Freitag, 31. Juli 2015
traumwirklichkeit
schon als ich aufstehe, habe ich den eindruck, in einen besonderen tag zu starten. der traum mit mir als einbrecherin in die objektive wohnung hat etwas in mir verändert. ich denke an das, was mir kürzlich jemand sagte, nämlich dass meine ängste und einstellungen in manchen punkten resultate von vorurteilen und falschen überzeugungen seien.

auf arbeit starre ich tatenlos in den bildschirm. lieber gott, was soll ich tun? gib mir doch einen hinweis. gleichzeitig muss ich über mich schmunzeln: der traum war doch hinweis genug. in eine offen stehende wohnung einbrechen, das heißt doch, dass es keine verschlossenen türen gibt!

zweifle nicht.
verzweifle nicht.


zuhause stelle ich mich unter die dusche, lasse das heiße wasser über mich laufen und lausche tief in mich hinein. wenn mich mein gefühl nicht trügt, hat das objekt heute spätschicht. ich könnte jetzt einfach zur klinik fahren und mit ihm reden.

der verstand erhebt einspruch.
aber die traumgewissheit ist stärker.
ich ziehe mich an und mache mich auf den weg. mir ist schwindelig und übel, ich zittere. aber in mir zeigt mein kompass unbeirrbar eine richtung.

tatsächlich steht das objektive rad vor der klinik. wenn es nicht überpünktlich zur nachtschicht erschienen war, müsste es bald aus dem gebäude kommen.

der himmel zieht feindlich-schwarz über mir und wirft dicke regentropfen ab. inzwischen schlottere ich nicht nur vor angst. ich setze mich abseits auf eine parkbank und rauche eine zigarette. und noch eine. und noch eine.

nach der dritten zigarette kommt das objekt plötzlich um die ecke. es sieht mich nicht. klein wirkt es und um jahre gealtert. ich will ihm hinterherrufen, aber meine stimme streikt. meine zittrigen beine übernehmen die regie und rennen ein paar schritte.

jetzt wird das objekt doch aufmerksam und dreht sich um. es schaut überrascht und ist offenbar zu überrumpelt, um abweisend zu reagieren.
"morphine?" sagt es fast so freundlich wie im traum.
dann stehen wir uns gegenüber.
"hallo", sage ich, denn alle wohldurchdachten sätze sind mit einem male aus meinem gedächtnis herausgefallen.

das objekt findet seine fassung wieder.
"bist du hier gerade in der klinik?" fällt ihm als erstes ein.
ich schüttle den kopf.
"warum bist du dann hier?"
ich schaue nur stumm und kann nicht sagen, wegen dir, weil der traum es mir gesagt hat.
dann lächelt das objekt auf einmal und fragt leise:
"bist du wegen mir hier?"
ich nicke:
"ich dachte, ich bringe es mal hinter mich."
"was genau?"
jetzt kehren die sätze zurück.
"du schuldest mir ein paar antworten, und ich dir wahrscheinlich auch, finde ich."
das objekt schaut weg und sagt dann ziemlich aggressiv:
"ich schulde dir überhaupt keine antworten."

wut flammt in mir auf. was bildet sich das objekt eigentlich ein?!
"also, ich meine, wenn ich im gespräch merken sollte, dass dem doch so sein sollte, bekommst du natürlich antworten", relativiert das objekt dann.
"wie großzügig", spotte ich.
das objekt merkt meinen sarkasmus nicht oder will ihn nicht merken. aber es hat ein gespräch vorgeschlagen, immerhin.
"ich ruf dich die tage mal an, ja?" sagt es. "kann sein, dass ichs von der klinik aus mache, also denk dir nichts dabei, wenn es eine dienstnummer ist."
ich nicke.

wir stehen in der kälte herum und ich merke, dass das objekt gerne gehen würde. fast habe ich nun ein wenig mitleid, wegen des auflauerns, was dem einbrechen im traum schon recht nahe kommt.
"hau schon ab", sage ich. "du hast doch feierabend."
das objekt lächelt wieder und sagt erleichtert:
"ja, genau."
also sage ich schnell und kühl: "tschüß".
"tschüß", antwortet das objekt, dreht sich dann unvermittelt um und geht.

als ich das gelände verlasse, habe ich das gefühl, knapp einer ohnmacht entgangen zu sein. alles dreht sich, die ohren klingeln, und der kalte schweiß klebt an mir. doch in mir kein geilheitsalarm, kein schmetterlingsflattern, nur latente traurigkeit. denn das objekt ist eigentlich schon gar nicht mehr da. nur sein gealterter körper läuft noch durch die straßen dieser stadt.

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intruder
ich habe mich die treppe bis in den dritten stock hochgeschlichen. die tür ist angelehnt, weil das objekt nur kurz hinausgegangen ist. ich schlüpfe rasch in den stockfinsteren flur. das herz klopft mir bis zum hals, ich atme schnell. wohin? wo soll ich mich verstecken?

dann nähern sich schon schritte aus dem hausflur der angelehnten tür, und mir fällt auf einmal ein, dass es ja auch die objektgepielin sein könnte. und überhaupt, vielleicht ist es doch ein wenig übertrieben, sich einfach so in eine fremde wohnung einzuschleichen?

bevor ich den gedanken zu ende denken kann, öffnet sich die tür und das objekt steht vor mir.
"morphine?" flüstert es, fast so, als hätte es auf mich gewartet.
"entschuldige, bitte sei mir nicht böse, ich will nur so gerne mit dir reden", sage ich.
das objekt starrt mich durch das dunkel an.
"hm", sagt es nicht unfreundlich. "da muss ich erstmal die gespielin rausbitten, damit wir ruhe haben."

ich folge dem objekt ins wohnzimmer, erleichtert, dass es meine invasion so gelassen, ja fast positiv aufgenommen hat. möglicherweise mag es mich immer noch?

auch die gespielin ist unerwartet freundlich, merkt an, dass sie eigentlich gemeinsam mit dem objekt schwimmen gehen wollte, aber das auch alleine machen könne. ich bin verwundert, seit wann geht die mopsige gespielin schwimmen? aber weil sie so nett ist, will ich nicht unnett sein, also schlage ich vor, dass sie und das objekt schwimmen gehen und ich einfach später noch mal vorbeischaue. die beiden finden das eine gute idee, packen ihre sachen und brausen dann auf dem motorrad der gespielin davon.

ich stehe im hausflur und bin erstaunt, wie groß das haus ist. in den zahlreichen winkeln stehen figuren wie man sie in einer kirche vermuten würde - engel, teufel, kreuze. alles ist in gold und schwarz gehalten. es ist atemberaubend schön und ein klitzkleinwenig gruselig. es gibt wahnsinnig viele flure in diesem haus, was wohl, so glaube ich, der tatsache geschuldet ist, dass das haus wie eine burg gebaut ist, so einmal im kreis herum. in den fluren gehen menschen auf und ab, einer sieht aus wie ein priester, und ich bin ganz verzaubert.

als die gespielin und das objekt zurückkehren, gibt es kuchen. den kuchen hat die mutter der gespielin, die offenbar gerade zu besuch ist, gebacken. ganz viele mandeln sind darin, und die glasur ist dicker honig.

wir sitzen am tisch und plaudern über dieses und jenes, und es ist so, als gehöre ich fest in diese konstellation wie eine uralte freundin. ich fühle mich wohl. es gibt nichts zu klären, die sympathie und herzenswärme, die in diesem raum stehen, machen jegliche fragen oder antworten überflüssig, denn sie sprechen für sich.


wach.

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