Sonntag, 27. Januar 2008
forever young
neulich eine kurzgeschichte gelesen, den autornamen schon wieder vergessen, weil dröge geschrieben und voller rechtschreibfehler, außerdem war´s ein no-name-produkt für eine renommierte hotelkette, das neben jedem derer betten als einschlafhilfe liegt, goldrichtig würde ich sagen, wirksamkeit bei hundert prozent. der hintergrund der abgedroschenen lovestory jedoch blieb mir noch eine weile im kopf: die handlung spielte in die zukunft, in der alle menschen ihre organe und auch sowas wie haut und haare durch austausch erneuern lassen können, sogar das gehirn inklusive der erinnerungen.
wenn man die sache mit dem gehirn mal vorsichtig weglässt, beschreibt die geschichte damit den zustand unserer gesellschaft, wie wir ihn sicherlich in ein paar jahren oder jahrzehnten erreicht haben werden. kürzlich wurde in den usa ein mensch geklont - mit hilfe von genen aus hautzellen, die in eine eizelle geschleust wurden. das kann man nun gruselig finden oder nicht, sobald die menschlichen produkte auf dem schwarzmarkt zu kriegen sind, wird niemand mehr sterben wollen, der es sich leisten kann. moralist ist man bekanntlich nur solange, bis man sich der eigenen sterblichkeit bewusst wird.
darum geht´s jetzt eigentlich gar nicht, aber ihr dürft mich trotzdem gerne wieder "nazi" nennen.

forever young ist das konzept hinter dem wohlbekannten gesundheits- und fitnesswahn, vielleicht auch hinter religionen, in denen es wiedergeburt gibt. unbedeutend, faltig und inkontinent abnibbeln und dann finis, das ist ja keine nette vorstellung, deshalb bemüht man sich um ein stück unsterblichkeit. aber bis zum tod warten heute die wenigsten damit.
die gängiste methode ist das versetzen von lebenszeit. man ist vielleicht 42, lebt aber noch wie 21. dabei macht es nichts, wenn man auch schon alt aussieht. man kann sich immer noch in jugendliche klamotten zwängen, in der disco peinlich auf der tanzfläche herumhopsen und die kommunikation mit 18jährigen suchen. der trend geht wieder richtung "junge mädchen - ältere herren", weil jungs sofort nach einsetzen des bartwuchses mit dem alterversetzen beginnen, so erstmal eine weile beim lifestyle von 13jährigen stehenbleiben und deshalb für gleichaltrige mädchen oft uninteressant wirken. frauen drehen erst ab etwa 25 jahren die zeit zurück, weil sie in der "brigitte" gelesen haben, dass frauen mitte zwanzig im besten paarungsalter sind.
krankheit dieses zeitalters ist: das zögern. mit 35 fühlt man sich noch nicht reif für eine ernsthafte beziehung, vor 45 denkt man auch lieber nicht an familienplanung. riesterrente steht ebenfalls auf der outliste, die tendenz geht dahin, für das alter lieber gar nicht mehr vorzusorgen, denn: man wird schließlich jung bleiben!
nägeln mit köpfen machen? langweilig. probleme, ja, davon haben wir sowieso genug, denn die sozialen problemlösungsmechanismen sind irgendwo in der pubertät steckengeblieben. so bleibt zum beispiel das aussprechen von emotionen bis zur lebensmitte ein ernsthaftes dilemma. trotzdem will man niemals alleine sein, also lügt man sich selber auch schon einmal emotionen vor, um sich jemanden in der hinterhand warmzuhalten. jaja, ich will dich doch, hauptsache, du willst mich. möchte man umgekehrt einen geliebten lebensabschnittspartner bei sich halten, greift man zum klassiker eifersucht, weil abgeschmackt und durchschaubar geht immer.
die illusion ist dein freund, und ist der mal klamm, helfen wir mit alkohol nach.
der erhoffte babyboom bleibt so natürlich aus, auch wenn eva herman oder ursula von der leyen sich alle mühe geben und wir inzwischen sogar per fernsehwerbung mit glücklich grinsenden du-bist-deutschland-babys zur fruchtbarkeit hinmanipuliert werden. was niemand mehr geben kann und was niemand mehr empfängt, weil alle sozialen bindungen sich bis zur bedeutungslosigkeit relativieren, ist das gefühl, jemand zu sein. von bedeutung, und zwar für den anderen, egal in welcher dimension. das kann nur der partner oder die eigene familie und in sehr seltenen fällen vielleicht der arbeitgeber.
also bleiben wir alle am leben, bleiben lieber für immer unbedeutend jung, als wär´s ein gut, ein gut, das niemandem wirklich gut tut.