Dienstag, 22. Juli 2014
sonnenbrand
als ich nach 10 tagen wieder in meine wohnung komme, hat sie saunatemperatur. im zug und in der letzten u-bahn habe ich gefroren, gleichzeitig hatte ich so hunger, dass mir der kreislauf fast abschmierte. beim bäcker am bahnhof habe ich blind drei brötchen gekauft, für die dann, wie ich feststelle, keine butter im kühlschrank ist. also esse ich eines trocken und schenke mir dann einen wodka ein, weil das brötchen in der kehle einen nachgeschmack von feuchter pappe hinterlassen hat. ich habe lust, eine zu rauchen, nachdem ich eine woche lang keine zigarette angefasst habe. aber ich kann mich an keinen zigarettenautomaten in der nähe erinnern, außerdem habe ich kein kleingeld.

unruhe, die sich steigert. ein termitenbau in meinem kopf. am liebsten würde ich das objekt anrufen und ins telefon weinen, aber es ist inzwischen zwei uhr nachts, und ich erinnere mich, dass es das objekt nicht mehr gibt. ich reiße alle fenster auf und lasse sogar die wohnungstüre offenstehen, ich habe den eindruck zu ersticken. ich durchsuche noch einmal alle schubladen, ich habe nur gras, aber keinen tabak.

noch ein wodka, und darauf eine line. ich bekomme sofort schuldgefühle und angst kriecht den rücken hoch, hoffentlich sterbe ich jetzt nicht, vielleicht war das zu viel, nachdem ich meine psychopharmaka die letzten beiden wochen ziemlich hochdosiert habe. gleichzeitig muss ich über diesen anflug paradoxer todesangst lachen.

ich denke an samstag. am samstag habe ich meine erste große liebe wiedergetroffen. wir haben viel über unsere früheren gemeinsamen unternehmungen und urlaube geredet und gelacht. ich mag meine erste große liebe noch immer. das beruht sogar auf gegenseitigkeit. meine erste große liebe gehört zu den sehr, sehr wenigen menschen, die mir zum zeitpunkt der diagnose depression gesagt haben, dass sie mich mögen wie ich bin und dass ich nichts an mir verändern sollte. das zeichnet sie aus und hat sie auch schon früher ausgemacht: diese unbedingte wahrnehmung und beurteilung des urmenschlichen. spätere männer haben meist nur darauf geachtet, ob ich in ihre lebensplanung passe und falls ja, wie.

als ich mit meiner ersten großen liebe durch den park spazierte, fragte sie mich, ob ich mir eigentlich noch vorstellen könnte, dass wir sex haben.
"nein, ehrlich gesagt: nicht", erwiderte ich ungezwungen und lächlte entschuldigend.
"macht nichts", sagte der mann und legte mir den arm um die schultern. "du weißt ja, wir kerle könnten immer."
die frage zerstörte nichts, wir umarmten uns und gingen einfach weiter. es begann zu regnen, wunderbarster sommerregen.

jetzt, als ich in meiner dunklen, heißen wohnung stehe, fühlt es sich eher an wie sonnenbrand, ein krater, der sich langsam von innen nach außen brennt. aber schmerz ist gut, besser schmerz als stumpfsinn. auch der termitenbau im kopf ist nur eine großes manifest der lebendigkeit. der kopf hat mehr verdient als die daily dröhnung, der kopf will raus aus diesem kopf und seine termiten todesmutig den rüssel eines nasenbärs hochschicken, das gehirn infizieren, eine revolution ausbrüten.

dann werde ich doch mit einem male müde. mit einem nassen handtuch packe ich mich ins bett, denke an das objekt, werde erst fickrig, dann weinerlich, vergieße ein paar tränchen und schlummere schließlich ein. hamburg hat mich wieder.

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