Samstag, 9. April 2011
elektrofucking
nein, nicht, was sie jetzt denken, nix elektroparties und o.n.s., denn nach dieser mörderwoche bin ich gestern ganz brav zuhause geblieben. vielmehr geht es noch mal um meine waschmaschine, das unbekannte wesen.
nachdem sich die gute per kurzschluss aus meinem haushaltsleben verabschiedet und dabei gleich die heiztherme mit ins off genommen hatte (kalt duschen im april geht übrigens GAR nicht), wollte ich nicht glauben, dass ich jetzt, nach überstandenem umzug, mir solch einen koloss von haushaltsgerät neu anschaffen musste. also überlegte ich, ob das teil noch zu retten war. reparieren konnte ich elektroidiotin es nicht, der blick auf den kabelwust im inneren verursachte sofort panische angst vor tödlichen stromschlägen. also beschloss ich, einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen, das ding wieder ans stromnetz zu nehmen und einzuschalten.

der testlauf war von unerwartetem erfolg gekrönt: die maschine schaltete sich an, pumpte wasser und begann, die trommel zu drehen. juhu, dachte ich, drehte das rädchen vor bis auf "abpumpen", ließ das wasser wieder raus und freute mich. es galt also doch, was ich gemeinhin immer befürchtet hatte und was auch meine chefs immer wieder so tapfer am eigenen beispiel verifizieren: den dummen gehört die welt. ich drückte den off-schalter und alles war gut.

der triumpf währte etwa zehn minuten. während ich mich der technik obsiegend wähnte, machte es plötzlich klack und die lichter gingen aus - genau wie damals, als die waschmaschine zu ihrem letzten schleudergang ansetzte. allerdings war die maschine zum augenblicklichen zeitpunkt ja gar nicht in betrieb. was ein ärger. da dachte ich, ich hätte die technik überlistet, jetzt aber verarschte sie mich so richtig, indem sie den kurzschluss waschmaschinenbetriebsunabhängig auslöste.

ich tappte im doppelten sinne des wortes im dunkeln, bis ich ein feuerzeug ertasten und die sicherung wieder reinmachen konnte. fiat lux, sprach ich, und es wurde licht.

so schnell gebe ich allerdings nicht klein bei. ich fragte meinen vater um rat.
"kind, lass bloß die finger davon, das kann einen gefährlichen kabelbrand geben!" rief mein vater beunruhigt ins telefon. "kauf dir was neues, und nicht so ein billiges ding, sondern was gutes, was mit garantie und so."
"aber papa, das ist auch eine siemens-maschine und trotzdem ist sie anscheinend hin."
"naja, mach, wie du meinst, aber sei da vorsichtig."
die kabelbrandgeschichte machte mir angst. in meiner ehemaligen heimat in der straße bei mir um die ecke gab es mal einen, da musste ein ganzes haus evakuiert werden.

nachdem ich nun einige tage überlegt hatte, beschloss ich heute, alle warnungen in den wind schlagend, das experiment zu wagen. wäsche rein, waschpulver und spüler rein, angesteckt, eingeschaltet und los ging es. nach fünf minuten der erste kurzschluss. ich drückte die sicherung wieder rein. nach etwa 20 der zweite. noch einmal das ganze. danach passierte nichts mehr.

im moment befindet sich die waschladung wenige minuten vor der härteprüfung: dem finalen schleudergang. es macht mir ein wenig angst. vorsichtshalber habe ich die heiztherme ausgeschaltet, nicht, dass ich dann wieder kein warmwasser mehr habe.

drücken sie mir die daumen.

achja, und gute ratschläge sind natürlich immer willkommen.

nachtrag: wir sind bis schleudern und abpumpen gekommen. erst in den moment, als sich die maschine abschalten und die verriegelung öffnen sollte, machte es wieder klack.

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Mittwoch, 6. April 2011
die ddr in hh
ich wohne in einer genossenschaftswohnung. diese haben nicht nur den vorteil, dass sie vergleichsweise günstig sind, sondern auch, dass die hausgemeinschaft recht gut ist. das trifft ebenso auf die meine zu. einmal abgesehen von den leuten im erdgeschoss, die ich noch nie gesehen habe (ich mutmaße, dass der eine dicke mann, den ich manchmal im keller antreffe, unten links wohnt), sind alle sehr freundlich und nehmen regelmäßig päckchen für mich an.

auch sonst kümmern sich die genossenschaftler sehr umeinander. im treppenhaus hängen neuerdings zettel für gemeinsame spielenachmittage oder kaffee & klönen. wären die nicht immer um 15 oder 16 uhr und damit nur für hausfrauen, kinder und senioren interessant, ich hätte mal vorbeigeschaut, wenigstens in einer philanthropen phase. für den sommer ist ein großes blockfest geplant. so stelle ich mir ein bisschen das leben in der ddr vor.

heute habe ich die freundlichkeit in diesem haus einfach mal schamlos ausgenutzt und dabei fast ein potentielles objekt II kennen gelernt. nachdem meine waschmaschine kaputt ist (der mordskurzschluss hat übrigens auch die heiztherme gekillt, sodass ich eine weile ohne warmwasser war) und ich aufgrund der allgemeinen überlastung keinen nerv mehr hatte, mein zeug auf einem 20 minütigen fußweg zum waschsalon zu schleifen (fahrrad ist ebenfalls funktionsunfähig, nachdem die luftpumpe kaputt ging und neuerdings nur noch luft aus den reifen saugt anstatt sie reinzupumpen - ergebnis: zwei platte), klingelte ich gegenüber.

gegenüber wohnt ein junger herr, den ich bislang nur durchs treppenhaus rennen sah, wenn ich in die arbeit hetzte. im vorübergehen schien er immer recht schnuffig, wirkte aber sehr jung und etwas kleiner als ich.
nun gut. ich klingelte und es öffnete mir mein retter in der not. großgewachsen, blauäugig (nicht grün, verdammt, aber blau ist auch noch akzeptabel), in sportkleidung. ich musste einige nanosekunden starren, vor allem, als ich bemerkte, dass das haupthaar kupferfarben schimmerte, wenn auch etwas heller als das des objekts, dessen schopf ein besonders tiefes und schönes rot hat.
"hi", stammelte ich, während er nur erstmal sehr überrascht dreinschaute.
dann fasste ich mir ein herz.
"entschuldige, aber hast du eine waschmaschine?"
er zog die augenbrauen nach oben und ich erwartete schon ein "nein, wozu, ich hab doch meine mama", aber dann grinste er amüsiert und meinte:
"na klar hab ich ne waschmaschine."
"dürfte ich die vielleicht ausnahmsweise mal benutzen?"
ich erklärte hastig und etwas durcheinander die gesamtmisere waschmaschine-heizung-kaltwasser-fahrrad-fahrradluftpumpe, bis er wieder vollends verwirrt dreinschaute und dann einfach nickte.
"super", rief ich, rannte in meine wohnung zurück, holte meinen schmutzwäschekorb, waschpulver, hygienespüler und enterte die fremde küche.

während ich eilig höschen, strümpfe, bhs, t-shirts und einen rock in die hightech-maschine stopfte, stand mein nachbar immer noch sichtlich überrumpelt im hintergrund.
"ähm, du, aber ich muss jetzt gleich zum sport", meinte er, als ich an der einstellung schraubte.
"kein thema. wenn die maschine durch ist, klingelst du einfach kurz, dann hol ich die sachen."
"aber das kann schon zwei stunden dauern. nicht, dass du die sachen dann nicht mehr bis morgen früh trocken kriegst."
die blauen augen unter dem roten schopf schauten mich sehr freundlich und ein bisschen besorgt an. beim zweiten hinsehen bemerkte ich, dass der nachbar auch noch die gleichen lachfältchen und grübchen hatte wie das objekt.
"kann das sein, dass du ein bisschen sehr gestresst bist?"
ich spürte fürsorge und bekam ein klammes herz. wenn du jetzt noch anfängst zu kochen und hinterher mein stirnchakra zu massieren, taufe ich dich wirklich objekt II, dachte ich bei mir. nun aber wollen wir mal nicht zu viel bedürftigkeit signalisieren, das wirkt sonst abschreckend.
"ja, klar, immer, aber so bin ich halt", entgegnete ich also cool. dann richtete ich mich auf, nahm den leeren korb und den restlichen kram und stolzierte nach nebenan in meine eigene wohnung. unter der tür stand mein nachbar und guckte immer noch mit dieser mischung aus verwunderung und nettigkeit, die mich ganz wuschig machte.
"tschüß und danke und bis später dann", rief ich ihm noch zu.
"ja, äh, ich klingel dann also einfach, wenn das okay ist."
"ja natürlich!"

vor einigen minuten bekam ich dann meine sauber duftende wäsche zurück. auch mein nachbar roch gut und hatte noch rote wangen vom sport.
"dann schlaf mal schön", sagte ich, als kannten wir uns schon 100 jahre.
"äh, ja, dann tschüß dann", stammelte der nachbar.
danach fielen die türen ins schloss.

morgen früh im bad wird er mich dann wieder mit radio hamburg beschallen. obwohl ich dann jedesmal kotzen könnte, hat es etwas vertrautes. ein stück geborgenheit. vielleicht eben ein bisschen ddr. und überhaupt ist ja auch das objekt ein ossi, wen wunderts.

nächste woche geh ich mir dann eine luftpumpe beim nachbarn borgen.

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Samstag, 2. April 2011
bigger, better, bundesstraße
abendgestaltung des minikurzurlaubs in der heimat.

meine freundin t. und ich knüpften an good old times an und besuchten einen hiesigen dj auf seiner party. schließlich, meinte t., brauche ich abwechslung und vielleicht auch ein bier. die freude und das hallo waren zunächst groß, denn auch andere liebe menschen von früher waren da.

nachdem küsschen und umarmungen verteilt waren, standen wir zunächst noch eine weile beim dj herum, bevor wir dann die tanzfläche enterten.
"sag mal", meinte t., "also das hätte ich mich ja früher nicht getraut, so dermaßen unrhythmisch zur musik herumzuspacken!"
ich elektro-kind versuchte mich an meine letzten tanzversuche zu gitarren-schraddel-musik zu erinnern.
"keine ahnung, aber auf jeden fall bin ich nicht auf der tanzfläche HERUMGESTANDEN!" sagte ich und deutete mit den kinn auf eine gruppe menschen, deren füße stillstanden, während schultern und bierflaschen-haltende hände offbeat zuckten.
"und wir hatten nicht SOWAS dabei an", rügte t. den kleidungstil einer drallen 16-jährigen mit 80er-jahre-jeansminirock und einem oberteil, das aus ihrer beeindruckenden oberweite eine art presswurst mit zwei bergen machte.
"sind wir jetzt oberflächlich?" überlegte t.
"nein", sagte ich souverän. "wir haben geschmack."
ein oberstüfler beobachtete mich die ganze zeit mit dem ansatz eines schüchternen lächelns.
"was denkt der denn, dass ich pädophil bin oder was?!" fragte ich t.
"komm, lass uns abhauen", beschloss t.
"aber es ist doch erst zwei!" jammerte ich.
"ich hab ne idee" sagte t. und schob mich durch die überfüllten säle nach draußen.

zehn minuten später saßen wir im auto.
"lass uns zu burger king fahren", sagte t.
ich guckte doof.
"das haben wir früher immer gemacht", schwärmte t. und ich wusste, dass sie dabei an ihre eigenen wilden, chemisch ge-uplevelten zeiten dachte.
"ich war neulich mal mit s. unterwegs, der hat sich ja auch total verändert. da wollten wir auch zu burger king, aber er meinte dann, das wäre voll gesundheitsschädlich."
"nimmt der noch was?"
t. zuckte die schultern.
"irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass der nix mehr nimmt. ich kenn den aber auch nicht anders."
"aber wenn er sagte, dass burger krank machen, dann müsste er doch eine wahnsinnsangst vor allem, was nicht schrot und korn und handgepresster möhrensaft ist, haben?"
t. sah mich erstaunt an.
"der gedanke ist mir so noch gar nicht gekommen."
"naja, muss nicht sein, das objekt ist da auch ambivalent", nahm ich meine these zurück. "das kauft auch alles mögliche bio und studiert nährwertabellen und wertschöpfungsketten von lebensmitteln und schmeißt sich dann trotzdem jede menge scheiß rein, von dem es nicht weiß, was drin ist."
"na siehst du", sagt t. "so ist s. auch, denk ich."

irgendwo am ende der bundesstraße leuchtete uns das vertraute orangefarbene logo entgegen. t. fuhr einmal im kreis und parkte. dann stiegen wir aus.
"vorsicht", sagte ich und löste die schlaufe von t.s handtasche vom hebel der handbremse. "nicht, dass wir gleich davonrollen."
"das ist mir vor ein paar wochen erst passiert", seufzte t. genervt. "das war voll die scheiß geschichte."
"erzähl", sagte ich.
"naja, ich wollte ins büro, war spät dran, stell das auto ab, und naja, ähnliche szene, ich bleibe mit der tasche an der gangschaltung hängen. hab ich so aus versehen den gang rausgenommen, merk das aber nicht gleich. ich steige aus und nach ein paar meter rummst es hinter mir. ich dreh mich um, steht da ein auto schräg auf der straße und hängt so halb in einem anderen geparkten drin. guck ich noch mal, seh ich, scheiße, is mein auto."
ich lachte laut.
"das andere auto hatte dann so eine kleine schramme, also hab ich dem einen zettel drangehängt mit meiner nummer. dann bin ich in die arbeit gegangen, war ja eh spät."
"und kam ne dicke rechnung oder was?"
"nee. es war ja winter, also alles voller schneematsch, auch das auto, das ich angeschrammt hatte. und ich sitz so in der arbeit und überleg so und denk, eigentlich warste doof, die schramme sieht der eh erst, wenn der schnee schmilzt. also bin ich in der mittagspause noch mal runter und hab den zettel wieder weggemacht."
"boah, bist du fies", sagte ich.
"ja", kicherte t., "bin ich."

drinnen am tresen orderten wir gemüseburger, pommes, cola und kaffee. dann saßen wir da und ließen uns von mtv bedröhnen.
"ist fast wie inner disco", sagte ich zwischen zwei happen und t. nickte.
"nur müssen wir uns dabei nicht anschreien", sagte sie.
"ich glaub, wir sind richtig alt jetzt, oder?" fragte ich, aber t. zuckte stoisch die schultern.
als wir fertig waren, lehnte sich t. zurück und streckt sich.
"kopfschmerzen", murmelte sie.
"kenn ich", sagte ich.
"verspannt", sagte sie.
"energiestrom unterbrochen."
"wuuus?"
"naja, das hat was mit deinen chakren zu tun. da verlaufen die enegieströme im körper und wenn du verspannt bist, sind die unterbrochen und dann kriegst du probleme, körperliche und psychische. so ähnlich jedenfalls."
"so ein scheiß", fand t.
"doch, doch", sagte ich. "das ist traditionelle chinesische medizin. das objekt öffnet immer meine chakren, wenn ich down bin und dann geht es mir besser."
"du meinst, es stimuliert dein chakra da unten!" kicherte t. und deutete zwischen meine schenkel.
"du bist doof", musste ich lachen.
"das tut dir überhaupt nicht gut, mit so einem junkie rumzuhängen", fand t., "du kriegst da voll die meise."

der flatscreen tv über unseren köpfen zeigte ein video von rihanna.
"boah, guck dir mal die fiese friese an!" sagte t.
"guck dir mal künstlichen mörderfingernägel an!"
"igitt."
t. hielt inne und dachte nach, dann fragte sie:
"meinst du, meine kleine wird auch mal so? oder findet sowas gut?"
"nicht, wenn ihr sie weiterhin so konsequent im rockabilly-style erzieht", konnte ich t. beruhigen.
"dann ist ja gut", sagte t. "ich will nicht, dass die mal sowas als vorbild hat."
"naja, ein gutes hätte es ja", meinte ich. "stell sie auf die straße und sag den vorbeikommenden typen, 50 blasen, 100 ficken, und schluss is mit den finanziellen sorgen."
dann duckte ich mich, da mir papier und burgerreste entgegenflogen.

eine stunde später machten wir uns auf den heimweg. t. hatte rote augen.
"du bist müde", stellte ich fest.
"ich hab auch nicht viel geschlafen. das kind hält mich jede nacht wach und seit ich wieder arbeite... ich beneide meinen mann so, der ratzt einfach weiter, wenn die kleine wach ist und stundenlang brabbelt."
"fies", sagte ich. "mach dir doch ohrenstöpsel rein."
"geht nicht", erwiderte t., "dann hör ich die ganze zeit meinen scheiß-tinnitus."
"mannmann. aber das objekt lässt sich auch durch nichts aufwecken. wenn was ist, muss ich es immer heftigst schütteln und dabei ganz laut seinen namen rufen."
"wundert mich jetzt nicht, bei DEM konsum."
"dass es mich wundert, hab ich ja auch nicht gesagt."

vor der haustür meiner eltern umarmten wir uns.
"bis dann."
"bis bald."
"ja hoffentlich."
"das nächste mal dann bei mc doof?"

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Dienstag, 29. März 2011
there you are
es war einer dieser sonntage, einer dieser montage, einer dieser tage, die sich so unerträglich anfühlen, dass ich nicht weiß, wohin mit mir.

you were the one. du hast das s.o.s. zwischen den zeilen verstanden und mich aus dieser wohnung geholt, die immer noch halb uneingerichtet ist und mir das gefühl, ständig auf gepackten koffern zu sitzen, nicht nehmen kann. du sagtest, pack deine sachen und komm vorbei, ich koche was.

also habe ich meine tasche gepackt, zwei, drei sachen und bin in die s-bahn gestiegen mit dem eindruck, eine vollkommene zumutung zu sein, hab zwischendurch angerufen und dir gesagt, dass du nichts erwarten kannst, gar nichts, und dass ich umkehren möchte, ohne zu wissen wohin. du hast mich mit dem handy am ohr durch die stadt begleitet und mir dinge erzählt, um mich von meinem weg abzulenken und vom gedanken, dass ich unsagbar unzulänglich bin und lieber gleich in die alster springen sollte - solange, bis ich dann vor deiner tür stand.

dein kleiner stürmte mir schon im treppenhaus entgegen und zauberte das erste lächeln seit tagen auf mein gesicht. er nahm mich bei der hand und schleppte mich in die küche, wo du standest und hühnchen nach dem rezept deiner oma zubereitetest. ich hatte angst vor einer umarmung, denn dann hätte ich vermutlich geweint, was mir peinlich gewesen wäre vor den großen fragenden kinderaugen, die jede meiner bewegungen bewachten. danach saßen wir am tisch, spät, viel zu spät, und ich fragte den lütten, musst du nicht längst im bett sein, und du rolltest die augen und meintest, er wollte dich nicht verpassen und mit uns zusammen essen.

dann, als du den kleinen zum zähneputzen schicktest, fragtest du mich vorsichtig, ob ich mich umarmen lassen möchte. ich nickte und du strecktest die arme aus, fuhrst mit den händen über meine schultern und seufztest, du bist wahnsinnig angespannt und siehst gleichzeitig vollkommen fertig aus. ich sagte nichts und du verstandest wie immer und beruhigtest mich, du musst nichts sagen oder erklären, das ist schon okay.

dann hobst du mich hoch wie ein krankes kind, zogst mir die schuhe und die kleider aus und brachtest mich zu bett, kletterst dann selbst hinterher, sagtest, komm, komm an, komm nach hause, komm kuscheln. ich legte den kopf auf deiner breiten brust ab und du hieltest mich fest und begannst ganz vorsichtig, mein gesicht zu streicheln, nase, stirn, wangen, in lauter kleinen, zärtlichen kreisen, während meine tränen in deinen pullover sickerten und du so tatest, als bemerktest du es nicht, weil du spürtest, wie unangenehm es mir war, schwach, kindisch, trostlos zu sein.

irgendwann berührtest du meine schläfen und meintest sehr zufrieden, endlich schlägt dein herz langsamer, endlich entspannst du dich. dann fragtest du mich, ob es mich störe, wenn du noch einen film schaust, weil du noch nicht schlafen könntest. soviel rücksicht machte mich vollends verlegen, sodass ich mich aufraffte und mich bereit erklärte, einen film mit dir zu sehen. du brachtest daraufhin eine halbe videothek nach hause, damit ich wählen konnte, wonach mir war und so guckten wir eine schrille komödie, während du mich immer noch festhieltest und sanft streicheltest. wir kamen mit dem film fast zu ende, bevor ich deine erektion spürte, aber du sagtest nein, nicht heute, du wolltest mir nicht weh tun, niemals, ohne dabei das körperliche zu meinen.

und als wir uns schließlich schlafen legten und du mich mit armen und beinen umschlangst, wie du es gerne tust, musste ich wie wahnsinnig an mich halten, um dir nicht zu sagen, dass ich dich liebe.

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Sonntag, 27. März 2011
this is why i don´t like sundays
de nächte werden kürzer. das liegt weniger an netten sozialen aktivitäten als an der allgemeinen anspannung.

- von donnerstag auf freitag: 5,5 h
- freitag auf samstag: 4 h
- samstag auf sonntag: 3,5 h

nicht gut. ich bin völlig verschwurbelt. bis eben durch die straßen slalom zwischen kinderwägen und radfahrern gelaufen und versucht, einen angenehmen gedanken zu erjagen.

die aussicht auf die kommende woche: zum graue-mäuse-kriegen. ich werde auf arbeit mal wieder die einzige sein, die den durchblick hat. und deshalb alles machen muss. und daher auch die schuld für alles bekommt.

kommenden sonntag dann den eigenen runden geburtstag begehen müssen. noch bin ich unschlüssig, ob ich schlichtweg durcharbeiten oder aus der stadt flüchten werde. ein tag am meer, das könnte schön werden, oder aber schrecklich, je nach serotonin-spiegel. derzeit haben äußere einflüsse wenig macht über meine verfassung. die laune schießt nach oben oder stürzt in elende abgründe. zwischendrin die nackte angst, dass alles so bleiben könnte, wie es ist. weil man irgendwann zu alt, zu bequem oder zu resigniert für den ständigen richtungswechsel und neuanfang auf allen ebenen wird.

ich bin müde, körperlich und geistig. es werden immer mehr dinge, die es mitzutragen gilt. die baustellen häufen sich endlos. ich habe nicht genügend hände, alles aufzufangen. die erste sorge gilt meinem herzkranken vater. seit gestern hab ich die vollmacht für alle entscheidungen, falls auch meine mutter nicht mehr einspringen kann. meine eltern werden im zeitraffer alt. mitte 60, aber im kopf locker 75. sturheit und nichtbegreifen, meine verhandlungsbasis schrumpft. aber über köpfe hinweg entscheiden tut weh.

gleichzeitig ihre sorge um mich. immer wieder dieselben gespräche: kind, du musst doch mal geld verdienen! kind, warum hast du nur keinen mann? wenn du kinder willst, musst du dich jetzt beeilen!
als wenn die dinge vom himmel fallen. und wenn einmal etwas fällt, kann ich sicher sein, es ist entweder nichts gutes oder nichts von nachhaltigkeit.

"machen sie doch mal was richtig schönes!" sagte meine neuer physiotherapeut, der sich des hoffnungslosen zustands meiner schultern und meines nackens angenommen hat. das war die hausaufgabe für dieses wochenende. hab ich auch getan. mal nicht auf party gewesen, sondern im kino pina gesehen. war toll. aber es bleibt irgendwie nichts positives an mir haften.

so ist das zur zeit. so ist das seit dezember/januar.

sorry fürs jaulen. musste mal wieder sein, japan, wahlkampf und allen weltbewegenden katastrophen zum trotz.

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Montag, 21. März 2011
animalisches
"frühlingspralle knospen" - was wohl kunden von einem denken, wenn einem so etwas während eines mittaglichen uferspaziergangs herausrutscht...

***

"ich steh ja total auf dogma-style", sagte ich heute im büro zum thema kino.
"du meinst doggy-style", entgegnete unser azubi.
zur strafe hab ich ihm das todesvideo von knut geschickt. der junge kann keine sterbenden viecher sehen, das hatte ich mir gleich gedacht.

***

später, kurz vor sechs. der azubi soll eine redakteurin anrufen.
"ich weiß gar nicht, was ich der sagen soll."
ich: "sag irgendwas, ist egal, die drucken die scheißstory eh nicht."
"er: "hmhmhm..."
ich: "was denn jetzt? ran an den hörer!"
er: "aber es ist ja schon so spät."
ich: "ach quatsch."
er: "was die wohl denkt, wenn ich die so spät anrufe?"
ich: "dass du sie flachlegen willst?"
er kichert.
ich: "wenn du jetzt nicht gleich anrufst, ruf ich die an. und dann sag ich der, wenn die unsere geschichten druckt, schicken wir dich als willenloses sexobjekt vorbei."
er: "okayokay, ich ruf ja schon an..."

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Samstag, 19. März 2011
in parallel
an sehr raren tagen haben menschen zutritt zu ihrem paralleluniversum. dort sehen sie dann, welche person sie noch so sind und wie sich deren handeln karmisch in der echtwelt niederschlägt. bezüglich des eintretendürfens muss man ein wenig mit dem gott des paralleluniversums verhandeln. obwohl dieser gott sehr beschäftigt ist (er arbeitet undercover als lude auf dem kiez), gelang es mir, mit ihm in verbindung zu treten. was er mir auftrug, war recht einfach: ich sollte an einen bestimmten, geheiligten ort kommen und am besten jemanden mitbringen, weil das im paralleluniversum so funktioniert wie in jedem ordentlichen swingerclub: paarweise ist es meist billiger.

ich nahm die universumsschleuder und ließ mich mit diversen anderen gestalten, die allesamt sehr betrunken wirkten, am zielort ausspeien. dann suchte ich die beschriebene lokation. es war ein gemütlich anmutender ort mit roten fenstern. auf den tischen standen teelichter und als aschenbecher getarnte opferschalen. es ähnelte einer kneipe, aber ich vermutete, dass es sich um eine diesseitige kulisse handelte, hinter der sich die gesuchte parallelwelt verbarg.

die begleitung des abends war schon da. wie sich herausstellte, war die betreffende person früher schon einmal an diesem ort und wusste daher nicht nur, welches bier empfehlenswert ist, sondern auch, wo sich die toiletten befinden.
nachdem sich unsere unterhaltung zunächst auf kulturelle und ähnliche diesseitige themen beschränkte, fiel uns irgendwann das seltsame benehmen der anderen gäste auf. sie wirkten auf den ersten blick unschuldig, doch die mimik der gesichter sowie gesten und körperhaltung passten nicht zur vermeintlichen harmlosigkeit. und tatsächlich: der raum stand unter einer immensen spannung. die stimmung war zum bersten sexuell aufgeladen.

mein begleiter entpuppte sich als professioneller lippenleser und teilzeit-synchronsprecher und begann, die bewegungen von mündern, augen und händen in unsere sprache übersetzen. uns gegenüber saßen zwei mädchen, eine blonde und eine brünette, zusammen mit einem jüngling mit erheblicher gesichtsbehaarung und entsetzlichem öko-kleidungsstil. die brünette, die ihre wollust unter einer blauen funktionsjacke verbarg, gehörte offenbar zu dem bärtigen jüngling, während die blonde die vordergründige rolle der netten freundin und die hintergründige der verführerin spielte. sobald die deutlich alkoholisierte funktionsjackenträgerin weghörte oder einnickte, hatte die blonde den jüngling am wickel, der von dem angebot ganz offensichtlich vollkommen überfordert war. dies witterten drei fremde junge männer, die sich irgendwann mit phallischen bionadeflaschen neben die blonde pflanzten und ihr offenherzig die klaffenden flaschenhälse präsentierten. doch da beide frauen den öko-jüngling angeierten, standen die drei bald frustriert auf und gingen.

die brünette, nicht dumm und sehr wohl bemerkend, dass der öko-jüngling und die blonde unter gegenseitiger, wenn auch nicht ausgelebter attraktion standen, stand irgendwann auf und sprach ein anderes pärchen im raum an. dabei handelte es sich um ein junges emo-girlie und deren freund, einen als anitatomkraftaktivist getarnten bundeswehrsoldaten, der mir schon zuvor durch sein aggressives auftreten (kennen sie diese los-hau-mir-auf-die-fresse-damit-ich-dir-die-deine-polieren-kann-typen?)aufgefallen war. doch das emo-girl und der antiatomkraft-soldat hatten wohl selbst eine schwere beziehungskrise, die durch das angebot der funktionsjackenträgerin noch verstärkt wurde. der antiatomkraftsoldat wurde laut, sprang auf und rannte richtung ausschank, um dort vermutlich heimlich das gestäng von barhockern und die unschuldige vertäfelung des tresen zu treten. das emo-girl starrte derweil frustriert vor sich hin. wir vermuteten, dass sie wohl heute keinen sex mehr haben würde.

dann erlebten wir eine überraschung. die funktionsjackenträgerin näherte sich meinem begleiter und setzte sich neben ihn. mit einem charmanten akzent begann sie, ihn in ein gespräch zu verwickeln. dann wandte sie sich an mich und wollte wissen, in welchem verhältnis ich zu meinem begleiter stand. bevor ich antworten konnte, sagte der mann an meiner seite:
"wir sind verheiratet."
das erklärte, warum ich im echt-universum keine festen bindungen zustande kriegte. geht ja ganz klar nicht, wenn ich seit jahren schon mit jemand anders verheiratet war. doch wer ist das eigentlich? ich lauschte und erfuhr aus gesprächsfetzen, dass mein mann als arzt arbeitete. das erklärte beispielsweise, warum er mir die getränke bezahlte. ich fragte mich, ob wir wohlhabend sind und kinder haben, doch dies blieb mir leider verborgen. die funktionsjackenträgerin fand, dass wir sehr glücklich aussähen, dann stand sie auf und ging.

wir beobachteten noch ein weile das treiben - menschen, die mit anderen oder wenigstens mit ihren bierflaschen nach unten in den darkroom von einer toilette gingen und dann breitbeinig wankend wieder nach oben kamen - und diskutierten über den gefährlichen unterdruck, der in offenen leeren flaschen entstehen kann. dann beschlossen wir, das paralleluniversum, das uns auch schon langsam zu parallelysieren begann, zu verlassen.

auf der straße fühlte ich mich herrlich aufgeregt-unaufgeregt. dann verabschiedete ich meinen mann (nach so vielen ehejahren nimmt die sexuelle leidenschaft ja bekanntlich etwas ab, sodass man lieber in getrennten betten schläft, zumal man im alter den schlaf braucht) und begab mich zur universums-schleuder.

fragen sie mich nicht, wie ich wieder nach hause kam. es dauerte alles sehr lang. ich kann mich an kälte und ur-schreiende menschen erinnern. der rest fiel in den styx. als ich heute morgen erwachte, fühlte ich mich zerschlagen und hatte leichte kopfschmerzen. die erinnerung aber ist schön und warm und angenehm.

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Sonntag, 13. März 2011
rivalen im revier
meine angst vor dem alles-fängt-wieder-von-vorne an wurde am gestrigen tag und abend als absolut realistisch bestätigt. ich hatte dem objekt noch eine sms geschrieben, die unbeantwortet blieb, wie so oft, wenn es stofflich ausgeknockt war. später ging ich dann noch in den club, wo wir einander über den weg liefen. offenbar hatte sich das objekt wieder berappelt und in einen ausgehfähigen zustand versetzt.

auf den ersten blick wirkte alles ganz normal. das objekt hatte eine flasche cola in der hand und lehnte lässig mit der schulter an einem pfeiler, was unglaublich sexy wirkte. dann sah es mich und lächelte, umarmte mich kurz, legte mir die hand auf die wange und meinte dann:
"komm doch mal mit, ich hab was für dich."
die glasigen augen verhießen nichts gutes.
im hinterzimmer zog das objekt einen fetten joint aus der tasche, zündete ihn an und gab ihn dann an mich weiter. schon nach dem ersten zug begann sich der raum zu deformieren und ich klammerte mich an den objektarm.
"oha."
"geil, hm?"
dann kam jemand vom personal auf uns zu und bedeutete uns, entweder zu verschwinden oder den joint wegzupacken.
"komm", sagte das objekt wieder und zerrte mich richtung klo. ungeachtet schräger blicke enterte es mit mir die damentoilette. in der hintersten kabine ließ es sich auf dem klodeckel nieder und machte da weiter, wo wir hatten aufhören müssen.
"warum sind wir nicht einfach raus gegangen?" fragte ich brav und blöde.
"ich lass mich doch nicht von so nem wichser vertreiben."
war das objekt dicht, entwickelte es hin und wieder im gegensatz zu seinem sonst sanftem charakter renitente und rebellische züge.
ich lehnte indes an der klotür und hatte das gefühl, mit ihr zu verschmelzen. dann hob das objekt den blick. wir sahen einander an, zwei dumme, derselbe gedanke, ich musste lachen und das objekt sagte:
"das ist unfair, glaubst du etwa, ich krieg in dem zustand noch einen hoch?!"
ich wartete noch ein weilchen und beschloss dann:
"ich geh mal besser wieder rein."
nach vier oder fünf zügen war mir ganz schwummrig geworden und ich fragte mich, ob das wirklich nur gras war. ich würde es ohnehin nicht erfahren, da war ich mir sicher, denn das objekt vertraute seinem dealer mehr als dem eigenen verstand und wenn der dealer sagte, is geil, das knallt, war das objekt sofort dabei.

an der bar holte ich mir einen saft und setzte mich dann auf die couch. zwei minuten später plumpste jemand neben mich. es war der architekt, ein äußerst angenehmer zeitgenosse, mit dem ich mich trotz dessen autismus sehr gut verstand.
das spannende ist, dass der architekt und das objekt sich spinnefeind sind. der architekt hatte dem objekt nämlich einst vor vielen jahren die kindsmutter ausgespannt und es auch noch geschafft, ein gutes verhältnis zum objektsohnemann aufzubauen. immer, wenn der architekt gerade da war und ich dem objekt eins auswischen wollte, unterhielt ich mich demonstrativ stundenlang mit dem feind. während dem objekt sonst vollkommen gleich war, mit wem ich knutschte oder dann auch später nach hause ging, reagierte es hier schon allein angesichts einer unterhaltung ausgesprochen empfindlich und ließ sich sogar zu bösen sprüchen hinreißen.

der architekt, der je nach müdigkeitsgrad große ähnlichkeit mit nick cave in dessen schlimmsten fixerjahren hat, sah heute zur abwechslung mal etwas erholter aus. ich fragte nach dem grund und erfuhr, dass der architekt jetzt auch endlich mal an sich dachte und in eigener sache kreativ wurde.
"ich hab mir ein grundstück angeschaut, das ich bebauen will."
430 qm grund und das häuschen, das darauf stehen sollte, hatte der architekt schon fest vor augen. er sprach mit begeisterung und als ich sagte, hey, klingt gut, war der architekt sehr überrascht.
"du wirkst eigentlich nicht wie jemand, der auf immobilien steht."
"ich wollte schon immer mal eigentum", erwiderte ich. "der punkt ist nur, ich hab nicht eben mal so 100 riesen auf der seite."
"naja, das wär dann auch mein part, oder?"
ich lauschte angestrengt. war das etwa ein angebot?
tatsächlich hatte sich der architekt gedanken gemacht, wie er sein zukünftiges leben verbringen wollte. und zwar mit frau, später vielleicht auch mal mit kindern, falls alles gut lief.
ich blickte den architekten von oben nach unten und von unten nach oben an und befand ihn als spontan alltagstauglich.
"dann müssten wir ja eigentlich auch heiraten, oder?" fragte der architekt.
ich kicherte dumm, wurde mir dann aber bewusst, dass die frage gar nicht mal unernst gemeint war. autistische menschen machen ja eher selten witze.
"war das jetzt zu offen?" fragte der architekt nach.
ich schüttelte den kopf und schluckte und versuchte vergeblich, die gedanken zu ordnen.
"naja, solange du nicht von mir erwartest, dass ich samstags im garten knie und möhrchen anpflanze..." witzelte ich.
"quatsch", meinte der architekt. "auf sowas hab ich auch keinen bock. wozu gibts denn gärtner?!"

im stadium emotionaler überforderung und immer noch etwas schwebend vom mörderstoff, den ich inhaliert hatte, bemerkte ich, wie sich das objekt mit einem freund gegenüber platzierte. es registrierte sofort, dass ich mich in vertraulicher unterhaltung mit dem architekten befand. es fixierte mich und grinste. dann flüsterte es mit seinem freund. der freund, den ich nicht leiden konnte und der mich ebenso scheiße fand, begann offensichtlich über den architekten und mich zu lästern.
anstatt dem ersten impuls zu folgen, aufzustehen und den raum zu verlassen, setzte ich eins drauf. ich rückte näher an den architekten heran, bis dieser mit deutlicher verlegenheit reagierte, allerdings nichts gegen mein näherkommen unternahm. da sieh du nur zu, dachte ich und lächelte das objekt frech an.

"lass uns doch einfach rausfahren", sagte der architekt dann.
"wiebitte?!"
"lass uns rausfahren, dann zeig ich dir alles."
"jetzt?!"
"ja klar."
"aber es ist dunkel!!" rief ich entsetzt.
"naja, das stimmt."
ich überlegte verzweifelt.
"lass uns das doch lieber morgen machen."
"das ist auch eine idee", fand der architekt. aber der architekt wirkte inzwischen, als hätte er auch prima gefunden, wenn ich vorgeschlagen hätte, mal eben brandbomben auf den bundestag zu werfen.

in diesem moment stürmte das objekt im mantel an uns vorbei.
"warte mal kurz", sagte ich zum architekten.
ich lief dem objekt nach draußen nach:
"sagst du mir jetzt nicht mal mehr tschüß?!"
"kannst du mir mal erklären, was du von diesem total versoffenen arschloch willst?!"
"aber das muss dich doch nicht interessieren."
das objekt sah mich an, irgendwo zwischen schmerz und hass und liebe, drehte sich dann um und ging.
auweiha. da hatte ich ja was angerichtet.

als ich mich umdrehte, um wieder nach drinnen zu gehen, stand der architekt hinter mir.
"soll ich dich nach hause bringen?"
das muss mann mir nicht zweimal anbieten. ich krabbelte auf den beifahrersitz des mercedes-oldtimers und lehnte mich entspannt zurück.
auf der fahrt erzählten wir einander anekdötchen aus unserer kindheit und warum wir so schräg wurden, wie wir nun offenbar eben sind.

am ziel angelangt nahm mich der architekt sehr lange sehr fest in die arme. ich überlegte, ob dies der zeitpunkt für einen kuss sei. ich entschied mich jedoch dagegen.
"ich hoffe, ich war heute abend nicht zu emotional", sagte der architekt.
"quatsch", erwiderte ich. "ich mag männer, die gefühle zeigen können, anstatt immer nur den macker zu markieren."
"da bin ich aber froh", sagte der architekt und sah mich liebevoll an. ich schaute zurück und spürte die tendenz, in die die ganze geschichte nun vermutlich münden würde.
"tschüß", sagte ich da und öffnete die tür. "und danke fürs bringen."

während der architekt schwungvoll die karre wendete, stöckelte ich auf meinen hohen absätzen die letzten meter bis zur haustür. ich war verwirrt. maximal verwirrt. ich stand zwischen den feindlichen linien und wusste, ich würde mich entscheiden müssen.

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Samstag, 12. März 2011
atomare und menschliche katastrophen
im anbetracht der zustände in japan muss ich an meine kindheit denken, als die radioaktive wolke von tschernobyl über süddeutschland zog und uns die kindergärtnerinnen hektisch aus dem sandkasten zerrten. als wir dann wochenlang nicht nach draußen durften.

ich lebte zu dieser zeit bei meiner oma. die wohnte in einem haus mit garten. in einem unbeobachteten moment büchste ich aus, wollte nachsehen, was passiert, was anders war als sonst. es hatte gerade geregnet und ich stand neben der garage, dort, wo die weintrauben wuchsen und ich starrte auf die tropfen, die über die blätter rollten. es wirkte sehr friedlich, aber ich spürte die bedrohung durch das nicht wahrnehmbare, das in der luft stand und alles durchdrang: laub, holz, blüten. haut, fleisch, knochen.

die katastrophe menschlicher natur in der letzten nacht kam ebenso unerwartet und mit voller wucht. ich hatte einen guten tag gehabt, mit der aussicht auf ein vorstellungsgespräch, als ich abends mit dem objekt telefonierte.
das objekt war ein wenig außer atem, da es sich gerade beim sport drei stunden lang ausgepowert hatte, nichtsdestoweniger aber fidel und voller pläne.
"lass uns doch morgen mal zum baumarkt und dann können wir sehen, was wir in deiner wohnung noch so machen."
nachdem ich dem objekt letzte woche diverse baustellen geschildert hatte, war es wieder ganz in seinem kreativen element.
"aber nicht zu früh", sagte ich. "vormittags sind da immer lauter familien und pärchen-gesocks, da krieg ich kotzkrämpfe."
da das objekt ebenfalls ein eigenbrötler und eulenmensch ist, einigten wir uns darauf, bis 12 uhr auszuschlafen und dann nochmal zu telefonieren.
"was machst du heute noch", frage ich dann.
"der dritte mann ist da, wir wollten ein bisschen ausgehen."
ich selbst, vollkommen erschöpft, hatte beschlossen, an diesem abend brav zuhause zu bleiben. ich wünschte den beiden viel spaß. anschließend guckte ich noch eine französische komödie, ganz nach meinem geschmack, bevor ich dann sehr zivilisiert gegen zwei ins bett fiel.

mitten in der nacht, das heißt, kurz nach sieben uhr morgens, klingelte mein handy. ich war zu tode erschrocken. im dämmerlicht angelte ich nach dem kleinen blauen ding, das mal wieder irgendwie unters bett geruscht war. dann ging ich ran.
am anderen ende der leitung war das objekt.

ich lauschte angestrengt. aus dem hörer drangen unzusammenhängende satzfetzen. zuerst dachte ich, die verbindung sei so mies, doch dann bemerkte ich, dass es kein technisches problem war.
grauenvolles ahnend saß ich kerzengerade im bett.
"was ist los?!"
das objekt schniefte.
"mir gehts so schlecht, ich bin gerade total scheiße draufgekommen... ich hab richtig angst vor mir selber gekriegt."
"wo ist denn der dritte?"
"der schläft. wir sind vorhin eben nach hause gekommen."
das objekt sprach sehr langsam, was mir verdächtig vorkam. das objekt redete nämlich häufig so, um sein lallen zu verbergen.

"du bist doch hackedicht, stimmts?"
das objekt schwieg, dann gab es zu:
"wir haben ein bisschen gefeiert, ja. ein bisschen zu sehr vielleicht."
ich überlegte so scharf wie es mir in meinem schläfrig-komatösen zustand möglich war:
"allein vom saufen kommt man aber doch nicht so scheiße drauf."
als das objekt wieder schwieg, reichte mir das im grunde schon zur gewissheit: es war rückfällig geworden.
"was hast du denn genommen?"
"wir haben so ein paar sachen gemischt..."
"was für sachen?"
"weiß ich nicht mehr..."
das glaubte ich ihm nicht, aber ich war mir bewusst, dass es in diesem zustand ohnehin nicht half, den finger noch tiefer in die wunde zu stecken. außerdem wusste ich ja, dass das objekt alles konsumierte, "was man rauchen kann". das schloss auch heroin nicht aus.

ich merkte, dass ich das objekt nicht mehr erreichen konnte. es saß fest in seinem selbstgebauten drogen-horror-film. die objekt-normalversion, die ich in den letzten zwei wochen kennengelernt hatte, zerschellte in mir.

"ich glaub, ich muss kotzen", nuschelte das objekt schließlich in den hörer.
"dann mach doch, dann wirst du wenigstens ein bisschen alk los."
"und wenn ich nicht kotzen kann?"
"steckst du dir eben den finger in den hals."
das objekt musste ein bisschen kichern.
"du bist so..."
"was?"
"manchmal glaub ich, du bist ein engel."
schön. das half jetzt enorm weiter.
"der engel muss jetzt weiterschlafen", erwiderte ich.
"dann... ja dann... schnuffel mal noch ein bisschen... tschüß..." flüsterte das objekt und legte auf. vermutlich hängte es sich gleich über die kloschüssel. ich hoffte, dass es danach ein wenig ruhe finden würde.

an weiterschlafen meinerseits war allerdings nicht zu denken. ich lag wach und starrte in die sonnenstrahlen, die sich zwischen den vorhangfalten hindurchschoben, und dachte: scheiße.
jetzt geht alles wieder von vorne los. das objekt ist und bleibt mein persönliches tschernobyl.

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Mittwoch, 9. März 2011
gesucht:
was: job
wann: ab sofort
als: theoretisch alles

dieser scheißladen, in dem ich gerade arbeite, wird pleite machen. das seh ich kommen.

hat nicht jemand gerade was für mich? eine festanstellung bei der süddeutschen oder so?

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