Sonntag, 22. Mai 2011
fusselalarm und neue töne
im augenblick ist es beinahe sinnlos, die wohnung zu putzen. irgendwelche komischen bäume gehen rücksichtslos ihrem fortpflanzungsdrang nach (ferkelei!) und setzen massenhaft wattebauschartige pollen frei. überall schweben kleine weiße geister herum und konglomerieren zu ausgewachsenen teppichen. wenn einem das zeug ständig in gesicht und nase hängt, wird es auch für nicht-heuschnupfennasen wie mich schwierig, das niesen zu unterdrücken. der totale nerv jedenfalls, und das mitten in der steuererklärung. ich bin ja für die züchtung von bäumen, die keine pollen produzieren. so wie kernlose trauben oder mandarinen, wissen sie? in großstädten wird der baumbestand ohnehin menschlich reguliert, damit alleen alleen bleiben und damit nicht zu viel schatten auf herrn und frau schnöselmeiers terrasse fällt. deshalb macht pollenflug per se gar keinen sinn. liebe gentechniker, könnt ihr euch nicht mal was ausdenken?

meinen gestrigen nächtlichen ausflug habe ich der erstickungsgefahr zum trotz mit dem fahrrad getätigt. sie war auch einfach zu schön, diese maiduftende dunkelheit (hatschi). auf meinem weg ganz vom norden runter bis nach a. fuhr ich aus nostalgischen gründen eine schleife durch den lunapark und die augustenburger straße. als ich vor einem jahr immer hier lang radelte, ahnte ich noch nichts von den dramtischen ausmaßen, die die objektgeschichte noch bekommen würde. da war ich einfach nur entsetzlich angefixt. 12 monate später war ich zwar immer noch angetan, aber auch desillusionierter - vor allem in der erwartung der anwesenheit der objektexfreundin an diesem abend.

nachdem ich den eingang zum club passiert hatte, schaute ich mich zunächst nach dem dritten und der drittenfreundin um. keiner da. faule socken.
als ich unter der tür zum raucherraum stand, rempelte mich ein typ mit dem ellenbogen in der rippengegend an und drängte sich unwirsch an mir vorbei. bevor ich noch richtig reagieren konnte, sah ich, wie eine hand den rempler von hinten beim schlafittchen packte. die hand gehörte dem objekt. der rempler, der eine visage wie ein pitbull terrier hatte, drehte sich erstaut um und guckte in die armageddon-funkelnden objektaugen.
"suchst du ärger", fuhr das objekt den rempler an.
der pitbull guckte verdattert.
"du hast eben die frau hier geschubst", setzte das objekt seine strafpredigt fort.
"schulligung", nuschelte der pitbull.
"ja, nicht bei mir musst du dich entschuldigen, sondern bei ihr!"
"schulligung", nuschelte der pitbull nun noch einmal brav in meine richtung.
"und guck sie gefälligst an, wenn du mit ihr sprichst", setzte das objekt noch einen drauf. jetzt machte es sich allerdings schon wieder einen spaß aus der situation und zwinkerte mich über den kopf des pitbulls hinweg an. der pitbull verdrückte sich eingeschüchtert und das objekt nahm mich in die arme.
"na, du strenger vaddi, wie war die schulveranstaltung", sagte ich zur begrüßung.
"frag nicht. lauter vertrocknete spießermuttis, die mit ihren komischen spießertypen in reihenhäusern wohnen und die vermutlich schon seit 100 jahren keinen sex mehr hatten. ich bin ja der jüngste papa in dieser klasse."
"klingt deprimierend."
"naja, unterhalten konnte man sich da leider mit niemandem. aber der lütte und ich haben trotzdem die bude gerockt und ab nachmittag gabs voll den kuchen- und bratwurstexzess."
"dann hat es sich ja doch gelohnt", bilanzierte ich, die ich die verfressenheit des objekts kannte.
"für dich wär das nichts gewesen, du wärst da gestorben, für so ne veranstaltungen bist du viel zu sophisticated und zu..."
"zu was?"
das objekt suchte nach einem attribut.
"exzentrisch."
"soso."
"naja, du weißt, wie ich das meine: wie du redest und wie du du eben bist... du bist halt keine so ne stino-bratwurst-mutti. du könntest nie so werden."
"tja. meine fleischlichen gelüste sind auch etwas anders gelagert."
wir grinsten uns an.
"auster", schlug das objekt vor, "und venusmuscheln."
"da sag ich auch nicht nein."
"shrimps?"
"büschen klein. garnele darfs dann schon sein."
"sag mal, kann es sein, dass du über sex redest?" grinste das objekt und rückte interessiert näher. eine pheromonwolke driftete auf mich zu. außerdem duftete das objekt heute leicht nach orange.
"neues parfum?"
"shampoo. nicht ablenken", erwiderte das objekt. "ich finde, wir sollten das unbedingt mal näher erörtern."
das objekt lüpfte mein shirt und platzierte einen finger in meinem nabel.

"was machst du denn da?"
wir fuhren herum. ich hatte eigentlich die objektexfreundin erwartet, aber da stand nur die aktuelle objektgespielin, die, wie ich ja wusste, dem objekt ziemlich am allerwertesten vorbeiging.
"sie hatte ne fussel im bauchnabel", grinste das objekt unverfroren. "weißt ja, die dinger, die da zur zeit überall rumfliegen."
die objektgespielin, um einiges souveräner und abgebrühter als die gleichaltrige objektexfreundin, machte keine szene, sondern fragte nur:
"kommst du tanzen?"
"später", antwortete das objekt.
als die objektgespielin abgedampft war, lehnte sich das objekt an meine schulter.
"ich finde, wir sollten uns demnächst mal treffen. so in aller ruhe. an einem samstag oder so."
holla die waldfee.
"und was schwebt dir vor?"
"hm, vorlesen? kochen? ein bisschen nackt durch die wohnung laufen? "
"muss ich mir mal überlegen. die reihenfolge gefällt mir aber schon mal."

ich stupste das objekt, um wieder etwas abstand zwischen uns zu bekommen, und es nahm den schweren kopf von meiner schulter. dann löste ich mich aus der unheilvollen verstrickung und ging an die bar, um mir ein eiskaltes wasser mit zitrone zu bestellen. anschließend begab ich mich nach draußen in den hof, um den roten mond anzugucken und kleine wattebausch-pollen auf mich herabregnen zu lassen. ein perfekter moment, dachte ich, und eine verlockende aussicht...