Donnerstag, 1. Mai 2014
shut down
schlafstörungen sind immer ein alarmzeichen, dass meine hypophyse wieder scheiß baut und der serotoninstoffwechsel verrückt spielt. nach drei nahezu euphorischen tagen mit lustigem schlafmangel empfängt mich heute nach dem aufwachen wieder das bekannte gefühl abgrundtiefer traurigkeit, gepaart mit unerträglicher unruhe. kacke, erst viertel nach zwölf. ich muss noch schlafen, der tag ist sonst zu lang. ein scheißfeiertag noch dazu. da kann man nicht mal rüber zu penny und sich frischen wodka holen. nein, da muss man zuhause sitzen, kann nicht raus, weil die ganze welt voller verfickter feiertagsmenschen ist - krakeelende kinder, die um omma und oppa rumspringen, während mutti und vaddi im unisex-look asexuell nebeneinander herspazieren. lüge, will man da brüllen, fette lüge, schaut euch doch mal an, so könnt ihr euch gleich begraben lassen.

weil die katzen es doof finden, wenn ich mehr als 12 stunden im off bin, stehe ich dann aber doch auf, lümmle am schreibtisch rum, löffle erdbeermarmelade aus dem glas und zünde mir die gestern abend noch angerauchte zigarette an. ich könnte ja mal jemanden anrufen, finde ich. soziale kontakte und so. ich scrolle durch meine anrufliste. seit einem monat wiederholen sich dort neben einigen kunden die nummern von exakt zwei menschen. ha! niemand würde dich vermissen, wenn du jetzt sterben würdest, triumphiert mein alter ego. NIEMAND. denn wenn der eine nicht so auf deine deep throats stünde, wäre da nur eine nummer in deinem display. eine ist so gut wie keine. DU BIST EIN NICHTS. face the fact.

hör auf, sage ich zu meinem alter ego. da ist doch alles nicht wahr. der kleine kater krabbelt auf meinen schoß und gibt unaufgeforderte zuneigungsbekundungen. DA SIEHST DU. jemand hat mich lieb. jemand, den ich sogar ertragen kann. der kater rollt sich in meinem schoß zusammen und schnurrt. ich rolle mich drum herum, so klein ich mich machen kann. der kater strahlt wärme ab wie ein kleiner ofen. erst jetzt fällt mir auf, wie kalt es im zimmer ist. auch ich bin kalt, hände, füße, aber das spüre ich kaum. alles, was zählt, ist der heiße fellball in meiner körpermitte. gut so. schnurr weiter, kleiner kater. defibrillator.

die unruhe pocht richtung schädeldecke. so viel ungenutzte lebendigkeit. grenzenlose energieverschwendung. energie, die ausgebremst werden muss, weil ich nicht weiß, wohin damit. damit ich sie nicht gegen mich richte.

das handy klingelt. es ist ein kunde, der mir seine unausgegorenen ideen an den kopf drückt. ich sage mehrmals "hm" und verweise dann auf die von ihm gebuchten leistungen und dass diese keine konzeption umfassen, da ihm dafür das budget fehlt und ich ohne geld nicht für ihn denke. der kunde labert trotzdem weiter, bis ich auf den feiertag hinweise und sage, dass ich heute sowieso nicht arbeite. nach dem telefonat habe ich mindestens drei ideen, wie man das kundenproblem lösen könnte, aber ich habe gelernt, dass ich strategien nicht kostenlos raushauen darf.

das man immer alles zurückhalten muss. intelligenz. emotionen. aggressionen. das ist wie pipi müssen, wenn kein klo in der nähe ist. ich muss an die folterstrafe denken, bei der man einst gefangenen die harnröhre abband und sie zum trinken zwang, bis die blase platzte. vieleicht platze ich auch irgendwie, wie rumpelstilzchen.

die daily dose medikamente beginnt zu wirken. es fällt mir leichter, gleichgültig zu sein. den kunden ausblenden. das alter ego ausblenden. in die emotionsfreie grauzone sacken.

einatmen. ausatmen. bis morgen.