Samstag, 8. Februar 2014
holding on
das objekt meldet sich zum abendlichen seelsorge-telefonat.
"was machst du gerade?"
"mit dir telefonieren und um meine innere mitte schwingen."
das objekt erkennt seine eigenen worte und lacht.
"sei doch froh, nicht jede patientin nimmt deine pflegerischen ratschläge so ernst", beschwere ich mich.
"dir gehts gut, was?" will das objekt wissen.
"war schon mal dramatischer. obwohl ich ja jammern könnte, weil ich krank bin."
"erkältung gibt maximal einen halben mitleidspunkt. das hat gerade jeder."

ich muss lächeln. jeden abend freue ich mich auf diesen anruf und hoffe, dass das objekt ihn tut, dass es ihm nicht selber mies geht oder es drogenbedingt in wolkenkuckucksheim hängt.
"wie hast du letzte nacht geschlafen?"
"ganz okay. sechs stunden."
"du schläfst aber normal mehr?"
"acht bis zehn."
"das kommt wieder. wie viel nimmst du gerade?"
"sieben milligramm."
"und du kommst damit klar?"
"ich habe den eindruck, es wirkt weniger gut als am anfang."
"bei diesem medikament hast du eine schnelle toleranzbildung. heißt, es macht auch abhängig."
"was glaubst du, warum ich das zeug erst jetzt bekommen habe. es war die ultima ratio."
"ich habe auch kein gutes gefühl dabei, wenn du das noch viel länger nimmst. wie wär´s, wenn du einfach was rauchst stattdessen?"
"in letzter zeit hat mich das nur umso wuschiger gemacht."
"okay, das ist nicht gut."

wir schweigen eine weile und ich genieße die zuneigung, die auch mit der stille zu mir herüberschwappt.
"gehst du am wochenende aus?" frage ich das objekt.
"weiß noch nicht. t. kommt vorbei, den kann man ja leider so schwer zu was motivieren."
"ich würde vielleicht weggehen. aber nur, wenn jemand mitkommt."
"dann gebe ich dir bescheid, falls wir doch losziehen."
"das wäre klasse."
"wie kommst du eigentlich mit t. klar?"
"ganz gut, warum?"
"ich frag ja nur."
"hat er irgendwas gesagt?"
"nein."
"du weißt, dass du mir das sagen solltest, wenn es so ist."
"morphine, er hat nichts gesagt! ich frage nur, weil ich dich nicht aus versehen mit menschen konfrontieren will, mit denen du im clinch liegst. ich will, dass du dich wohlfühlst. wenn, dann soll das ein schöner abend werden."
"bis auf deine mitbewohnerin gibt es keine menschen, mit denen ich probleme habe."
das objekt schweigt kurz.
"das war unnötig, morphine. ich habe neulich sogar deine postkarte in der küche aufgehängt."
"wie, echt, so offiziell? und was hat sie gesagt?"
"sie hat gar nichts gesagt. alles, was sie nachfragt, sind unsere langen telefonate."
"dann sag doch, ich bin irgendein kumpel."
"nein. ich will ehrlich sein."
"hoho!"
"mann! ich will, dass du ganz normal bei mir ein und aus gehen kannst. dass ich dich einladen kann und dass wir dann in der küche sitzen können, ohne dass sie sich aufregt."
"das wär ja mal schön."
"sie wird irgendwann akzeptieren, dass es dich gibt."
"nicht, wenn du ihr die volle wahrheit zumutest."
das objekt schweigt wieder. ich merke, wie schwierig das thema ist.

meine gedanken schweifen ab zu unserem letzten sex, zu den tiefen küssen, zu der fast gewaltsamen leidenschaftlichkeit, mit der ich geliebt worden war. ich bekomme eine gänsehaut.
"an was denkst du", will das objekt wissen.
"das ist eine scheißfrage", gebe ich meine standard-antwort.
"es interessiert mich aber."
"ich musste an unsere letzte begegnung denken und jetzt bin ich geil", sage ich offen.
"dann machs dir doch."
"verlockender vorschlag. heißt das, du möchtest, dass ich mir jetzt die finger in die muschi stecke?"
schweigen am andere ende der leitung.
"verdammt, jetzt hast du mich angefixt", sagt das objekt dann zögerlich und atmet tief.
"ich fände es schön, wenn du dabei an mich denkst", sage ich und bin dann peinlich berührt.
"ich denke oft und gerne an dich", erwidert das objekt zärtlich.
ich spüre, wie mein herz und zugleich der puls im unterleib wummern.

dann poltert etwas im hintergrund.
"oh", sagt das objekt betreten, um dann in den raum zu rufen:
"du sollst doch ins bett gehen, schnuffi."
ich muss lachen. vaterfreuden.
"okay, der erotische moment ist hiermit gekillt."
"tut mir leid", sagt das objekt. "du kannst ja gleich weitermachen, ich muss mal sehen, was der kleine gerade treibt."
"dann bis morgen."
"bis dann."

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