Sonntag, 16. Oktober 2011
besser hier als irgendwo
ich bin im club, neben mir steht eine burschikose junge frau und fragt mich, was ich trinken möchte, sie will mir einen ausgeben.
"warum?" frage ich.
"ich bin wieder single!" ruft sie und es klingt befreit und entsetzt zugleich.

wir trinken tequila und mexikaner, dann lächelt sie und hält ihre hand an meine wange. während ich mich noch angemacht fühle, innerlich zwischen will-ich-will-ich-nicht hin- und herstürze, merke ich, dass ich es genieße. nicht um der person, sondern um der sache wegen. es ist zärtlich. es ist warm. es ist das, was mir gerade fehlt.

fass mich nicht an. aber bitte berühre mich.

und ich lächle ebenfalls, angetrunken, mit weichen muskeln knochen haut, lächle und falle geradeaus schauend ins k.s blick.

die junge frau scheint k. ebenfalls zu kennen. sie stößt einen kleinen schrei aus und stürzt sich in k.s arme.
"mein lieber... herzlichen glückwunsch zum geburtstag!"
dass k. geburtstag hat, hätte ich beinahe vergessen. also schließe ich mich mit einer umarmung den glückwünschen an. k. hält mich eine sekunde länger als nötig fest und legt dann einen finger an die nasenflügel. ich überlege kurz, nicke dann und folge ihm.

wir gehen auf klo und k. legt eine kleine line. die verschwommenheit, die der alkohol hinterlassen hat, klart auf. das glücksgefühl, das sich in der letzten halben stunde bereits aufgebaut hatte, wird sachte, ganz sachte befeuert.
k. spottet ein wenig über meine "homöopathische dosierung", aber er weiß auch, dass ich kontrollverlust nicht schätze - was er wiederum an mir schätzt.
wir sehen uns an und finden einander schön, aber das ist nicht ungewöhnlich in diesem zustand, es hat nichts zu bedeuten.

das objekt ist auch da. nach vielen wochen der clubabstinenz hat es flaschenpfand eingelöst, auf diese weise drei euro zusammenkratzt und ist hergekommen. es sitzt blass und verloren in einer ecke, was wohl hauptsächlich der totalen nüchternheit geschuldet ist. als ich hingehe und es zur begrüßung in die arme nehme, drückt es mich, bis mir die luft wegbleibt.
"festhalten! einmal ganz fest halten, bitte!" seufzt es in mein ohr.
dann schaut es mir ins gesicht und legt sofort los:
"du hast was genommen! du hast ganz starre pupillen!"
"k. hat geburtstag", sage ich, als wenn das eine antwort wäre.
"das macht es auch nicht besser", tadelt das objekt, "komm her und lass dich liebhaben, aber mach dich nicht einfach weg!"

wie immer, wenn es nicht selber jenseits von gut und böse ist, ist das objekt streng und kritisch. eine stunde später verabschiedet es sich aber auch schon, denn ohne den richtigen pegel hat es keine lust, bis sechs uhr morgens durchzumachen. als es an der garderobe steht, stürmt die objektgespielin heran und will mit. ich sehe das objekt gestikulieren und diskutieren, dann gehen die beiden zusammen. ich werde nicht schlau aus diesem verhältnis, beschließe dann aber, dass es nicht mein shit ist.

anschließend sitze ich im nebenraum auf dem sofa zwischen k. und dem burschikosen mädchen, das h. heißt. wir sind breit, mit allen sinnen auf empfang und kuscheln uns wie küken aneinander. so findet uns k.s exfrau. die kenne ich zwischenzeitlich ebenfalls näher, da sie als betriebswirtin dem objekt derzeit mit den finanzen hilft.
"wie die heilige familie", spottet sie.
wir grinsen wie drei christkinder.
"wie spät ist es denn", fragt k. verschlafen.
"erst halb fünf", sagt die k.-ex.
"kommt, lasst uns noch auf den kiez weiterziehen", schlägt h. vor.

gesagt, getan. die k.-ex, die recht wohlhabend ist, spendiert uns ein taxi. dann entern wir eine schäbige kleine eckkneipe und trinken noch ein letztes bier.

und als schließlich schon die blasse oktobermorgensonne aufgeht, sitzen k. und ich allein zu zweit vor der kneipe auf einer bank, schulter an schulter, knie an knie. wir sagen nichts, müssen nur ab und an einmal lächeln. k.s haltung ist ein einziges großes fragezeichen, mir zugewandt, und ich lausche nach einer antwort in mir, die lungert irgendwo versteckt hinter einer herzklappe, sagt fang-mich-doch, aber ich bin müde, viel zu müde für ein wettrennen gegen meine angst, mein misstrauen, meine weigerung zu lieben, mich oder irgendjemand anders. ich sage: "ich fahr dann mal" und bleibe noch eine ganz weile sitzen, bis ich mich dann doch durchringe, auf das fahrrad zu steigen, eine letzte lange umarmung und das war es.

meine wohnung ist kalt, als ich sie betrete, riecht aber gut, vor allem die bettwäsche, in der das objekt geschlafen hat, und ich lege mich ab, komme sanft, sehr sanft runter und schlafe ein.