Mittwoch, 22. September 2010
objektstolz
nach dem akt.
"was ist mir dir, du zitterst ja, ist dir kalt?"
das objekt, das sonst zwei minuten nach der ejaklation in katatonische starre verfällt und höchstens noch für nackenkraulen zu haben ist, befindet sich in liebevoll-besorgter aufregung und breitet unkoordiniert-hektisch alle vorhandenen decken über mich.
"mir ist nicht kalt, ganz im gegenteil", wehre ich mich gegen die schwarze, immer frisch gewaschen duftende flanell-flut, die das objekt über mich sinken lässt.
"was dann? bist du müde?"
die grünen objekt-augen fixieren mich prüfend. (sie sind ganz pupille, ganz glas, wunderschön jenseitige junkie-augen eben, bei denen ich mich oft frage, wie man so fern aller wirklichkeit noch so viel aufmerksamkeit für eine andere person aufbringen kann.)
"ich bin nicht müde", sage ich.
das objekt fasst mein handgelenk und fühlt mit routiniertem griff meinen technoid wummernden puls. es grinst:
"nein, müde bist du bestimmt nicht. sag mir, was ist los mit dir? wonach ist dir?"
ich muss lachen:
"hey, alles ist gut. das ist nur postkoitales beben."
"postkoitales beben", das objekt wiederholt bedächtig meine worte und grinst stolz wie ein löwe. "das hast du gut gesagt."
dann rollt sich der löwe in meinen armen zusammen wie ein kätzchen. fünf minuten später schläft er tief und fest. im schein der niederbrennenden kerzen spiegeln sich silbergraue fäden in der kupferroten mähne, die immer nach kindershampoo riecht und irgendwann auch mich süß in den schlaf duftet.

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Freitag, 10. September 2010
die hosen runterlassen
wir sind kränklich, aber nicht mehr krank genug, um nicht misslaunig zu werden ob der unfreiwilligen ruhe. 48 stunden, nachdem man/n mich als zusammengesunkenes, wirr fieberndes und völlig dehydriertes häuflein elend in die notaufnahme brachte, bin ich auf dem steilen weg der besserung. das merkte ich unter anderem daran, dass die 1/4 scheibe brot, die ich zuvor nur unter würgen und alleinig wegen der antibiotikum-bombe hinunterbrachte, heute in zwei happs gegessen war und ich anschließend dachte: jetzt wäre ein schöner großer latte mit karamell genau das richtige!

eigentlich spräche nichts dagegen, einmal nach nebenan zum liebenwerten portugiesen zu gehen und sich ein yummie-kaffegetränk hinter die binde zu gießen (schnauze, geldbeutel, du musst nicht immer das letzte wort haben!). doch der bauch wagt plötzlich einspruch. er gluckert kurz bedrohlich, dann muss ich rennen. damit nicht genug. kaum stehe ich auf nun doch wieder zittrigen beinen, muss ich nochmal rennen, diesmal mich übergeben. lovely.

ich fühlte mich an meine kindheit erinnert, als ich mindestens einmal jährlich mit antibiotikum-bedingt schlingerndem magen mit brecheimerchen vor den füßen auf der bettkante saß und zwei stunden lang vergeblich versuchte, mich selbst vom würgereiz abzulenken. später, so ab meinem 14. lebensjahr oder so hatte ich gottseidank kein antibiotikum mehr gebraucht. entweder war ich kerngesund oder tat so, weil ich es auf jeden fall vermeiden wollte, meine antibiotikum-überempfindlichkeit erneut auf den prüfstand zu setzen. aber ich sehe es ja kein, am mittwoch war rien-ne-va-plus oder wie die ärztin richtig anmerkte, das bakterium hätte ja auch meinen herzmuskel schädigen können.

das gute daran ist, jetzt muss ich aus dem haus und darf ganz legitim zur apotheke watscheln, um wieder neue medikamente zu kaufen, diesmal eben gegen die nebenwirkungen. aber es bedeutet, wenigstens eine halbe stunde eine sinnvolle beschäftigung zu haben. vorhin habe ich sogar schon im büro angerufen. nur, um zu hören, wie es ohne mich miss-unentbehrlich so läuft. wenn es mir heute abend gut geht, werde ich mir erlauben, einen teil der wohnung zu putzen. und morgen den anderen - damit ich auch ordentlich was davon habe. sowas muss man schließlich zelebrieren: das warme, duftende putzwasser, das satte platschen des bodenwischtuchs auf dem pseudoparkett, die hinterher blank spiegelnden flächen. ich gerate ins schwärmen.

wenn noch irgendjemand ein kleines projekt - die welt retten oder so - für mich hat, kann er sich gern an mich wenden. ich hab langeweile.

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Dienstag, 7. September 2010
hals haben
hab nen echten hals wegen dieser halsschmerzen.

gleich geh ich sogar zum doc deswegen. wegen so einer pillepalle-scheiße. aber es wird seit freitag immer schlimmer.

sonst neige ich ja nicht gerade zu sowas. das verfallsdatum meiner zuletzt gekauften packung halspastillen spricht bände: 10/2004.

seit mai geht es mir körperlich nicht gerade gut. was ist seit mai anders? am 1. mai habe ich das objekt kennengelernt. vielleicht schlägt sich dieser nackte, geile wahnsinn ja irgendwie immunologisch nieder.

gedrückte daumen und genesungstipps werden gern übrigens entgegengenommen. also nur, falls hier noch irgendwie hin und wieder liest.

***

brandheißes update vom 09.09.:

nach komplettzusammenbruch, kliniktag und antibiotikazufuhr nähert sich das fieberthermometer wieder normalnull. zustand noch schwach, aber optimistisch.

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Dienstag, 24. August 2010
prädikat, subjekt, objekt: story of a weekend
manchmal sind meine wochenenden nicht nur erschöpfend und schlaflos, sondern ein regelrechter emotionaler wahnsinn.

durch meine objektfixierung leide ich hin und wieder an geradezu bewusstseinseintrübenden depressionen. ich kann dann schlecht ab, wenn sich das objekt nach einer intensiven freitagnacht keine 12 stunden später auf der hafen-party vollkommen vollgedröhnt in die arme einer blondine wirft - insbesondere einer bestimmten blondine, von der ich weiß, dass sie das objekt ebenso abgöttisch-affenliebeartig verehrt wie ich. nunja. aber wir wollten es ja so.

das liebe-lieber-ungewöhnlich-konzept hat allerdings auch vorteile. man kann an solchen abenden völlig ungeniert in eigener sache flirten, ohne dass jemand kleinkariertes theater macht.

der betreffende, im folgenden subjekt genannt, war mir schon bei meiner ankunft aufgefallen. so verstrahlt, wie er guckte und so katzenhaft, wie er sich bewegte, musste er sich was eingeschmissen haben. ich vermutete spontan mdma, entschied mich dann für koks, denn für mdma tanzte er einfach zu stilsicher. ich selbst befand mich zu diesem zeitpunkt in aufgewühlt-zerbrechlicher laune, da meine eigenen stimmungsaufhellenden drogen noch nicht voll wirkten. also lächelte ich ihn an. er antwortete mit einem völlig ungenierten und sehr selbstbewussten grinsen. dann drehte ich mich um und ging nach oben an die bar, um die folgereaktion zu testen.
es funktionierte. kurze zeit später stand das subjekt neben mir. der small talk begann. hübsch den trampelpfad der konversation mit gegenseitigen komplimenten anlegen, dann die sache mit dem abfragen von eckdaten pflastern.

zuerst war ich dran. um meine sagenhafte karriere zu umreißen, erzählte ich eine gekürzte zusammenfassung der vergangenen zwei bis zweieinhalb jahre.
"du hast aber ein bewegtes leben", fand das subjekt.
"deshalb sehe ich ja auch so alt aus", gab ich zurück. das subjekt schüttelte den kopf.
"du bist wunderschön."
genau DAS will frau hören, wenn es schon anderen herzensmännern beim fremdknutschen zugucken muss.

dann schaute ich mir das subjekt genauer an. es hatte mir auf den ersten blick gut gefallen, aber auf den zweiten musste ich gestehen, dass es sich um einen sagenhaft hübschen menschen handelte. ich versuchte, ihn beruflich einzuordnen. ich vermutete entweder etwas kreatives, wobei es unter anderem sein klassisch-schönes äußerliches verwerten konnte (schauspieler, model, modedesigner) oder etwas eher gesetzteres in dieser art, für das man ebenfalls aber charisma braucht (architekt, regisseur, pressesprecher).
ich lag so falsch wie nie in meinem leben.
"ich habe fast dasselbe gemacht wie du", sagte das subjekt. "ich bin geisteswissenschaftler."
kurzum, ich hatte einen dozenten angemacht, ihm in schnoddriger, fäkalausdruckreicher sprache aus meinem verpfuschten leben erzählt und dabei pseudolasziv an meinem billigen outfit gezuppelt. ich musste mich erstmal peinlich berührt setzen und tief durchatmen. ich musterte das subjekt und sein puristisch-elegantes erscheinungsbild noch einmal von unter nach oben und von oben nach unten.
"bei uns sahen die professoren der geisteswissenschaften allesamt aus wie schrot-und-korn-fetischisten", blubberte ich dann.
das subjekt musste lachen.
"ich bin doch noch gar kein prof", sagte es.
"aber bald!" sagte ich.

als eine bank frei wurde, setzten wir uns. kaum, dass wir saßen, küsste mich das subjekt. ganz sachte, ohne über mich herzufallen, dann immer bestimmter. in diesem augenblick kam, wie soll es anders sein, das objekt vorbei. obwohl es selbst gerade den armen einer anderen frau entschlüpft war, überkam mich eine sekunde lang ein komisches gefühl. denn hin und wieder war das objekt verstimmt, wenn ich mich mit typen abgab, die in seinen augen arschlöcher waren. das konnte mir theoretisch zwar egal sein, aber praktisch hatte das objekt oftmals einfach recht. doch diesmal reagierte das objekt sehr souverän. über die schulter des subjekts hinweg grinste es mich amüsiert an und nickte wohlwollend.

in der morgendämmerung schießlich machten das subjekt und ich uns auf den weg nach hause. wir verliefen uns in hamburgs schnösel-seniorengetto hafencity und erregeten ein bisschen öffentliches ärgernis. ich stellte fest, dass das subjekt es faustdick hinter den ohren hatte. das hatte ich nicht gedacht, da es rein äußerlich zunächst sehr erwachsen, sehr elegant und ziemlich zurückhaltend wirkte.

als wir an der u-bahn standen, die mich nachhause bringen sollte, wurde mir schwindelig. kein schlaf, viel zu wenig getrunken und dann diese reizüberflutung. ich war verunsichert. wars das jetzt? oder wohin sollte das führen? was wollte dieser mensch von mir? er war mir so wahnsinnig fremd, obwohl wir uns den ganzen abend unterhalten hatten.

als ich zu taumeln begann, fing mich das subjekt auf. und kurz, bevor die u-bahn aus dem schachte rauschte, fragte es mich die entscheidende frage, die mir den boden unter die füße zurückbrachte: "wann sehen wir uns wieder?"

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Sonntag, 15. August 2010
zwei mal zwei
I

weinende männer schockieren mich. also im positiven sinne. trotzdem ist frau, als icke-frau, dann im ersten moment immer ein bisschen hilflos. denn meistens werden die großen heuler aggressiv, weil frau sie in so einem intimen moment ertappt, so einem augenblick, in dem der schwanz ganz klein in seiner hülle hängt.
also erstmal diskreter rückzug in eine umarmung, fragen auf später verschieben, dann frage an die option des nicht-antworten-müssens knüpfen. mann aus der reserve locken. problem analysieren. problem nicht lösen können, aber trotzdem trost spenden. gestern hat das erstaunlich prima funktioniert. ich glaube, ich habe mir wieder einen kleinen orden verdient. eigentlich bist du die perfekte kombination aus kumpel, hure und mutti. schon wieder ein bisschen schmunzelnd dahingesagt.

II

das objekt besucht seine familie für ein paar tage. die objekt-heimat ist ein beliebtes urlaubsziel, für das die bürgerliche mitte und oberschicht ein horrentes geld auszugeben bereit sind. ich war selbst schon da und habe neben schnöseln in pseudolässigen designer-badelatschen, sansibar- und hilfiger-gekleideten kiddies und langen reihen von mercedes-eierschaukeln vor allem die natur und die wunderbare landschaft bestaunt.
das objekt teilt meine begeisterung so gar nicht. düsterer blick on: das ist auch nur so eine reise in die vergangenheit, nach der ich dann wieder froh bin, hier zu sein. düsterer blick off. zwischen den zeilen und in den unwahrscheinlich grünen augen, die seit gestern wieder fahrig und verzweifelt dreinblicken, schreit mir schon wieder ein vater-problem entgegen. prompt liege ich richtig. wieder haben wir eine baustelle. prima. baustellen mit vater-problemen haben erfahrungsgemäß die beschaffenheit von erdöl-bohrlöchern: man muss sehr tief buddeln, bis überhaupt mal was sprudelt. und sprudelt es dann, ist die quelle in nullkommanix wieder versiegt, während am ende dann nichtsdestoweniger ein hässlicher krater bleibt, der sich nicht schließen lässt. viel spaß, frau morphine, wünsche ich mir selbst.

III

die ersten mutti-vaddi-zwistigkeiten. während das objekt eilig und schlampig sachen in eine reisetasche haut, um gleich darauf wieder alles auszuräumen, weil es vergessen hat, was es schon eingepackt hat, mache ich mich nützlich und das schlachtfeld von küche klar schiff. schließlich haben wir nicht mehr lange, bis das objekt zum zug muss. doch das objekt nimmt mir den spüllappen aus der hand und sagt streng: "du setzt dich da hin, dir war vorhin schwindelig!" ich bekomme energy-plörre als kaffee-ersatz und beobachte zwei minuten das verpeilte kofferpacken. dann mache ich mit der küche weiter, während das objekt kritisch schaut, ob ich nicht doch ohnmächtig über die herdplatten sinke. ich habe gerade den immensen geschirrhaufen aus der spülmittellauge gezogen und zum klarspülen bereitgestellt, als das objekt nach einem glas voller schaum greift und sich ein wasser eingießen will. ich reiße es ihm aus der hand: "spinnst du?" das objekt schenkt sich unbeirrt wasser ein und trinkt dann tatsächlich die spülmittel-homöopathie. dann sagt es bestimmt: "wir machen jetzt mal im männer-modus weiter!" es packt das nicht klargespülte geschirr und stellt es zum trocknen auf. "igitt", sage ich und das objekt grinst wie ein frecher kleiner junge und gibt mir einen feuchten kuss in den nacken. und alles, was ich denken kann, ist: eines tages wirst du mir das herz brechen. und zwar nicht nur so ein bisschen.

IV

zwei mal zwei machen noch keinen flotten vierer, nein, sondern summasumarum vier stunden schlaf an diesem wochenende. bravo. ich übertreffe mich immer wieder selbst. bestimmt werde ich bald krank. mir ist so.


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Montag, 9. August 2010
freier fall
gegen alle warnungen und wider dem gesunden menschenverstand gehen das objekt und ich in die dritte runde.

es ist aufreibend. drei minischritte vorwärts und einen großen zurück. es ist aussichtslos: don´t hunt what you can´t kill.

wie kann man einem menschen glauben, der sich selbst so wenig glaubt? der, wie er sagt, unter tausend einschießenden gedanken steht und nicht mehr erkennt, welcher davon für die realität tragfähig ist? welcher für den anderen noch ertragbar ist?

er weiß, dass er mir auf dauer nicht genügen wird. doch er hat einen hunger in mir geweckt, der sich sucht, was ihn stillt. und immer noch ist er der einzige, den ich will. i can´t help.

ich verschwende meine energie, um zu beobachten, um situationen einzuschätzen. um nicht sagen zu müssen: du sollst dich ändern. und: werd erwachsen! denn: ich will auch nicht, dass das jemand von mir verlangt. denn wer das fordert, risikiert, dass der andere sich selbst verliert. es muss doch sein können, dass zwei menschen einander genügen, wie sie eben sind.

die kleinen erfolge entschädigen für vieles. ich weiß, was ich an ihm mag und das ist leidergottes nicht wenig.

bizarr: ich habe immer mir einen mann gewünscht, bei dem ich nicht bleiben muss. dies ist einer der wenigen, der genau das zulässt und sogar wünscht. und plötzlich will ich bleiben. zumindest so ein bisschen. und er ahnt es, ein bisschen. du hast so viel liebe in dir. und auch er läuft nicht weg. nicht für immer. noch nicht. wir stehen auf einer dünnen eisscholle im klimawandel der emotionen. es knackt bedrohlich und es bricht immer wieder. wie lange wird es gutgehen?

das wochenende war jedenfalls wild. eine summe der exzesse: alkohol, drogen, sex. ich habe zwei leben, die sind unvereinbar. so wie er und ich. aber im moment liegt genau darin der reiz.

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Mittwoch, 4. August 2010
interessant
.. wie schnell dritte eine situation beurteilen, an der zwei menschen beteiligt waren, von der sie aber nur die subjektive version des einen der beiden kennen. vermutlich ist es das gefühl von rechtschaffenem partei-ergreifen und ein-zeichen-setzen. tatsächlich ist einfach nur kleinbürgerlich und beschränkt.

... wenn man auf arbeit die volle verantwortung für einen zweiten kunden übertragen bekommt. soviel vertrauen bin ich nicht gewohnt. schon gar nicht als vorschuss. ich hoffe, es steckt nicht nur verzweifelt-blindes delegieren dahinter.

... wie man nach drei tagen schlaflosigkeit wieder langsam wacher wird.

... was passiert, wenn man in der u-bahn einpennt.

... wenn man einen geschäftsführer mit dem hundesitter verwechselt und sich dann mit ihm verabredet. ich wünsche mir ja ein wenig, dass er objekt-tauglich ist und vielleicht künftig alternativ meinen oxytocinspiegel nährt. rein optisch ist er jedenfalls ein alphamännchen.

... darüber nachzudenken, ob man einen asperger-autisten mit auf eine erotikparty nehmen kann. aber ich hätte ja noch ein paar opiate. für je nach dem, wem es dann langweiliger ist. oder für beide. oder so.

... dass ich muttergefühle entwickle. meine biologische uhr beginnt zu ticken.

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Sonntag, 1. August 2010
a question of trust
mein leben ist voller touristen. sie kommen, gaffen, vergnügen sich und reisen wieder ab. ich versuche, mit dieser flüchtigkeit zu leben, fühle mich selbst jeder verpflichtung entbunden, gaffe, vergnüge mich, fahre wieder weg. hin und wieder ein souvenir, das war es dann.

vertrauen hingegen ist rar. ich hab nicht viel davon. ich haushalte streng damit. die letzten jahre haben mich gelehrt: es lohnt sich meist nicht. vertrauen wird gern genommen und zum dank dafür gibt es ohnehin bloß schwache sprüche wie: "oooohhh, du bist so ein toller lieber mensch (ich hab dich gar nicht verdient)!"

es kostet mich inzwischen viel kraft und überwindung, jemandem zu vertrauen. aber hin und wieder tue ich es. ich hab schließlich menschenkenntnis, denk ich mir. doch ein zufall offenbart es dann wieder: lüge und betrug. inzwischen bin ich selbst lieber ein teil des spiels, indem ich zusammen mit anderen dritte betrüge. man ist aus erfahrung klug geworden: nie wieder opfer sein, immer täter. das ist fein, weil man außen vor bleibt, außerhalb der schusslinie, wahlweise am abzug. zero emotion, keine verwicklungen.

schwierig wird es allerdings, wenn man an menschen gerät, bei denen man als mitbetrüger selbst betrogen wird, indem sie einem vorgaukeln, es gäbe gar keinen betrug. anfangs ist man noch auf der hut, gesundes misstrauen. man spielt seine rolle und man meint, die rolle des anderen zu kennen. doch dann beginnt der mikrokosmos zu verschwimmen. das schleichende warme gefühl im bauch, weil jemand in der lage ist, die standardsprüche mal anders zu verpacken. weil dich dieser jemand in seine welt schauen lässt oder das, was er vorgibt, dass es seine welt sei. und plötzlich stellst du fest: du magst die oder den ja bzw. das, was sie oder er von sich zu erkennen gibt/vorspielt. und dann beginnt das große grübeln: würde es eventuell nicht schaden, in diesem fall besagtes kostbares vertrauen zu investieren? würde einem nicht etwas entgehen, wenn man es nicht täte? die tiefe, die substanz der dinge, authentizität? und überhaupt: was, wenn die oder der andere dir vertraut und dabei bemerkt, dass du es nicht tust? wäre sie oder er dann nicht zu recht enttäuscht?

sich fallen lassen. sich mal gut tun lassen. nicht strategisch denken, sondern einfach fühlen, mitgehen, mitmachen. irgendwo in dir poppt dieses merkwürdige bedürfnis auf wie ein werbefenster. und obwohl du weißt, dass bedürfnisse nicht gerade en vogue sind, denn man soll ja gefälligt selber tun und nichts fordern, wirst du irgendwann müde, es immer wegzuklicken. lässt dich stattdessen einlullen. und ehe du dich versiehst, hast du schon ein stück vertrauen verschenkt, das du nie wieder siehst. das ist weg für immer. der andere hat es konsumiert und weil du merkst, wie er sich freut, wie du ihm gut tust, gibst du gleich noch etwas hinterher. so beginnt der automatismus des verlustes. du siehst es noch schwinden, denkst dir, was für eine verschwendung, kannst aber nicht mehr zurück. drogenabhängigkeit funktioniert ähnlich.

bis dann unweigerlich der große moment der wahrheit kommt, in dem die illusion zerschellt. meist ist wieder mal zufall, der dinge ans licht bringt, ein betrunken dahergesagter satz, der unbefangene vierte. dann weinst du. du weinst nicht dem nach, was du nie bekommen hast, sondern dem, was du tatsächlich verloren hast: dein vertrauen. und dein vertrauen in das vertrauen.

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Sonntag, 25. Juli 2010
bube, dame und sonst niemand
pokern war fein. beide haben gegeneinander verloren. mein oxytocinspiegel jubiliert. seiner vermutlich auch.

sätze, die frauen hören wollen:
mann, jenseits der übermüdung: "ich kann nicht mehr, aber ich will noch mal!"

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Freitag, 23. Juli 2010
alles auf eine karte
nachdem meine pheromonrezeptoren im objekt der begierde ihren überoptimalen reiz gefunden haben, schlägt mein oxytocinspiegel seit einigen wochen wilde wellen. die gefühlslage wechselt zwischen schöner, purer geilheit und schmerzvoll-verwirrendem sehnen, das mir tags die worte hinter die zunge verbannt und nachts die zehen ins laken krampft. die emotionen sind in ihrer intensität drastisch, gemessen daran, dass der überoptimale reiz trotz allem ein recht unverbindlicher ist.

den oxytocinspiegel wieder zu senken ist eine schwierige angelegenheit. letztes wochenende fasste ich mir ein herz und einen mann, der mein parfum mochte und verbrachte die nacht in ottensen. während wir unsere sexuelle geladenheit aneinander abzureagieren versuchten, gingen meine gedanken immer wieder auf wanderschaft. irgendwann in den frühen morgenstunden schließlich begann der mann im fremden bett zu lachen und gestand mir, dass er eigentlich immer noch sehr verliebt in seine ex sei. ich prustete los und erzählte frank und frei, dass meine extase ebenfalls gerade ausgesprochen persongebunden sei und das experiment damit vermutlich gescheitert. auf diese art und weise endete die nacht sehr lustig und nett, aber nichtsdestoweniger blieb unser problem ungelöst.

ich strapazierte meine freundinnen und schilderte ihnen pro und contra am objekt und mögliche optionen für - ja wofür eigentlich? dabei stellte ich fest, dass frauen eben frauen sind. "red doch einfach mal mit ihm", rieten sie mir. "sag ihm doch, was du empfindest."
"ich weiß ja gar nicht, was das eigentlich ist", jammerte ich. "die meiste zeit über fühle ich mich wie eine nymphomanin auf sexentzug. mit der besonderheit, dass dieses verlangen sich diesmal mehr oder minder auf einen einzigen mann zu konzentrieren scheint. das macht mir sorgen. ich möchte eigentlich nicht mal mit dem ins kino gehen oder sonstige unschuldige aktivitäten unternehmen. kann verliebtheit so extrem unromantisch-körperlich verlaufen?"
spätestens an diesem punkt zuckten meine freundinnen die schultern und rollten die augen: herr, wirf ein antiaphrodisiakum vom himmel.

sogar meiner mutter fiel neulich auf, dass bei mir irgendetwas nicht stimmt. sie kannte die geschichte vom objekt in mutterfreundlichen auszügen und hatte sich bisher gefreut, dass ihr traum, endlich oma zu werden, so leicht in erfüllung zu gehen schien: ein mann mit kind ist schließlich schon mal eine halbe familie. wie sie unschwer erahnen mögen, ist meine mutter insgesamt eher eine überzeugte anhängerin der konservativen beziehungsform und hält nichts von blowjobs in dunklen ecken von parkhäusern und ähnlichen aufregenden dingen. ich erzählte vorsichtig von meinen momentanen gefühlen.
"das wird nichts richtiges", sagte sie, "trenn dich von dem depp."
"ich will den doch nicht heiraten", jaulte ich. "ich will doch nur was festes fürs bett."
"kind, mit der einstellung bekommst du keine familie", so meine mutter streng. ich legte auf, die sinnlosigkeit des gesprächs begreifend.

ich verstand, dass ich näher an das andere geschlecht heranrücken musste, um die sache zu durchdringen und herauszufinden, wie ich die angelegenheit in geregelten bahnen lenken konnte: sprich, entweder meinen oxytocinspiegel zu senken oder meiner begierde eine etwas regelmäßigere gelegenheit zum ausleben zu bieten. ich fand den geeigneten gesprächspartner in einem mann, der mit allen wassern gewaschen und hart geprüft ist, nichtsdestoweniger aber absolut glücklich und sexuell befriedigt lebt. "sag bloß nichts", riet er mir. "wenn du ihn jetzt mit gefühlen vollaberst, ergreift er sowieso die flucht."
"genau das war ja auch meine befürchtung", sagte ich.
"außerdem würdest du dir deine illusionen zerstören", fügte er hinzu. "und die machen das leben doch erst aufregend."
"meine illusionen machen mich krank", erwiderte ich. "er ist nicht da und ich kann ihn riechen. sein duft klebt an mir, obwohl ich frisch geduscht bin. und alles, woran ich denken kann, ist, hinzugehen und ihm die kleider vom leib zu fetzen."
"gut", sagte mein berater, "dann übe dich in askese."
"wie bitte?!"
"du darfst dich nicht erniedrigen. du musst die situation kontrollieren. er muss den eindruck haben, er müsse jetzt richtig was geben, um dich zu kriegen."
"das sollte er auch, verdammt."
"dann warte ab."
"und wenn er doch nicht zu potte kommt?"
"dann ist er ein arsch, der dich nicht verdient hat."
"hm. ich will aber nicht, dass er ein arsch ist", flüsterte ich.
"gott, mädchen, der kerl hat dich aber wirklich weichgespült. dich kann man ja so kaum auf die menschheit loslassen."
"ich weiß", heulte ich. "ich hab mich noch nie so schlecht und zugleich so unwiderstehlich gut zur selben zeit gefühlt."
"dann freu dich doch!"
ich freute mich. unerträglich.

jetzt kann ich es mir also aussuchen: reden, dumpen oder pokern. was hat wohl den besten effekt und richtet dabei den geringsten schaden an?

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