Dienstag, 3. Januar 2012
lovely new year
gestern fand endlich, endlich das lang geplante next date mit der lederjacke statt.

wir trafen uns diesmal nicht erst zu nachtschlafender zeit.
"ich will nicht auf party", sagte die lederjacke. "ich hab die letzten tage so viel getrunken, ich würde gern was ruhiges machen."
"was schwebt dir denn vor?"
"ach, wir könnten spazieren gehen... und dann essen... und dann vielleicht ins kino?"
was ich an der lederjacke so schätzte, war diese normalität. wenn ich jemanden kennenlernen möchte, schaffe ich mir eine basis, indem ich was mit dem anderen unternehme. zwar ist party immer noch ein wichtiges element meines exzessiven lebens, aber zum beschnuppern finde ich andere gelegenheiten schöner. das hatte ich beispielsweise am objekt oder auch bei k. immer ein wenig vermisst: diese menschen gingen hauptsächlich feiern. k. hatte ich beinahe ausschließlich auf parties getroffen, das objekt von parties abgesehen fast immer zuhause, wo wir uns die köpfe wegfickten.

aus dem spaziergang wurde dann leider doch nichts, weil sich die lederjacke verspätete und es wieder zu regnen begonnen hatte. die lederjacke ist leidergottes noch verpeilter als ich und benötigt für mini-entscheidungen wie "fahre ich mit dem bus oder mit dem rad?" eine halbe stunde.
wir trafen uns also direkt zum essen. wir gingen zum thai, um uns einen glutamatschock zu holen. am tisch saßen wir uns gegenüber und wussten zunächst vor lauter verlegenheit kaum, wohin gucken. die lederjacke gab sich distanziert. ich war verwirrt, hoffte aber, dass sich das im laufe des abends geben würde.

beim essen disutierten wir über die weltwirtschaftskrise, die verwaltung von armut in deutschland und den sinn und zweck eines studiums, das zu nichts führt. das war ein wenig anstrengend, da unsere meinungen in weltanschaulichen fragen auseinander gehen. die lederjacke ist ein eingefleischter idealist, der seine position bis zum letzten blutstropfen verteidigen würde, während ich dazu neige, dialektisch vorzugehen und mir dabei auch lösungen vorstellen kann, die meinen idealen teilweise widersprechen, sofern sie pragmatisch sind.

nachdem der blutzuckerspiegel wieder auf normalnull war, taute die lederjacke schließlich ein wenig auf.
"wollen wir nicht doch noch ausgehen?" fragte sie.
"können wir gerne."
eine knappe stunde später saßen wir in der bahn richtung altona, wo wir auf eine 80er-party gehen wollten.
"wie ist das so, da ist doch montags bestimmt nix los", fragte die lederjacke.
"naja, viel ist nicht los, aber ich war da auch nur einmal letzten sommer... es war nett. nette musik und nette leute", erwiderte ich.

am ort des geschehens angekommen, meinte die lederjacke:
"mist, ich hab schon wieder lust, mir die kante zu geben."
das war nicht unbedingt ein kompliment, fand ich, aber ich wollte nicht so streng sein. außerdem würde sich der alkohol positiv auf die immer noch etwas verkrampfte stimmung auswirken, war ich mir sicher.
und siehe da: nach zwei bier wurde die lederjacke dann endlich munterer, lachte mehr und legte irgendwann den arm um mich. noch immer etwas zaghaft, wenn man bedenkt, dass wir schon geknutscht hatten, aber okay.
ich meinerseits bewies unabhängigkeit und ging immer mal wieder länger tanzen. ich wollte der lederjacke freiraum geben und zugleich zeigen, dass ich nicht drauf stand, den ganzen abend händchenhaltend in einer ecke zu verbringen. das funktionierte - entgegen anderer erfahrungen - mit der lederjacke prima.

mit steigendem alkoholpegel wurden wir immer ausgelassener. wir blieben bis zum ende der party.
dann wollte ich mich verabschieden.
und endlich, endlich fragte die lederjacke:
"möchtest du wirklich nach hause? willst du nicht bei mir übernachten?"

eine halbe stunde später saß ich bei der lederjacke auf dem bett. die lederjacke bewohnte ein winziges zimmer in einer chaotischen wg. meine karge wohnung erschien mir im vergleich wie eine nobel-butze. aber dafür lebte die lederjacke natürlich in der schickeren gegend.
"die anderen sind nicht da, wir haben also sturmfrei", grinste die lederjacke und ließ sich mit zwei gläsern rum neben mich sinken.
und endlich, endlich kam der kuss, auf den ich schon den ganzen abend gewartet hatte.

die lederjacke roch gut und fühlte sich ebenso gut an, jung und fest und warm. und das beste: es befanden sich kondome im haushalt. auch das objekt hatte stets gewisse vorräte beherbegt, aber zwischen haben und nutzen befand sich langer und holpriger weg zahlreicher disputationen. zudem schienen sich gummis, intimpiercings und animalisches hardcore-ficken irgendwie schlecht zu vertragen. die lederjacke hingegen blieb in jeder lage gentleman, und ich musste ein wenig an den dritten mann denken, der beim sex gerne innehielt, sich zurückzog und sagte: "ich will nicht, dass es geil ist, ich will, dass es schön ist."
nach dem akt schliefen wir aneinandergeschmiegt ein. ich hatte entgegen sonstiger gewohnheiten keine fluchttendenzen und wünschte mich nicht nachhause.

wir erwachten erst irgendwann am späten mittag. es regnete. das machte uns nichts, wir gingen trotzdem raus und schlenderten mit wirren köpfen durch die gegend, setzten uns in cafés und inspizierten die auslage in den schaufenstern der läden. ab und an blieben wir stehen, um uns anzusehen und zu lächeln. die stunden verstrichen unbemerkt und als ich endlich in der u-bahn nachhause saß, stellte ich fest, dass wir 24 stunden am stück zusammen gewesen waren.

alles in allem also nicht schlecht für ein drittes date. die ersten drei tage 2012 fallen demnach schon mal in die kategorie "vielversprechend".

... link


Montag, 26. Dezember 2011
alles anders
heilig abend.

obwohl die wiedersehensfreude groß ist, bemerke ich, dass die stimmung gedrückt ist. meine mama geht es nicht gut. schlafstörungen hatte sie schon immer, aber jetzt hört sie komische geräusche. der kreislauf spackt rum. das essen mit der verwandtschaft ist abgesagt.

ich telefoniere mit dem wahnsinnigen doc, einer meiner derzeit engsten freunde in der heimat. wir treffen uns und gehen auf die einzige party in der stadt, obwohl ich todmüde bin. der doc sagt dies und jenes und gibt ein paar ratschläge, die so vernünftig sind, dass es mir wieder mal das herz zerreißt, was für tolle und kluge menschen ich kenne. als ich wieder in der küche meiner eltern stehe, ist es spät, aber ich bin um drei wichtige tipps und eine adresse reicher.

1. feiertag

als ich aufwache, ist das haus leer. ich denke zunächst, die sind bestimmt essen gegangen, weil es bereits mittag ist. dann finde ich den zettel, der mir das blut in den adern gefrieren lässt: meine mutter wurde mit verdacht auf schlaganfall in die klinik eingeliefert. ich rufe auf dem handy an. mein papa hat es ausgeschaltet. im wartebereich der notaufnahme herrscht handy-verbot, das weiß ich dank zahlreicher aufenthalte in eigener sache. mein papa würde sich solchen vorschriften niemals widersetzen. also rufe ich die zentrale an und lasse mich bis in die notaufnahme durchstellen, wo ich dann erfahre, dass meine mutter noch untersucht wird. in einer stunde soll sie den befund erhalten.

ich fackle nicht lange, werfe meinen mantel über und renne zur u-bahn. die fährt hier feiertags nur in großen intervallen, also brauche ich ziemlich lange. als ich dann vor der klinik stehe, klingelt mein handy. jemand ruft von zuhause an.
"wir sind wieder da, alles in ordnung", sagt mein papa. "wo bist du denn?"
ich stehe vor der klinik.
im ersten moment habe ich eine sauwut.
"kannst du nicht mal auf das scheiß-handy schauen?! ich hab dreimal angerufen!"
wie erwartet erläutert mein vater das handyverbot, und ich weiß, dass ich von ihm niemals eine ausnahme verlangen könnte.
aber dann ist das auch unwichtig. meiner mama geht es gut. alles nur kreislauf und allgemeine anspannung, und ich weiß mal wieder, woher meine schwache stressresistenz und mein hang zur verzweiflung kommen.

als wir kaffee trinken und plätzchen mümmeln, klingt das telefon. es ist die lederjacke, der ich gesmst hatte, dass ich wegen meiner mutter in die klinik fahre. ich finde es enorm, dass die lederjacke darauf reagiert und sich nun ausführlich nach meiner mama erkundigt. ist ja nicht seine. könnte ihm ja egal sein. ist es ihm aber nicht, und mein herz beginnt knapp unter dem siedepunkt heftig zu klopfen.

meine mutter will wissen, wer der neue mann in meinem leben ist. ich berichte vom kennenlernen der lederjacke und zeige auch ein (unverfängliches) foto. meine mutter ist beeindruckt.
"das ist aber ein schöner mann! und die schönen blonden haare... und so jung sieht der aus!"
dann erkundigt sie sich nach dem objekt, das ihr ja sehr am herzen liegt:
"ist es noch obdachlos? nimmt es immer noch heroin?"
"es wohnt bei freunden. mehr weiß ich nicht, wir haben keinen kontakt mehr."
meine mutter wird ganz aufgeregt:
"ich hab immer angst, dass du mal zu ihm kommst und der liegt tot auf dem boden... was man bei rechtzeitigem eingreifen sicherlich verhindern könnte."
ich versuche ihr zu erklären, warum ich mich endgültig vom objekt verabschiedet habe. sie findet das nicht gut:
"ich kann mir vorstellen, dass du sein einziger halt warst und er sich jetzt vielleicht das leben nimmt. und der kleine hat dich doch auch so geliebt!"
dass der objektsohnemann auch meine sorge ist, kann sie sich denken. vor allem während unseres gemeinsamen urlaubswochenendes hatte ich die große zuneigung des lütten deutlich gespürt. seine kleine hand in meiner - fast die gesamte zeit über.
"es ist nicht mein kind", sage ich. meine mutter findet das kalt.
wir kommen nicht weiter. es kratzt und schabt an einem wunden punkt in mir. die ambivalenz der gefühle zerreißt mich. war ich doch zu harsch? was wäre gewonnen, hätte ich mich nicht getrennt oder nicht auf diese unbarmherzige weise?

dann erfahre ich, dass mein onkel meine eltern angerufen und sie unter anderem auf mein verhältnis zum objekt angesprochen hatte. dabei hatte er die frage gestellt, die ich, wäre ich mutter, mein kind längst gefragt hätte: wenn du mit einem junkie zusammen bist, hast du denn dann gar keine angst, dass du auch auf den geschmack kommst?
"zum glück bist du ja so vernünftig", lacht meine mutter.
ich schweige, will sie nicht beunruhigen. aber ich bin mir bewusst, dass das objekt alle meine dunklen seiten in mir zutage befördert hat. was einerseits sehr heilsam, anderseits fatal war.

doch zum glück wird künftig alles anders. ich bin auf einem guten weg. schließlich brauche ich noch ein paar gute vorsätze zum neuen jahr. und für notfälle habe ich ja immer noch die telefonnummer des drogenberater-bullen.

... link


Samstag, 24. Dezember 2011
weihnachtsexzess
gestern abend, nachdem alle geschenke besorgt und der koffer gepackt war, drängte es mich noch einmal auf die piste: buntes volk, 80er-jahre-hits und das angenehme wissen, sicherlich kein geld für drinks ausgeben zu müssen. außerdem hatte mir der drogenbulle per sms gestanden, dass er verheiratet war - eine schmach, die es zu kompensieren galt.

vor ort war es relativ leer. die menschen schienen offenbar an heilig abend was vor zu haben und schonten sich deshalb. gans und so sind ja allesamt fette abenteuer und setzen beste gesundheit und ausgeruhte mägen voraus. auch meine eine hatte ein ziel: ich musste um acht wieder hoch und zur bahn joggen, aber ähnlich wie tyler durton gebe ich es mir gern mal volles rohr in die eigene fresse.

dieser plan sollte durchaus aufgehen.
zunächst traf ich den architekten an der bar. der war von meiner e-mail noch nachträglich schockiert, wie er mir gestand, holte aber dann zu einem längeren vortrag über seine komplexe persönlichkeit aus und betonte seine grundsätzliche mich betreffende zuneigung. ich stellte wieder einmal fest, dass der architekt okay war. er log mich nicht an. er war live konfliktfähig. er lebte halt nur in seiner welt, und zwar an 29 von 30 tagen im monat. konnte ich dies ertragen? wie groß war der output im verhältnis zum input/den qualen der ungewissheit, die ich dafür auf mich nehmen musste?
hm.

während ich dem architekten über die schulter linste, schwang die tür auf und das objekt betrat in seinem wildcat-auf-raubzug-gang lässig und elegant den raum. dann entdeckte es mich und erstarrte. nach einer schrecksekunde ungläubigen glotzens drehte es sich auf dem absatz um und ging wieder hinaus.
auweia. da hatte ich ganze arbeit geleistet.

obwohl mein herz wild schlug, wandte ich mich wieder dem architekten zu, der gerade darüber philosophierte, wie wichtig ihm zuhören sei. immer schön rein ins fettnäpfchen, dachte ich mir. dem architekten, der einen sehr wachen blick für die an mir interessierte männliche umwelt hatte, war das schrecksekunden-intermezzo sicherlich nicht entgangen. er sagte jedoch nichts.

zehn minuten später hielt ich ein zweites mal den atem an, als das objekt noch einmal in den raum stürmte, seine jacke aus der ecke hinter dem sofa zog, hineinschlüpfte, eilig den schal um sich schlang und nach draußen rannte.
es war kurz nach drei. noch nie war das objekt so früh gegangen. ich konnte es ja verstehen, dass es mich nicht mehr kennen oder in einem raum mit mir sein wollte. aber gleich die party zu verlassen fand ich übertrieben. doch ich kannte das objekt gut genug und wusste, dass es damit auch markierungen setzte und reaktionen einforderte.
ich beschloss, mich unbeeindruckt zu zeigen und mich weiterhin um den architekten zu kümmern.

nach dem zweiten gratis-drink bekam ich geborgenheitssehnsüchte und rutschte näher an den architekten heran. der fand meine initiative schön und kuschelte sich seinerseits an. ich dachte an die lederjacke und verdrängte sie aus meinem kopf. ich dachte an das objekt und nahm noch einen schluck, um auch diesen gedanken aus meinem hirn zu ätzen.

erst als die lichter angingen und die barfrau mich fragte, ob ich denn mal auszutrinken gedächte, damit sie mein glas abspülen könne, wurde mir bewusst, wie spät es sein musste. der architekt erschrak nicht minder und kramte seine uhr hervor.
"halb sechs", sagte er. "oh mein gott, ich muss morgen früh noch geschenke kaufen!"
"oh mein gott", rief ich, "ich muss in vier stunden im zug sitzen!"

doch es wurde nichts mit gehen. erst kam uns der lieblingstürsteher, der mich immer mal wieder umsonst reinschmuggelt, dazwischen, indem er ein paar mexikaner auf den tresen schob. auch die barfrau trank einen mit und wurde plötzlich ganz umgänglich. wir bekamen schokolade und nüsschen geschenkt. schließlich kam die zweite tresenkraft und erzählte ein paar anekdoten aus der bewegten vergangenheit des clubs.

erst als der garderobenmann mit meiner jacke den raum betrat und meinte, ich sei nun die letzte, die ihre marke noch nicht abgegeben hatte, rafften wir uns auf und gingen nach draußen.
"ich bring dich", sagte der gentleman-architekt.
ich liebe männer mit autos.
im wagen sah ich noch einmal auf die uhr. es war zehn nach sechs. ich beschloss, nun nicht mehr auf die uhr zu sehen, sondern mir stattdessen zu überlegen, ob ich noch anderthalb stunden schlafen wollte oder lieber gar nicht.

als wir die straße zu meiner wohnung hochfuhren, meldete sich beim architekten der hunger.
ich warf meine schlafen-pläne über bord.
"dann lass uns jetzt frühstücken gehen."
ich schleifte den architekten zu meinem griechischen bäcker.
"na, noch gefeiert wie immer", begrüßte er mich.
"klar. für dich beginnt der tag, für mich endet er."
"aber is doch weihnachten", warf der bäcker ein.
"drauf geschissen", sagte ich.
"ich scheiß auch", meinte der bäcker.
dann bestellte ich ein feudales frühstück und lud den architekten ein, als dankeschön für die taxidienste.

später, ganz spät, standen wir einander vor meiner haustür gegenüber. es regnete in strömen. doch eine warme macht zog und zerrte an unseren herzmuskelfasern, bis wir uns endlich küssten.

es war schon eine verrückte sache mit dem architekten. aber eben nur eine halbe. trotzdem nahm ich das weihnachtsglockenläuten mit, ebenso wie die triefende nässe und die leichten halsschmerzen.
zuhause schlüpfte ich in trockene sachen, fönte meine haare und nahm den koffer. dann lief ich mit brennenden augen und kaputten füßen zur u-bahn, um zum bahnhof zu gelangen.

frohe weihnachten ihnen allen.
und nicht vergessen:

gegen den strom
schwimm gegen den strom
der strom schwimmt gegen den himmel
seine verschlossenen türen sind offen.

... link


Mittwoch, 21. Dezember 2011
ohne lederjacke
die lederjacke, ähnlich wie ich ein pflänzchen aus südlicheren gefilden, ist heute nach hause gefahren. denn heute abend steht familienessen mit omma an. ich wünschte viel spaß.

in der arbeit dann fragten die kolleginnen neugierig, wie die lederjacke denn so aussähe. schließlich ist es das erste mal, dass ich explizit was von einem typen erzähle. also schickte ich der lederjacke eine sms: haste mal ein foto? es will dich jemand mal sehen.

ich hätte gewettet, der gute würde sich zieren. aber die lederjacke schickte kurz darauf ein bild. und zwar: nackt vom scheitel bis zum nabel.

im büro gab es daraufhin großes hallo und glückwünsche. nunja, der mann ist boxer. der body: eine einladung, ein abenteuer.

... link


Sonntag, 18. Dezember 2011
der drogenberater, das objekt-ende, eine lustige nacht in einer kneipe irgendwo und warum ich nicht mehr weiß, wie ich nachhause gekommen bin
eigentlich wollte ich mich gestern mit der lederjacke verabreden, doch die war unerreichbar. und irgendwie kam mir der drogenberater zuvor. obwohl er im gesetzten alter von 42 nicht mehr großartig durch discotheken zieht, wollte er mich in meinen stammclub begleiten.

als ich ankam, war er noch nicht da. wohl aber das objekt, welches ich wochenlang weder gehört noch gesehen hatte, was mir aber weniger ausgemacht hatte als sonst. es registrierte mich, war aber mit einer tussi im gespräch und sagte nichts.

kurz darauf traf ich die k.-ex, die ja eine affaire mit dem objekt hat und, wie mir immer mehr scheint, ein wenig in es verliebt war.
"eigentlich wollten wir ja dieses wochenende wegfahren", sagte sie.
"wie, das objekt und du?"
"ja."
ich stutzte.
"das ist ja interessant. das wollte es mit mir vor ein paar wochen auch. nach berlin etwa?"
"ja genau!"
"das macht es eh nicht."
"naja, leider. wie immmer viel blabla um nichts, wir kennen das ja. allerdings war ich doch ein bisschen enttäuscht, dass es nicht geklappt hat, weil es hatte sogar schon hotels rausgesucht."
ich stutzte zum zweiten mal.
"das ist aber strange. es hat doch kein internet."
"keine ahnung. es hat mir drei oder vier sehr nette vorschläge gemacht, wo es gerne hinwill."
langsam dämmerte mir etwas:
"moment mal! nachdem es damals meinte, es wolle mit mir wegfahren, habe ich nach hotels gesucht und ihm dann drei oder vier adressen gegeben."
"das waren dann wohl deine", sagte die k.-ex. "oh, das tut mir leid, aber das ist ja ganz mies."

ich war kurzzeitig auf 180 und versuchte, das objekt abzupassen, um ihm die fresse einzuschlagen, doch es entzog sich mir konsequent. blind vor wut bewegte ich mich durch den club, bis ich dem drogenberater vor die füße lief.
"na, was ist mit dir, du bist ja ganz außer dir?" sagte er zur begrüßung.
da der drogenberater so ein gesetzter mensch ist, der an diesem abend im 90er-jahre-style in jacket und jeans erschienen war, wollte ich ihm nicht sagen, dass ich gerade dem verlogenen objekt hinterherrannte, das meine freundin vögelte und ihr den urlaub versprochen (und gebrochen) hatte, den es ursprünglich angeblich mit mir hatte machen wollen.
stattdessen sagte ich:
"entschuldigung, ich bin ein bisschen aggressiv heute. ich bin irgendwie sehr angespannt gerade, weißt du... der job und die ganze weihnachtsscheiße, die mir jetzt bevor steht... ätzkram eben..."
der drogenberater nahm das ganz locker und kaufte mir erstmal einen drink. dann setzen wir uns und unterhielten uns über gott und die welt.
"wie kamst du eigentlich auf drogenberater?" fragte ich irgendwann.
"weil ich menschen wie dich so anziehend finde", grinste er.
"na hör mal, ich bin stocknüchtern!" empörte ich mich.
"bald nicht mehr", erwiderte er und deutete auf mein glas.
"naja", fand ich. "ist das so schlimm?"
"das ist egal, ob alkohol oder drogen, das zerstört alles dein gehirn."
"du hast meine frage nicht beantwortet."
"welche frage?"
"also wer von uns leidet jetzt unter neurotoxischen schädigungen?" lachte ich.
der drogenberater schmunzelte.
"ich bin eigentlich hauptberuflich ganz was anderes."
ich staunte.
"was denn?"
"das willst du gar nicht wissen."
"nee, sag mal."
"das ist aber nicht so sexy."
"warum? bist du bei ner rohrreinigungsfirma angestellt? oder müllsortierer beim gelben sack?"
der drogenberater zierte sich noch ein wenig, bis er mir dann ins ohr flüsterte, dass er bulle sei.
ich guckte entsetzt.
"und ich muss jetzt keine angst haben, dass du mich verhaftest?"
"ich lass das mal als eigenbedarf gelten. aber wenn ich dich beim dealen erwische, ist es natürlich aus mit der freundschaft."
"oder wenn ich bei rot über die ampel fahre."
"genau."

drei drinks später hatte ich die zunge des drogenberaterbullen in meinem mund und seine hände auf meinen brüsten. mich erinnerte die szene spontan an das kennenlernen mit k., doch ich vermied es, damit rauszuplatzen. ich beschränkte mich stattdessen darauf, mich irgendwann aufrecht hinzusetzen, mein t-shirt wieder nach unten zu ziehen und zu sagen:
"na hören sie mal, ich kenn sie doch gar nicht."
der drogenberater war amüsiert.
dann sagte er, schon etwas angetüddert:
"du bist so witzig und so klug und so schön und so warm... lass uns gehen. lass uns woanders noch was trinken."
meine warnblinkanlage schaltete sich ein.
"glaub bloß nicht, dass du mich so billig abschleppen kannst."
der drogenberater schreckte auf.
"ich wollte nicht respektlos sein. tut mir leid, wenn das so rüberkam."
"schon gut."
"schlechte erfahrungen?"
"das würde jetzt zu weit führen."
der drogenberater sah mich an:
"du wirkst auf mich wie jemand, der ganz schön viele leichen im keller hat."
"mag sein. aber heute ist nicht entrümplungstag."

nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, schlug der drogenberater abermals vor, weiterzuziehen. vermutlich hatte er genug von harter, düsterer elektro-mukke. also erklärte ich mich einverstanden.

wir nahmen ein taxi richtung ottensen und landeten in einer türkischen kneipe mit einem sehr strangen, sehr bunten publikum. die meisten waren allerdings offenbar orientalischer abstammung. doch die atmosphäre war relaxt, die musik nett und die drinks unheimlich lecker. also entspannte ich mich und schlüpfte irgendwann aus der winterjacke. mein zum vorschein kommendes discotheken-outfit war dann allerdings nicht so kneipentauglich, wie sich herausstellte.
"die typen gucken dir alle auf die titten", sagte der drogenberater.
"du doch auch", kicherte ich. "meine augen sind jedenfalls woanders."
ich schlang meinen schal um mich und bedeckte ausschnitt und schultern, wie ich das mal im interreligiösen dialog gelernt hatte.

um sieben uhr morgens guckte ich das letzte mal auf die uhr, weil mein handy klingelte. die lederjacke rief an. aber ich konnte ja schlecht rangehen und sagen, dass ich mit einem bullen betrunken in einer kneipe saß und mir von fremden typen ins dekolleté glotzen lassen musste.

irgendwann rief mein begleiter dann ein taxi, damit ich nach hause kam. auf der heimfahrt wurde ich plötzlich kurzzeitig wieder klar und auch der ärger über das objekt kehrte zurück. ich tippte eine sehr, sehr bösartige sms und klickte auf senden, bevor ich nachdenken konnte.
damit hatte sich die objektgeschichte erledigt. eine antwort würde ich nie bekommen, das wusste ich ja. und es tat gut, es zu wissen und nicht zu warten.

danach dämmerte ich weg. wie ich in mein bett kam, weiß ich nicht mehr.

and now for something completely different: ein spätnachmittagsspaziergang mit der lederjacke.

fortsetzung vielleicht später.

... link


Montag, 12. Dezember 2011
with teeth
11 uhr vormittags, zuhause.

die lederjacke schreibt und will mich am abend daten.

ich so: "ich weiß nicht, ob ich kann, ich muss heute zum zahnarzt! das wird was längeres... mit betäubung und so. und du hast ja nix davon, wenn ich danach nichts mehr trinken und nicht mehr reden kann."

er so: "wär nur schlimm, wenn du nicht mehr küssen könntest. aber ich kann mich auch zurückhalten und dann streichel ich dir halt die wangen."

ich so: "na gut, ich schreib dir später noch mal. aber ruf bloß nicht ab, die betäubung wirkt dann bestimmt noch!"

16 uhr. im zahnarztstuhl.

ich: "können sie mir heute vielleicht etwas weniger betäubung spritzen wie beim letzten mal? das hat drei stunden angehalten und ich konnte im bus nicht mal eine fahrkarte kaufen, weil der fahrer mein genuschel nicht verstanden hat."

zahnärztin: "okay..."

die behandlung beginnt, ich schreie.

zahnärztin: "tut mir leid, ihre wurzelkanäle sind sehr lang und sehr gebogen... sehr kompliziert da zu arbeiten. aber ich spritze ihnen noch ein bisschen betäubungsmittel."

ich verkneife mir den spruch, dass ich den satz schon ein paar mal gehört habe, denn ich habe nadeln im kiefer stecken und ein halbes röntgengerät im mund, das den fortschritt der behandlung mit liveaufnahmen überprüft.

kurzes pause, die röntgenbilder werden ausgewertet. die lederjacke schickt mir eine beruhigungs-sms: "ist bestimmt gleich vorbei... bleib cool, ich denk an dich!"

zahnärztin zur mta: "gehen sie doch mal eben ins wartezimmer und sagen die der frau soundso, dass das hier leider noch länger dauert und sich die termine heute eine halbe stunde nach hinten verschieben. die röntgenbilder sehen nicht gut aus."

ich stöhne, soweit man mit soviel zeug im mund noch stöhnen kann.

ich schreibe der lederjacke zurück: "hör auf zu smsen! du bringst mir kein glück! jetzt dauert alles NOCH länger!"

zahnärztin, mich ermuntern wollend: "ich habe doch schon einen kanal sauber! nur noch zwei... das schaffen wir doch."

das finde ich ja ganz super. das heißt, zwei drittel des leidens stehen mir noch bevor. irgendwann beginne ich zu zittern, weil man eine stunde lang nur schwer den mund "gaaaanz weit" offenhalten kann. die zahnärztin merkt das, macht wieder eine pause. das ist lieb, aber sinnlos, weil es die behandlung noch weiter verzögert.

17.30 uhr, endlich auf der straße.

ich bin fertig im doppelten sinne. mein rechtes ohr dröhnt, ich bin schweißgebadet, aber der zahn ist bis nächste woche saniert. zwischen rechter augenbraue und schulter ist fast alles taub. mein gesicht fühlt sich an wie ein heißluftballon. ich mach den check in einem autospiegel, doch ich sehe ganz normal aus. ein bisschen gestresst vielleicht, aber makellos und ohne dicke backe.

18:15 uhr, zuhause.

ich fühle mich besser. die betäubung lässt nach, ich schmeiße ein paar opiate aufs sich entflammende schmerzfeuer und schicke der lederjacke eine zuversichtliche sms.

19 uhr.

ich kann wieder trinken und spüre auch langsam mein gesicht wieder. die unterlippe prickelt komisch, das irritiert mich.

19:30 uhr.

die lederjacke schreibt zurück, ob ich um 21 uhr in der schanze sein kann. ich sage zu.

die unterlippe kribbelt immer noch komisch, ich denke mir nix, ist sicher die betäubung, die nachlässt. dafür schwebe ich dank opiaten und bevorstehendem date auf wolke sieben und trällere unter der dusche.

20 uhr.

ich bin fertig mich duschen und werfe einen blick in den spiegel. in diesem moment offenbart sich der grund des merkwürdigen kribbeln: ich habe ein herpesbläschen auf der unterlippe. muss vom stress und der anspannung im zahnarztstuhl gekommen sein.

hilft ja nichts, mit herpes kann man noch weniger küssen als nach einer zahnbehandlung mit taubem gesicht. da ekelt mich ja vor mir selbst. also sage ich der lederjacke ab.

"tut mir leid, ich hab herpes. mega-grusel und schüttel."

die lederjacke: "du hast mir jetzt aber nicht erzählt, dass du zum zahnarzt musst, weil in wirklichkeit du herpes hast? soooo eklig ist das nun auch mal wieder nicht... jedenfalls nicht schlimmer als ne schnoddernase!"

ich: "nein, ich ekle mich nur so vor herpes. das mit dem zahn kann ich beweisen, das ist kein zahn mehr, nur noch trümmerreste."

lederjacke: "schon gut. dann schlaf mal gut mit deinen trümmerresten. sehen wir uns dann freitag?"

ich will ja schon "ja" eintippen, als mir einfällt, dass ja bis dahin wieder ein herpes oder zahn dazwischen kommen kann. also entscheide ich mich für ein: "vielleicht, so gott will."

die lederjacke darauf: "ich werd dem bastard das wollen beibringen!"

man kann nicht sagen, die lederjacke habe keinen humor. und man kann ebenso wenig behaupten, dass sie schnell abzuschrecken wäre. beides finde ich gut.
jetzt nur bitte schnell wieder gesund werden.

... link


Sonntag, 11. Dezember 2011
auf du und du
es ist ein merkwürdiges gefühl, mehrere tage mit der ehemaligen ersten großen liebe in einer wohnung zu verbringen. die ambivalenz der emotionen im vorfeld war beträchtlich. mein ex ist mir relativ fremd, aber nicht fremd als mann, sondern als mensch. zum einen weil er eine sehr statische person ist und ich mich selbst in den letzten 13 jahren immens verändert habe. zum anderen dadurch, dass die rollen andere geworden sind.

doch es lief besser als gedacht. am freitag nach seiner ankunft gingen wir erstmal essen. da petrus sich von seiner ungnädigen seite zeigte, ich von der arbeit und mein besuch von seiner langen und aufgrund der unwetterlage eher beschwerlichen anreise erschöpft waren, verzichteten wir auf ausgehen und gingen relativ früh schlafen. ich konnte zunächst schwer einschlafen, da es zu seltsam war, diesen fremden und ausgesprochen vertrauten menschen auf der anderen seite der wand liegen zu wissen. ich versuchte mich mit dem gedanken zu entspannen, dass ich ja auch schon das objekt beherbergt hatte, dem ich aufgrund seiner unschönen gewohnheiten wesentlich mehr misstrauen entgegenbrachte. aber so war es wohl doch etwas anderes, als pheromontrunken und nackt aneinandergeschmiegt einzuschlummern.

am samstag verschlief ich gnadenlos. mein ex, der auch am wochenende spätestens um acht aufsteht, war längst unterwegs und trotzte bei einem innenstadt-bummel schnee und regen. ich fand es höchst rücksichtsvoll, dass er mich nicht geweckt hatte. also brachte ich meine wäsche weg und kaufte ein, bis wir dann ziemlich gleichzeitig vor der tür standen.

wir gingen wieder essen. ich stellte fest, dass mein ex noch immer geistreich und witzig war. anders als sonst ließ er sich zu keinen miesen bemerkungen über andere (= meist mich ) hinreißen. trotz statik im leben also eine weiterentwicklung.
mein ex erzählte auch von seiner tochter, die inzwischen eine junge dame war und ausziehen wollte. trotzdem verstünden sie sich gut, meinte mein ex, und sie würde ihm alles erzählen, von abenteuern mit jungs mal abgesehen.

als wir fertig waren, zahlte mein ex die gemeinsame rechnung. das war ebenfalls ein novum. sogar als ich noch schülerin war, hatten wir rechnungen immer ganz peinlich genau geteilt. mein ex ist kein krösus, aber immer noch in sicherer position im selben unternehmen wie vor 13 jahren.
"ist dir das nicht langweilig", fragte ich.
"naja, die aufgaben sind immer dieselben, von daher ist das nicht so spannend... aber die atmosphäre da stimmt einfach und die kollegen sind so unglaublich nett."
"das zählt natürlich viel", erwiderte ich. "das ist bei mir ja ähnlich."
"mal abgesehen davon, dass das, was da bei dir passiert, die totale ausbeutung ist."
"tja, der eine ist die taube, der andere das denkmal."
"wie meinste denn das jetzt?"
"naja, die einen scheißen, die anderen werden beschissen."
"du redest immer noch genau so daher wie früher."
"der unterschied ist, dass meine aussagen jetzt mit einem geballten haufen mieser lebenserfahrung gespickt sind."
"du bist für dein alter ein total desillusionierter mensch", fand mein ex.
"na herzlichen dank auch", meinte ich.
"ich meine das jetzt gar nicht mal so negativ", schob mein ex hinterher. "du hast ja auch eine energie, bei der man sich fragt, wo du die herholst. jemand anderes hätte sich in deiner lage vielleicht längst gegen nen baum gefahren."
"ich hab kein auto, das ist der unterschied", lachte ich.
"solange du noch lachen kannst..."
"ja, mein humor hat mir schon oft den arsch vom grundeis gezogen."

nachdem wir uns die bäuche vollgeschlagen hatten, stand das highlight des wochenendes an: das covenant-konzert. es war zwei jahre her, dass ich covenant das letzte mal live gesehen hatte, aber ich hatte die show in mehr als guter erinnerung.
am ort des geschehens trafen wir mr. shyguy, k., die k.-exfreundin und eine weitere bekannte. wir hatten uns zwar zuvor verabredet, doch der ungeheure ansturm der besucher erschwerte das sich-finden. nachdem erst mr. shyguy vorübergehend verschollen war, ging kurz vor konzertbeginn mein ex verloren.

schließlich stand ich mit k., der k-ex und der bekannten auf einer seitentreppe, wo man vor remplern und angeschossenen unkoordinierten getränke-jonglierern einigermaßen geschützt war. mein ex hatte sich bis fast ganz nach vorne gekämpft, um zu tanzen.

auf der treppe kuschelten wir fünf uns aneinander und grinsten vor vorfreude wie die osterhasen. k. hatte zudem stimmungsaufhellende substanzen konsumiert, wie man ihm an der nase noch deutlich ablesen konnte. mr. shyguy machte ihn darauf aufmerksam.
"oh", sagte k. und wischte sich über die nasenflügel.
"jetzt weiß ich auch, was du vorhin so lange auf toilette getrieben hast", kicherte mr. shyguy.
k. lächelte nur und wieder einmal stellte ich fest, wie sehr ich ihn für seine sanfte und zugleich feste art schätzte und mochte.

dann begann das konzert und wir wurden allesamt weggerissen von einem unglaublichen bass und eskils energetischer bühnenpräsenz (wie kann ein mensch nur singen und zugleich so viel hüpfen?). ich bereute es mal wieder, kein anständiges handy (heutzutage nennt das man das vermutlich smartphone) zu besitzen und livetickerartig bilder und mitschnitte auf fratzenbuch einstellen zu können. (wollt ihr die totale kommunikation?!)

eine anderthalbstündige darbietung später schien das koks nicht mehr so gut zu wirken, eskil hüpfte weniger hoch und schien phasenweise ein klein wenig außer atem. mit der phänomenalen und leidenschaftlichen darbietung des uralthits "leiermann" und einigen weiteren zugaben verabschiedeten sich die skandinavier schließlich von uns.

bei konzertende wurden wir von den hinausströmenden massen erneut auseinandergerissen. 50 sms und mehrere halbe nervenzusammenbrüche später hatten wir sechs uns dann im foyer versammelt, rauchten eine und beschlossen einstimmig, nicht länger zu bleiben, sondern nach altona zu wechseln. mein ex wollte nach hause, meinte aber, ich solle ruhig feiern gehen. ich freute mich über so viel unkompliziertheit. anstandshalber brachte ich ihn noch zu u-bahn, während die anderen schon mal weiterzogen. dann begab auch ich mich zur s-bahn.

in der s-bahn stellte ich fest, dass ich in der falschen linie fuhr. ich stieg holstenstraße aus, um den rest zu fuß zu gehen. ein fehler, denn an der holstenstraße standen kontrolleure und sperrten den bahnsteig ab. ich hatte keinen fahrschein, konnte mich aber dank nachtschwarzer gewandung und einer gruppe randalierender, besoffener jugendlicher unauffällig an der kontrolle vorbeischleichen.

im club feierte jemand vom personal geburtstag und gab uns mehrere runden aus. gegen fünf uhr morgens lehnte ich hackedicht an k.s schulter. k. war ebenfalls stark betrunken, aber dank der vorherigen drogenzufuhr klarer als ich.
"du schaffst das nicht mehr bis zum bus", lallte k..
"ich muss!" versuchte ich mich aufzurappeln.
"schlaf doch bei mir", bot k. an.
"nee", schwankte ich.
"du kannst auch auf der couch", verschluckte k. nuschelnd das verb.
"das geht nich, meinex is doch da."
"dasis deim ex doch wurscht wo du schläfz", stammelte k.

eine halbe stunde später wankte ich mit k. in den morgen hinaus. an der unterführung löste ich mich und verabschiedete mich.
"is besser so", nuschelte ich.
"wiedumeinz", sagte k.

der busfahrer grinste unverschämt, als ich lallend mein ticket kaufte. auf der fahrt nickte ich dann mehrfach ein, war aber an der richtigen haltestelle wieder wach. den folgenden 20-minütigen fußmarsch erlebte ich höchst verschwommen, nur der schmerz in füßen, beinen und rücken vom 10-stündigen tanzen und herumstehen auf hohen hacken war omnipräsent und äußerst deutlich.

zuhause fiel ich in mein bett und ratzte, bis mich gegen elf mein ex weckte. wir gingen noch kurz frühstücken. während mein ex einen riesigen teller rührei wegschaufelte, nippte ich an einem kaffee.
"na, kater?" fragte mein ex.
"nee, restalkohol", nuschelte ich.
"du siehst jedenfalls aus, als hättet ihr es gestern noch richtig krachen lassen."
"du nicht", sagte ich lächelnd.

als wir uns verabschiedeten, umarmten wir uns fest und herzlich.
"melde dich mal bei mir, wenn du im süden bist", bat mein ex.
"mach ich", versprach ich.
"na dann..."
"bis bald!"

als ich dem davonbrausenden kleinwagen nachsah, fühlte ich mich ebenso merkwürdig wie vor dem wochenende - irgendwo zwischen bedauern und erleichterung. aber vielleicht sollte ich einfach nur noch eine runde pennen, um meine hirnchemie zu aktualisieren.

... link


Dienstag, 22. November 2011
sisterhood
jemand läuft dem objekt gerade ein wenig den rang ab. nicht in sachen spezifisch-objekt-sein. aber so in sachen ich-denk-an-dich.

es ist nicht die lederjacke. sondern der verheiratete. ich kann nicht anders, endvierziger sind manchmal einfach die besseren.

er ist so offen. er ist so dominant. er sagt sätze wie: "eines tages hol ich dich hier raus." und das prinzessinnen-gefühl steigt ins exorbitante, auch wenn ich zu viel weiß, um noch an die erfüllung eines märchens zu glauben.

er ist keiner, der meine schulter braucht. er hat selber zwei davon, die er mir gefahrlos bietet, weil er weiß, ich benutze ohnehin lieber meine eigenen. aber ich wiederum weiß, seine wären da, wenn ich sie wollte. oder um es mit objekt-worten zu sagen: manchmal zählt einfach die geste.

ich bin ein wenig ratlos, weil etwas in mir begonnen hat, entgegen der reißenden strömung auf diesen menschen zuzuschwimmen. auf diesen menschen, der mich zur schwester möchte, der mir aber zwei minuten später wilde sauereien ins ohr flüstert.

und das alles, ohne mich besitzen zu wollen. er weiß vom objekt und sagt, "nimm es mit, habt spaß, aber benutzt ein kondom." er erzählt von seiner frau, spricht aber bei sätzen mit liebe in der vergangenheit - was ihm übrigens nicht bewusst war, bis ich es ansprach.

wenn ich nach stundenlangen gesprächen den hörer auf station lege, fühle ich mich einsam und geborgen zugleich und frage mich, ob es ihm ähnlich geht.

nächte woche habe ich übrigens ein date mit der lederjacke. der unvernunft zum trotz.

... link


Donnerstag, 17. November 2011
dinner for kloppis oder essen mit überzeugung
nachtessen@altona.
es gibt spaghetti mit tomatensauce. in der sauce schwimmen paprika und etwas weißes, das wie angebratener tofu aussieht.
das objekt schwärmt, wie gut die sauce gelungen sei und haut die teller voll. der sohnemann beginnt sofort zu löffeln. nur paprika mag er nicht, die schiebt er unauffällig an den rand.

ich probiere erst die spaghetti, dann spieße ich was von dem weißen zeug auf und kaue es vorsichtig.
"na?" fragt das objekt. "wie findest dus?"
"soweit ganz lecker. aber was ist das denn, ist das tofu?"
"nee", sagt das objekt und kichert: "tofu, also das wirste bei mir nicht erleben, miss bio."
"was ist das denn dann?"
"wurst", sagt das objekt.

mir fällt die gabel aus der hand.
"das ist ja widerlich, du weißt doch, dass ich kein fleisch esse!" rufe ich entsetzt.
das objekt bleibt ganz ruhig.
"das weiß ich. aber das ist kein fleisch."
"das ist wurst!"
"ja, eben!"
das objekt schaut mich an wie eine kuh wenns donnert.
"heißt das, du magst keine wurst?"
der groschen ist gefallen.
"exakt."
das objekt verdreht die augen und zieht meinen teller zu sich heran.

der lütte hat das gespräch mit großen augen verfolgt.
"warum isst die kein fleisch?" fragt er den papa.
"sag bitte nicht 'die', sondern sag den namen", ist der papa streng. "und wenn du das wissen willst, musst du sie selber fragen."
der kleine wendet sich an mich und fragt schüchtern:
"duhu, warum magst du denn kein fleisch?"
schwierige frage. wie erklärt man das kindgerecht? ich überlege, dann setze ich an:
"naja, zunächst mal schmeckt es mir nicht. und dann, weil... fleisch, also das sind ja tote tiere. tiere, die von menschen umgebracht wurden. ich ess das nicht, weil ich auch nicht wollen würde, dass mich jemand aufschlitzt und umbringt und aufisst, wenn es genug gibt, was man auch so essen kann. das ist meine überzeugung."
der lütte nickt eifrig und fragt dann weiter:
"was ist überzeugung?"
"das sagt man, wenn man fest an was glaubt, es aber nur eine meinung ist."
der lütte ist verwirrt. ich muss ein beispiel bringen.
"also eine überzeugung ist zum beispiel, wenn du sagst, st. pauli ist toll. es gibt sicher ganz viel, was an st. pauli tatsächlich unheimlich toll ist, aber jemand anderes findet vielleicht trotzdem den hsv besser."
das war kein heldenhaftes beispiel, aber nunja, der kleine scheint zu begreifen und nickt.

dann essen wir zu ende. das objekt erbarmt sich meiner portion, ich esse nur spaghetti auf einem sauberen, neuen teller.
der lütte mampft nudeln, sauce und wurst weg, hat aber am ende alle paprika an den rand aussortiert.
der papa runzelt die stirn und blafft:
"was soll das denn jetzt?"
der kleine guckt betreten und verzieht in erwartung eines anschisses weinerlich das gesicht. sofort schlägt das objekt eine andere tonlage an und fragt ganz sanft:
"warum willst du denn die paprikastückchen nicht essen?"
der kleine legt die gabel zur seite und sagt dann ganz leise:
"weil, das ist ja totes gemüse dann. und das ist nicht toll, das ist meine überzeugung."

das objekt sieht mich an und sagt erstmal nichts. ich versuche das lachen zu unterdrücken, doch es gelingt mir nicht. dann steht das objekt auf und schlägt die stirn gegen die schlafzimmertür.
"hilfe! ich bin der einzige mensch ohne essstörung in diesem haushalt!" ruft es laut.
dann grinst es und nimmt erst den kleinen, dann mich in den arm:
"ihr macht das schon richtig. ihr seid eben freigeister."
"was ist freigeister?" fragt der kleine.
"menschen mit eigenen überzeugungen", sagen das objekt und ich wie aus einem mund.

... link


Dienstag, 15. November 2011
dem kind einen namen geben
der treffende ausdruck für mein liebesleben fiel eben im gespräch: psycho-tourismus.

muss ich bestimmt noch bis morgen früh drüber grinsen.

... link