Donnerstag, 16. Dezember 2010
erwachsenenkram
am frühstückstisch. objekt-junior sitzt vor seinem leeren napf. daneben eine packung cornflakes.
"ich will aber ein brötchen!"
der papa seufzt. ich weiß, wie schwer ihm das frühe aufstehen nach der ultraspätschicht fällt.
"komm, iss jetzt bitte, was da ist."

ich gehe zum kühlschrank. der ist entgegen sonstiger gewohnheit fast leer. es gibt schinken, hering, aber kein brot und keine butter. der letzte rest milch köchelt gerade im pott vor sich hin, daraus soll nachher eine honigmilch werden. eine halbe flasche cola ist vom whiskey-besäufnis am vorabend übrig, sie lacht mich an.
"ich hab keinen kaffee für dich, sorry", sagt das objekt.
"ich nehm einfach das da", erwidere ich und setze die flasche an den mund. dann reiche ich sie an den übermüdeten papa weiter.

der lütte macht tellergroße augen und streckt die hand aus. der papa schüttelt den kopf, dass ihm die langen haare ins gesicht fallen. der lütte gibt sich nicht so schnell geschlagen und kämpft. zwischen den kupfersträhnen funkelt mich das objekt mit grünen raubtieraugen an, ein kleines lachen, ein bisschen geilheit und jede menge verzweiflung darin.
"ich will auch eine cola!" unterstreicht der lütte lauthals seinen wunsch.
"nein", sagt der papa und fummelt ein haargummi aus der tasche, um die mähne zu bändigen. "das ist nur für erwachsene."
objekt-junior macht kulleraugen und ist kurz vorm heulen.
"ich krieg ja nicht mal ein brötchen!" schnieft er und es klingt, als grenze das an schwere misshandlung.

ich betrachte das objekt, wie es sich eine zigarette dreht. es ist noch zu müde, um richtig angekotzt zu sein, aber nicht mehr müde genug für sämtliche andere gefühlsregungen. es liegt etwas in der luft, das ich nicht einschätzen kann. daher beschließe ich, die situation zu entspannen.
"was kostet dein brötchen?"
"weiß nich", sagt der kleine.
ich gebe ihm 50 cent.
"das reicht mindestens für eins. damit gehst du jetzt runter zum bäcker."
"welcher bäcker?"
"da links an der ecke. einfach rausgehen aus dem haus und dann nach links, hinter dem kleinen café."
"kommst du miiiiiiiihiiiiit", bettelt der lütte, aber ich sage:
"nee, warum, du bist doch schon groß. erwachsene gehen auch allein zum bäcker."
das objekt betrachtet uns interessiert und nachdenklich. als der kleine in der jacke steckt und zur tür wieselt, sagt es leise zu mir:
"der war noch nie allein da."
"dann lernt er das jetzt", sage ich tough. "er soll ja kein einfamilienhaus kaufen."
das objekt hadert mit meinem erziehungsexperiment. doch keine fünf minuten später steht der objekt-sohnemann mit brötchentüte in der hand vor der tür.
"na siehst du", sage ich zum objekt. "voll erwachsen!" und der kleine strahlt.

endlich herrscht frieden. der lütte schüttelt seine semmel auf den teller, während ich am letzten tropfen cola nuckle, den mir das objekt übrig gelassen hat. das objekt selbst qualmt entspannt seine morgenzigarette. unter dem tisch angelt es nach meinen kalten füßen, zieht sie in seinen schoß und streichelt sie.
der lütte beobachtet uns mit offenem mund. dann fragt er plötzlich und unerwartet:
"macht ihr jetzt gleich sex?"
was folgt, ist ein echter klassiker. das objekt verschluckt sich am rauch und bekommt einen hustenanfall. während es um luft ringt, breche ich in lachen aus.
"na, vaddi", sage ich kichernd, "dann erzähl mal."
das objekt schaut über den tisch in das zweite paar grüne augen, das ihn erwartungsvoll anschaut. dann grinst es und sagt mit blick zu mir:
"also eigentlich können das frauen viiiiiieeel besser erklären!"
da meine füße strategisch günstig liegen, genügt es, die knie ein wenig anzuwinkeln, um maximale bedrohung heraufzubeschwören. das objekt ist allerdings nicht nur sehr stark, sondern hin und wieder auch erstaunlich reaktionsschnell. mit eisernem griff packt es meine knöchel und hält sie fest. als ich zu strampeln beginne, rutsche ich vom stuhl und unter den tisch.
der kleine zieht eine schnute und sagt enttäuscht:
"sex geht aber doch ganz anders!"
der papa hat sich inzwischen gefangen und fragt:
"wie geht denn sex, deiner meinung nach?"
"mit kuscheln!" behauptet der kleine im brustton der überzeugung.
das objekt zieht mich unter dem tisch hervor und breitet seine arme um mich.
"so?"
der sohnemann ist immer noch skeptisch, nickt aber.
"schon besser."
der papa seufzt, schubst mich vom schoß und wechselt dann in den befehlston.
"es ist spät. hol jetzt bitte deine tasche und dann abmarsch. heute nachmittag erkläre ich dir das dann alles ganz genau", verspricht es dem sohnemann.
als wir in unsere jacken schlüpfen, greift sich das objekt meinen schal, schlingt ihn um meinen hals, zieht mich an sich und grinst halb stolz, halb beunruhigt:
"gott, ich habe heute schon schiss vor der pubertät!"