Montag, 14. Juli 2014
zwischen den stühlen
am samstag kurz nach meiner ankunft melden sich dritter und drittefreundin, dass sie für eine woche in hh sind und am abend auf party gehen wollen. ich bin vollkommen erledigt, aber dass die beiden lieben mal im lande sind, ist inzwischen recht selten. außerdem habe ich urlaub und kann ausschlafen, und überhaupt, schlafen kann man auch noch, wenn man tot ist.

wir kommen alle drei fast gleichzeitig an. während ich der drittenfreundin im foyer in die arme falle, steht der dritte noch an der garderobe mit schwerem gepäck.
"frag nicht", rollt die drittefreundin die augen, "der ist schlimmer als jede tussi."
dann kommt der dritte endlich angeschlichen.
"na, tussi", sage ich, boxe ihn ein bisschen und lasse mich dann fest drücken.

wir gehen zuerst tanzen, dann stehe ich mit der drittenfreundin draußen auf der terrasse und rauche eine. sie erzählt von ihrem studium, das sie jetzt doch endlich angefangen hat, vom kneipenjob und den katzen.
"weißt du eigentlich was vom objekt?" fragt sie dann. "der dritte hat sich schon die ganze zeit gefragt, ob er ihm wohl heute begegnen würde."
"der ist im urlaub", sage ich und erzähle dann der drittenfreundin die ganze traurige geschichte.
"boah, ist das mies", sagt sie. "aber irgendwie auch zu erwarten. der ist halt so. der dritte ist auch total angenervt davon, dass er sich nur so unregelmäßig zurückmeldet... und dann passiert es wieder, dass er drei tage hintereinander anruft, meist mitten in der nacht und den dritten zutextet. das geht halt gar nicht, wenn der am nächsten tag in aller frühe referat oder prüfung hat."
wir stehen rum, schweigen und schauen auf die straße.
"ich glaube, ich werde ihn verpfeifen", sage ich dann.
"wen?"
"na das objekt. bei seiner alten."
die drittefreundin hebt die augenbrauen.
"oh, das ist aber... hart. meinst du, du hast da was von?"
"naja, ich kenne mich und ich kenne ihn. in ein paar wochen sind wir wahrscheinlich wieder fröhlich am vögeln, und ich häng wieder drin in dieser nummer. wenn ich es schaffe, dass er mich hasst, so richtig richtig schlimm, dann habe ich einen bruch, den keiner mehr kitten kann. weißt du? dann habe ich für mich alle brücken abgebrochen."

"das würde ich nicht tun", sagt eine stimme hinter mir. der dritte war unbemerkt zu uns herangetreten.
"ich erwäge es ja nur", sage ich.
der dritte macht ein gesicht, als hätte er starke schmerzen.
"morphine, das ist jetzt ganz schwer für mich. ich bin mit dir befreundet und ich bin mit dem objekt befreundet... das heißt, ich müsste dir versprechen, meine klappe zu halten... und gleichzeitig müsste ich nun dem objekt sagen, was du vorhast."
"von mir aus kannst du es ihm gerne sagen. dann hat er noch eine chance, es seiner ollen selber zu beichten. ist ja nicht so schön, wenn man das von einer anderen erfährt."
der dritte ist nicht glücklich mit meinem vorschlag.
"was hälst du davon, wenn ich noch mal ihm rede?"
"worüber denn?"
"über dich."
"und was willst du ihm sagen? bittebitte sei netter zu morphine?"
der dritte überlegt angestrengt.
"ich könnte ihm sagen, dass er dich in ruhe lassen soll."
"ach, funkstille haben wir schon. das brauch ich nicht."
"na so für immer, weißte?"
"das wäre ein bisschen... merkwürdig. weil ich die affaire ja auch forciert habe. du könntest ihm höchstens sagen, er soll mich mit seiner gefühlebene in ruhe lassen. den schwanz nehme ich gerne, nur den rest soll er bitte an seine alte verschleudern."

der dritte nimmt mich unvermittelt in den arm.
"du bist ganz schön wütend und enttäuscht, hm? kann ich aber verstehen. aber machs nicht, das hat er nicht verdient."
"das hat er sehr wohl verdient."
"dann mach irgendwas anderes. hau ihn eine rein."
ich kichere.
"das würde übel für mich ausgehen."
der dritte schaut ernst.
"ich könnte dir nicht mit gewissheit sagen, was er macht, wenn du ihn verpfeifst."
"unternehmensrisiko."
der dritte packt mich an den schultern und schaut mir in die augen.
"lass mich mit ihm reden. bitte."
"okay, ich überlegs mir. aber dann müssen wir beide vorher noch mal durchsprechen, was eigentlich thema ist. wenn du ihm nämlich einfach erzählst, ooooh, die morphine will die gespielin impfen, dann erzählt er ihr, dass ich verrückt bin und mir eine affaire mit ihm ausgedacht habe, um sie auseinanderzubringen."
der dritte grinst.
"ein bisschen verrückt ist das ja auch."
"siehs mal andersrum. wenn die beziehung das aushält, können sie ihre tolle liebe ganz neu auf die tragfähige säule der wahrhaftigkeit bauen und zusammen steinalt werden."
"das willst du doch gar nicht."
"sagen wir mal so, es wäre eine unerwünschte nebenwirkung, die aber einen schönen legitimierenden beigeschmack hat."
"das ist doch bullshit, du bist doch einfach nur fies und willst ihm so weh tun, wie er dir wehtan hat."
"ich weiß auch noch wirklich nicht, ob ich so fies sein kann."
"das bist du auch gar nicht. du bist doch ein guter mensch. verlier dich nicht im hass."
"weißte, was mir das objekt mal erzählt hat über seine patienten? - gefährlich wirds, wenn aus den opfern täter werden. er weiß ja drum und er spielt damit."
"er manipuliert, ja. aber nicht bewusst."
"er hat aber den fachlichen und persönlichen weitblick, sein handeln zu überschauen. wer, wenn nicht er! bei all dem, was er selbst erlebt hat!"
der dritte zuckt verzweifelt die achseln.
"ja, ich weiß auch nicht... wie er da so blind sein kann. und ich weiß auch, dass du ihm etwas bedeutest, wir haben ja schon oft über dich gesprochen... das ist mir unbegreiflich."

inzwischen hat es angefangen zu regnen. wir werden nass und frieren.
"lass uns ein abkommen schließen", bittet der dritte. "du machst nichts, und ich sag auch nichts, und wir telefonieren die tage noch mal und besprechen, wie es weitergehen kann."
ich schlage ein, dann flüchten wir uns ins trockene.

drinnen wartet die drittefreundin auf uns, die unsere objektdiskussionen zum glück schon kennt. wir trinken noch etwas zusammen und tanzen, dann ist der abend auch schon wieder vorbei. als ich die beiden noch zur bahn bringe, merke ich, wie sehr mir solche freunde hier fehlen. und dass, wenn man darüber redet, auch eine objektmisere nicht mehr ganz so drastisch scheint.

zum abschied drückt mich der dritte und zieht mich dann noch mal kurz zur seite.
"würdest du das auch bei mir machen", sagt er mit blick auf die drittefreundin. "ich meine, wir haben ja auch..."
"warum sollte ich", sage ich. "du warst immer korrekt zu mir. du hast mir nie falsche versprechungen gemacht oder mich zu deiner zweitfrau erhoben."
der dritte wirkt sichtlich erleichert.
"naja, ich dachte nur, vielleicht bist du auch wütend auf mich..."
"hey. sowas mache ich nicht aus einem impuls heraus. da müssen alle begründungen sowie effekte und nebeneffekte durchdacht sein. auch eine kriegserklärung ist letztlich eine ethische entscheidung, die ich mir bestimmt nicht leicht mache. sonst würde ich auch nicht drüber reden, sondern still und heimlich etwas mieses abziehen und mich dann am größtmöglichen schaden erfreuen."
"mir wärs trotzdem lieber, du lässt das."
"es ist noch nichts spruchreif, wirklich nicht."
"gut. du denkst an unsere abmachung?"
"klar. hab ich je unsere absprachen gebrochen?"
"nein."
"na also. und jetzt, allez-hopp. euer zug fährt gleich."

ein letztes winken, dann fahren sie. und ich auch mache mich mit mit bleiernen gliedern auf den weg nach hause ins bett.