Sonntag, 26. April 2015
wiedersehen nach 14 jahren
als ich das erste mal nach hh kam, war ich 17. ich hatte im chat einen typen kennen gelernt, mit dem ich mich super verstand. er war laut eigener angaben mitte 30, rechtsanwalt und hatte gerade seine erste eigene kanzlei eröffnet. das imponierte mir und ich machte mich schnell ein jahr älter, damit ich wenigstens nicht mehr minderjährig schien. als unser chat immer mehr ins flirten überging, lud er mich irgendwann nach hamburg ein. mein damaliger freund protestierte und drohte mit schlussmachen, meine eltern gingen auf die barrikaden, aber ich war a) jung und naiv und b) nicht zu halten auf meinem rebellions- und selbsterfahrungstrip. ich ließ den anwalt zugtickets buchen und packte meine koffer.

ich fuhr damals eine etwas komplizierte strecke über celle. celle stieg ein typ in den zug, der sich zu mir setzte. er war zwei, drei jahre älter als ich und erzählte mir, dass er gerade seine eltern besucht habe, die, nachdem er sein medizinstudium geschmissen hatte, not amused waren. meine eine hatte damals noch nicht mal abi, also hörte ich zu und staunte. dann stellte sich heraus, dass der exmedizinstudent auch nach hh musste und dass er dieselbe musik mochte wie ich. kurz bevor wir am hauptbahnhof einfuhren, gab er mir seine nummer und seine e-mail-adresse.

am bahnhof holte mich der anwalt ab. die erste begegnung war ernüchternd: er sah aus wie mindestens 40 und hatte wenig ähnlichkeit mit dem smarten schwarzweiß-foto, dass er mir einst geschickt hatte. wir fuhren zu ihm. er wohnte in einer wahnsinnigen wohnung in uhlenhorst, wo er auch gleich nebenan seine kanzlei hatte. was dies betraf, hatte er nicht gelogen. was sein alter betraf, hingegen offensichtlich schon. ich selbst hatte in diesem kontext zwar auch ein wenig geflunkert, aber das raubte mir garantiert nicht so viel attraktivität.

ich duschte, zog mich um, dann holte der anwalt etwas zu essen.
"sollen wir heute abend ausgehen?"
genauso hatte ich mir meinen hh-aufenthalt vorgestellt.
wir gingen in den club, denselben, der später hier mein zweites zuhause und objekt-begegnungstätte wurde, der sich damals aber noch zwei straßen weiter entfernt befand. die veranstaltungsreihen waren damals schon ähnlich, das ganze neuartige cyber-teeniegeschrubbe kam natürlich erst später dazu. damals dominierten gitarrenklänge und düsterpop. kurzum, der abend wurde bombe. ich vergaß ganz, dass ich mit dem anwalt unterwegs war, trank, tanzte und ließ es mir gut gehen.

irgendwann gegen fünf saßen wir in des anwalts penisverlängerung und gurkten die alster entlang. zu diesem zeitpunkt begann der anwalt, mit mir zu flirten und mir komplimente zu machen. ich hatte jedoch definitiv kein interesse, ging nicht weiter drauf ein und legte mich schließlich - vollständig mit pulli und hose bekleidet - ins bett, nicht ohne dem anwalt vorher noch mal klarzumachen, dass jeder in seiner hälfte des bettes schlafen würde.

jedoch schien der anwalt es mit absprachen so wenig genau zu nehmen wie mit dem alter. mitten in der nacht - oder vielmehr am morgen - wachte ich auf, weil sich der anwalt auf mich gewälzt hatte und seine hände auf meinen brüsten waren. nach heftiger gegenwehr ließ er ab, versuchte es aber noch einmal, als ich wieder eingeschlafen war. wir stritten uns kurz, danach beschloss ich, lieber wachzubleiben und weitere übergriffe zu verhindern.

als wir gegen mittag aufstanden, hatte der anwalt seinen charme verschluckt. er knallte mir eisig ein frühstück hin und verschwand dann zu einer angeblichen kollegin in deren kanzlei. ich blieb allein. was nun? da erinnerte ich mich an die telefonnummer in meiner tasche und ich rief rasch den exmedizinstudenten an. ich hatte glück, er ging an den hörer - handys waren damals noch nicht so verbreitet - und hatte am abend sogar zeit für mich.

ich packte schnell meine sachen und fuhr erstmal in die stadt. da gefiel es mir sehr und mir kam erstmals der gedanke, dass ich vielleicht nicht in meiner heimat studieren sollte. neben hamburg dachte ich noch an berlin - hauptsache raus, hauptsache groß.

der exmedizinstudent hatte mir eine wegbeschreibung durchgegeben, die ich auf ein kaugummipapierchen gekritzelt hatte. gegen halb zehn uhr abends kam ich schließlich am ziel-s-bahnhof an. dort holte mich der exmediziner ab. ich erzählte ihm rasch die ereignisse der letzten nacht und drängte darauf, dass ich bei ihm schlafen konnte.

der exmediziner war kein mann der langen worte und gewährte mir sofort obdach. er wohnte damals mit acht weiteren jungs in einer wg, die meisten studenten. er hatte nur ein winziges zimmer und ein winziges bett, aber ich durfte es nach meiner letzten furchtbaren nacht ganz für mich haben. er selbst schlief im schlafsack auf dem boden. das war mir peinlich, aber ich war auch froh darüber, denn noch eine nacht mit ekel-fummelei hätte ich nicht überlebt.

wir hatten noch eine gute zeit zusammen und gingen unter anderem auf eine krasse technoparty, an die ich mich nur noch in bruchteilen erinnnern kann. sehr süß war, dass sich in der wg alle neun jungs spürbar mühe gaben, es dem weiblichen besuch so angenehm wie möglich zu machen. ein paar tage später fuhr ich dann nachhause - mit dem ticket, das noch der anwalt bezahlt hatte. das fand ich nur gerecht. ich schrieb dem anwalt noch eine einzige mail, in der ich mein wahres alter enthüllte und ihn darauf hinwies, dass er versucht hatte, eine minderjährige zu betatschen. daraufhin muss ihm ziemlich der arsch auf grundeis gegangen sein.

den exmedizinstudenten besuchte ich noch ein einziges mal drei jahre später. seither haben wir uns nicht mehr gesehen, obwohl wir inzwischen beide in hh wohnen und ich immer mal wieder an ihn gedacht hatte.

das wird sich nun morgen ändern.

und ich bin sehr gespannt.