Freitag, 6. März 2009
unordentliche gefühle
in rebecca martins "frühling und so" habe ich mich erstaunlicherweise nach einigen seiten doch wiedergefunden. der roman handelt von einer 17jährigen möchtegern-schauspielerin, die alles vögelt, was ihr über den weg läuft. was ich auf den ersten seiten noch für hybride fantasie einer verwöhnten göre aus einer gescheiterten familie gehalten habe, offenbarte dann doch einige momente, die die geschichte "wahr" und "authentisch" erschienen ließen. es ist der moment, in dem sex einfach passiert, in dem die handlung den erotischen moment killt und sich die frage in den raum stellt: was mache ich eigentlich hier? man weiß, der andere ist nicht interessant und man wird ihn vielleicht nicht einmal wieder sehen, will es nicht einmal. aber der sex passiert, ist nicht aufzuhalten, weil dich eine sehnsucht dazu antreibt. in der emotional unbefriedigenden sexuellen handlung verpufft die sehnsucht und hinterlässt eine leere, da wo man sich fülle hinwünschte - liebe, oder was man dafür hält.
der film "gia - preis der schönheit", ein größtenteils nicht besonders bemerkenswerter biografischer film über das verstorbene model gia carangi, enthält ebenfalls einen satz, den ein fotograf oder regisseur über den zeitgeist sagt, sinngemäß etwa: "nur wenige suchten die liebe und noch weniger fanden sie. und hatten sie sie gefunden, konnten sie sie nicht entdecken - denn davor stand der sex, der alles verdeckte."
die aussage haut in die kerbe, die auch heute eine delle in der kultur darstellt: den ausverkauf von sex und die konsequenzen für die liebe.
der schriftsteller richard david precht hat ein sachbuch geschrieben mit dem titel "liebe - ein unordentliches gefühl". er bezieht sich darin unter anderem auf den italienischen philosophen umberto galimberti und stellt darin die these auf, dass der mensch den anderen heutzutage nur aus dem zweck der selbstverwirklichung sucht. im gegensatz zu früher, wo ehen sachliche arrangements waren, ist es heute so, dass über jeder beziehung der anspruch der romantik hängt. liebe heutzutage wird als zufluchtsort für viele, ein ort, an dem alles stimmen muss. trotzdem und gerade deshalb herrscht in der modernen liebe eine beispiellose freiheit, die unsere kultur heutzutage ausmacht. und diese freiheit birgt eine gefahr: "was in der liebesbeziehung gesucht wird, ist nicht der andere, sondern die selbstverwirklichung durch den anderen..." die folge: "man sucht den anderen, um man selbst zu sein, und man trennt sich wieder, um man selbst zu bleiben." internetplattformen für die suche nach dem großen glück boomen, verblödete fernsehshows wie "bauer sucht frau" spriesen aus dem fruchtlosen boden. denn wenn es schon keine liebe gibt, dann kann man wenigstens mit der illusion davon viel geld verdienen, den knopf für geheime sehnsüchte bedienen und die lieblose menschheit in dem einen, was sie wirklich bewegt: kauf!

oh, da haben wir aber mal wieder radikal schwarz gesehen. liebe gibt es also nicht? sind wir tatsächlich eine lieblose gesellschaft? oder gibt es in der herde der menschheit auch noch unterschiede?
ich für meinen teil glaube fest daran zu lieben und geliebt zu werden. was mir die gewissheit gibt? wenn ich jeden tag den anderen ansehe und mich grundlos erstaune und an ihm erfreue wie ein kind. über kleine, unbedeutende dinge. darin liegt mein großes glück, um das mich, wie ich mir sicher, mich viele beneiden - und andere wiederum überhaupt nicht. ich selbst betrachte es als nicht selbstverständlich und als großes geschenk, auf die gegenwart blicken und sagen zu können: heute bin ich mit dem partner glücklich.