Sonntag, 1. Mai 2011
die nacht der ungefragten wahrheiten
gestern mit der drittefreundin in den mai getanzt. ich wiederhole mich ja nur ungern, aber mit 20-jährigen kann man als alte kuh mehr spaß haben als man denkt. ich sollte auf jeden fall lehrerin werden, ich könnte dann nämlich immer mit meinen abiturienten feiern gehen und mich gut unterhalten.

auf der hinfahrt erhielt ich von der drittefreundin ungefragterweise weitere objektnews. unter anderem erfuhr ich, warum mit der objektexfreundin schluss ist. ich selbst hatte ja ganz naiv vermutet, das objekt sei mit seinem notorischen fremdficken und lügen aufgeflogen oder ihr mit seinem ewigen drogenkonsum auf die nerven gefallen.

"neinnein", belehrte mich die drittefreundin eines besseren. "die objektexfreundin hat sich mit einem freund unterhalten und da hat das objekt total durchgedreht."
"moment mal", blinzelte ich irritiert. "das objekt vögelt vier oder fünf frauen gleichzeitig und lügt, dass sich die balken biegen - und die objektexfreundin darf sich nicht mit einem freund unterhalten?!"
dann erinnerte ich mich an meine gespräche mit dem objekterzfeind, dem architekten, und wie mich das objekt danach auch mit dem arsch nicht mehr anschaute. das objekt war durchaus zur eifersucht fähig, musste ich mir eingestehen.
jedenfalls, so die drittefreundin, sei das objekt nach dieser bösen angeblich-fremdflirt-aktion und einem wochenende, an dem die objektexfreundin berufsbedingt keine zeit hatte, losgefahren, habe der objektexfreundin ihre sachen vor die füße geworfen und schluss gemacht. neben dem fremdflirten lautete der zweite trennungsgrund, dass die objektfreundin unloyal sei, weil sie an dem wochenende keine zeit gehabt hatte. das dritte argument war zu meinem großen überraschen schlechter sex.

ich musste erstmal hyperventilieren. dass das objekt nicht alle tassen im schrank hatte, war ja nichts neues. ich war mir auch immer dessen bewusst gewesen, dass das objekt mir gegenüber, die ich im vergleich zu seinen anderen frauen mit sehr viel respekt behandelt wurde, nur die lightversion seiner gesammelten verrücktheit outete. dass es aber ein derartiges arschloch sein konnte, verblüffte mich.

"und was macht die objektexfreundin jetzt so? ich hab sie nie wieder gesehen. hat sie wenigstens rausgefunden, wie mies das objekt so ist?" fragte ich, unfreiwillig gespannt dem klatsch verfallen.
"nein", sagte die drittefreundin. "sie glaubt immer noch, das objekt sei eine liebe, treue seele und der fehler liege allein bei ihr. immer, wenn wir telefonieren, weint sie ganz schrecklich deswegen. ich hätte ihr ja zu gerne reinen wein eingeschenkt, aber dann hätte ich dich da auch noch mit reingezogen."
ich staunte immer noch mit offenem mund aus dem fenster der s-bahn.

im club schütteten wir uns erstmal einen caipi hinter die binde. der barkeeper spendierte uns noch zwei üble schnäpse. dann begann sich die welt zu drehen und ich stolperte nach links, direkt in die arme des architekten. wir unterhielten uns eine weile über ethische tapferkeit und den sinn des lebens, bevor ich die tanzfläche eroberte. das objekt war an diesem abend abwesend. allerdings waren gewisse mitglieder der objektboygroup inklusive k. anwesend.

auf der tanzfläche gesellte sich dann k. auch gleich wieder in meine nähe und guckte. ich guckte zurück und versuchte, dies sehr freundlich, sanft und unaufdringlich zu tun. es klappte. wir tanzten fünf oder sechs lieder und k. rückte immer näher. ich spürte meine nackenhaare vibrieren und dachte, jetzt jetzt jetzt, gleich sagt er was...

doch dann kam die drittefreundin mit dem dritten im schlepptau auf mich zu und k. entfernte sich schleunigst. ich sagte dem dritten hallo. der dritte als sturm-und-drängler war noch mit seinen kumpanen von der schwarzen front unterwegs gewesen und hatte ordentlich prügel bezogen.

nach kurzer ereignisschilderung rekurrierte das thema wieder auf das objekt. auch der dritte hatte in letzter zeit unschöne episoden mit dem objekt durchlebt. so hatte das objekt dem dritten zu ostern versprochen, mit ihm und der drittenfreundin zwei, drei tage wegzufahren. dritter und drittefreundin saßen daraufhin am karfreitag auf gepackten koffern, alles war vorbereitet - nur das objekt tauchte nicht auf und war auch telefonisch nicht erreichbar.
"am abend hab ich es dann mit seiner neuen tusse im club getroffen, total dicht. es konnte sich an nichts mehr erinnern", erzählte der dritte.
der dritte, nicht konfliktscheu, forcierte eine aussprache. das objekt war zerknirscht und entschuldigte sich.
doch damit nicht genug. wenige tage später musste das objekt frühschicht arbeiten und hatte glatt verpennt, dass der objektsohnemann bei ihm sein würde. also fragte er den dritten und die drittefreundin, ob sie an einem samstagmorgen um sieben bei ihm auf den lütten aufpassen würden. dritter und drittefreundin verzichteten also am freitag auf party, um ausgeschlafen beim objekt aufkreuzen zu können. kurz vor sieben klingelten sie an der tür und eine nackte frau öffnete ihnen. das objekt selbst schlief noch. während der dritte das objekt weckte, machte die drittefreundin die küche klar schiff.
"der ganze küchentisch war voller drogen und schnapsflaschen", berichtete sie noch immer entsetzt. "die haben die ganze nacht gekokst und gesoffen und gevögelt, während der kleine nebenan schlief."
wieder stand ich mit offenem mund da und konnte es nicht fassen.
"red doch du mal mit dem objekt", bettelte die drittefreundin. "auf deine meinung hört es doch! dich nimmt es wenigstens ernst!"
ich spürte ein nervöses flattern in der magengrube. sollte ich die ganze geschichte noch einmal aufrollen? jetzt, wo ich mich für die kontaktsperre entschieden hatte?
anderseits: kann man so viel fehlverhalten unkommentiert lassen? wenn ich die konfrontation wagte, musste ich allerdings die fronten wechseln. das objekt würde mir in diesem fall vermutlich genau dieselbe illoyalität vorwerfen wie der objektexfreundin.
"hm", sagte ich, "themawechsel bitte."

dritter und drittefreundin verabschiedeten sich kurze zeit später, da der dritte von den straßenkämpfen reichlich lädiert war und ins bett musste. schließlich sollte tagsdrauf wieder weitergefightet werden.
ich wünschte ihnen viel spaß und dem dritten viel glück und riet ihm, sich vor den tränengas-bewaffneten in acht zu nehmen. der dritte versprach, auf sich aufzupassen, dann zogen die beiden vondannen.

ich selbst blieb noch, bis die lichter angingen und tauschte weitere blicke mit k.
zum ende des abends versumpfte ich schließlich mit einem jungen musikus an der bar.
als ich den club verließ, war es halb sechs uhr morgens. ich schlurfte kraftlos und immer noch etwas angetrunken zum bus. im bus suchte ich mir ein ruhiges plätzchen ganz hinten.

zwei stationen später tippte mir jemand auf die schulter. es war das objekt, das auf dem weg zur frühschicht war. es guckte waschbärartig-restbekifft drein, pflanzte sich neben mich und kuschelte sich ungefragterweise an. als ich wegrutschen wollte, zog es mich an sich und hielt mich fest. soviel zum thema kontaktsperre.
"ich bin sooooo fertig", jammerte es.
"gekifft?"
"nein..."
klar.
"gefickt?"
"nein!"
naja. wer´s glaubt.
"du musst dein leben ändern", rutschte mir da heraus.
das objekt guckte mich mit einem male sehr wach an.
"wie meinste denn das jetzt?"
"naja, alles eben. du gehst gerade so richtig kaputt."
das objekt sah mich nachdenklich an.
"du erwischst immer meinen wunden punkt."
ich nahm meinen mut zusammen.
"ich finde, wir sollten da mal drüber reden."
"aber warum denn? ich mag meinen job."
das objekt merkte nicht, was ich meinte. nunja, vielleicht ein vorteil.
"ach, lass uns doch einfach mal treffen. du hast mir geholfen, jetzt kann ich dir vielleicht helfen. funktioniert allerdings nur, wenn du willst."
"ja, ich würde schon wollen..."
"gut."

dann hielt der bus vor der klinik. das objekt löste sich zögerlich aus meiner umarmung und gab mir einen kuss auf die wange.
"erinnere mich daran!" sagte es und meinte unser anstehendes gespräch.
ich seufzte. jetzt lagen wieder viele wochen der koordinierungsarbeit vor mir, um einen objektsohnemannfreien abend zu erwischen, an dem das objekt nicht allzu hackedicht war - was schon beinahe ein ding der unmöglichkeit war, besonders in letzter zeit. doch eine letzte chance würde ich der sache geben: dem objekt zuliebe, dem dritten und der drittefreudin zuliebe, mir selbst zuliebe und vielleicht auch ein wenig in namen der objektexfreundin.