Sonntag, 18. Dezember 2011
der drogenberater, das objekt-ende, eine lustige nacht in einer kneipe irgendwo und warum ich nicht mehr weiß, wie ich nachhause gekommen bin
eigentlich wollte ich mich gestern mit der lederjacke verabreden, doch die war unerreichbar. und irgendwie kam mir der drogenberater zuvor. obwohl er im gesetzten alter von 42 nicht mehr großartig durch discotheken zieht, wollte er mich in meinen stammclub begleiten.

als ich ankam, war er noch nicht da. wohl aber das objekt, welches ich wochenlang weder gehört noch gesehen hatte, was mir aber weniger ausgemacht hatte als sonst. es registrierte mich, war aber mit einer tussi im gespräch und sagte nichts.

kurz darauf traf ich die k.-ex, die ja eine affaire mit dem objekt hat und, wie mir immer mehr scheint, ein wenig in es verliebt war.
"eigentlich wollten wir ja dieses wochenende wegfahren", sagte sie.
"wie, das objekt und du?"
"ja."
ich stutzte.
"das ist ja interessant. das wollte es mit mir vor ein paar wochen auch. nach berlin etwa?"
"ja genau!"
"das macht es eh nicht."
"naja, leider. wie immmer viel blabla um nichts, wir kennen das ja. allerdings war ich doch ein bisschen enttäuscht, dass es nicht geklappt hat, weil es hatte sogar schon hotels rausgesucht."
ich stutzte zum zweiten mal.
"das ist aber strange. es hat doch kein internet."
"keine ahnung. es hat mir drei oder vier sehr nette vorschläge gemacht, wo es gerne hinwill."
langsam dämmerte mir etwas:
"moment mal! nachdem es damals meinte, es wolle mit mir wegfahren, habe ich nach hotels gesucht und ihm dann drei oder vier adressen gegeben."
"das waren dann wohl deine", sagte die k.-ex. "oh, das tut mir leid, aber das ist ja ganz mies."

ich war kurzzeitig auf 180 und versuchte, das objekt abzupassen, um ihm die fresse einzuschlagen, doch es entzog sich mir konsequent. blind vor wut bewegte ich mich durch den club, bis ich dem drogenberater vor die füße lief.
"na, was ist mit dir, du bist ja ganz außer dir?" sagte er zur begrüßung.
da der drogenberater so ein gesetzter mensch ist, der an diesem abend im 90er-jahre-style in jacket und jeans erschienen war, wollte ich ihm nicht sagen, dass ich gerade dem verlogenen objekt hinterherrannte, das meine freundin vögelte und ihr den urlaub versprochen (und gebrochen) hatte, den es ursprünglich angeblich mit mir hatte machen wollen.
stattdessen sagte ich:
"entschuldigung, ich bin ein bisschen aggressiv heute. ich bin irgendwie sehr angespannt gerade, weißt du... der job und die ganze weihnachtsscheiße, die mir jetzt bevor steht... ätzkram eben..."
der drogenberater nahm das ganz locker und kaufte mir erstmal einen drink. dann setzen wir uns und unterhielten uns über gott und die welt.
"wie kamst du eigentlich auf drogenberater?" fragte ich irgendwann.
"weil ich menschen wie dich so anziehend finde", grinste er.
"na hör mal, ich bin stocknüchtern!" empörte ich mich.
"bald nicht mehr", erwiderte er und deutete auf mein glas.
"naja", fand ich. "ist das so schlimm?"
"das ist egal, ob alkohol oder drogen, das zerstört alles dein gehirn."
"du hast meine frage nicht beantwortet."
"welche frage?"
"also wer von uns leidet jetzt unter neurotoxischen schädigungen?" lachte ich.
der drogenberater schmunzelte.
"ich bin eigentlich hauptberuflich ganz was anderes."
ich staunte.
"was denn?"
"das willst du gar nicht wissen."
"nee, sag mal."
"das ist aber nicht so sexy."
"warum? bist du bei ner rohrreinigungsfirma angestellt? oder müllsortierer beim gelben sack?"
der drogenberater zierte sich noch ein wenig, bis er mir dann ins ohr flüsterte, dass er bulle sei.
ich guckte entsetzt.
"und ich muss jetzt keine angst haben, dass du mich verhaftest?"
"ich lass das mal als eigenbedarf gelten. aber wenn ich dich beim dealen erwische, ist es natürlich aus mit der freundschaft."
"oder wenn ich bei rot über die ampel fahre."
"genau."

drei drinks später hatte ich die zunge des drogenberaterbullen in meinem mund und seine hände auf meinen brüsten. mich erinnerte die szene spontan an das kennenlernen mit k., doch ich vermied es, damit rauszuplatzen. ich beschränkte mich stattdessen darauf, mich irgendwann aufrecht hinzusetzen, mein t-shirt wieder nach unten zu ziehen und zu sagen:
"na hören sie mal, ich kenn sie doch gar nicht."
der drogenberater war amüsiert.
dann sagte er, schon etwas angetüddert:
"du bist so witzig und so klug und so schön und so warm... lass uns gehen. lass uns woanders noch was trinken."
meine warnblinkanlage schaltete sich ein.
"glaub bloß nicht, dass du mich so billig abschleppen kannst."
der drogenberater schreckte auf.
"ich wollte nicht respektlos sein. tut mir leid, wenn das so rüberkam."
"schon gut."
"schlechte erfahrungen?"
"das würde jetzt zu weit führen."
der drogenberater sah mich an:
"du wirkst auf mich wie jemand, der ganz schön viele leichen im keller hat."
"mag sein. aber heute ist nicht entrümplungstag."

nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, schlug der drogenberater abermals vor, weiterzuziehen. vermutlich hatte er genug von harter, düsterer elektro-mukke. also erklärte ich mich einverstanden.

wir nahmen ein taxi richtung ottensen und landeten in einer türkischen kneipe mit einem sehr strangen, sehr bunten publikum. die meisten waren allerdings offenbar orientalischer abstammung. doch die atmosphäre war relaxt, die musik nett und die drinks unheimlich lecker. also entspannte ich mich und schlüpfte irgendwann aus der winterjacke. mein zum vorschein kommendes discotheken-outfit war dann allerdings nicht so kneipentauglich, wie sich herausstellte.
"die typen gucken dir alle auf die titten", sagte der drogenberater.
"du doch auch", kicherte ich. "meine augen sind jedenfalls woanders."
ich schlang meinen schal um mich und bedeckte ausschnitt und schultern, wie ich das mal im interreligiösen dialog gelernt hatte.

um sieben uhr morgens guckte ich das letzte mal auf die uhr, weil mein handy klingelte. die lederjacke rief an. aber ich konnte ja schlecht rangehen und sagen, dass ich mit einem bullen betrunken in einer kneipe saß und mir von fremden typen ins dekolleté glotzen lassen musste.

irgendwann rief mein begleiter dann ein taxi, damit ich nach hause kam. auf der heimfahrt wurde ich plötzlich kurzzeitig wieder klar und auch der ärger über das objekt kehrte zurück. ich tippte eine sehr, sehr bösartige sms und klickte auf senden, bevor ich nachdenken konnte.
damit hatte sich die objektgeschichte erledigt. eine antwort würde ich nie bekommen, das wusste ich ja. und es tat gut, es zu wissen und nicht zu warten.

danach dämmerte ich weg. wie ich in mein bett kam, weiß ich nicht mehr.

and now for something completely different: ein spätnachmittagsspaziergang mit der lederjacke.

fortsetzung vielleicht später.