Freitag, 11. Juli 2014
wanna buy h, weed or coca?
0.30 uhr, s-bahn warschauer straße. ich ströme mit hunderten von jungen leuten aus dem bahnhof. eigentlich wollte ich noch mal kurz bei google maps gucken, wo ich eigentlich hin muss, aber es gibt nur eine richtung, und in die wird man vom pulk gedrückt. an der straßenecke biegen alle rechts ab, und ich sehe das schild revaler straße, genau mein ziel. just follow the lemmings.

ich kenne die revaler straße noch ganz gut von vor 12 jahren, als ich eine woche alleine durch berlin trampte und jede nacht irgendwo schlief bei irgendwem, den ich gerade kennen gelernt hatte. damals fand ich die revaler straße recht friedlich und übersichtlich. jetzt sind wir kaum in die straße eingebogen, da rieche ich es auch schon: die ganz luft steht voller kiffe. an der mauer, die ein altes industriegelände - jetzt partymeile - von der straße abschirmt, stehen sie spalier. dealer. klein und dunkelhäutig, keine türken oer araber, alles schwarze. sie stehen da allerdings nicht nur, sondern umwerben ihre klientel aktiv, aus marketingsicht fast löblich. immer wieder pirschen sie an einzelne heran, flüstern "hello" und machen dann ihre angebote: "coca" oder "weed" höre ich am häufigsten, aber ich könnte auch h oder ecstasy kaufen, wenn ich wollte.

zum ersten mal in meinem leben habe ich ein bisschen angst, obwohl mir klar ist, dass mir keiner der dealer etwas antun würde. sie wollen geschäfte machen, nicht mich ausrauben oder vergewaltigen. doch mit beunruhigung sehe ich, dass die geschäfte florieren und sich junge menschen, die ich kaum auf 16 schätze, eifrig zuballern. ich bin höflich, sage unzählige male "no, thank you" und "no, really, i´m fine", bis ich dann ende der straße stehe, wo es nur noch dunkel ist und ich plötzlich ganz alleine bin bis auf einen polizeiwagen, an dem zwei bullen lehnen, die mich anstarren. hoffentlich denken die jetzt nicht, dass ich deale, schießt mir durch den kopf und ich überlege angestrengt, was ich noch in meiner handtasche bei mir trage. dann fällt mir ein, ich könnte die bullen ja fragen, wo ich hier eigentlich bin und ob sie den club kennen, in den möchte, der sich da vermutlich irgendwo in den vielen baracken hinter der mauer befindet. dann bemerke ich, dass mich ein dealer beobachtet und dass bullenkontakt womöglich missverstanden werden könnte, also mache ich auf dem absatz kehrt und wage mich noch mal die straße runter durch die drogenhölle.

die dealer, die mich wiedererkennen, freuen sich, offenbar hat es sich die blöde kuh doch anders überlegt und möchte jetzt kaufen. zwei verkaufsgeile gnome kletten sich an meine fersen und fragen mich aus "where you come from", "where you go", sagen "you´re beautiful" und preisen dazwischen immer wieder ihre reichhaltigen vorräte an. um sie endlich loszuwerden, laufe ich immer weiter in das düstere industriegelände hinein und stehe plötzlich vor dem club, in den ich eigentlich möchte.

geschafft. ich merke, dass ich gestresst bin, aber hey, jetzt sind wir schon mal da, und am eingang stehen zwei gestalten, die ich irgendwo in einem berliner club schon mal gesehen habe. also rein und erstmal ein drink. trinken kann man hier wie auch überall sonst recht günstig.

ich setze mich an den rand und beobachte erstmal alles. die musik ist richtig gut, kein vergleich zum mainstream-programm, wie es in hamburg oft abgespult wird. das publikum ist recht spärlich, wenige tanzen, die meisten sitzen rum wie ich, nippen an drinks und rauchen. überhaupt rauchen alle drinnen wie draußen, auch als sich ein altpunk beschwert, dass rauchen drinnen nicht erlaubt sei, aber vielleicht macht er auch nur einen scherz.

ab halb zwei strömen immer spackelige bleiche jungs mit bart und tunnels herein. sie kommen vermutlich aus den dissen nebenan. viele können sich kaum auf den dürren beinchen halten, aber das verwundert nicht angesichts des reichhaltigen drogenangebots. an ihrer seite tümmeln sich ein paar bulimische mädchen mit fettigen haaren und männerhüten, eine von von ihnen hat ein gipsbein, aber hauptsache tanzen. es müffelt nach amphetaminschweiß, und ich brauche noch einen drink.

dank des ausgezeichneten dj-programms bleibe ich trotz optischen brechdurchfalls mehr als zwei stunden, dann mache ich mich auf den nachhauseweg, noch mal drogen horror picture show, dann eine runde nachtbus mit menschen, die alle nicht mehr wissen, wer sie sind und wohin sie eigentlich wollen, es ist lustig und traurig zugleich und es stinkt schon wieder zum himmel.

als ich am nolle aussteige, weiß ich: berliner partyleben im alleingang ist nur für hartgesottene. und vermutlich bin ich in dieser stadt wirklich zu alt dafür.

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