Samstag, 30. April 2011
364 objektive tage und (k)ein ende in sicht
das objekt war das produkt einer wilden tanz-in-den-mai-nacht und teil eines positivtrends in meinem leben im letzten jahr.

nach der langen schweigephase seinerseits habe ich gestern auf der rückfahrt in meine nördliche exilheimat festgestellt, dass das ewige auf und ab nicht spurlos an mir vorüberging. vor allem das "ab", welches da nun schon wieder vier wochen dauert. funkstille, bekifftes desinteresse. mit leichtem erstaunen bemerkte ich, dass ich geradezu stinksauer war.

schon am frühen abend überlegte ich, was ich tun sollte, wenn ich das objekt auf der anstehenden party treffe. große emotionale gesten im tonus von "du bist mir so wichtig und ich habe dich vermisst, geht´s dir denn auch gut?!" oder doch lieber smalltalk?
im grunde, bemerkte ich, war mir nach nichts von beiden. denn wenn ich ehrlich war, hatte ich weder ein positives gefühl noch lust auf blabla. egal, ich wollte tanzen, ich wollte spaß haben, ich wollte auf diese party fahren und mir nicht den kopf zerbrechen. vielleicht hatte ich ja auch glück und das objekt war immer noch in der sozialen versenkung.

natürlich hatte ich kein glück. das objekt war einer der ersten menschen, das ich vorne an der bar sichtete. ich nahm erstmal den anderen weg um das hintere ende der tanzfläche herum, wo ich dem dritten und der drittenfreundin in die arme lief. die beide waren schon lange nicht mehr unterwegs gewesen, weil sie um- und zusammengezogen waren, wie ich erfahren sollte. ich merkte, wie ehrlich ich mich freute, die beiden zu sehen. die drittefreundin fragte mich, ob ich mit ihr eine rauchen gehen wolle und ich schnallte, dass es offenbar redebedarf gab.

kaum dass wir saßen und ich der dritttenfreundin feuer gegeben hatte, legte sie auch schon los:
"sag mal... hast du heute schon mit dem objekt geredet?"
"nein", erwiderte ich. "vorhin war es im gespräch. außerdem haben wir gerade eh keinen kontakt."
"wie, ihr habt keinen kontakt? von ihm aus oder von dir aus?"
"er hat sich nicht mehr gemeldet, da war es mir irgendwann zu doof, noch nachzufragen."
"kann ich verstehen. mit uns hat es das auch gemacht. der dritte war jetzt auch eine zeitlang echt nicht gut auf das objekt zu sprechen. und neuerdings ist es ja auch noch immer mit dieser gräßlichen person unterwegs."
sie meinte die neue objektgespielin. die drittefreundin zog die nase kraus und schüttelte sich.
"hm", meinte ich, "ich kenne sie jetzt nicht wirklich. wir haben uns zweimal kurz unterhalten und das war recht nett."
"du WEIßT es noch gar nicht, oder??"
"nö, was soll ich denn wissen?"
"das objekt hatte schon letztes jahr was mit der! im winter, als er damals noch offiziell mit der objektfreundin zusammen war! und natürlich auch mit dir!"
"nunja, das wusste ich nicht, aber ich bin mir schon im klaren darüber, dass das objekt alles fickt, was ihm über den weg läuft."
"aber das ist ja längst nicht alles!"
und so erfuhr ich, dass die neue objektgespielin nicht ganz unschuldig am ende der großen liebe mit der objektfreundin war.
"das kleine miststück hat nämlich dem besten freund der objektfreundin gesteckt, dass sie was mit dem objekt am laufen hat. das ist so eine intrigante person... nimm dich bloß in acht vor der, die erzählt sonst auch irgendwelchen mist über dich!"

ich versuchte, die ungefragten informationen irgendwie zu ordnen und dabei das wegzulassen, was dem hang zu dramatischem klatsch und der mangelnden lebenserfahrung einer 20-jährigen geschuldet war. auch nach der informationsanalyse musste ich zugeben, dass mich das ergebnis nicht gerade begeisterte.

in diesem moment betrat das objekt zusammen mit dem dritten den raum. ich erstarrte auf meinem stuhl. nein, ich hatte kein bedürfnis, aufzuspringen und mich umarmen und knuddeln zu lassen.

das objekt starrte mich an und schien meine verhaltenheit zu spüren. es bedurfte eines ellenbogenstoßes des dritten, dass es sich auf mich zubewegte. ich blieb wie festgenagelt sitzen und bewegte mich nicht, während das objekt einen arm um mich schlang und meinen hals küsste. ich versuchte, nicht in wohlgeruch und der auf mich zuströmenden pheromonflut zu ertrinken und macht den rücken gerade, wodurch ich mich ein stück weit aus der umarmung wand.
das objekt stutzte, zog sich überrascht zurück und schaute mich verunsichert an. ich guckte verletzt - ich hoffte, nein, bitte nicht verletzt, aber für grimmig reichte es gerade nicht - zurück und drehte ihm dann den rücken zu. aus den augenwinkeln bemerkte ich, dass das objekt den raum verließ. der dritte kam auf mich zu, guckte wissend und nahm mich in den arm.
"ich werd ihn auch nie verstehen", flüsterte er mir ins ohr.
mit der drittenfreundin rechts und dem dritten links saß ich da und spürte unendliche dankbarkeit, dass diese beiden jungen menschen jetzt hier waren, menschen, die das objekt kannten und sich ebenfalls an ihm schon die zähne ausgebissen hatten.
"das objekt ist ja lieb und nett und alles, aber sonst ist es nicht weit mit ihm her", bilanzierte die drittefreundin altklug im o-ton einer großen schwester und ich musste ein wenig lachen.
"und die alte hab ich ja sowas von gefressen", grollte der dritte und meinte damit die neue objektgespielin. "echt, wie kann man nur so nen schlechten geschmack haben! nach all dem, was die mit der objektfreundin abgezogen hat!"
"aber es ist seine entscheidung", warf ich ein. "wenn das objekt ehrlich und aufrichtig wäre, hätten wir die ganzen probleme nicht."

wir beschlossen, eine runde tanzen zu gehen. als ich danach kurz alleine am rand der tanzfläche stand, kam das objekt wieder auf mich zu.
es sah mich ernst und nachdenklich an, setzte mehrmals zum sprechen an und sagte dann doch nichts. ich hielt die arme verschränkt, stemmte die beine in den boden und schaute stur geradeaus.
"ich frage mich..."
"was?!" blaffte ich zurück.
"... warum wir beide heute abend hier sind."
ich zuckte die achseln.
"ich weiß es auch nicht", sagte das objekt nach einer pause leise.
saublöde sprüche, lag mir auf zunge zu sagen, aber dann drehte mich um und ging.

im laufe des abends schlich das objekt noch einige mal fragend dreinschauend an mir vorbei. doch ich hielt eisern an mich ud switche zwischen dj-pult und dem jeweiligen standort des dritten und der drittenfreundin.
gegen fünf uhr morgens war ich müde und holte meine jacke. als das objekt meinen weg kreuzte, schaute ich nicht auf, sondern peilte geradewegs den ausgang an. am ausgang, wo man mich nicht mehr sehen konnte, wagte ich einen blick zurück. das objekt stand noch immer verdattert auf der treppe, doch es kam mir nicht nach.

draußen schwang ich mich auf mein fahrrad und versuchte mir einzureden, dass alles so ganz ausgezeichnet sei. ich hatte klare signale gesetzt und mich maximal denk-würdig verhalten. wenn dem objekt auch nur ein klein wenig an mir lag, musste es jetzt in die puschen kommen.
kurz, bevor ich zuhause ankam, plingte mein handy. es war die drittefreundin. sie fragte, ob wir morgen zusammen in den club gehen wollten. ich ahnte, dass sie fragte, weil sie wusste, wie hart die objektsituation gerade für mich war. ich antwortete ihr postwendend - und zum ersten mal, seitdem ich in hamburg lebte, hatte ich eine echte verabredung zum feiern. damit gibt es also doch einen grund, sich auf heute zu freuen.

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