Mittwoch, 20. April 2011
ferien für depressive
"bring den doch einfach mit", schlug meine mutter am telefon vor, als ich neulich in einem offenen moment vom objekt, der seelenrettung meiner niedergeschlagenen wenigkeit und den objekt-suchtproblemen erzählte. "den kriegen wir schon wieder hin."

in sachen optimismus kennt meine mutter kaum grenzen und ist immer wieder aufs neue enttäuscht, wenn das elterliche fallnetz nicht greift, weil ganz woanders gesprungen wurde. gut meint sie es. aber das objekt würde sich nicht zu meinen eltern aufs sofa setzen, da bin ich mir sicher. außerdem hätte mein vater sicherlich etwas dagegen, wenn in seinem haus gefickt wird - und das auch noch in der lautstärke und intensität, in der das objekt und ich zu vögeln pflegen, wenn wir denn mal dazu kommen, weil beide gerade das richtige level zwischen nüchtern und out-of-space haben.

im moment ist das objekt ohnehin offline. das heißt, es ertränkt sich vermutlich in alkohol und schiebt merkwürdige seelenzustände. so, wie ich in solchen momenten das bedürfnis habe, mich mitzuteilen und leerzuweinen, verschanzt sich das objekt, verschließt sich komplett und schaltet das handy ab. dass unsere verzweifelung so unterschiedliche ausprägungen hat, obwohl wir uns so ähnlich sind, erstaunt mich immer wieder. während ich wie eine reife pflaume mit melodramatik und pathos vom hochhausdach zu fallen drohe, kappt das objekt einfach alle vernetzungen zur außenwelt und verschwindet in einer flasche. einmal, so erzählte mir der dritte im bunde, habe das objekt diese soziale sperre über mehr als eine woche durchgezogen. der dritte hatte ihn dann gefunden, indem er in die objektwohnung gekommen war (der dritte hat den zweitschlüssel). das objekt sei am küchentisch gesessen und habe ins leere gestarrt. es war in dieser zeit nicht auf arbeit gewesen, nicht draußen, war einfach nur dagesessen und hatte nichts gemacht.
"ich habe einen mann gesehen, der am ende war", so der dritte wörtlich, und noch immer spiegelt sich das entsetzen auf seinem jungen gesicht, wenn er von diesem moment erzählt.

am ende, am anfang. morgen um diese zeit beginnt mein urlaub. ich bin zu müde, um freude zu empfinden. dabei sei freude die gesundheit der seele, sagt aristoteles. ich hänge an schlauen sprüchen, habe mir sogar margot käßmanns "sehnsucht nach leben" gekauft und in einer woche schon fast das vorwort geschafft, oho. dass sehnsucht nicht nur motor, sondern auch sucht sein kann, habe ich zuvor noch nirgendwo gehört, aber ich kann es unterschreiben, zu 100 prozent. anders kann ich meine neigung, immer wieder hinzuwerfen und neu zu starten, nicht erklären. sehn-sucht macht frei, weil es bedeutet, nie irgendwo anzukommen, nirgendwo zuhause zu sein. aber sie macht auch rastlos und einsam. eines der beiden parameter überwiegt je nach lebensumfeld und aktuellem selbstbewusstsein, scheint mir.

kann man diese sucht heilen? diese sucht, die vielleicht auch für die anderen süchte verantwortlich ist?
wer kennt das rezept, wer verrät es?
ach bitte.
es könnte zwei leben retten.



(subheim - no land called home)