Sonntag, 13. Januar 2008
prädikat: lieblich
vor dem weinregal bei rewe gefragt "was fürn wein willste denn?" antworte ich immer "nicht zu trocken, so saueres zeug vertrage ich nicht, krieg ich magenschmerzen von." nach einem viertel glas chianti habe ich einmal über die burgmauer gekotzt, und mein damaliger verklemmter begleiter hat sich wie so oft furchtbar für mich geniert.

ich bin eigentlich ein sehr netter mensch. ich höre mir massenhaft probleme dritter an, schreibe einfühlsame mails, tätige wenigstens einigermaßen zuverlässig rückrufe. ich könnte telefonseelsorgerin werden. ich könnte mich bei "domian" bewerben und anderer leute schrecklichkeiten veröffentlichen.
ich könnte.
und dann sind die probleme der umsorgten gelöst und die leute verschwinden aus meinem leben, so wie sie gekommen sind, ein überraschender akuter notfall. oft schicke ich noch eine nachfrage hinterher, halb verbindlich, heiter. zurück kommt selten etwas, das nach einer fortsetzung der "freundschaft" klingt. mit männern habe ich früher geflirtet, kokettiert, nur um eine antwort zu bekommen, ich benutzte sex, um einen kontakt aufrecht zu erhalten. wenn dir einer sagt "geile titten", fühlt man ja auch einen teil von sich geliebt.
irgendwann habe ich h. kennengelernt, in einem seminar für linguistik. wir unterhielten uns über die allgemeine unverbindlichkeit zwischen menschen. h. sagte, sie wolle nur "echte" freundschaften. zunächst begeistert, verabredete ich mich dann ein paar mal mit h., bis ich dann irgendwann merkte, dass sie die gleichen sachen trug wie ich, ihre haare ähnlich föhnte, dinge aß, die ich gut fand, meine musik hörte, die sie vorher gar nicht mochte, ja plötzlich auch einen mann an ihrer seite hatte, der doppelt so alt war wie sie.
zum ersten mal in meinem leben flüchtete ich aus einer freundschaft. h. ging kurz darauf wieder in therapie, wegen jahrelanger magersucht. ich hätte ihr ein schweres identitätsproblem attestiert.

bis heute finde ich mich immer wieder in runden wieder, erlebe mich als geselligen menschen, humorvoll, hilfsbereit. dennoch gibt es kaum menschen, bei denen ich eine ähnlichkeit mit mir feststelle, aus der dann die herzlichkeit und verbindlichkeit erwachsen könnte, die freundschaften so ausmachen. das interesse an mir als mensch, so stelle ich fest, ist vorhanden, aber ich kann nicht faszinieren. flüchtige kontakte, meist problemgebunden, ist alles, was ich zustande kriege. ohne meinen mann hätte ich vermutlich nicht einen einzigen soulmate.

wir haben also tatsächlich am freitag diesen lieblichen wein gekauft. er steht noch in der küche. vielleicht ist er ja auch zu süß.