Montag, 19. September 2011
fails and falls
es herbstet. zwischen frisch gefallenen blättern gehe ich und versuche mich in fröhlichkeit, während mir die vergangene nacht noch in den knochen sitzt.

zunächst der übliche clubbesuch. das objekt ist auch anwesend und scheint sich in stabiler stimmungslage zu befinden. als ich das nebenzimmer betrete, sitzt es mit mr. shyguy zusammen. als es mich wahrnimmt, springt es eilfertig auf und offeriert mir seinen sitzplatz. ich nehme dankend an. der objektsitzplatz hat arschwärme und objektgeruch. ich beginne eine unterhaltung mit mr. shyguy, der liebeskummer hat, während das objekt vor mir steht. ich bin mit seinem schritt auf augenhöhe. das objekt grinst breit und glotzt in mein dekolleté. wir wissen beide sehr genau, was der andere jeweils denkt.

nachdem ich mr. shyguy ein wenig aufgebaut habe, begibt er sich auf die tanzfläche, den frust rausschwitzen. das objekt nutzt die chance, pflanzt sich neben mich und nimmt mich in die arme.
"ich habe neulich deine alten nachrichten noch mal gelesen..."
"welche alten nachrichten?"
"so von den letzten monaten. bis zum letzten jahr oktober! und mann, hatten wir spannende konversationen!"
"die hast du alle noch?"
"klar, ich lösche die doch nicht. es bedeutet mir was."
"schon klar."
"hey, madame, das ist ehrlich gemeint. und du kannst so herrlich versaut sein."
ich sage nichts.
"ich hab dir übrigens auch ne nachricht geschrieben!"
ich gucke zweifelnd.
"du glaubst mir nicht, oder?"
"hier ist nichts angekommen."
"schon klar, ich hab die nicht abgeschickt, weil sie noch nicht fertig ist."
"ich glaub dir nicht", nehme ich dem objekt den wind aus den segeln.
"das ist traurig", sagt das objekt. "aber ich kann dich verstehen. ich kann es allerdings beweisen."
und es kramt sein uralt-handy hervor.
"die ist ganz lang, das sind vier oder fünf smsen am stück! und sie ist noch nicht fertig, also nicht wundern, wenn der text irgendwann abbricht."
dann lese ich und staune ein wenig. das objekt, das unter schwerer legasthenie leidet, hatte sich ordentlich ins zeug gelegt. der text besitzt lyrische dimensionen, die in zweideutigkeiten übergehen und in der anspielung auf masturbation enden.
"hast du dir einen runtergeholt, während du das getippt hast?"
das objekt grinst frech und nickt.
"wie findest du es?"
"da sind ja gar keine rechtschreibfehler drin", sage ich böse lächelnd.
"du bist fies", findet das objekt. "ne ganz fiese deutschlehrerin wirst du mal sein!"
"keep calm. die schule hat mich eh abgelehnt."
"da passt du auch nicht rein. das bist du nicht."
das objekt sieht mich offen an ud strahlt. seine augen glänzen stark und ich weiß, was sache ist.

wie im flug vergehen die stunden. dann ist es fünf. ich unterhalte mich gerade mit einem fremden mann, der mich zum trinken überredet hat, als ich aus den augenwinkeln heraus einen streit zwischen dem objekt und der objektgespielin beobachte. schließlich verlässt die objektgespielin den club. das objekt hängt alleine am tresen und wirkt zerstört. ich frage, was los ist.
das objekt schüttelt nur den kopf:
"zu kompliziert."
dann stützt es den kopf in die hände:
"ich muss in einer stunde auf arbeit sein, ich hab frühschicht."
ich stutze.
"aber du hast doch gar nicht geschlafen?"
das objekt schüttelt den kopf.
"ich bin seit fast 48 stunden wach. ich hatte eben noch spätschicht."
sein blick wandert unruhig durch den raum.
"kannst du mir einen riesigen gefallen tun?"
"kommt drauf an, ich wollte dann gehen."
"ich geh kurz zu mir, mich umziehen. würdest du mich ein stück begleiten? ich muss innerlich einen gang runterschalten. und du kannst mich so gut beruhigen."
"du liegst doch eh auf meinem weg."
"oh, das wäre gut."

als wir beide in den mänteln stecken, holen wir unsere räder und schieben dann schweigend nebeneinander her. ich kenne das objekt gut genug um zu wissen, dass ich nichts zu sagen brauche, denn wenn, dann redet es von alleine. doch es schweigt eisern, bis wir vor dem haus stehen.
"kommst du noch kurz mit rein? ich mach dir auch kakao und ein brot, wenn du möchtest."

in der wohnung zieht das objekt schuhe und hose aus und schlüpft in eine jeans. dann setzt es sich an den küchentisch, dreht eine zigarette und legt eine line. ich weiß, dass protest keinen sinn macht, aber mein blick muss wohl bände sprechen, denn mit einem mal hält das objekt inne und sieht mich an. dann verbirgt es das gesicht in den händen. und als ich ihm die linke wegziehe, sehe ich die tränen.
"ich weiß nichts mehr", flüstert das objekt. "ich weiß gar nichts mehr."
"komm", sage ich und ziehe es in meine arme.

das objekt verkriecht sich an meiner brust wie ein kind und klammert sich fest. es schnieft eine weile, wird dann aber ruhiger.
"ich kann dir das jetzt nicht erklären", sagt es schließlich.
"musst du doch nicht", erwidere ich. "aber meinst du, es ist eine gute idee, jetzt arbeiten zu gehen?"
"ich muss, da ist sonst keiner."
das objekt putzt sich die nase, atmet tief durch und zieht sich dann den stoff rein. zittrig bindet es sich die haare zusammen und schlüpft wieder in seine jacke.

anschließend stehen wir auf der straße in der morgendämmerung. es nieselt.
"bis dann", sagt das objekt und drückt mich.
"bis nächstes jahr", sage ich. das objekt schenkt mir ein schiefes lächeln, dann schwingt es sich auf das fahrrad und fährt gen osten. ich sehe der sich entfernenden rückansicht zu, wie sie kleiner und kleiner wird und schließlich im regengrau verschwindet. dann schlägt die uhr halb sieben und ich mache, dass ich nach hause ins bett komme.

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