Freitag, 25. Juli 2014
kreuzung
ich fahre über eine kreuzung mitten in eppendorf, als ich plötzlich sehe, dass mir das objekt entgegenkommt. es schaut mindestens so überrascht drein wie ich, dann ruft es "hey! hey morphine!" und gestikuliert, ich solle stehenbleiben.

vom bordstein aus beobachte ich, wie das objekt auf der vierspuringen straße zu wenden versucht und dabei zwei autos eine vollbremsung abverlangt. es wird mehrfach gehupt, das objekt macht beschwichtigende gesten und nähert sich mir dann unter protestrufen der aufgebrachten autofahrer. "ich dachte schon, die überfahren mich jetzt", sagt es zur begrüßung, als es endlich neben mir zum stehen kommt.

ich schaue ihm ins gesicht und dann gleich lieber wieder weg, weil ich trotz der dumpfen enttäuschung debil grinsen muss, und das grinsen mag ich dem objekt nicht gönnen.
das objekt selbst ist extrem blass und mustert mich prüfend aus seinen grünen augen.
"wie gehts dir", fragt es zögerlich, um überhaupt etwas zu sagen.
ich zucke die achseln.
"ich dachte, du wohnst schon in köln?"
"berlin, wenn", erwidere ich. "da musst du dich allerdings noch ein, zwei monate gedulden."
das objekt sucht meinen blick.
"ich glaube, es ist die richtige entscheidung, wenn du hier weggehst", sagt das objekt. ich merke, wie vieles es damit meint.

wir starren einander an. es ist unmöglich, einfach die biege zu machen, es ist sehen-sucht im wahrsten wortsinn. ich habe die vorstellung, dass die objektpupillen mich wie saugnäpfe in die dunkle objektseele ziehen können, und muss schnell wieder zu boden blicken. ich überlege, ob ich hämisch fragen soll, ob der urlaub schön war, unterlasse es jedoch.

"ich vermiss dich", sagt das objekt schließlich leise. "deine wärme... deinen kopf... nicht nur das sexuelle. so diese woche hab ich ganz viel an dich gedacht."
ich kann gar nichts sagen, nur hoffen, dass sich der boden auftut und mich verschluckt. es sind nur worte, sage ich mir, und auf seine worte solltest du scheißen.
"ich scheiß auf deine worte", sage ich also, aber es klingt eher wie "ich liebe dich". ganz dünne tarnung. nichts, was das objekt nicht sofort durchschaut.

es sagt erstmal nichts mehr.
"ich hab dir gerade nicht so viel zu sagen", entschuldige ich mich und denke gleich darauf, du blöde kuh, jetzt rechtfertigst du dich schon wieder.
"geht mir nicht anders", sagt das objekt, dankbar, als hätte ich ein düsteres geheimnis zur sprache gebracht.
"aber du, wenn du umziehst... sag mir bescheid, wenn du irgendwie hilfe braucht", bietet es an.
schlechtes gewissen. das war nicht schwer auszurechnen. aber im anbetracht der heiklen situation ein durchaus nicht ganz unnützes freikauf-angebot.
"mal sehen", sage ich indifferent. "ich mag mich gerade nicht auf dich verlassen müssen."
das objekt schaut betreten.
"ja dann..."
"tschüß", sage ich kühl.

keiner fährt los. beide starren.
dann beugt sich das objekt über zwei räder und zieht mich in seine arme. es ist sehr warm und riecht nach arbeit und sommer. ich versuche, ihm nicht entgegenzukommen, merke dann jedoch, wie ich mich entspanne und dem objekt entgegensinke. das objekt seufzt und hält mich ganz fest. eine gefühlte ewigkeit verharren wir so.
irgendwann mache ich mich los und stelle den fuß aufs pedal. das muss ja schließlich auch mal ein ende haben.

"machs gut", sagt das objekt schüchtern.
"ja", sage ich.
dann ziehen wir beide unserer wege.



kennst du das schlaraffenland
hinter den sieben sternen
verglühen die satelliten
keiner ist schöner als du.