Sonntag, 26. Dezember 2010
jägerzaunidylle und lost im raucherparadies
süße, erdrückende langeweile. nicht, dass ich das bedürfnis hätte zu arbeiten. ich fühle mich schlecht und nutzlos, so ganz ohne. aber ich nehme es streng mit der selbstverordneten ruhe und sitze eben den ganzen tag in meinem mädchenzimmer und beobachte, wie sich der schnee immer höher schichtet.

die party, auf der ich gestern abend noch war, weil sie die einzige in den nächsten tagen war, brachte auch keine abwechslung. das dj-set erreichte die talsohle der uninspiriertheit gegen drei uhr morgens mit "sunglasses at night", ein alter schinken, der gewissermaßen schon am verwesen ist. auch sonst gab es keine musikalischen impulse, die mich hätten aufhorchen lassen oder aus dem sessel bewegen können. tanzen war also fehlanzeige. was mich beinahe zum hyperkinetischen ausrasten brachte.
zudem waren nur wenige leute da und diejenigen, die da waren, waren überwiegend männer, mit denen ich mal was hatte. sie starrten mich immer noch mit dem gleichen gesichtsausdruck verletzter füllen an, weil ich in der regel diejenige war, die schluss gemacht hatte. zu tode geglubscht verkroch ich mich dann in den hinterletzten winkel, da ich keine fragen wie "wohnst du immer noch in hamburg?" oder "na was macht die liebe" beantworten wollte. zum glück war meine beste freundin da. allerdings hatte sie ihren mann dabei - und der beschäftigte sich den abend über intensiv mit meinem letzten vor-ort-ex.

irgendwann jedoch gelang es mir, den mann meiner freundin zum rauchen weg in den garten zu locken, was ihm sehr entgegenkam, da er gerade halbfreiwillig nichtraucher werden soll. wir huschten durch den flur und hinaus in die eiseskälte, beide ohne jacke, da es ja nur eine kippenlänge eisschranktemperaturen zu ertragen galt. dachten wir.
doch kurz, nachdem wir im schneesturm unsere zigaretten entfacht hatten, passierte es: der wind schlug die tür zu.
wir guckten dumm. h. rüttelte am knauf.
"scheiße, die ist zu."
ich war noch ganz cool und meinte nur:
"egal, wir gehen einfach durch den garten und vorne raus und zum eingang wieder rein."
schlotternd, aber noch entspannt rauchten wir zu ende und trippelnden dann richtung gartenausgang.
was wir allerdings nicht wussten: die betreiber des clubs hatten in den letzten wochen einen etwa zwei meter hohen holzzaun um das grundstück gebaut. was bedeutete, dass unser fluchtweg abgeschnitten war.
"ach du kacke", sagte ich, als wir vor der nicht enden wollenden bretterwand standen.
"was machen wir denn jetzt?" fragte h.
ich holte mein handy aus der tasche.
"ich ruf deine frau an."
"das ist aber optimistisch. die hört dich doch nicht da drinnen."
"egal, vielleicht haben wir ja glück."
leider hatte h. den besseren realistätssinn von uns beiden. ich versuchte es dreimal ohne erfolg, dann gab ich auf.
inzwischen war uns jackenlosen sehr, sehr kalt. wir rannten zurück zur gartentür und begannen zu rufen und zu klopfen. doch keiner hörte uns.
"wie lange hält es ein mensch eigentlich aus, ohne jacke bei minusgraden und schneesturm?!" witzelte ich.
doch auch h. war inzwischen mulmig geworden.
dann hörten wir am anderen ende des garten plötzlich stimmen. klar, da war ja der parkplatz. h. rannte los und rief:
"hallo, hallo... könnt ihr uns helfen?"
er schilderte kurz unser anliegen. doch leider waren die passanten nur besoffene vollpfosten, die glaubten, wir nähmen sie auf den arm. sie lachten und verkrümelten sich.
mittlerweile waren wir richtiggehend verzweifelt. wir gingen langsam schweigend zum verschlossenen eingang zurück. schutzsuchend kauerte ich mich an die tür und hoffte, das holz würde mich wärmen. plötzlich jedoch gab die tür in meinem rücken nach. schemenhaft erkannte ich m.s irokesenkopf hervorlugen.
"was macht ihr zwei hübschen denn da?!" fragte m. erstaunt. "h., deine frau sucht dich schon!"
"mann, bin ich froh, dass du da bist", rief h. und nahm m. in den arm. der wunderte sich, bis h. ihm unsere unfreiwillige exkursion in die arktis schilderte.

das war aber leider auch schon der höhepunkt des abends. ich wollte mich nach dem schockfrosten erstmal aufwärmen und holte mir einen white russian an der bar. und ohne pauschalisieren oder unken zu wollen: barkeeper, die beim mixen in der karte nach den zutaten schauen müssen, machen mich nervös. das ist wie ein arzt, zu dem sie wegen einer erkältung kommen und der dann in seinen büchern nachgucken geht.
mein gefühl betrog mich nicht. der weißrusse war eine schale milchplörre mit unmengen von eiswürfeln.
danach hatte ich endgültig genug. ich packte meine siebensachen und verschwand frustiert.

zuhause bei meinen eltern schwor ich mir dann, dass mein nächster heimaturlaub garantiert nicht mehr in einer totenzeit wie weihnachten stattfinden wird. ab sofort wird urlaub nur noch nach partykalender gebucht. und merke: beim betreten von diskotheken immer fluchtwege checken!

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