Mittwoch, 6. April 2011
die ddr in hh
ich wohne in einer genossenschaftswohnung. diese haben nicht nur den vorteil, dass sie vergleichsweise günstig sind, sondern auch, dass die hausgemeinschaft recht gut ist. das trifft ebenso auf die meine zu. einmal abgesehen von den leuten im erdgeschoss, die ich noch nie gesehen habe (ich mutmaße, dass der eine dicke mann, den ich manchmal im keller antreffe, unten links wohnt), sind alle sehr freundlich und nehmen regelmäßig päckchen für mich an.

auch sonst kümmern sich die genossenschaftler sehr umeinander. im treppenhaus hängen neuerdings zettel für gemeinsame spielenachmittage oder kaffee & klönen. wären die nicht immer um 15 oder 16 uhr und damit nur für hausfrauen, kinder und senioren interessant, ich hätte mal vorbeigeschaut, wenigstens in einer philanthropen phase. für den sommer ist ein großes blockfest geplant. so stelle ich mir ein bisschen das leben in der ddr vor.

heute habe ich die freundlichkeit in diesem haus einfach mal schamlos ausgenutzt und dabei fast ein potentielles objekt II kennen gelernt. nachdem meine waschmaschine kaputt ist (der mordskurzschluss hat übrigens auch die heiztherme gekillt, sodass ich eine weile ohne warmwasser war) und ich aufgrund der allgemeinen überlastung keinen nerv mehr hatte, mein zeug auf einem 20 minütigen fußweg zum waschsalon zu schleifen (fahrrad ist ebenfalls funktionsunfähig, nachdem die luftpumpe kaputt ging und neuerdings nur noch luft aus den reifen saugt anstatt sie reinzupumpen - ergebnis: zwei platte), klingelte ich gegenüber.

gegenüber wohnt ein junger herr, den ich bislang nur durchs treppenhaus rennen sah, wenn ich in die arbeit hetzte. im vorübergehen schien er immer recht schnuffig, wirkte aber sehr jung und etwas kleiner als ich.
nun gut. ich klingelte und es öffnete mir mein retter in der not. großgewachsen, blauäugig (nicht grün, verdammt, aber blau ist auch noch akzeptabel), in sportkleidung. ich musste einige nanosekunden starren, vor allem, als ich bemerkte, dass das haupthaar kupferfarben schimmerte, wenn auch etwas heller als das des objekts, dessen schopf ein besonders tiefes und schönes rot hat.
"hi", stammelte ich, während er nur erstmal sehr überrascht dreinschaute.
dann fasste ich mir ein herz.
"entschuldige, aber hast du eine waschmaschine?"
er zog die augenbrauen nach oben und ich erwartete schon ein "nein, wozu, ich hab doch meine mama", aber dann grinste er amüsiert und meinte:
"na klar hab ich ne waschmaschine."
"dürfte ich die vielleicht ausnahmsweise mal benutzen?"
ich erklärte hastig und etwas durcheinander die gesamtmisere waschmaschine-heizung-kaltwasser-fahrrad-fahrradluftpumpe, bis er wieder vollends verwirrt dreinschaute und dann einfach nickte.
"super", rief ich, rannte in meine wohnung zurück, holte meinen schmutzwäschekorb, waschpulver, hygienespüler und enterte die fremde küche.

während ich eilig höschen, strümpfe, bhs, t-shirts und einen rock in die hightech-maschine stopfte, stand mein nachbar immer noch sichtlich überrumpelt im hintergrund.
"ähm, du, aber ich muss jetzt gleich zum sport", meinte er, als ich an der einstellung schraubte.
"kein thema. wenn die maschine durch ist, klingelst du einfach kurz, dann hol ich die sachen."
"aber das kann schon zwei stunden dauern. nicht, dass du die sachen dann nicht mehr bis morgen früh trocken kriegst."
die blauen augen unter dem roten schopf schauten mich sehr freundlich und ein bisschen besorgt an. beim zweiten hinsehen bemerkte ich, dass der nachbar auch noch die gleichen lachfältchen und grübchen hatte wie das objekt.
"kann das sein, dass du ein bisschen sehr gestresst bist?"
ich spürte fürsorge und bekam ein klammes herz. wenn du jetzt noch anfängst zu kochen und hinterher mein stirnchakra zu massieren, taufe ich dich wirklich objekt II, dachte ich bei mir. nun aber wollen wir mal nicht zu viel bedürftigkeit signalisieren, das wirkt sonst abschreckend.
"ja, klar, immer, aber so bin ich halt", entgegnete ich also cool. dann richtete ich mich auf, nahm den leeren korb und den restlichen kram und stolzierte nach nebenan in meine eigene wohnung. unter der tür stand mein nachbar und guckte immer noch mit dieser mischung aus verwunderung und nettigkeit, die mich ganz wuschig machte.
"tschüß und danke und bis später dann", rief ich ihm noch zu.
"ja, äh, ich klingel dann also einfach, wenn das okay ist."
"ja natürlich!"

vor einigen minuten bekam ich dann meine sauber duftende wäsche zurück. auch mein nachbar roch gut und hatte noch rote wangen vom sport.
"dann schlaf mal schön", sagte ich, als kannten wir uns schon 100 jahre.
"äh, ja, dann tschüß dann", stammelte der nachbar.
danach fielen die türen ins schloss.

morgen früh im bad wird er mich dann wieder mit radio hamburg beschallen. obwohl ich dann jedesmal kotzen könnte, hat es etwas vertrautes. ein stück geborgenheit. vielleicht eben ein bisschen ddr. und überhaupt ist ja auch das objekt ein ossi, wen wunderts.

nächste woche geh ich mir dann eine luftpumpe beim nachbarn borgen.

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welt erklären und so
endlich mal wieder eine motivation für die mundwinkel, sich schläfenwärts zu bewegen.



via rick.blogger.de

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