Montag, 24. Januar 2011
in gottes namen
zum großen schrecken meiner eltern wollte ich um das 16. oder 17. lebensjahr herum künstlerin werden. ich begann, unsummen von geld für großflächiges papier, pinsel, lösungsmittel und diverse farben auszugeben. dann kaufte ich mir 16 kunstbücher und begann zu malen. außerdem bediente ich nach der schule im café, das zu einem miesen kleinen stundenhotel in der südstadt gehörte, um mir den samstäglichen bildhauereikurs bei einer lokal semiprominenten künstlerin und privatdozentin zu finanzieren.

es war eine zeit, in der sich die mienen meiner eltern zusehens verfinsterten, während meine kunstlehrerin entzückt jauchzte, ich müsse UNBEDINGT kunst-abitur machen und das ganze danach auch möglichst studieren. leider brach ich mir wenige monate später bei einem fahrradunfall den mittelhandknochen, was schon mal der bildhauerei sowie auch der pianistinnenkarriere ein spontanes und dauerhaftes ende setzte. ich machte eine zeitlang mit ton weiter, aber das war keine herausforderung, außerdem wusste ich irgendwann nicht mehr wohin mit all den totenschädeln, penissen und torsi. ich machte noch eine kleine weile weiter, um meine mutter zu ärgern, indem ich mit meinen ton-schauerlichkeiten den backofen blockierte. dann stellte ich das ganze ein, da ich keinen platz mehr hatte für meine irdene dildo-sammlung.

in dieser zeit versuchte ich mich, die ich eigentlich eher zu modernerer kunst (19. jahrhundert bis kompostmoderne) tendierte, an einem theologischen werk: die schöpfung von meister bertram. sie kennen das bild vielleicht, es zeigt jesus checker-artig gestikulierend in einem langen mantel mit jeder menge viecher und macht insgesamt einen merkwürdigen eindruck zwischen locus amoenus und sodomistenparty.
ich gab mir reichlich mühe und war im nachhinein verdammt stolz, zeigte das gemälde jedoch niemandem.

vor einigen jahren, als ich mit meier besten, kunstbeflissenen freundin den keller neu sortierte, fiel mir besagtes werk wieder in die hände.
"dein jesus sieht verdammt schwul aus", meinte meinte freundin, nachdem sie das werk eine zeitlang kritisch beäugt hatte.
"das ist eben ein metrosexueller style", entgegnete ich.
"du spinnst ja, jesus war doch nicht david beckham."
"jetzt sei doch nicht so unaufgeschlossen. seit gadamer müssen wir fröhlich die horizonte verschränken. und das ist eben meine interpretation, aus dem hochmittelalter heraus in die kompostmoderne transferiert!"
"der sieht aber trotzdem schwul aus. und überhaupt nennt man typen in langen kleidern nicht metrosexuell, sondern transvestiten."
es war zwecklos, wir kamen auf keinen grünen zweig. irgendwann ließen wir die debatte sein.

ich schenkte das bild am ende meiner oma, die sich sehr freute, entweder weil sie auf metrosexuelle typen stand oder weil sie aufgrund ihres grauen stars nicht mehr so viel sah. so hatten alle völker ihren frieden und ich tauschte pinsel und farbe endgültig gegen tinte und tastatur.