher drüber geredet?"
"nein, das kam wohl von ihm aus."
ich staunte bauklötze.
"du", sagte der dritte, "das kannst du dem auch zutrauen. der war nur die letzten wochen und monate total durch wegen seinem umzug."
ich riss die augen auf.
"umzug?"
"ja, der hat ne wohnung. wieder mehr richtung altona."
ich starrte den dritten an:
"das heißt, er lebt jetzt mit der gespielin zusammen?"
"nee", sagte der dritte, "der wohnt da allein. das zusammenziehen hat er schon längst wieder verworfen."
ich konnte nicht umhin, mich erleichtert zu fühlen.
"das ist übrigens ne ganz billige bruchbude", informierte mich der dritte. "ganz schrecklich sieht das da aus."
"hm", sagte ich, dachte aber, find ich gut. bruchbudiges wohnen passte zum objekt.

gegen vier wurde ich müde. das tat mir leid, da ich eigentlich bis sechs uhr bleiben und den dritten und die drittefreundin noch zum bahhof bringen wollte. aber mir war schwindelig von der hitze, außerdem war ich unangenehm verschwitzt und sehnte mich nach einer dusche.
ich fand meine beiden gäste beim objekt stehend. drehen wir noch eine runde, vielleicht geht es ja weg, dachte ich, aber der dritte hatte mich schon entdeckt und winkte mich fröhlich heran. so standen wir erstmal wieder zu viert da. die drei strahlten mich an und ich fühlte mich sehr mies.
"ich geh nach hause, ich bin müde und fühl mich nicht so gut", sagte ich beschämt.
die drittefreundin zog mich zu sich heran.
"besuchst du uns mal?"
"klar, darüber habe ich ja auch erst kürzlich mit der objektexfreundin diskutiert. sie würde mich mitnehmen und dann fahren wir runter nach hannover."
"oh fein, das wäre ja toll!" jubelte die drittefreundin. "ihr könnte dann natürlich bei uns schlafen."
"ein hotelzimmer hätten wir uns auch nicht genommen", grinste ich.
das mit der objektexfreundin hatte ich ganz bewusst in objekthörweite gesagt. ein bisschen rachsuppig war ich ja auch.
anschliend nahm ich den dritten in die arme und ließ mich fest knuddeln.

dann stand mir das objekt gegenüber und ich grübelte, wie ich mich verabschieden sollte. wir starrten uns an, und ich merkte, das objekt hätte sich gewünscht, mich in den arm zu nehmen.
ich wollte nicht. ich konnte nicht.
ich wollte auf der stelle nachhause.
also drehte ich mich um und ging einfach, ohne tschüß zu sagen. das objekt blieb böse getroffen dreinschauend zurück. aus den augenwinkeln sah ich, dass der dritte ihn in den arm nahm.

an der tür kam die reue. ein tschüß hätte selbst er verdient, das war so verdammt unhöflich, meckerte mein besseres ich mit mir. du willst doch keine feindschaft mit ihm. sondern einfach nur frieden und ruhe!
ich radelte nach hause und war unzufrieden mit der situation. ich duschte und legte mich ins bett und konnte nicht einschlafen. irgendwann stand ich wieder auf und tippte eine sms, in der ich mich entschuldigte und dem objekt erklärte, dass ich mit smalltalk in der augenblicklichen situation nicht klarkäme. hoffentlich liest er die nachricht überhaupt und ist nicht total sauer, dachte ich, bevor ich endlich wegdöste.

heute mittag erwachte ich, weil mein handy klingelte. es war das objekt. der erste anruf seit unserem wunderbaren date märz. ich war mit einem schlag hellwach und das herz schlug mir bis zum hals.
"morgen morphine", nuschelte das objekt. "ich hoffe, ich hab dich jetzt nicht geweckt, aber ich hab über so viel nachgedacht und konnte nicht mehr schlafen und dachte, ich muss jetzt mal mit dir reden."
"hast du meine sms gelesen", bibberte ich.
"klar", sagte das objekt, "und das ist ja auch in ordnung."
ich atmete erleichtert aus.
"hör zu, ich muss heute nachmittag was mit meinem sohn machen, aber wenn ich abends wieder zuhause bin, würde ich gerne was mit dir unternehmen."
mir rutschte das herz in die hose.
"hier bei mir um die ecke gibt es eine kleine bar, und wenn du magst, können wir uns da treffen und was trinken und reden."
das herz zuckte in meiner hosentasche und signalisierte mir, dass es gleich zu schlagen aufhören würde.
"okay", wisperte ich.
"schön", sagte das objekt und klang sehr erleichtert und erfreut. "ich ruf dich noch mal an, wenn ich wieder zuhause bin und dann machen wir eine uhrzeit aus, ja?"
"okay", sagte ich abermals.
"dann bis später."

fortsetzung folgt.

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Montag, 29. Juli 2013
urlaub vorbei
viel in die heiße luft geguckt.

geknutscht. mit hafenblick. ohne verliebt zu sein. aber das haben wir ja erwartet.

zweimal das objekt getroffen. sehr freundlich empfangen worden mit dem angebot einer aussprache. sogar umarmt worden. keine emotionen meinerseits.

pläne für august:

1. die gf überzeugen, mich zu kündigen.

2. den neuen mann ein bisschen lieben lernen.

3. schreiben, schreiben, schreiben.

vielleicht besucht mich die werte lady m. dann wird der august sowieso fantastisch.

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Dienstag, 23. Juli 2013
surreales pärchendasein im anfangsstadium
er ist der einzige wirklich attraktive und interessante mann, denke ich mir, als ich (mich) mal wieder auf einer party (lang)weile. groß, gepierct, tatöwiert. ein böser junge mit einem warmherzigen lächeln, irgendwo zwischen punk und raver. nur erwachsener, drüber hinaus.

er hat eine blonde frau an seiner seite, die ihm das ohr abquatscht. ich gucke hin und gucke weg und WEIß plötzlich, da wird was passieren. 10 minuten später steht er an meiner seite, gibt vor, mich zu kennen, um dann scheinbar überrascht festzustellen, dass ich ihm gänzlich fremd bin - ui, eine verwechslung, wie blöde, wie überraschend.

ich grinse in mich hinein, erkenne den versuch der anmache und bin gespannt, wie er sich weiter macht. doch er macht sich gut, meine langweile ist angenehm spannungsreich durchbrochen.
"hat deine frau nichts dagegen, wenn du dich solange mit mir unterhälst?" frage ich zwischendurch und piekse auf den vermeintlich wunden punkt.
"das ist nicht meine frau", sagt der fremde mann mit blick zur seite auf die blonde. "die hängt mir schon den ganzen abend am rockzipfel."

ich bekomme nicht mehr viel mit, weil ich irgendwo auf einem pillen-alk-high dahinfliege, schaffe es aber noch, ihm die telefonnummer abzuquatschen.
"ich steh auf verbindlichkeit", säusle ich, "wenn du nur so ein ficker bist, kannste dir das meinetwegen auch gleich sparen, dass du jetzt nach deinem handy suchst."
ich bin arrogant für zehn mann, denke ich dann, aber das ist okay. ich will das premium-filetsteak, darunter habe ich es viel zu lange gemacht.

zuhause stelle ich fest, dass ich mich weder an seinen namen noch an seinen beruf erinnern kann noch daran, woher er kommt. doch schon am nächsten tag meldet er sich. es folgen smsen, die schon fast als briefe durchgehen. er mag meinen humor. das ist schon mal etwas, finde ich.

wir wollen uns wiedersehen und verabreden uns für ein nächtliches strandpicknick. zwischen cocktails und leckereien kommen wir irgendwann auf das thema liebe zu sprechen. der mann hat eine 10-jährige beziehung hinter sich: "wir hatten ein haus zusammen vor den toren hamburgs... ein großes grundstück mit viel garten...", erzählt er, und ich denke schon, spießer, kannst gleich gehen, das passt nicht, bis er plötzlich lacht und sagt: "der nackte alptraum. ich habe gelebt als wäre ich 50, bin fett und faul geworden, habe meine freizeit vor dem fernseher verbracht und nicht gemerkt, wie kreuzunglücklich ich eigentlich war."

"kenn ich, das gefühl", kann ich einsteigen und berichte aus meinen letzten beziehungsversuchen zwischen kifferhöhle und bürgerlicher pseudoidylle. dabei beobachte ich, wie sein arm unauffällig näherrückt, checkt, wie viel geht, dann lasse ich mich unvermittelt hineinsinken und küsse drauf los.

er findet mich strange und schön und mag es, wie ich küsse. ich fühle mich derweil unwirklich und absurd. wann habe ich das letzte mal mit einem mann so kennenlerngeknutscht? das musste vor zwei jahren mit k. so gewesen sein. aber es ist gut, irgendwie, auch wenn ich neben mir stehe und die situation ungläubig bis misstrauisch beobachte.

gegen halb sechs uhr morgens stehen wir in eppendorf herum und wollen uns noch immer nicht recht trennen.
"oh mann, in zwei stunden muss ich wieder aufstehen und in die agentur", seufzt der mann.
"du arbeitest in einer agentur?"
holla die waldfee. da habe ich mir einen quasikollegen geangelt.
"ich muss jetzt auch nach hause, die dicke katze wartet auf mich", sage ich pflichtbewusst.
"cool, ich hatte auch mal eine katze. war ne tolle zeit", erinnert sich der mann.
"ja dann", sage ich und winde mich aus der umarmung.
"ja dann", sagt der mann, und: "ich frage dich jetzt mal lieber nicht, ob du mit zu mir kommst."
"das wäre eine schlechte idee", sage ich. "ficker hatte ich genug."

zuhause liegt die pupsi vor dem ventilator, alle viere von sich gestreckt. ich gebe ein bisschen geknutschtwordensein weiter und die pupsi klettert mit mir ins bett. ich schlafe ein, zu positive vibrations mit lautem hintergrundschnurren. noch einmal plingt das handy. der mann schreibt: "scheiße, ich fühle mich total surreal, das war so alles überhaupt nicht geplant", und ich grinse mich in den schlaf.

mal sehen, was da noch kommt.

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Mittwoch, 17. Juli 2013
spaß mit airberlin
flughafen hamburg. ein spätabendsflug. ich sitze mit businessonkels und shortstragenden urlaubern mit semilustigen strohhüten an meinem gate und will bloß schnell weg. mit airberlin.

wir sind 15 minuten zu spät dran. dann endlich boarding, ab in den bus und hinaus aufs rollfeld. als wir aussteigen, traue ich meinen augen kaum: da steht eine winzige altweiße propellermaschine, scheinbar direkt aus den 70er jahren, ohne erkennbares fluggesellschaften-logo. ein erster möglicher eindruck: hierbei handelt es sich um eine inoffizielle maschine, die, sobald wir in der luft sind, vom flugradar verschwindet, um uns nach afghanistan zu verschleppen, bevor unsere familien eine woche später fiese erpresserschreiben erhalten.

an der tür stehen allerdings zwei süße blonde, große jungs, nicht älter als 20. es sind dänen. zum ersten mal in meinem leben fliege ich mit stewards und nicht mit stewardessen. sie sagen höflich "good evening", was mich irritiert. bin ich hier überhaupt richtig? ist dies wirklich ein innerdeutscher flug?

wir kriechen in den flugzeugkörper, denn aufrechtes gehen ist nur denjenigen möglich, die kleiner als 1,65m sind. drinnen gibt es noch mehr schäbiges weißes plastik, vergilbte sitzbezüge und einen konsequenten mangel an jeglichem komfort. ich bete, dass ich nicht auf klo muss.

die sitzreihen sind so eng, dass ich meinem vordermann theoretisch die knie über die ohren hängen müsste. ich brauche eine weile, meine beine maximal kompakt zu verknoten, ohne dass der blutfluss dabei unterbrochen wird. mein sitznachbar lächelt mich schmierig an. schmierig ist übrigens auch genau das attibut, das auf die fenster zutrifft: die scheiben wirken, als hätte jemand mit einem mayonnaise-sandwich drauf rumgerubbelt. obwohl ich gerne beim fliegen aus dem fenster schaue, werde ich diesmal jegliche berührung mit der scheibe peinlichst vermeiden.

dann höre ich das vertraute "boarding completed" und die tür wird geschlossen. steward nummer eins hängt sich an einen altweißen, schäbigen hörer. die lautsprecher beginnen bedrohlich zu rauschen. zwischen lautem rascheln und knacken verstehe ich einige englische wortfetzen. vorne stülpt sich steward nummer zwei die schwimmweste über. ich höre "pull" und noch ein paar verben. aha, die sicherheitsinstruktionen. ich sehe mich kurz vor meinem geistigen auge, wie ich durch eine afghanische felsenformationen krabbele und mit "wolle schwimmweste" versuche, den einheimischen ein wenig nahrung abzuverhandeln. der schwimmwesten-steward grinst derweil belustigt. er weiß vermutlich, dass uns die schwimmwesten in afghanistan auch nichts helfen werden.

die propellermaschine gewinnt mühsam an höhe. der ganze flugzeugkörper vibriert und wackelt, es ist ein höllenlärm. alles, was man hin und wieder noch hört, ist das überlaute "pling", mit dem die raucher-blinksymbole über uns scheinbar unkontrolliert an- und ausgehen. ich kriege ohrendruck und augenflimmern, und auch mein schmieriger sitznachbar krallt sich angespannt in seine oberschenkel.

die getränke werden aufgefahren. weil ein herkömmlicher servierwagen nicht durch den gang passen würde, muss steward nummer eins vorweggehen und die snacks verteilen. er hält mir "sweet or salty" vor die nase und ich muss kichern, weil ich einen moment an "süßes oder saures" denken muss, dann entscheide ich mich für die chips - hab ich wenigstens gleich ein geiles souvenier für die püppirella. steward nummer zwei eiert mit den getränken hinterher. um die wünsche der fluggäste verstehen zu könne, muss er sich tief in die sitzenreihen hineinbeugen und den gästen das ohr vor den mund halten. dann kommt er zu mir. ich schreie, so laut ich kann, "tomatoe juice" in das mir dargebotete ohr. oh wunder, der steward versteht sofort und reicht mir einen becher mit lauwarmem tomatensaft, dazu salz und pfeffer.

obwohl mein schmieriger sitznachbar ein eher kleinwüchsiges männlein ist, hat er beim herunterklappen des tischchens dasselbe problem wie ich: der 90-grad-winkel ist nahezu unerreichbar. immerzu sind die knie im weg. schließlich speizt er die beine um das tischchen herum und erreicht so eine halbwegs gerade fläche, während ich entnervt aufgebe, den becher zwischen meine knie klemme und meinen saft mit salz und pfeffer vermische. mein sitznachbar grinst ein wenig, aber das grinsen vergeht ihm mit dem nächsten luftloch, als das tischchen sich selbst kurz einklappt und meinen sitznachbar in bier badet. weil ich aber so ein nettes wesen bin, reiche ich dem schmierigen typ ein taschentuch, schließlich kann man nie wissen, ob solidarität gemäß dem do-ut-des-prinzip später im entführercamp nicht doch eine lebensrettende rolle spielen wird.

nach gut einer stunde stelle ich fest, dass wir über einer stadt kreisen. ich vermute, dass es sich um mein reiseziel handelt, kann es jedoch nicht mit sicherheit sagen. ich halte nach den bekannten hohen punkten wie businesstower und fernsehturm ausschau, kann aber durch die mayonnaise-fenster nichts erkennen. dennoch komme ich zu dem schluss, dass wir uns definitiv in der zivilisierten welt aufhalten, da es da unten autobahnen und lichter gibt.

alles wird gut. wir landen unerwartet sanft. ich entknote meine beine und schlängle mich mit den anderen passagieren aus dem flugzeug. aufatmen. wir werden dann subito mit dem bus richtung flughafen geshuttelt und eilen lemmingherdenartig in richtung baggage claim.

am gepäckband stehe ich mit einer immensen horde kurzhosiger, sonnenbebrillter schlappenträger und kreischenden kindern. die waren mir im flieger irgendwie gar nicht aufgefallen. auf dem gepäckband türmen sich hartschalenkoffer und surfbretter. interessant, denke ich, wusste ich doch nicht, dass man in hamburg surfen gehen kann.

mein koffer kommt nicht. auch nach 20 minuten, als die meisten schlappenträger schon durch den ausgang gewatschelt sind, warte ich noch. kurz bevor ich mich beschweren gehen will, klärt ein blick nach oben das missverständnis auf: ich warte am gepäckband "korfu". ein blick weiter nach hinten in die halle offenbart ein vollkommen verlassenes gepäckband mit der aufschrift "hamburg", auf dem einsam mein koffer seine runden dreht. offenbar haben das geschüttel und der krach im flieger irgendwelche hirnfunktionen bei mir durcheinandergerüttelt und meine aufmerksamkeit zerstört. danke, airberlin.

dann stehe ich endlich draußen. ruhe. kühle, frische nachtluft. und meine lieben, die mir vom parkplatz zuwinken.

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Samstag, 13. Juli 2013
kettensägenmassaker im schrebergarten
ich wohne relativ idyllisch. im "park", wie der objektsohnemann das immer gerne nannte. nunja, also es gibt wiese und bäume und blumen und daneben jede menge schrebergärten. wenn meine türkischen nachbarn nicht gerade ihre traditionellen gesänge anstimmen, herrscht hier ruhe (und ZUCHT und ORRRRDNUNG!).

ich habe urlaub. meine erste nacht sollte besonders schön und lang werden. also am vorabend die katze ins koma füttern, tür zu, licht aus, fenster auf, schlafbrille auf und eingeschlummert.

doch ich träume wirr, schlafe unruhig und wache, als es hell ist, immer wieder auf. da ist nämlich ein störendes geräusch. ziemlich laut sogar. fliegen die flugzeuge schon wieder ihre schlechtwetterroute über mein haus? aber halt, nein, das kann nicht sein. landet ein flugzeug, klingt das in etwa so, wie wenn eine fliegerbombe in zeitlupe vom himmel fällt. es kommt näher, es wird lauter, es pfeift und brummt und gibt einen gewissen druck, der die fenster kurzzeitig zum vibrieren bringt, bis das geräusch dann ziemlich plötzlich verebbt. wenn es dann nicht kracht, ist das flugzeug gut gelandet und nicht am boden zerschellt und explodiert.

doch der lärm, den ich dauernd höre, kommt nicht aus dem himmel. sondern von nebenan aus dem schrebergarten. es ist eine kettensäge. ich gucke auf den wecker. es ist 8.28 uhr und ich denke: alter! wer werkelt denn bitte samstags um 8.28 uhr mit der kettensäge im schrebergarten?! a) was für eine grenzenlose unverschämtheit der werktätigen bevölkerung gegenüber, die wochenends ihr burnout wegschlafen muss, und b) rechnen sie mal nach! wer um 8.28 uhr mit der kettensäge im schrebergarten steht, der muss ja spätestens um 7 uhr aufgestanden sein (so mit anziehen, gebiss ins maul, mit tante trude ein 4-minuten-ei frühstücken, cholesterintablette hinterher, zeitung und eingetuppertes lunchpaket einpacken, kettensäge unter den arm nehmen und dann im opel oder im mercedes oder in der familienpapi-eierschaukel losfahren).

innerhalb weniger sekunden koche ich hoch. ich fummle die kontaktlinsen rein und gehe tantetrudemäßig um 8.29 uhr gaffen, um den kettensägenmassakreur visuell ausfindig zu machen, damit ich ein realistisches feindbild bekomme, um mich genüsslicher echauffieren und mir vorstellen zu können, wie ich den typ erst mit seiner kettensäge massakriere und ihn dann durch den häcksler jage. und tatsächlich, da steht das arschloch, luftlinie 30 meter, mittelalt, dynamisch, aufstrebend, in bermudas und sneakers und frisiert seine büsche (also die pflanzen) und bäume. und ich denke: alter! hast du nix zu ficken?

mein gedanke wird aber sofort lügen gestraft, denn nun kommt eine blonde ische aus dem haus, dynamisch, aufstrebend, in bermudas und sneakers und hat eine gartenschere in der hand. aha, sie macht also die feinarbeit, er ist eher so für das grobe zuständig. ich muss also vermuten, da wird tatsächlich gefickt, wahrscheinlich immer mittwochs nach der tagesschau, wenn sie ihm das erste bierchen gebracht hat.

ich mache das fenster zu, was nur wenig hilft, und versuche, wieder zu ruhe zu kommen und hoffe, dass die bald fertig sind, denn solche paare müssen doch eigentlich spätestens um half elf im tchibo-prozente-shop sein, um schnäppchen wie tupperware oder schlafanzüge im unisex-look zu jagen. danach wird noch einmal wurst und käse eingekauft, bevor es pünktlich um halb eins zu schwiegermama geht, die mit einem zünftigen sauerbraten aufwartet.

offenbar liege ich damit richtig, denn gegen 10 verebbt der kreischende lärm. ich drehe mich erleichert um. endlich ruhe! ich schließe die augen und stelle mir noch mal die beruhigende blutlache von zwei bermudas-und-sneakers-tragenden personen vor, die durch den tchibo-prozente-shop schwappt. ich werde dabei ganz dösig und habe schon traumbilder vor augen, bis dann allerdings die katze an der tür zu kratzen und laut zu mauzen beginnt. hunger oder langeweile oder wasweißich. jedenfalls ein bedürfnis, das sofort gestillt werden möchte.

jetzt gebe ich das projekt ausschlafen doch lieber auf, denn ich weiß: die katze ist hartnäckiger als jeder kettensägenmassakreur. besonders, wenn sie weiß, es ist noch thunfisch im kühlschrank. essen ist der sex des alters, und meine olle mieze hat ja ohnehin nix zu ficken.

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Sonntag, 7. Juli 2013
immer weiter tanzen
ich ziehe mit der krankenschwester durch die schanze, alkohol in der hand, und um uns zu viele menschen und zu viel fremde kotze. auch der krankenschwester ist unwohl, hat sie sich denn nun endlich definitiv von ihrem psycho-freund getrennt und ist über ihre eigene entscheidung geteilter meinung. dabei hat sie sogar meinen rat ernst genommen und sich mit t. getroffen.
"und, wie wars?" frage ich neugierig.
"ach, ich weiß nicht... da war nicht viel. dem muss man ja alles aus der nase ziehen. das ist so ein ganz, ganz stiller."
"das geht mir bei dem auch so. und ich weiß dann immer nicht recht, mag der mich oder fühlt der sich durch meine anwesenheit gestört?"
"ja, genau!" findet die krankenschwester und leert ihren caipi quasi auf ex.
"ich bin ja froh, dass ich keinen mann mehr habe", finde ich. "und, hey, ich habe sex mit mir mit orgasmusgarantie!"
"ja, manchmal ist das echt besser als ein schwanz", stimmt die krankenschwester zu.

ein besoffener gesellt sich zu uns und labert uns voll:
"ooooch... du bist so schön! und du auch!"
ich gucke zur krankenschwester, die krankenschwester guckt zu mir.
"du bist total besoffen", sage ich zu dem typ, der kaum mehr die augen offen halten kann.
"ja, abba... ich bin schön!" behauptet der typ nun.
wir brechen vor lachen zusammen.
"wasn nu?" will der typ wissen. "ich bin wirklich schön!"
"ansichtssache", sagt die krankenschwester arschcool, und ich muss kichern.
der typ lässt nicht locker.
"oooohhh. dasis ja ne einladung", sagt er und zupft mich am dekolleté.
"aber du hast keine bekommen", haue ich ihm auf die finger.
"ich hab ja auchn kind", erinnert der typ sich dann.
"dann huschhusch nachhause", sagt die krankenschwester.
endlich trollt sich der suffkopp.

wir beschließen, doch gleich direkt in den club weiterzuziehen anstatt noch kneipen aufzusuchen.
"ich bin eigentlich noch viel zu nüchtern für den club", jammert die krankenschwester.
"hoffentlich ist das objekt nicht da" sage ich.
"der? oh, der hat mich vor ein paar wochen mal total vollgesülzt", sagt die krankenschwester. "blabla, ich sei ja so eine unabhängige frau und stünde sicher auch auf arschficken und so ne geschichten."
"und?"
"ich hab gesagt, ich finde das widerlich. war er total aufgebracht und meinte, warum, und das sei doch voll geil."
ich kichere.
"der war da aber auch schon wieder jenseits von gut und böse."
"kenn ich."
"ja, aber weißt du, bei dem ist man irgendwie nur sexobjekt... der hat sich nur mit meinen titten unterhalten! der hat mir kein einziges mal in die augen geschaut!"
"kenn ich", wiederhole ich, dann müssen wir beide lachen.

im club habe ich allerdings glücklicherweise objektfrei und eine leere tanzfläche. die musik ist erst grottenschlecht. zum glück ist mein lieblingsbarkeeper da, der mir einige kostenfreie hausmarke-schnäpse andreht. irgendwann, als mir schon ganz schummrig ist, wird die musik auf einmal brutal hart und tanzbar. ich schrubbe eine stunde durch und lande dann schweißgebadet auf der couch. plötzlich ist t. da und setzt sich neben mich.
"die krankenschwester ist auch hier", informiere ich t.
kaum habe ich den satz ausgesprochen, kommt die krankenschwester heran und ist ganz flirty. frech setzt sie sich auf t.s schoß, aber bei t. regt sich keine miene oder irgendwas anderes. dann steht t. unvermittelt auf und verlässt den raum.
"siehst du", sagt die krankenschwester.
"hm", erwidere ich.
"charmant geht anders. aber vielleicht hat er die trennung von m. letztes jahr immer noch nicht verwunden."

"was bleibt uns denn dann übrig? wenn alle typen so scheiße sind!" sinniert die krankenschwester.
"tanzen", sage ich. "nur tanzen."
"gute idee. aber vorher müssen wir unbedingt noch was trinken."
die krankenschwester schleppt mich zum barkeeper, der amüsiert in sich hineingrinst und uns wortlos zwei hausmarke vor die nase setzt.
"du bist echt okay", säusle ich.
"ich bin ja auch schwul", sagt der barkeeper.
"du bist unser mann!" findet die krankenschwester. "der letzte mann unter all den arschlöchern."
der barkeeper grinst geschmeichelt und schenkt uns dann noch eine tüte nüsse.
"da, esst mal was, sonst findet ihr heute nicht mehr nach hause."

wir tanzen bis halb sechs uhr morgens, mit dem sicheren gefühl, keiner kann uns, schon gar kein typ, dann stacksen wir in der warmen morgensonne zum bahnhof. wir kaufen uns noch brötchen und kaffee, dann fährt eine jede von uns ihre wege, gut gelaunt bis gleichmütig.

zuhause wartet die püppilotta auf mich, die auch ganz hervorragend ohne kater, wenn auch nicht ohne thunfisch auskommt. wir kuscheln noch ein bisschen, dann falle ich ins bett, nicht ohne den wecker auf 12 zu stellen, denn sonntag ist kleines bloggertreffen auf dem kiez mit anschließendem elbspaziergang, danach sonntags-prätatort-telefonat mit lady marmalade, die neue objektrachestrategien mit mir ausheckt.

was wär mein leben ohne euch blogger. da sind ja echt ein paar goldstücke darunter. danke dafür.

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Montag, 1. Juli 2013
breakfast ente shenzuan
just als ich vollkornspaghetti aufgesetzt habe und mich ein komisches gefühl befällt, weil vollkornspaghetti ein typisches objektessen sind, klingelt das telefon und die lederjacke ist dran.
"magst du mit n eis essen kommen?"
"nee. ich koche gerade."
"oh! was gibt´s denn?"
"vollkornspaghetti."
"und weiter?"
"meersalz und butter."
"wahnsinnig nahrhaft. komm doch rum, dann gehen wir essen."

um 17 uhr treffen wir uns an einer großen kreuzung in eppendorf.
"und? magst du ein eis haben?" fragt mich die lederjacke.
"ey, ich muss erstmal was frühstücken."
"ich meinte ja davor."
"willst du, dass ich noch fetter werde?"
die lederjacke rollt die augen.
"hör auf die augen zu rollen! du bist derjenige, der sich nicht ins schwimmbad traut, wenn er nicht mindestens viermal die woche trainieren rennt!"
"scheiße, du kennst mich zu gut."

"guck mal, da ist der neue asiate!" stupst mich die lederjacke kurz darauf an.
"dann lass uns da rein gehen."
die lederjacke grinst und hält mir die tür auf:
"hereinspaziert."

am tresen guckt uns eine asiatin verschlafen entgegen. die lederjacke macht ein großes bohei, nimmt mir die jacke ab und rückt mir den stuhl zurecht. dann sitzen wir da und grinsen uns an.
"sie schon wieder", sage ich.
"jaja, er nu wieder", entgegnet die lederjacke.
die speisekarte kommt angeflattert.
wir bestellen alle vorspeisen und dazu ente shenzuan. die bedienung guckt verwirrt, vor allem, als die lederjacke sie auffordert, alles gleichzeitig zu bringen.

dann sitzen wir da und mümmeln. das licht ist schummrig und wir schauen uns in die gesichter. da stutze ich:
"sag mal, hat dir mal wer die nase gebrochen?"
die lederjacke verschluckt sich an ihrer erdnuss-soße und erwidert perplex:
"nee, wie kommste denn da drauf?"
"das da sieht aus wie ein längsbruch. so leicht schräg."
ich deute die linie am nasenbein an.
der lederjacke scheint ein licht aufzugehen:
"ach, das meinst du." und sie fährt mit dem finger die einkerbung auf ihrer nase entlang.
"ja, genau!"
"das war ne messerattacke."
die lederjacke sagt das so ruhig, als würde sie die auslage in einem schaufenster kommentieren, während mir fast das essen aus dem mund fällt.
"jetzt guck nicht so, das hab ich dir doch bestimmt schon erzählt", sagt die lederjacke so lapidar, als diskutierten wir über unsere lieblingsfarben.
"nee! das hör ich zum ersten mal."

die lederjacke nimmt die haare, die ihr in die stirn fallen, zur seite.
"fällt dir was auf?"
ich gucke genauer und stelle fest, dass die feine einkerbung auf der nase weiter über die gesamte stirn bis zum haaransatz verläuft.
"alter!" rufe ich entsetzt.
"jetzt krieg dich mal wieder ein."
"jetzt erzähl doch mal, wie ist das denn passiert?"

die lederjacke berichtet von ihrem bruder, der zwei mädels abgeschleppt hatte, die sich wohl in festen händen befanden. die festen hände gehörten zwei schwarzafrikanern, die zusammen mit drei weiteren kumpels unterwegs waren.
"die wollen sich dann die mädels mit gewalt zurückholen."
die lederjacke und ihr bruder nahmen sich je zwei von den typen vor und schlugen sie nieder. dann packte allerdings der fünfte ein messer aus.
"ich hab das gar nicht richtig gemerkt... ich hab einfach nur nichts mehr gesehen. das kam vom blut, das mir in die augen lief. erst in der notaufnahme hab ich mir dann mal an den kopf gefasst und bin total erschrocken, weil ich den knochen berühren konnte."

der wahre horror kam allerdings erst im nachgang. der messerstecher war polizeibekannt und vor allem: hiv-positiv. die lederjacke musste einen aidstest machen, der aber glücklicherweise negativ war.
"ich hatte echt wahnsinniges glück. ich hatte nämlich einen ganz dicken pulli an diesem abend an... und zuhause habe ich dann gesehen, dass der lauter löcher hatte... da hatte der typ versucht, mich abzustechen, ist aber nicht richtig durchgekommen."

"man sieht aber kaum noch was von der verletzung", finde ich.
"das hat aber mal schlimm ausgesehen. das hat wochen gedauert, bis ich wieder unter leute konnte."
ich gucke und gucke und die lederjacke lacht.
"du müsstest dich mal sehen!"
ich schüttle den kopf:
"ich kenne einige männer, die sich manchmal prügeln... aber ne messerstecherei hatte noch keiner von denen!"

dann fällt mir das objekt ein, das auch schon mal mit einem messer angegriffen worden war, die attacke jedoch noch hatte abwenden wenden, indem es den täter kurzerhand bewusstlos schlug. schnell schiebe ich den gedanken beiseite, schlechter gedanke, wenn man hier mit einem entzückenden mann wie der lederjacke zusammensitzt, und überhaupt, die vollkornspaghetti würde ich nachher auch gleich entsorgen.

"jedenfalls bin ich total froh, dass die narbe heute kaum mehr auffällt... nur die einkerbung, die du gesehen hast, das ist eben der knorpel, der wächst nicht mehr zusammen."
ich starre die lederjacke noch immer an, kaue auf einem stück ente herum und fühle mutterinstinkte in mir aufsteigen, bis die lederjacke energisch sagt:
"so, themawechsel. möchtest du noch was haben? krabben oder wantans?"
ich schüttle den kopf.
"nee. ich will nur eins.
"was denn?"
"dass du verdammt noch mal auf dich aufpasst. ich brauch dich nämlich noch ein bisschen als freund."
die lederjacke lacht, aber ich merke, dass sie ein bisschen gerührt ist, eine gefühlsregung, die bei der lederjacke nüchtern absolut selten ist und die einiger lederjackenkenntnis bedarf, um sie überhaupt festzustellen.

dann zahlt die lederjacke, gentleman, der sie eben ist, und schleift mich zur nächsten eisdiele, wo sie nach pekingsalat, suppe süßsauer, wantans, frittierten krabben, ente und nudeln noch einen eisbecher verdrückt und mir dabei vorrechnet, wie viele situps und liegestütze das nun wieder werden. ich sitze dabei, rauche eine zigarette, schaue in den blauorangefarbenen abendhimmel und die regenwolken, die drüben über den hochhäusern, wo das objekt wohnt, schon wieder heraufziehen, und fühle mich sehr satt und wohl.

kurz darauf trennen wir uns nach einer knappen umarmung, in der ich die verunsicherung der lederjacke spüre, wie immer, wenn es etwas emotional wird. ich hab dich gern, sage ich leise in den fahrtwind, der mir die ersten nieseltropfen ins gesicht peitscht, und hoffe, dass ich die lederjacke noch lange, lange kennen darf.

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Samstag, 29. Juni 2013
einatmen, ausatmen. atem anhalten.
freitag. arbeiten, putzen, auf einen geburtstag eilen. um mitternacht bin ich allerdings schon wieder zuhause, unschlüssig, verloren, mit einem expansiven, gefährlichen warsdasjetzt-gefühl in der brust.

dann der anruf der lederjacke.
"na, schon besoffen", frage ich.
"boah, samma, wie redsndu mit mir?"
"du lallst."
"jaaa... sorry. hab einen im tee."
"is ja freitag, also normalzustand."
"ja verdammt. ich warte doch die ganze woche nur drauf, mir einnnn... zu brenn."
"wo bist du denn?"
"suhause."
"ah."
"du?"
"ja?"
"komm doch vorbei."
"komm du doch."
"nee, kann nich mehr... raddfaahn."
"okay. aber dann iss mal was und trink langsamer. sonst findest du den türöffner nicht mehr und ich muss bei deiner nachbarin klingeln."
"okee."

ich renne unter die dusche, ziehe mich hastig an und radle zur lederjacke. als sie den summer drückt, sage ich energisch:
"kriminalpolizei. wir hätten da ein paar fragen an sie."
oben steht die lederjacke im flur, eine halb leere flasche rum in der hand, aber schon wieder relativ nüchtern wirkend.
"ey, hör bloß auf. das vergnügen mit den bullen hatte ich erst letzte woche."
"warum das denn schon wieder?"
die lederjacke erzählt aufgedreht sein abenteuer vom letzten wochenende:
"ich war bei meinen eltern, und abends war ich mit meinen brüdern in ner dorfdisse. da wars irgendwie total eng und voll, und da bin ich wohl dem dj ein bisschen nahe gekommen."
"wie, nahe gekommen?"
"irgendwie hab ich den wohl geschubst."
"ja und?"
"dann wollte der arsch mich rausschmeißen. das fand ich total überzogen und dann ist das ganze halt ein bisschen eskaliert."
"wie, eskaliert?"
"ach, ich weiß auch nicht. jedenfalls haben die dann die bullen gerufen und die haben mich mitgenommen."
"wohin?"
"erst dachte ich, kacke, ausnüchterungszelle und anzeige und der ganze stress. aber dann wollten die einfach nur meinen ausweis. den hatte ich aber nicht, den hat ja wahrscheinlich noch der taxifahrer."
"ach ja, ich erinnere mich. dem du noch 50 tacken schuldest und der dir jetzt nach dem leben trachtet."
"genau. naja, und irgendwie war dann alles viel cooler als befürchtet. ich mein, is ja auch nix passiert. hab ja keinem wehgetan und auch nix kaputtgemacht. war ja nur ne meinungsverschiedenheit."
"ich dachte, du hast den typ geschubst."
"ach, ich weiß doch auch nicht. jedenfalls gabs keine toten... und die bullen waren dann auch echt chilled und meinten, es gäbe wohl keine anzeige."
"gottseidank."
"ja, pass auf, wird noch viel geiler! ich sag dann so, scheiße, ich hab kein geld mehr fürs taxi. sagt der oberbulle, kein problem, wir fahren dich nachhause."
"is nich wahr!"
"ich glaub, das war das erste mal in meinem leben, dass ich den bullen dankbar war. die haben mich echt zu meinen eltern nachhause gebracht."
"und die haben nix gemerkt?"
"doch, leider, meine mutter."
"auweiha."
"die kennt das schon von meinen brüdern... die meinte nur so, krass, ich guck ins treppenhaus und denke, du hast irgendwelche kumpels mit... und dann les ich da auf der jacke polizei!"
"und, hast du gebeichtet? dass du den dj geschubst hast?"
"nee, meine mutter findet bullen grundsätzlich scheiße und sagt immer, sowas hat bei uns zuhause nix verloren."
"hahaha!"
"ja, echt. da muss man sich keine sorgen machen bei der, und mit fünf söhnen ist die sowieso einiges gewohnt."
"hauptsache, du hast nicht schon wieder ne anzeige an der backe. wird ja langsam teuer bei dir."
"nee, dafür hab ich nen gerichtsprozess am hals."
ich reiße die augen auf.
"wiebitte?"
"das sozialamt meint, ich hätte es letztes jahr verarscht."
"warum das denn?"
"du erinnerst dich noch an meinen letzten job? wo ich so wenig verdient hab? da gabs mal eine gehaltsanpassung. vor der gehaltsanpassung hatte ich anspruch auf grundsicherung. und die sind jetzt der meinung, ich hätte denen die anhebung absichtlich drei monate zu spät mitgeteilt."
"stimmt das denn?"
"ach quatsch."
"und nun?"
"hab ich mir einen anwalt genommen."
"cool."
"ja, nix, kostet wieder 600 tacken und das sind nur die vorprozesskosten."
"krass. aber wenn du das nicht zu spät gemeldet hast, hast du doch nichts zu befürchten?"
die lederjacke lacht:
"hey, ich arbeite bei der stadt hamburg! die, die mich da angezeigt haben, sind quasi meine kollegen! ich weiß, wie da gearbeitet wird! wenn die dich drankriegen wollen, kriegen die dich auch dran. das ist ein ganz unfassbarer verein da."

nachdem wir den rest rum plattgemacht haben, diskutieren wir weiter über den staat, die stadt hamburg, staatsverschuldung und globalisierung und schwuppdiwupp ist es drei uhr nachts.
ich gähne laut.
"langweilst du dich?" fragt die lederjacke bestürzt.
"kein bisschen. ich mag diese tiefschürfenden diskussionen. und du kannst gut reden."
"wie meinst du das?"
"man hört dir gerne zu, weil das, was du so von dir gibst, durchdacht ist... und weil du wie ich diesen vollkommen unrealistischen wahrheitsanspruch hast."
die lederjacke kichert.
"findeste, dass ich unrealistisch bin?"
"nicht mit deinen thesen und forderungen, aber mit deiner art zu denken. die kannst du nämlich bei 99 prozent der menschheit nicht voraussetzen."
"deshalb rede ich ja so gerne mit dir", lächelt mich die lederjacke warmherzig an.

wir verharren im blick, starren ein bisschen zu lange, bis mich ein schauer packt und ich fröstelnd "hu!" sage.
"ist dir kalt?" beobachtet mich die lederjacke aufmerksam.
"ein bisschen."
"wollen wir ins bett gehen?"
ich nicke begeistert.
"dass ich das noch erleben darf."
"wie meinst du?"
"du bist doch sonst der mann, der nie vor mittags schlafen geht."
"findest du das schlimm?"
"naja, du kennst halt kein maß. so grundsätzlich."
"doch schlimm, oder?"
"nee. aber mit dem wachbleiben überforderst du sogar eine nachteule wie mich."
"dann lass uns jetzt schnell rübergehen!"

wir krabbeln angezogen unter die decke. dann liegen wir da und gucken uns an. ich kann den blick der lederjacke nicht deuten. dann fragt sie mich:
"was denkst du?"
ich muss lachen.
"das ist eine scheißfrage. ich enthalte mich."
die lederjacke schließt die augen.
ich betrachte ihr schönes gesicht, die gleichmäßigen,langen blonden wimpern, das haar, das ihr in die stirn fällt, die kleinen lachfältchen um die augen und die strengen nasolabialfalten, die für das lederjacken-alter viel zu tief, aber nichtsdestoweniger schön sind und dem gesicht zusammen mit dem scharf definierten kinn eine gewisse kantigkeit verleihen.

"du guckst mich an", sagt die lederjacke.
"ja."
"warum?"
"nur so halt. ist besser als fernsehen."
jetzt muss die lederjacke lachen. dann legt sie den arm um meine taille und zieht mich über die matratze zu sich heran. wir liegen wange auf wange, die beine ineinandergelungen und atmen einfach nur. ein und aus und wieder ein. wieder einmal fällt mir auf, wie gut ich die lederjacke riechen kann, obwohl sie ganz anders als beispielsweise das objekt duftet.
die lederjacke lässt die hand meine wirbelsäule entlang aufwärts wandern. ich halte den atem an und sterbe in kleinen schauern vor mich hin.
"gehts dir gut", will die lederjacke wissen.
"im moment schon. ich fühl mich wohl."
"aber sonst nicht so, oder?"
"sonst nicht so, ja, das ist leider so. aber jetzt gerade ist alles gut. ich bin ganz geborgen."
die lederjacke lächelt glücklich und lässt die finger weiter wandern, immer zwischen meinen schulterblättern hin und her. ich merke, wie ich mich entspanne, obwohl ich auch angesext bin.

dann schlafe ich kurz ein und wache wieder auf, weil ich merke, dass die lederjacke nicht schläft.
"kannst du nicht einschlafen?"
"du weißt doch, dass ich nicht pennen kann."
"hm. ja schade, ich hoffe, das ist okay so, wenn ich weiter schlafe?"
"klar."
die lederjacke nimmt meine hände in seine.
"du bist ganz kalt, du hast vorhin richtig lang gefroren, oder? und hast nix gesagt, weil ich so viel gelabert habe?"
"quatsch. vielleicht habe ich gefroren und es nicht gemerkt."
die lederjacke lächelt, dann schließt sie endlich die augen und langsam, langsam wird ihr atem gleichmäßiger und ruhiger.
ich selbst liege noch eine weile wach, schnuppere den wohlgeruch der lederjacke und hoffe, dass ich den duft irgendwie zerebral bis zum nächsten mal speichern kann, weil ich mir so sehr etwas wünsche, das mich über die die tage und die woche und überhaupt rettet.

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Mittwoch, 26. Juni 2013
negative energie
"mein team ist faul und nichtsnutzig und tanzt mir auf der nase herum", brüllt die gf ins telefon. am anderen ende der leitung ist aber nicht ihr lover, die beste freundin oder die mama. sondern ein redakteur einer nicht ganz unbedeutenden tageszeitung vom axelschweiß-verlag.

fremdschämen deluxe. ich überlege, die kündigung, die ich für den nächsten monat erwäge, vorzuverlegen. aber das bedeutet unsicherheit. zumal die beiden potenziellen arbeitgeber sich mit vertrag und konkreten zahlen noch bedeckt halten. intelligenz bedeutet, die unsicherheit ertragen zu können, sagte meine lieblingsprofessorin einst. für die derzeitige unsicherheit brauche ich allerdings einen iq von mindestens 200. und hellsehen können müsste ich auch.

während sich die gedanken so überschlagen, verknoten sich fröhlich mein nacken und meine schulter. ich bin mies gelaunt, zumal meine nachbarn wieder mal die nacht zum tag machen und ständig bis fünf uhr morgens singen. für eine offizielle beschwerde brauche ich einen zeugen, sagt die verwaltung. haha, antwortete ich, meine katze hat die auch gehört. die ist so nervös, dass die inzwischen wieder die vorhänge hochgeht. das zählt nicht, findet die verwaltung. ich gebe genervt zu protokoll, dass ich alleine lebe und normalerweise keinen zeugen nachts in meinem schlafzimmer wohnen, da beischläfer beischläfer und keine nachtschläfer bei mir sind. der verwaltung ist das wurscht. ich glühe innerlich wie ein haufen ungekühlter brennstäbe und befinde mich kurz vor dem supergau.

die püppilotta spürt meine stimmung und fährt ein paar beschwichtigungsstrategien. um die beine streichen, schnurren. schnurren beruhigt. auch mich. ohne püppirella würde ich durchdrehen. mit ihr drehe ich zwar auch durch, aber anders. eher äußerlich und schandtatenbezogen. wegen angefressener schuhe, abgefetzter vorhänge und ihrer neuen lieblingsbeschäftigung: meinen schrank öffnen und sich in den winterpullis wälzen. sie ist nervigste und entzückendste wesen in meinem kleinen universum. danke dafür, püppilotta.

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Samstag, 15. Juni 2013
fauchkatzen-update II
schritt für schritt und tag für tag hat mich die püppilotta ein bisschen mehr zum superfrauchen erkoren und ist zu einer extrem menschbezogenen katze mutiert. wenn ich da bin, liegt sie zu meinen füßen oder sitzt auf der kommode neben meinem schreibtisch und blinzelt mir zu.

eine neue lieblingsbeschäftigung ist, mit anlauf auf meinen drehstuhl zu springen und kreiselnd ein stück durchs zimmer zu rollen. ansonsten steht sie sehr auf essen teilen und klaut gerne mein abendessen, um es hinter die langen, schweren vorhänge zu schleppen und dort zu verspeisen. die vorhangschals haben jetzt fettflecken von chili-hühnchen und wantans. der (leider nicht versiegelte) parkettboden auch. nunja. ist eben leben in der butze, wa.

gerne würde die püppirella auch am fenster sitzen. während wildcat einst mit einem satz meine schmalen fensterbretter okkupierte, schafft es meine übergewichtigte 13-jährige jedesmal, an der scheibe abzuprallen und auf die heizung abzustürzen. zum glück haben wir das bislang ohne verletzungen geschafft. ich muss irgendwie das fensterbrett verbreitern.
auch der große schlafzimmerspiegel ist noch immer eine böse falle (vermeintlicher durchgang, nachts wache ich manchmal von einem dumpfen *klonk* auf.)

mein ganzer stolz ist das schöne glänzende fell, das die püppilotta-püppirella in den letzten wochen bekommen hat. tägliches kämmen und viel purina one scheinen ihre wirkung zu tun. weil ich sie viel rumscheuche, hat sie auch abgenommen und sieht jetzt nicht mehr aus wie ein nasser sack.

kurzum, wir sind eigentlich ganz happy. jetzt brauchen wir nur noch den finalen für-immer-platz für die kitty. behalten kommt für mich leider nicht infrage, da ich im september wahrscheinlich wieder meine 60-stunden-woche aufnehmen werde.


püppirella beim püppirollern in meinem vorhang.

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