Sonntag, 16. März 2008
alte schrullen, neue ängste
letzte nacht nach einem schauerlichen tanz-event als strohwitwe nahm ich den kürzeren weg und schaute bei meinen eltern vorbei. nachts um drei kam ich an, durchnässt, ausgefroren und ziemlich genervt sperrte ich die haustür auf. sehr weit kam ich aber nicht. ich musste erst einmal das ganze haus zusammenschreien, damit mir jemand die von innen verschlossenen flurtüren aufschließen möge.
"was willst du denn hier?"
die allzeit freundlichen begrüßungen, die mir in diesem liebevollen haus entgegenschallen, ließen mein herz vor freude überschäumen.
"hallo papa. schlafen."
"wie lange bleibst du?"
"wenigstens bis morgen früh. wir könnten uns da auch theoretisch mal wieder unterhalten, es sind ein paar schöne dinge passiert."
"hmpf. aber mach nicht soviel lärm. lass nicht so lange das wasser rauschen. geh gleich ins bett."
ich mache nie lärm. alle jubeljahre kommt es vor, dass mit die badezimmerschranktür aus der hand gleitet. seufzend schminkte ich mich schnell an und kuschelte mich in mein altes kinderbett.

am nächsten morgen stehe ich in der küche und versuche vorsichtig und in elterngerechten worten zu erzählen, was ich letztes wochenende gemacht habe und inwiefern es jetzt ein bis zwei neue chancen in sachen berufliche zukunft für mich gibt. schließlich will ich, dass sie sich nicht immer so viele sorgen machen wegen mir schlimmen problemkind.
abschließende bemerkung zu den hoffnungsvollen schilderungen von seiten meiner mutter:
"naja, wenn das mal was wird. garantie haste ja wohl keine."
sie zieht die mundwinkel nach unten und macht ihr verächtliches gesicht. ich überlege kurz, ob ich darauf noch irgendetwas sagen sollte. ich entschließe mich zu einem nein und will mich abwenden, um den raum zu verlassen, als mir eine frage hinterhergeworfen wird:
"und was ist mit deinem geburtstag?"
"weiß ich noch nicht."
"naja, hast du einen wunsch?"
"ich werde mich nichts zu wünschen brauchen. die nächsten monate werden auch so hart in sachen überleben."
meine mutter grinst voller genugtuung.
"da wirst du wohl recht haben."
ich mache einen zweiten fluchtversuch, doch wieder wird mir der weg mit einer frage abgeschnitten:
"und dein führerschein?"
"ich muss halt warten, bis der antrag beim bürgeramt durch ist."
"was für ein bürgeramt?"
"hab ich dir doch schon am telefon erklärt. man macht das heutzutage nicht einfach mit der fahrschule aus, sondern das ist eine ecke offizieller."
"hast du nicht."
"hab ich wohl."
"hast du nicht."
"mama! du hast mir selber noch lang und breit geschildert, wie das bei dir damals alles anders war!"
schweigen, welches ich als zustimmung werte. sie würde nie zugeben, dass ich recht habe.
"jedenfalls", sagt sie dann, "darfst du nicht so viele stunden auf einmal nehmen in deinem ferienkurs da."
"das ist aber sinn der sache."
"du hast ja keine ahnung, wie anstrengend sowas ist. das hälst du nicht durch. und dann haben wir wieder umsonst gezahlt."
als hätte ich mal irgendetwas nicht durchgehalten. als hätte ich bislang einmal etwas nicht zu ende gebracht.
"ich saß schon mal hinterm steuer, und ja, es ist anstrengend, aber ich muss mich da dran gewöhnen. es soll leute geben, die fahren sogar ein paar stunden am stück, zum beispiel in urlaub."
"aber du doch nicht, du bist doch wie ich. du tust dir bestimmt schwer."
"dass ich anfängliche schwierigkeiten beim lenken hatte, heißt noch lange nicht, dass ich total behindert bin."
"kind, du unterschätzt das. du hälst das nicht durch. du schaffst das nicht."

ich sehe ein, dass es keinen sinn hat, weiter zu diskutieren. wieder will ich gehen, aber meine mutter redet weier:
"und mit deiner note da, da hast du ja auch nichts unternommen."
"hab ich wohl. ich habe alles genau dokumentiert und eingereicht, warum ich die korrekturen meiner arbeit ablehne."
"aber du bist nicht vor gericht gegangen. kein wunder, dass du nichts bewirkt hast."
"mama! ich habe keinen rechtsschutz! ich kann doch keine note einklagen, die sitzen beim kultusministerium sowieso am längeren hebel! und was glaubst du, was dir da für schuldenberge draus erwachsen, wenn du die prozesskosten tragen musst!"
"das glaub ich nicht."
"meine professorin hat mir auch dringend davon abgeraten, vor gericht zu gehen."
"die kann das doch gar nicht wissen. der trau ich sowieso nicht weit."
aber sie weiß es sicher besser als meine professorin, klar.
ich rolle die augen. meine mutter fügt beleidigt hinzu:
"da hätte man sich halt engagieren müssen. aber du machst ja nichts."
ich habe keine lust mehr, ihr aufzuzählen, wieviele stunden ich allein zugebracht hatte, um alle dokumente für den widerspruch zusammenzustellen. ich sage:
"klar bin ich schuld. ich bin auch schuld, dass ich keinen job gekriegt habe, weil ich ja meine bewerbungen nicht richtig schreibe. du weißt das ja."
verächtliches schnauben, türeknallen.

na, ich geh dann mal. macht´s gut, meine lieben. und immer dran denken: ich suche euer altersheim aus. und ich entscheide dann auch mal, wann sie die geräte abschalten oder nicht.

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