Mittwoch, 6. Juni 2012
objektiv verhüten
das objekt ruft an.
"ähm, du, ich wollte dir nur sagen... wenn wir uns mal wieder begegnen... als... als frau und mann..."
(pause, zweideutiges laszives objektives schnurren!)
ich, butterweich: "jaaaaaaaaa??"
spannungsgeladene stille auf der anderen seite. ich halte den atem an.
was kommt jetzt? will es was? mich fesseln, knebeln und nackig aus dem fenster hängen? dass ich ihn mit fußtritten zum nacktputzen zwinge? dass ich der objektgespielin die muschi lecke? dass ich ihm ins gesicht pinkle? oder alles zusammen?

das objekt holt luft und sagt:
"dann gib mir doch bitte einen hinweis, ob wir verhüten sollen!"
ich, völlig perplex: "bitte was?!"
objekt, ruhig und neutral: "verhüten. sag mir bitte, wenn wir verhüten sollen!"
ich, immer noch sprachlos: "warum fragst du das jetzt... nachdem wir seit zwei jahren...?!"

objekt: "na es könnte ja sein..."
ich: "was? dass du dir aids bei mir holst?"
objekt: "nein, aber dass du kinder willst!"
ich: "und du denkst, ich würde dir sagen, bitte nimm ein kondom, wenn ich mir heimlich ein kind von dir wünschen würde?"
objekt: "naja!"
ich: "naja was?"

schweigen auf beiden seiten.
objekt: "ich wollte es ja nur mal erwähnt haben."
ich: "super. nach über zwei jahren! wir vögeln im dritten jahr! ist dir das eigentlich klar!"
objekt: "es ist aber auch immer noch sehr schön."
ich: !!!

objekt: "ich muss schluss machen, ich hab frühschicht, ich muss schlafen."
ich: "du meinst masturbieren und auf deinen neuen teppich abspritzen."
objekt: "du sau. dir kann man auch nichts vormachen."
ich: "dann leg wenigstens ein handtuch drunter, so im kontext verhütung und so. tschüß."
objekt: "ähm..."
ich: "und tschüß!!!"

diesen mann möchte ich mindestens so oft schlagen wie ficken.

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Freitag, 1. Juni 2012
froschkönigin
mein neuer liebster platz ist das moor. alles ist so verdammt lebendig dort. der boden ist mal fest, mal weich, es ist ein senken und heben, und falls man zu faul war, die gummistiefel mitzunehmen, heißt es hinterher erstmal schuhe schrubben.

nach 22 uhr geht das allabendliche froschkonzert los. manchmal kommt das objekt, das in der nähe arbeitet, mit. dann sitzen wir auf der bank wie omma und oppa, rauchen einen joint und schweigen, stupsen uns nur hin und wieder an, um auf schlafende gänseküken, kämpfende amseln oder die wasserlilien zu zeigen, die sich in der dämmerung im wind wiegen.

"froschkönigin", sagt das objekt, als ich auf mein nagelneues uraltes grünes fahrrad steige und wir noch ein paar meter zusammen die laute straße entlangfahren.
"froschkönige sind friedensherrscher", gebe ich zurück.
"dann regiere deine kleine welt auch so", findet das objekt, nimmt meinen kopf in seine hände und küsst mich. "lass den kriegsfuß mal aus der tür."
"ich bin die marc aurel unter den froschköniginnen."
"marc aurel hat auch kriege geführt", verbessert mich das objekt.
"schnauze", erwidere ich, "ich bin die religionslehrerin von uns beiden!"

das objekt knufft mich, umarmt mich noch einmal und entschwindet dann in die nacht. ich sehe dem wehenden roten haarschopf hinterher und mache mich dann meinerseits auf den weg.

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Mittwoch, 30. Mai 2012
ssah und ebeil, ud und hci
seitdem das objekt wieder auf dem plan ist und oberwasser im leben gewonnen hat, konfrontieren wir einander hart mit den marotten des jeweils anderen.

wenn das objekt sich mal wieder daneben benimmt und sich dann mit den worten "sorry, ich weiß, ich bin ein arschloch" entschuldigt, sage ich "du bist ein möchtegern-arschloch, du poser, und du brauchst tussen, die feige und geheimnisvoll verwechseln, um deine fassade aufrechtzuerhalten." woraufhin das objekt noch nicht einmal beleidigt auflegt, sondern tatsächlich nachdenkt, zwei stunden später zurückruft und nachfragt, ob es eigentlich manchmal lächerlich wirke und dann zugibt, dass es für ihn schwierig sei, authentisch zu sein, weil er hier den vater und ein männliches vorbild vermisse.
"was ist dein vater für dich?" frage ich nach und plötzlich spricht das objekt über seine kindheit. dass der vater nicht nur alkoholiker, sondern dorfbekannter schläger war, dem man nicht krumm kommen durfte.
"du hasst deinen vater nicht nur", analysiere ich die antworten, "wenn du so von ihm redest, bist du eigentlich stolz auf ihn. in wirklichkeit kannst du nicht verstehen, wie du ihn so bewundern kannst, während du ihm so gleichgültig warst und versuchst es ihm nachträglich heimzuzahlen, indem du ihn als vater verleugnest."
nach solchen sätzen ist das objekt stolz, allerdings auf mich:
"dass ich so eine kluge frau kenne... und dass die mich kennen mag, das ist toll."

im gegenzug lauscht es auf meine worte und weist mich gnadenlos zurecht, wo ich mich zu klein mache:
"so charmant dein zynismus ist, in wirklichkeit hasst du dich so sehr, dass du gefahr läufst, dich irgendwann aufzugeben."
im büro erreichen mich kleine botschaften per sms:
"auftrag für heute: dir eine blume kaufen."
oder:
"koch dir was tolles zu essen und verbringe mindestens eine halbe stunde allein damit, die mahlzeit zu genießen."
oder:
"was ist dein highlight für den heutigen tag? überlege es dir bis heute nachmittag, 15 uhr und schreib es mir."
zur schlafenszeit plingt dann mein handy noch einmal und das objekt fragt ab, ob ich meine aufträge auch erledigt habe. dann gibt es feedback:
"gut gemacht. und morgen noch mal."
oder:
"das ist schon wieder so tiefsinnig, du musst auch mal oberflächlich und albern sein!"
oder:
"zu wenig kohlenhydrate. das nächste mal nimm ein brötchen dazu."

"wie fühlt sich das für dich an?" fragt das objekt.
"gut. geborgen. in sicherheit", sage ich nach kurzem überlegen.
"nicht kontrolliert?" hakt das objekt nach.
"nein", sage ich ehrlich. "du legitimierst mir mich und meine bedürfnisse."
"und du? was empfindest du dabei?
das objekt denkt nach:
"aufmerksamkeit. du gibst mir so viel aufmerksamkeit. und dann erkenne ich in meinem vagen und manchmal auch hässlichem spiegelbild das schöne. oder auch mal das krumme, das ich mir gerade male in gedanken. du bist mein bewusstsein, ein bewusstsein mit einem schönen, liebenden und zugleich kritischen blick, der mir selber abgeht."
"schade, dass du kein arschloch bist, sonst könnte ich dich leichter hassen", sage ich.
"schade, dass ich dich nicht mehr dich selbst entdecken machen kann, sonst könnte man dich leichter lieben."
"wir sind eben zwei hoffnungslose fälle", sage ich leichthin, woraufhin das objekt aufstampft und mault:
"siehst du, du machst es schon wieder!"

wir sind vermutlich und offenbar tatsächlich hoffnungslos. hoffnungslos liebend-verbunden und getrennt zur gleichen zeit.

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Sonntag, 13. Mai 2012
the heat is on
die letzten wochen die luft angehalten. war ja viel zu tun. an lebensberührungspunkten, die ganz woanders lagen als im club oder im freundes- und affairenkreis. die ernte einfahren, da, wo es überhaupt noch lohnt, und berufliche sackgassen und einbahnstraßen abbrechen. zukunftsplanung betrieben, sehnsüchte eingestanden, distanz geübt und eine freundschaft aufgekündigt.
ich bin so frei. der herr, die dame, sie mögen es mir verzeihen, dass ich derzeit im inneren exil lebe.

ins größte selbstregulierungschaos funkte mir das objekt, das die ankunft der küchenaccessoire-lieferung verkündete. gestern, nach einem langen und anstrengenden tag, rang ich mich dann durch, sie abzuholen. ich radelte kurz nach beinahe-nebenan in die romantische sozial-siedlung und erwischte das objekt, das gerade von der spätschicht kam, noch am aufzug. eine ganze überstunde hatte es gemacht, erzählte es mit leuchtenden augen, und dass es ihm nichts ausmachte, es sei ja so ein schöner job. ich staunte. noch bevor ich fragen konnte, ob es sich was eingeschmissen hatte, klingelte das objekt-handy. die objekt-mama rief aus ossiland an. das objekt schäkerte und lachte mit ihr, dass mir zwischenzeitlich zweifel kamen, ob es sich tatsächlich um seine mutter handelte, doch dann fiel zweimal das wort "mama" im eindeutig nichtironischen kontext.

oben, als es den zweiten flur aufschließen musste, sah mir das objekt erstmals in die augen und nahm mich begrüßend in die arme. es wirkte vollkommen klar, selbstsicher wie selten und überhaupt irgendwie sehr gesund, sofern man dieses wort mit dem objekt in zusammenhang bringen darf. ich fühlte mich plötzlich ziemlich klein und doof daneben.
"du bist ganz anders", rutschte es mir heraus.
das objekt lächelte wissend und bat mich dann förmlich herein in sein winziges reich.

wir regelten zunächst das geschäftliche, dann holte ich zwei bier, die ich mitgebracht hatte, aus der tasche.
"ein kleines dankeschön für die kriminellen freundschaftsdienste."
das objekt strahlte, als hätte ich ihm den lotto-jackpot ausgehändigt.
"das ist ja cool, ich hab überhaupt keinen alkohol mehr im haus. wenn du noch ein bisschen zeit hast, dann lass uns das doch gleich zum anlass nehmen. trinken wir zusammen eins!"

das objekt verrückte sessel und tisch so, dass wir zu zweit sitzen konnten und machte kerzen an. dann drehte es einen joint.
"das ist die kostprobe, sozusagen", meinte es und holte dann zu einem längeren exkurs über anbauort und ernteverfahren aus. ich fühlte mich fremd und verlegen, unfrewillig gast, fragte mich heimlich, was das objekt so empfand und wie viel dieser offensichtlichen souveränität show war.

dann nippte das objekt an seinem bier und sagte:
"ich bin ja so stolz... das ist mein erstes alkoholisches getränk für diese woche. das zeigt mir: hey, ich kann auch ohne!"
"und dass, wo du immer so viel getrunken hast."
"seitdem ich hier wohne, irgendwie kaum mehr. höchstens zum feiern. ich kiffe, aber alkohol... das war so ein punkt, an dem ich neulich ankam, als ich im supermarkt an der kasse stand: ich will so nicht enden."
"enden wie wer?"
"wie mein vater."
mir blieb der mund offen stehen. das objekt redete sonst nie von seinem vater. "ich habe keinen vater", sagte es sonst höchstens, oder "mein vater ist für mich gestorben."
in mir fielen mehrere groschen.
"dein vater ist..."
"alkoholiker", beendete das objekt meinen satz.

wir starrten gemeinsam aus dem fenster in die birke, die in der nacht raschelte und ab und an das glas berührte. dann erzählte das objekt die kurzfassung seiner kindheit. vom immer abwesenden da besoffenen vater, der den jüngeren bruder ganz eindeutig vorzog und der mutter, der es immer nur um die objektive sportlerkarriere ging.
"ich war der letzte arsch, zuhause und auch in der schule. und das schlimmste war, als sie mich dann in dieses internat gesteckt haben. zum glück hatte ich meine oma... mit meiner oma bin ich neulich die grenze abgefahren, die dörfer ihrer kindheit... und dann haben wir das haus gefunden, in dem sie als kind gelebt hat..."
das objekt sprang auf und begann zu kramen. dann holte es eine große schieferschindel hervor.
"das ist von ihrem haus... das habe ich mitgenommen als andenken."
die objekt-augen leuchteten, während ich aus dem staunen nicht herauskam.

"du bist ein ganz anderer mensch geworden", blinzelte ich schließlich. "wie du redest... dein auftreten, deine haltung... dein blick..."
"naja... meine komplexe hab ich alle noch", lachte das objekt. "du ja auch, da kommt man nicht so fix raus."
"meine komplexe, soso."
"du magst dich nicht."
"das stimmt so nicht ganz."
"aber teilweise."
"na und?"
"so kann man dich ganz schwer lieben, morphine", sagte das objekt da. "zumindest muss man so stark sein und es schaffen, deine zweifel an dir nicht zum zweifel an deiner liebe zu machen. du gehst immer, wenn dir jemand nahe kommt... zumindest innerlich. vor allem, wenn jemand selbst sehr unsicher ist, wird er sich bei dir vielleicht... alleingelassen fühlen."
ich schwieg.
"ich wollte dir jetzt nicht zu nahe treten", sagte das objekt und lockerte seine therapeuten-haltung.
"nein, schon okay, ist ja nichts, was ich nicht weiß."
"aber du kannst es nicht umsetzen, was?"
"irgendwie nicht", sagte ich matt. da rutschte das objekt ganz nah an mich heran, bis seine knie die meinen berührten, zog mich ein stück zu sich und legte seine wange an meine.

"was sagt deine zeit?" fragte das objekt dann.
"soll ich gehen", fragte ich peinlich berührt.
"neinnein", wehrte das objekt ab. "ich dachte vielmehr gerade, dass du doch vielleicht bleiben könntest. wenn es geht und wenn du dir das vorstellen kannst."
"warum?"
"nicht, dass ich notgeil wäre, aber... weil du es eben bist. weil ich es mir wünsche und es mir gerade schön vorstelle, neben dir einzuschlafen."
hm! soweit hatte ich in meinen kühnsten träumen nicht gedacht.
"wir können ja mal sehen", sagte ich diplomatisch. "wenn ich gleich zu bekifft bin, um noch radzufahren, überlege ich es mir."

das objekt kramte alte brettspiele aus einer kiste, dann saßen wir auf dem bett zwischen karten und würfeln und einem schachbrett. wir spielten alles mögliche, und ich gewann beinahe jedes mal.
"revanche", rief das objekt ein ums andere mal. "du kränkst meinen männlichen stolz!"

sehr spät und vom vielen lachen ganz erschöpft räumten wir dann alles wieder in die kiste. am boden der kiste fand ich einen papierhaufen.
"was ist das denn", fragte ich das objekt. "ein ratespiel?"
"nee, das ist ein iq-test", sagte das objekt.
"so einer aus dem internet oder ein richtiger?"
"ein wissenschaftlicher", sagte das objekt.
ich blätterte und blätterte. da hatte jemand notizen gemacht. am ende stand die auswertung: 142.
"uiuiui", sagte ich. "da haste aber kluge patienten. wer hat den denn machen müssen?"
"ich", sagte das objekt da.
ich war sprachlos.
"naja, ich konnte das auch erst nicht glauben", meinte das objekt. "ich hab dann noch mal einen anderen gemacht, der noch umfassender ist und zwischen den unterschiedlichen intelligenzen, die man so haben kann, differenziert. da hatte ich dann 138."
ich konnte es noch immer nicht fassen.
"mein einziger großer schwachpunkt ist die handlungsintelligenz", berichtete das objekt. "heißt also, ich denke klug, handle aber nicht so. deshalb bin ich wahrscheinlich der, der ich eben bin."

gegen halb drei uhr nachts warf das objekt einen film in den dvd-player. wir saßen auf dem bett, rauchten und mümmelten vollkornbrote mit tomate-mozzarella, die das objekt in mundgerechte häppchen geschnitten hatte. irgendwann rollte sich das objekt zur wand und bewegte sich nicht mehr. es war eingeschlafen. ich machte den fernseher aus und die übliche gutenacht-kerze an, holte mir eine zweitdecke und nutzte die freie hälfte des bettes. ich schlief tief und fest, komplett angezogen genau wie das objekt und wurde erst am frühen nachmittag wach, weil es warm und stickig war und das objekt sich über mich gerollt hatte.
"wie spät isses denn", murmelte das objekt im halbschlaf.
mein handy zeigte mir 13:27 uhr.
"halb fünf", sagte ich todernst.
"oh mein gott", fuhr das objekt auf.
leider muss ich bei meinen eigenen scherzen immer zu früh kichern.
"das stimmt gar nicht, oder", durchschaute mich das objekt rasch. ich lachte, und das objekte boxte mich. dann kniete es über mir und ich registrierte den ersten gefährlichen moment.
"hunger", sagte ich schnell.
"ich mach frühstück", sprang das objekt eilfertig auf.

während das objekt den tisch deckte, tauchte ich, klebrig und verschwitzt wie ich war, erst einmal in der badewanne unter. dann plötzlich kam das objekt mit dem guten-morgen-joint herein und ließ sich auf dem pott nieder, um mir aus seinem neuen buch vorzulesen. ich zog flux die knie ans kinn und bewegte mich nicht mehr, damit keine löcher im schaum entstanden. obwohl es im wasser mollig warm war, begann ich vor anspannung innerlich zu schlottern.
"also entspannt baden sieht irgendwie anders aus", kritisierte das objekt bald darauf meine körperhaltung.
"das wasser ist schon ein bisschen kalt", schwindelte ich.
schwupps, beugte sich das objekt über die wanne und ließ heißes wasser nach.
"besser?"
"jaja."
"du hast wimperntusche im gesicht", stellte das objekt richtig fest.
"ich hab mich gestern nicht abgeschminkt."
das objekt verließ das bad und kam mit einem waschlappen und watte wieder.
"augen zu", befahl es mir und krempelte die hemdsärmel hoch. dann entfernte es mit der watte mein rest-make-up und wusch mir anschließend das gesicht, hals und schultern. ich kam mir vor wie in der badewannenszene bei "secretary".
"du hast so ein schönes gesicht", fand das objekt. "ich glaube, du wirst auch mit 80 noch gut aussehen."
dann verließ es ziemlich abrupt das badezimmer. brandgefährliche szene nummer zwei gebannt.

nach dem frühstück und dem dritten joint, als die welt wieder angenehm in die ferne rückte, räumten wir auf und lüfteten.
"ich würde dann mal gehen", sagte ich.
"hast du noch was vor?" fragte das objekt.
"naja... ich kann ja nicht noch ewig hierbleiben."
"nicht ewig... aber so bis kurz vor neun? dann hab ich nachtschicht und wir könnten zusammen mit den rädern los", schlug das objekt vor.

also kuschelten wir uns wieder ins bett und machten musik an. nach einer weile zog mich das objekt an sich. ich suchte vergeblich nach einem feuerlöscher für den brandgefährlichen moment nummer drei. doch wenn ich ehrlich war, hatte ich nach fast 24 stunden in der objektiven pheromonwolke gar keine lust mehr auf feuerlöschen.

als wir vor der objekt-arbeitsstätte standen und uns verabschiedeten, meinte das objekt:
"was für ein teufelsritt, du weib. und ich muss jetzt arbeiten!"
ich grinste.
"ich hab ja urlaub."
"stimmt, du bist ja auch gleich nicht mehr da."
"jupp."
"dann wünsch ich dir was.
"ich dir auch."
"das kopfkino jetzt gleich auf arbeit nimmt mir ja keiner."
"dann behälst du mich ja in guter erinnerung."
"das war doch hoffentlich nicht das letzte mal!"
"you never know."
ich schwang mich in den sattel und machte, dass ich weg kam.

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Freitag, 4. Mai 2012
der rote reiter
im büro klingelt mein handy. ich denke, das ist bestimmt das objekt - und es ist das objekt.

"ich arbeite", sage ich mittelschwer genervt. im gegensatz zum objekt habe ich keinen schichtdienst. mann kann sich meine arbeitszeiten theoretisch leicht merken. das objekt nicht. es ruft an, wann es ihm passt.
"ich wollte dir was wichtiges sagen", beschwichtigt mich das objekt.
"was denn", sage ich und mache mich auf den weg ins zimmer meiner chefin, wo heute niemand ist und ich ungestört rauchen darf.
"du bist die quelle meiner inspiration und ich möchte dich nie missen", lässt das objekt seinen honig durch den hörer tropfen.
"aha", sage ich nüchtern und ziehe an meiner zigarette. "und sonst so? irgendwelche wichtigen anliegen?"
das objekt holte tief luft.
"ähm, also pass auf... ich hab das auto von meinem freund, und der fährt im juni für vier wochen in urlaub. und dann steht das haus leer, weißt du, an dem see, wo wir mal waren..."
"und?"
"wollen wir hinfahren?"
ich bin überrascht.
"ich weiß nicht, muss ich mir mal überlegen."
"für ein wochenende oder so... oder ich werde auch einfach mal nur für eine nacht runterfahren... also wenn du möchtest... wenn dir mal nach einer badewanne ist oder ruhe oder kaminfeuer..."
"oder nach dir", sage ich leichthin, und das objekt schweigt.

dann, endlich, kommt es zum punkt.
"ich statte meine küche neu aus", sagt es. "und ich wollte wissen, ob du irgendwas brauchst."
"ich dachte, du hast noch was geparkt", erinnere ich das objekt an sein depot.
das objekt lacht nur.
ich verstehe.
"sag mal ne summe, baby", bittet mich das objekt.
"weiß nicht, ich müsste mal rumfragen", sage ich. "was haste denn so im auge? außer kräutern? kaffee?"
"alles, was dein herz begehrt", sagt das objekt.
"mein herz begehrt ja gar nicht so schrecklich viel."
"du kannst auch gegen naturalien tauschen", säuselt das objekt, eingedenk meiner rezeptpflichtigen burner.
"meine apotheke ist kein bonbon-laden."
"du bist süß", lacht das objekt. "also, was ist?"
"ich bin dabei."
"super. kommste mit zum großmarkt?"
"kein bock."
"okay, dann..." seufzt das objekt.

ich warte noch zwei sekunden.
"ich komme dann vorbei und hol das zeug ab."
"ja gerne!" ruft das objekt. "oder ich bringe es mit."
"kommst du am wochenende in den club?"
"denk schon, ich muss mal wieder unter menschen", sagt das objekt und beginnt dann zu summen: "hey, hey, hey... ich bin der goldene reiter... ich bin der gott dieser stadt..."
"alles klar", sage ich. "dann pass bloß auf, weißt ja, was mit dem typen passiert ist. nicht, dass du mit einem halben kilo küchenkräutern und mohn einfährst und ich bin auch noch mitschuldig."
das objekt ist sich seiner sache sehr sicher.
"ich weiß, wie die dinge laufen."
"gut. dann allez-hopp."
"zu befehl, madame. und, was hast du heute noch schönes vor?"
"ich lasse meine wirbel von meiner lesbischen therapeutin neu ordnen."
"heiß. was kann die sonst noch so, außer wirbel ordnen?"
"hm, auf meine brüste starren?"
"das ist ja nicht schwer bei dir..."
"tja, wer hat, der hat."

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Dienstag, 1. Mai 2012
odyssee in den mai
gestern bekam ich besuch von mr. shyguy. der hatte eine überraschung für mich:
"das objekt will, das wir vorm partymachen noch bei ihm vorbeikommen, einen rauchen und ein bisschen vorglühen."
ich war erstaunt.
"ich war noch nie da bei ihm in seiner merkwürdigen unterkunft."
"ja, ich doch auch nicht. deshalb müssen wir es jetzt auch anrufen, damit er uns sagt, wo wir gleich hinmüssen."

ich war noch immer überrascht und überlegte, ob ich das wollte. doch mr. shyguy nahm das ruder in die hand. er schnappte sich mein kreischviolettes wählscheiben-telefon und wählte eine nummer, die ich nicht kannte.

mr. shyguy ließ es dreimal durchklingeln. niemand ging ran.
"okay", sagte ich, "das wars. wir fahren alleine in den club."
"wart doch mal", sagte mr. shyguy.
und plötzlich klingelte das telefon.
ich sprang auf und riss den hörer von der gabel:
"ja?!"
"morphine", sagte das objekt warm. "du bist das."
"mr. shyguy ist hier und wir würden gerne wissen, wo du wohnst", sagte ich gereizt.
das objekt begann lang und umständlich den weg zu beschreiben, bis ich es unterbrach:
"die adresse. mir reicht die adresse. den rest sagt mir g. maps."
das objekt sagte straße und hausnummer.
"steht dein name irgendwo am klingelschild?" fragte ich, weil ich die objekt-schlampigkeit kannte.
"äh, nein", stammelte das objekt. "aber ich komme runter und warte auf der straße auf euch. ich bin in 20 minuten da."
"15", widersprach ich. "so weit ist das nicht."
als ich auflegte, sagte mr. shyguy, der das objekt sonst hemmungslos bewunderte:
"der typ ist manchmal nicht so intelligent, oder?"
ich prustete los.

dann schlüpften wir in schuhe und mantel und wollten los. da klingelte das telefon abermals. es war noch mal das objekt.
"du, morphine, ich hab wein für dich gekauft... und ich hab bier... und wodka. willst du noch irgendwas?"
"nein", sagte ich. "das sollte für das stündchen, das wir vorhaben zu bleiben, reichen."
ich legte auf. mr shyguy war verwundert und fragte:
"was ist denn?"
"er wollte mir nur noch mal aufzählen, was an getränken da ist."
"hä?"
"naja, du hast ja vorhin schon festgestellt: manchmal ist das objekt nicht so intelligent."

dann saßen wir im auto. mr. shyguy hatte hunger.
"lass uns mal noch wo an die tanke fahren", sagte er.
"dann kommen wir aber zu spät. wir sind sowieso knapp. das objekt steht bestimmt schon auf der straße. und wie du vielleicht bemerkt hast, regnet es. also lass uns da schnell hin und dann frag das objekt doch, ob es was kocht."

kurze zeit später standen wir vor einem hochhauskomplex.
"das ist es?", sagte mr. shyguy ungläubig. "das sieht aus wie ein krankenhaus."
"doch, das ist es", sagte ich und zeigte richtung eingang: "da steht das objekt."
das objekt winkte uns, dann nahm es erst mr. shyguy und danach mich in die arme. es war ganz nass.
"willkommen", sagte es.
"du tropfst", begrüßte ich es.
"kommt schnell rein", ärmelte das objekt uns beide unter und zog uns zum aufzug.

als wir in der oberen etage ankamen, war der flur kreischblau gestrichen.
"oh mein gott", sagte ich.
"sag nichts", grinste das objekt. "es hätte schlimer kommen können. es gibt auch rosa flure!"
das zimmerlein selbst war ganz annehmbar. das objekt mit seinen innenarchiktonischen fähigkeiten hatte das beste daraus gemacht. bis auf den teppich und den hässlichen schrank im mikro-flur sah es aus wie in der objektwohnung. es gab sogar eine badewanne.

"cool", sagte ich halb überzeugt.
"hast du was zu essen", haute mr. shyguy das objekt an.
das objekt begann im schrank zu wühlen und holte schoki und kekse hervor.
"keine schoki", sagte ich, "mr. shyguy ist auf diät."
"wenn ich was kochen soll, müssen wir rüber in die gemeinschaftsküche", sagte das objekt.
wir folgten dem objekt über den flur in die hässliche küche, die aussah wie eine mischung aus jugendherberge und knastkombüse.

eine halbe stunde später saßen wir über einem thai-eintopf, tranken wein und bier und ließen es uns gut gehen.
das objekt schaute mich über einen löffel dampfender auberginen in chilisud an und sagte dann:
"ich hab dich vermisst, madame. ich hab dich wirklich vermisst. die goldenen momente, die inseln mit dir..."
mr. shyguy schaute gespannt zwischen dem objekt und mir hin und her.
ich schluckte die aufgehende sonne in mir mit scharfem hühnchen hinunter und zuckte dann lapidar die achseln.
"du hast nicht mich vermisst, du vermisst den zustand, den du mit mir hattest. sorglosigkeit. freiheit. exzess."
das objekt sagte nichts mehr, holte dann umständlich den tabak aus der tasche und begann, einen joint zu drehen.

"wohin wollen wir denn nun heute?" fragte mr. shyguy.
"keine ahnung", sagte ich.
das objekt wollte auf eine fetisch-party.
"boah. ich glaub, da hab ich keine böcke drauf", sagte ich.
"ist aber sehr schön da", sagte das objekt.
"allerdings hätte ich auch viel mehr lust auf was anderes", sagte mr. shyguy. "ist da nicht irgendwo eine 80er-party?"
"ja, komm, lass uns da hinfahren", sagte ich. "ich muss mal andere leute sehen. nicht immer nur so ne freaks."
"gut", sagte mr. shyguy. "dann setzen wir das objekt bei seiner party ab und fahren dann weiter."
"langweilig!" zog uns das objekt auf, "dabei ist da so gute musik!"

und los ging es. das objekt und ich waren zu diesem zeitpunkt schon reichlich angeschossen und hatten die wodkaflasche halb geleert. ich schwankte.
"das ist der zustand, den ich normalerweise erst am ENDE eines abends erreicht haben möchte", säuselte ich.
während mr. shyguy fuhr, saßen das objekt und ich auf der rückbank des wagens. das objekt schaffte auch die zweite hälfte der flasche noch bevor wir überhaupt in clubnähe kamen. es kuschelte sich an. mir war schwindelig und leicht übel.
"wenn ich kotze, kotze ich dich an", sagte ich zum objekt.
"du kotzt nie", sagte das objekt mit selbstverständlichkeit.
das hatte es sich also gemerkt.

wir kamen bei der objekt-wunschlocation an.
"viel spaß beim spielen", sagte ich, und das objekt griff sich grinsend in den schritt.
dann stiegen mr. shyguy und ich wieder ins auto und fuhren weiter.

als wir bei unserem club ankamen, stand eine endlose schlange an der tür.
"nein!" rief mr. shyguy.
"da stellen wir uns nicht an", sagte ich, "da sind wir ja übermorgen noch nicht drin."
"und nun?"
"da gibts noch woanders sowas ähnliches. ist allerdings am anderen ende der stadt."
"ist das gut?"
"och, du, so oft war ich da noch nicht, aber als ich da war, wars immer okay. es ist halt ein bisschen teurer."
"wie teuer?"
"so sieben, acht euro denk ich. auf jeden fall aber billiger als eine fetisch-party!" meinte ich.
"egal, da fahren wir jetzt hin."

gesagt, gefahren, eine halbe stunde später waren wir am ziel. vor dem club gab es keine schlange. warum das so war, erklärte sich am eingang: der spaß sollte 15 euro kosten.
"hattest du nicht gesagt, es sei deutlich billiger als eine fetisch-party?!" entsetzte sich mr. shyguy.
"sollen wir wieder fahren? wir können auch immer noch auf den kiez."
"nein", entschied mr. shyguy, "jetzt sind wir schon mal da! außerdem wollte ich schon immer mal wieder auf eine 80er-party."

nachdem ich den eintritt gelöhnt hatte, hatte ich genau noch zwei euro in der tasche.
"ey, ich kann mir hier nicht mal was zu trinken kaufen", sagte ich, "nicht, wenn ich nachher noch mit der bahn nach hause will."
"ist auch besser so", fand mr. shyguy im anbetracht meines zustands.
ich schubste ihn und lachte.

mein angeheiterter zustand sollte sich innerhalb kurzer zeit ins gegenteil verkehren. die party zu besuchen entpuppte sich als fehlentscheidung des jahrhunderts. die musik war halbwegs okay, aber die anlage schepperte blechern. ich fühlte mich nach zwei liedern kurz vorm tinnitus.

davon abgesehen waren wir deutlich die jüngsten. die partybesucher waren schätzungsweise zwischen 35 und 55, meist unterwegs als paar. männer vom typ "bärchen", die sich in karohemden, jeans und turnschuhen ultimativ hip fühlten und sich aufgeregt die grauen bärte schubberten, wenn eine guterhaltene vierzigerin im leo-look an ihnen vorbeiwackelte.
"ich fühle mich optisch vergewaltigt", sagte mr. shyguy.
"die leute sehen aus wie meine eltern", fand ich.
"und guck mal wie die tanzen", zeigte mr. shyguy auf einen pulk von tanten, die unkoordiniert gegen den rhythmus hoppelten.
"sieht aus wie schüttellähmung", sagte ich.

eine halbe stunde später saßen wir geknickt an der bar. dann kam eine sms vom objekt an. das feierte offenbar vollgekokst bis in die haarspitzen gerade eine art orgie mit irgendwelchen weibern.
"boah", sagte ich, "also dass wir da nicht mit sind, das war die schlimmste fehlentscheidung meines lebens."
"und das viele geld, das wir jetzt ausgegeben haben!", jammerte mr. shyguy.
"und der schreckliche anblick all dieser tanten und onkels..." jaulte ich weiter.
"und diese billige anlage..."

es musste etwas passieren. nüchtern sowie ernüchtert stand ich auf, packte mr. shyguy an den schultern und sagte:
"wir gehen. wir nehmen eine sparkasse mit, ich hole geld und wir gehen jetzt auch auf diese party."
"das geht nicht", sagte mr. shyguy zerknirscht.
ich seufzte gereizt:
"stell dich mal nicht so an!"
"das hat damit nichts zu tun", beharrte mr. shyguy. "ich habe das falsche outfit an."
ich sah an mr. shyguy herab. hemd, jeans, sneakers - gut, das ging nun wirklich nicht.
"dann lass uns wenigstens noch auf den kiez!"

wir verließen den ort des grauens, holten geld und frischen alkohol und stürzten dann auf einer walpurgisnacht-party im metal-keller ab. dort waren junge leute, es ging lustig zu und als gegen ende des abends immer mehr elektromusik lief, fand auch ich den weg auf die tanzfläche. zwei stunden später spürte ich sämtliche knochen und bandscheiben, war schweißgebadet - und schon wieder nüchtern. doch ein blick auf die uhr zeigte mir: es war ohnehin bereits nach sechs uhr morgens. mr. shyguy hatte sich schon vor einiger zeit verabschiedet.

ich wankte mit einem heavymetal-freak zur bushaltestelle, kaufte vom letzten geld einen kaffee und eine fahrkarte und war eine gute halbe stunde später zuhause - tödlich erschöpft, aber mit dem gefühl, das beste verpasst zu haben.

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Montag, 23. April 2012
a love like kraut und rüben
am sonntagmorgen nach dem üblichen clubbesuch ging ich zusammen mit meinem neuen bekannten t. durch die straßen von bahrenfeld. bis auf das gepiepse der vögel und das entfernte brummen der autos war es totenstill.

die sonne schien, doch es war arschkalt. wir waren fast alleine unterwegs. hin und wieder begegneten uns menschen vom typ muddi und vaddi, die ihre wauzis und fiffis zum kacken ausführten. muddi und vaddi starrten uns durchgefeierte gestalten an und zerrten fiffi und wauzi energisch an der leine weiter. t. und ich starrten zurück und beneideten muddi und vaddi klammheimlich um ihre polartauglichen nanotech-funktionsjacken, denn wir waren beide durchgetanzt, erschöpft und schlotterten in den frischen morgendlichen temperaturen.

"scheiße, ist das kalt", wiederholte ich mehrfach und schlang meinen maximal atmungsaktiven da vollkommen ungefütterten stoffmantel enger um mich.
"wenigstens hast du stiefel an", erwiderte t., der mit den zähnen klapperte.
"lack hält echt null warm", versicherte ich t. "aber im gegensatz zu dir hab ich wenigstens noch ein bisschen unterhautfettgewebe!"

seit der trennung von seiner durchgeknallten freundin war t. nur noch ein schatten seiner selbst, psychisch wie physisch. selbst auf meiner geburtstagsparty hatten wir ihn nur mühsam zur nahrungsaufnahme überreden können. vor ein paar stunden im club gelang mir ein kleines wunder und ich konnte t. eine handvoll erdnüsse einflösen, nachdem ich sein zerebrales kummer-zentrum zuvor mit sechs oder sieben tequilas und zahlreichen bieren narkotisiert hatte. infolge der alkoholisierung wurde t. ein wenig zutraulicher und gab ein paar intime details über sein aktuelles leben preis. dieses gestaltete sich insofern schwierig, da t. vom schrecklichen liebeskummer einmal abgesehen dringend aus der ehemals gemeinsamen wohnung ausziehen musste, weil er sich die miete alleine nicht leisten konnte. t. war ein kollege des objekts und somit finanziell ähnlich schlecht aufgestellt, obwohl er fachkrankenpfleger und kinderlos war, in vollzeit arbeitete und kein kostspieliges drogenproblem finanzieren musste. das sowie die tatsache, dass er noch nie per haftbefehl gesucht worden war oder wochen hinter schwedischen gardinen verbracht hatte, machte t. in meinen augen vertrauenswürdig.
"also notfalls kannst du übergangsweise auch zu mir ziehen", schlug ich t. vor.
"danke", sagte t. "ich überlegs mir."

da t. nicht nur ein kollege des objekts, sondern wie dieser aus der nähe der polnischen grenze stammte und um drei ecken mit ihm verwandt war, nutzte ich die gelegenheit zur informationsbeschaffung.
"haste was gehört?"
"der hat wohl neulich mit den azubinen in der klinik wilde parties gefeiert. dieses wochenende hat er aber den sohnemann bei sich, deshalb war er auch nicht im club."
"und das mit dem lütten geht so, in diesem winzigen zimmer, in dem er jetzt haust?"
"naja, so klein ist das nicht. 20 quadrat oder so."
"aber er hat keine küche und kein bad."
"doch, bad hat er. da ist so eine kleine dusche drin - wie in einem etap-hotel. nur die küche ist eben eine gemeinschaftsküche."
ich dachte an die zahlreichen vergeblichen wohnungsbesichtigungen und daran, dass dem objekt die küche bei einer wohnung immer das wichtigste gewesen war, denn "da lebt die familie", so objekt-o-ton.

"ich hab ja auch mal so klein gewohnt, aber das war echt nicht schön", erinnerte ich mich.
"war das da, wo dieser typ bei dir durchs fenster eingestiegen ist? der mit den drei verschwundenen borderliner-exfrauen?"
"jaja, genau das."
t. kicherte.
"abgefahren."
"das war krank. insofern: wenn du zu mir ziehst, hab ich dann wenigstens einen psychopathen-rausschmeißer im haus."
t. lächelte und meinte:
"mal sehen."

am kaltenkirchener platz verabschiedete ich t.
"ich muss da lang."
"aha, zu deinem geheimnisvollen liebhaber", sagte t. und meinte damit den menschen.
"dann... wünsch ich dir viel spaß. und vielen dank noch mal für das angebot, du bist echt ne liebe."
ich umarmte t. und hielt ihn ein weilchen fest, bevor ich mir dann auf den weg zum menschen machte.

weil es so schrecklich kalt war, joggte ich das letzte stück und klingelte beim menschen sturm. zu meiner großen überraschung öffnete mir ein unbekannter junger mann, der mich verschlafen wie eine schleiereule anblinzelte. dann stellte er sich vor:
"hi, ich bin b., ich wohne jetzt im hinteren zimmer."
ich starrte b. perplex an, erinnerte mich, dass der mensch einmal etwas von einem zukünftigen mitbewohner erwähnt hatte und fragte b. dann nach dem menschen.
"der ist vorhin in die klinik gefahren, der hatte so arge kopfschmerzen."

im zuge des erblindens leidet der mensch hin und wieder unter extrem starken kopfschmerzen, gegen die es keine legalen gegengifte gibt. die ärzte sind in der regel ratlos. seit der mensch mich kennt, experimentiert er mit dem, was ich beschaffen kann. und siehe da, wir verzeichnen erfolge: so hatte sich thc als so ziemlich einziger zuverlässiger painkiller erwiesen. aber natürlich bekam der mensch das nicht auf rezept.

ich rief den menschen auf dem handy an. zum glück ging er gleich ran.
"wo bist du?"
"ich war eben beim augenarzt, jetzt warte ich noch auf den neurologen."
"wann kommst du raus?"
"keine ahnung, die nehmen erst die schweren fälle dran. außerdem werden die mir sowieso wieder nicht helfen können."
ich überlegte.
"dann geh doch nach hause und leg dich ins bett."
"süße, ich muss heute eigentlich arbeiten. ich muss bis morgen ein projekt fertig haben. ich muss den kopf klarkriegen."
das schicksal der selbstständigen. krank geht einfach nicht.
"und wenn ich dir was zu kiffen besorge?"
"ich kann doch nicht immer kiffen, um meine kopfschmerzen loszuwerden. du hast manchmal echt vorstellungen!"
"na dann eben nicht."
ich legte auf und war ein bisschen verletzt, aber insgeheim auch dankbar, weil ich ja nichts bei mir hatte.

zehn minuten später rief der mensch wieder an.
"sorry, ich war eben doof zu dir."
"naja...", versuchte ich mich in souveränität und hoffte, dass es nicht gequält klang.
doch der mensch besitzt ein gespür für meine untertöne:
"doch. war ich. und es tut mir leid."
"schon okay. und nun?"
"ich war eben beim neurologen und wie erwartet hatte der keine ahnung, was er mit mir machen soll. ich hab ihm den ganzen fall quasi von kindheit an geschildert, und er faselte was von migräne und ich solle ibuprofen nehmen."
"ibu hab ich in der tasche."
"ibuprofen wirkt bei mir so wie aspirin, also gar nicht."
"achso. naja, und was nun?"
der mensch atmete tief ein:
"ich würde auf dein angebot zurückkommen. schließlich muss ich bis morgen was abgeliefert haben."

ich hielt inne. es war halb acht uhr morgens. ich stand sehr erschöpft in der eiseskälte mitten auf der straße und hatte nichts. außer das warme gefühl für den menschen in der brust.
"okay", sagte ich. "ich muss aber erst fragen, ob ich wo was bekomme."
"wenn nicht dann nicht", sagte der mensch. "bring dich nicht in gefahr."
"neinnein", sagte ich sarkastisch. "glaub bloß nicht, dass du mir wichtig bist."
der mensch lachte ein bisschen.
"dann bis nachher. achja, und alles, was du ausgibst, bekommst du natürlich wieder. und es ist mir relativ egal, wie viel das ist."
"du bist gerade für alles zu haben, was?"
"du weißt doch, wie das bei starken schmerzen ist."
"klar. ist ja gut, ich mach mich auf den weg. kann aber dauern."
"tausend dank!"

ich rief bei quelle nummer eins an. die schlummerte wie erwartet leider tief und fest. also wählte ich quelle nummer zwei, die, wie ich zunächst dachte, mit recht hoher wahrscheinlichkeit entweder noch wach sein oder durch das klingeln aufwachen würde. doch ich hatte pech.

ich überlegte. das objekt fiel mir ein. das sicherlich ohnehin gegen acht oder halb neun aufstehen würde, weil der lütte spätestens dann bespaßt werden wollte. ich zögerte, doch irgendwie war es mir egal und ich wählte die ach so vertraute nummer. es klingelte sechs- oder siebenmal an, danach ging die mailbox ran.

verdammt. wen könnte ich noch fragen? k. vielleicht. der hatte einen kollegen, der regelmäßig rauchte. vielleicht k. fragen, ob er eben mal beim kollegen anklingeln konnte? hm. das war peinlich.
just als ich das handy wieder in die hand nahm, rief jemand an. das objekt.
"hey!"
"morphine..." nuschelte das objekt verschlafen in den hörer. "was denn los? depressionen? überdosis geballert? todesfall irgendwo?"
"ääähhh... nö. ich hab ein ganz freches anliegen."
"wasn?"
"kann ich mir was von deinen küchenkräutern schnorren? jetzt sofort?"
das objekt musste lachen:
"das ist nicht dein ernst, oder?"
"mein voller", sagte ich streng.

"ich hab nichts hier", sagte das objekt dann, was ich sofort anzweifelte.
"du schwindelst doch?"
"nein, echt nicht. ich hab nur noch was im depot."
das objektive depot war ein drogen-grab im park.
"wenn du mir sagst, wo das ist, hole ich das da raus."
das objekt war inzwischen hellwach und analysierte:
"sag mal, morphine... irgendwas stimmt doch nicht bei dir. warum hat du so nen geier auf rauchen? hast du was geschnupft und kannst nicht schlafen?"
"nein, es ist alles okay. ich brauche das als schmerzmittel für jemanden."
das objekt seufzte.
"okay, du chaos-prinzessin... ich hab noch eine gute halbe stunde, dann wacht der kleine auf. wenn du mir sagst, wo du bist, komm ich rum."

eine viertelstunde später tauchte das objekt tatsächlich auf. es hatte waschbärringe unter den augen und die langen roten haare flatterten ungekämmt im wind. es kaute hubbabubba-kaugummi mit kirschgeschmack und küsste mich, indem es eine kaugummiblase an meiner wange platzen ließ.
"komm, ich hab nicht viel zeit."
es bedeutete mir, auf die fahrradstange aufzusteigen.
"geht das auf der stange mit dem mantel?"
"zieh ihn besser aus, der hängt sich sonst in die speichen."
"oooh neee, weißt du, wie kalt mir ist?!"
da streifte mir das objekt den mantel einfach ab und klemmte ihn auf den gepäckträger. es packte mich auf die stange, öffnete seine motorradjacke und zog mich an sich.

eingehüllt in objektduft und -wärme fuhren wir eine kleine strecke zum park. das objekt stiefelte zielsicher durch tulpen und narzissen und begann dann in wurzelnähe eines baumes zu scharren.
ich kam mir vor wie im falschen film und musste ununterbrochen grinsen. doch das objekt war flink wie ein eichhörnchen und zog kurze zeit später ein päckchen aus dem boden. es öffnete die tüte und reichte mir ein beachtliches häufchen böse kräuter.
"nicht so viel", wehrte ich ab.
"also wenn, dann muss sich das jetzt lohnen", fand das objekt.
"danke", sagte ich und gab ihm einen kuss auf den mund. "was schulde ich dir?"
"das kannst du halten wie du magst", erwiderte das objekt, großzügig wie eh und je.
"danke", sagte ich noch mal.

"wo musst du denn jetzt hin?", fragte das objekt, als wir wieder auf der straße standen.
"so richtung kieler straße."
"dann bring ich dich."
das objekt schlang mir seinen schal um den hals, dann fuhren wir wieder in seine jacke gepackt den weg zurück.
als wir in der straße standen, in der der mensch wohnte, kämpfte ich alle gefühle in mir nieder, während das objekt meinen mantel um meine schultern drapierte, verspielt imaginären staub abklopfte und fragte:
"willst du den schal behalten?"
"nein", sagte ich und befreite mich von dem weichen ding, das intensiv nach objekt roch. im eisigen luftzug begann ich sofort zu schlottern.
"ja dann... ich muss zu meinem sohn", sagte das objekt.
"tschüß", sagte ich kühl und peilte die haustür an.
als ich schon geläutet hatte, drehte ich mich noch einmal um. das objekt stand noch immer auf der straße und starrte mich an. dann ging der summer und ich rannte die treppen hinauf.

oben stand der mensch in der tür. er strahlte und zog mich an sich.
drinnen war es warm und sicher. es roch nach zuhause. während ich gegen neun uhr morgens in die hellblauen kissen kroch, setzte sich der mensch an den schreibtisch und begann zu arbeiten. der würzige geruch von brennenden kräutern zog durch die wohnung und killte endlich den letzten objektgeruch an mir.

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Freitag, 13. April 2012
was sie schon immer über sex wissen wollten
was macht guten sex aus? was ist die formel von geilheit? zwei (und vielleicht auch noch mehr) leser wollen es wissen. et voilà.

1. partnerwahl

was macht den richtigen partner beim sex aus? die schwanzgröße? die beschaffenheit der vagina? die gleichen vorlieben? die nette persönlichkeit beckenaufwärts?

erfahrensgemäß entscheidet für mich a) der erste optische eindruck und b) der geruch.
was den optischen eindruck betrifft, gibt es mehrere muster, die sämtliche meiner sexualpartner bedienen. ich vermute, dass diese optischen muster mit uralten emotionalen und trieblichen aspekten in mir korrellieren und bewirken, dass ich mich von einem mann weder bedroht noch gelangweilt fühle, sondern dass er interessant, attraktiv und sexy auf mich wirkt. die wirkung des ersten optischen eindrucks ist sehr individuell und hat nur bedingt etwas mit objektiver schönheit, style oder sozialem status zu tun.

entgegen der meinung vieler anderer frauen ist intellekt oder unterhaltungswert für mich zweitrangig. zu dem zeitpunkt, als ich beispielsweise mit objekt und dritten im bett landete, fand ich das objekt weder besonders clever noch unterhaltsam. im gegenteil, wir verstanden uns überhaupt nicht. mag sein, dass auch dies einen reiz ausmachte. dazu aber mehr in einem anderen punkt.

der geruch, eine rein biologisch-immunologische komponente, legt dann zuletzt den entscheidenden hebel um. dabei kann ein mann beim sex anders riechen als zuvor. könnte mit der schweißproduktion zusammenhängen, aber auch mit der veränderten aussendung von lockstoffen. behaupte ich mal so.

2. vertraute fremde

ich brauche keine gefühle für den partner, um guten sex zu haben. ich muss nicht verliebt sein. was ich aber für vorteilhaft erachte, ist ein stück vertrauen. deshalb bin ich wiederholungstäterin. je besser ich mein gegenüber kenne, desto mehr kann ich mich gehen lassen. der output vergrößert sich.

es gibt menschen - insbesondere männer, die ich hatte - die mir das gegenteil bestätigen. sie können sich besser fallen lassen, wenn sie die frau überhaupt nicht kennen. das unbekannte eröffnet ihnen möglichkeiten, vorübergehend jemand zu werden, der sie sich sonst nicht zu sein trauen. dieser faktor spielt besonders bei fremdfickern eine rolle.

3. a reason to fuck

die innere motivation sozusagen.
an manchen tagen denke ich an absolut nichts anderes als sex. liegt wohl an den hormonen / der zyklusphase. angeblich sind frauen im eisprung besonders sexuell aktiv und für männer am attraktivsten. so genau konnte ich das allerdings noch nicht bei mir beobachten. vermutlich, weil ich nie weiß, wann genau mein eisprung ist. sollte man mal messen, vielleicht ist das ja ein schlüssel zur sexuellen glückseligkeit.

das ist ein möglicher, aber nicht der einzige grund, sex haben zu wollen. besonders frauen haben häufig sex, weil die begegnung zweier körper zärtlichkeit und zwischenmenschliche nähe bedeutet. ich halte diesen grund für das hauptmotiv bei frauen. deshalb verlieben sich viele auch beim sex. ging mir früher auch so, heute weniger. vielleicht hat sich auch meine körpereigene oxytocin- und prolaktinausschüttung verringert. who knows.

die männlichen gründe können ähnlich gelagert, aber auch vollkommen andere sein. einer meiner engsten freunde gestand mir, dass er manchmal sex habe, um wut und aggression abzureagieren. hier wird sex zum sport, zum zweikampf, und zugleich möglichkeit, sich zu verausgaben, leer zu werden, entspannung zu finden.

ein weiterer, enorm wichtiger grund ist die kommunikation der körper. begehren lässt sich in worten nur unzureichend ausdrücken. die natur zwingt die geschlechter nach dem schlüssel-schloss-prinzip zusammen. das kann vor allem dann, wenn die verbale kommunikation eher unbefriedigend ausfällt, ein wahrer segen sein. solange sex nicht zum streit-katalysator wird, ist alles gut.

während man über die ersten drei gründe die überschrift "ficken um des fickens willen" setzen könnte, ist beim letzteren grund der partner im fokus.

4. das setting

viele menschen stürzen besoffen zusammen ab, weil sie zu diesem zeitpunkt enthemmt sind. ein gutes setting würde demnach bedeuten, dass möglichst wenige hemmungen im spiel sind.

alkohol kann anregend sein, aber auch die potenz (zer)stören. sehr offenherziges flirten kann hemmungen wesentlich nebenwirkungsfreier unterbinden. geringe mengen anregender drogen wie mdma, koks oder speed sind ebenfalls ausgesprochen empfehlenswert. aber auch hier gilt: der grat zwischen obelisque und müder wurstpelle ist ein schmaler.

manchmal ist es auch anregend, anderen beim knutschen, fummeln oder vögeln zuzusehen. dabei sind live-erlebnisse selbstverständlich eine ganz andere hausnummer als pornos. die atmosphäre ist bei allem entscheidend.

5. zur sache, schätzchen

zögern ist der killer jeglicher erotik. offen gezeigte unsicherheit führt zum rapiden absinken der lustkurve. wenn ich mich frage, ob ich jetzt anweisungen geben muss, ist schon alles zu spät.

auch fragen wie "und was magst du so?" finde ich ganz fürchterlich. ich mag keine männer, die es mir recht machen wollen. ich mag männer, die ihren trieben folgen. das heißt nicht, dass man(n) beim sex die klappe halten und drauflosrammeln muss. freizügig geäußerte gedanken können bisweilen sehr aufregend sein.

6. das liebe-lieber-ungewöhnlich-prinzip

ich bin kein monogamer mensch. ich habe gerne sex mit mehr als einem partner. der muss nicht zwingend männlich sein. ich mag spielarten, die nicht jedem liegen. und ich mag sex auch woanders als im eigenen bett. das ist purer hedonismus, weniger philosophie.

das objekt beispielsweise ist besessen vom gedanken, dass männer dazu geschaffen sind, den eigenen samen möglichst weit zu verbreiten. aus dieser evolutionären pflicht heraus können sie auch nicht bei einer frau bleiben. ob es sich hierbei um philosophie handelt, sei dahingestellt. dem objekt traue ich auch zu, dass es eigennutz in edelmut verpackt.

erfahrungsgemäß gehen die meinungen in diesem punkt stark auseinander. es handelt sich also um eine weltanschauliche frage.

7. vorspiel

dass frauen ein stundenlanges vorspiel erwarten oder es benötigen, um zum höhepunkt zu gelangen, ist ein weit verbreiteter irrtum. manchmal ist vorspiel nett. spontan einen wegstecken geht aber genauso gut und ist nicht weniger anturnend - insbesondere an spannenden orten. denn vorspiel findet auch im eigenen kopf statt. kopfkino kann mich auf 180 bringen, den richtigen partner vorausgesetzt. dazu muss nicht jemand stundenlang an mir rumrubbeln.

was ich hingegen sehr schätze, ist küssen. im speichel des mannes befinden sich sexuallockstoffe, die die frau paarungsbereit machen sollen. das ist der biologische sinn eines kusses. ein kuss kann, insbesondere bei einem optimalen partner, wie wellen elektrischen stroms am ganzen körper spürbar werden und die erregung enorm steigern.

8. die performance

abwechslung beim vögeln finde ich toll. aus dem zeitalter, in denen die missionarsstellung vorschrift war, sind wir ja auch längst raus.

trotzdem sollte die performance nicht zum hochleistungssport avancieren. ich bin rückenpatientin und stehe auch nicht auf überdehnungen und muskelfaserrisse. wenn ich gymnastik machen will, melde ich mich im turnverein an. von sex hingegen erwarte ich mindestens so viel entspannung wie excitement.

any further questions?

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Sonntag, 8. April 2012
sick people
vor knapp zwei jahren saß ich mal im club am rand der tanzfläche. ich hatte gerade das objekt kennengelernt und hockte da in rundum-zufrieden-laune mit meinem caipi, als sich ein typ zu mir setzte. ohne zuvor per anguck-und-lächel-offensive zu checken, ob ich konversationsbereit war, sagte er mir ganz direkt, dass er mich toll fände und dass er mal mit mir vögeln wolle. ich antwortete, dass er das vergessen könne, unter anderem, weil ich schon einen freund hatte (damals war ich noch ganz objekt-sicher).

"aber wir können doch mal kaffeetrinken gehen", schlug der typ daraufhin vor.
grundsätzlich eine nette idee, allerdings gehe ich normalerweise nicht mit typen platonisch kaffeetrinken, die mir eine minute zuvor offenbart hatten, dass sie mir an die wäsche wollten.
"das kommt auf deine absichten an", sagte ich. "wenn du denkst, dass du erst einen auf nett machen und mich dann flachlegen kannst, liegst du falsch."
der typ fühlte sich sichtbar durchschaut, war aber nicht abgeschreckt:
"könntest du dir gar nicht vorstellen, dass wir sex haben?"
"ehrlich gesagt: nein. du bist nicht mein typ", erwiderte ich ganz offen.
der typ blieb sitzen und guckte mich mit großen hundeaugen an. also stand ich auf und ging.

an der bar holte er mich ein.
"aber wir könnten doch mal telefonnummern tauschen", fand er.
ich seufzte. das war einer von der ganz hartnäckigen sorte. aber ich war in friedlich-frischgevögelter laune, das objekt war nicht weit, also sagte ich:
"na gut."
gesagt, getan.
"ruf mich an!" sagte er, "wir könnten so viel spaß zusammen haben."
oh mein gott. mich beschlich die leise ahnung, dass die sache mit dem nummern-tauschen ein schwerer fehler gewesen sein könnte. also ließ ich mich reviermarkieren, indem ich zum objekt ging und mit ihm zu knutschen begann. der typ sollte sehen, dass ich mit jemanden war, der ihn um anderthalb köpfe und eine schulterbreite überragte und sicherlich keine schmerzen damit hatte, ihn ungespitzt in den boden zu stampfen.

als ich mit dem objekt an der garderobe stand, um unsere sache abzuholen, kam der typ wieder angeschlichen und wünschte mir eine "wundervolle gute nacht und süße träume".
das objekt guckte irritiert: "was war das denn?"
"n spinner", sagte ich. "hat vorhin gefragt, ob er mich vögeln kann."
das objekt lachte laut.
"naja, fragen ist ja legitim", fand ich. "nur sollte er halt das nein kapieren."
das objekt sah dem typen nach und schüttelte den kopf.

die katastrophe nahm ihren lauf. als ich mit dem objekt auf dem nachhauseweg war, plingte mein handy zum ersten mal. es war der typ. er wünschte mir nun auch noch per sms eine gute nacht.
"morphine, du hast dem vogel doch nicht etwa deine nummer gegeben", hakte das objekt nach.
"äh, doch, das war sozusagen notwehr", meinte ich. "ich wollte ja nur, dass er endlich geht."
das objekt schüttelte den kopf: "du bist doch sonst so ne intelligente junge frau."
"ich weiß, das war doof von mir", jammerte ich.

doch es war zu spät für reue. als wir beim objekt in den roten laken lagen und eine postkoitale zigarette rauchten, plingte das handy schon wieder. es war der typ, der mir schrieb, er hoffe, dass ich mit meinem freund viel spaß habe und dass er an mich denke.
"oh nein", sagte ich.
"was denn?" das objekt setzte sich auf und las die nachricht.
"gib mir mal das handy", sagte es dann.
ich krallte mich an meinem handy fest. so gut kannten wir uns ja nun auch wieder nicht, dass ich dem objekt mein heiliges handy überlassen würde.
"was willst du denn damit?!"
"gib mir das handy", sagte das objekt ruhig.
"nein."
"morphine, den wirst du so leicht nicht mehr los!"
"was willst du mit meinem handy?"
"ich ruf den jetzt an und mach den rund."
ich kicherte. das angebot war schmeichelhaft und kam der geste gleich, dass sich ein mann für mich prügelte. aber mein grundsätzliches männer-misstrauen verbot mir, die sache aus der hand zu geben.
"wenn er mir das nächste mal zu nahe kommt, darfst du ihm eine reinhauen", beschwichtigte ich das objekt.
"okay, dann kommst du gleich zu mir, ja?", ließ sich das objekt versichern.

ich bekam an diesem sonntag noch ungefähr fünf weitere sms, die ich gar nicht mehr las, sondern sofort löschte. dann war erstmal ruhe und ich dachte nicht mehr an den spinner.

die woche darauf war ich in einem anderen club und der typ war leider wieder da. es war mir etwas unangenehm, weil ich auf keine der smsen geantwortet hatte, allerdings musste ich ja ein deutliches signal setzen. das war der typ typ, der nicht locker ließ und vermutlich auch in eine antwort wie "lass mich in ruhe!" ein "erobere mich!" hineininterpretiert hätte.

der typ verhielt sich zunächst recht normal. das lag sicherlich auch an der objektanwesenheit und dem objektiven ich-spalte-deinen-schädel-mit-einem-handkantenschlag-blick. doch dann musste ich allein gehen, weil das objekt an diesem wochenende seinen sohnemann bei sich hatte. ich tippelte auf meinen hohen hacken zur u-bahn und fühlte mich bereits unwohl und beobachtet. als ich mir an der u-bahn einen energydrink aus dem automaten zog, sagte plötzlich jemand "hallo". es war sie-wissen-schon-wer.
"äh, hallo", sagte ich irritiert.
"na schöne frau, wohin des weges", wollte der typ wissen.
"nach hause."
"aha, und wo ist das?"
"kennst du nicht."
"naja, aber vielleicht können wir ja ein stück zusammen fahren?"
ich bekam gänsehaut, dachte dann aber: keine angst, hier sind ja überall überwachungskameras.
"wir werden ja sehen", sagte ich dann gezwungen freundlich.
das gab dem typ die sporen:
"ich kann ja auch mit zu dir kommen!"
"nein."
"aber warum denn nicht?"
"das hab ich dir schon hundertmal erklärt."
"aber dein freund ist nicht da."
"das hat mit meinem freund nichts zu tun. du bist nicht mein fall, aus, ende, mickymaus."
der typ schwieg eine weile, dann kam gottseidank die u-bahn.

als wir zusammen in der u-bahn standen, überlegte ich, wo ich aussteigen sollte. auf gar keinen fall dort, wo ich wohnte. sonst würde mir der typ bis nach hause folgen und so meine adresse herausfinden. also nahm ich die haltestelle, die zwei stationen von meinem eigentlichen ziel entfernt war.
"ich muss", sagte ich, als die bahn hielt.
"war sehr schön mit dir", sagte der typ, so, als hätten wir in der u-bahn eine leidenschaftliche nummer geschoben.

ich rannte nach hause, nicht ohne mich mehrmals umzusehen, dass mir auch niemand folgte.

die darauffolgende woche im club war der typ wieder da, sagte aber nichts mehr. ich war vorläufig erleichtert.
am ende des abend ging ich wieder mit dem objekt rote laken gucken. gerade, als wir einander die klamotten von den leibern fetzten, kam eine sms an.
"na, hast du noch jemanden eingeladen", fragte das objekt mit seinem löwe-frisst-antilope-blick.
ich ahnte, wer die sms geschickt hatte. die erotikkurve sank gegen null, als ich das handy aus der tasche hervorholte.
"och nö", nörgelte das objekt.
"oh nein", sagte ich, nicht ohne entsetzen und zeigte dem objekt die nachricht: es war so schön, dich heute gesehen zu haben.
"ich will jetzt nicht sagen, ich habs dir ja gesagt", grinste das objekt.
"das ist spooky", sagte ich.
"der sitzt jetzt zuhause und holt sich einen auf dich runter", zog mich das objekt auf.
"ihh! was soll ich denn jetzt machen?", fragte ich, doch das objekt hatte keine lust auf tarzan-rettet-jane.
"ich wüsste schon was", sagte das objekt und kniete sich über mich.
okay, ablenkungsmanöver gelungen.

nachrichten wie eben genannte gingen fortan in unregelmäßigen abständen nach clubabenden bei mir ein. dann, ungefähr ein halbes jahr später, schien der typ aufzugeben. die 0177-nummer, die mir jedesmal das blut in den adern gefrieren ließ, tauchte nicht mehr auf meinem handy auf.

gestern war ich mit k. und meinem neuen bekannten t. im club. ich schrieb den djs eine wunschliste und bekam fast jeden song gespielt. wir tanzten vollkommen ausgelassen und ich konnte sogar für zwei stunden die sonst alles dominierenden schmerzen vergessen.
als ich mit t. im raucherraum stand und ein bier trank, meinte dieser:
"du hast ziemlich viele exfreunde hier, kann das sein?"
"nein", sagte ich irritiert. "ich bin seit jahren single. klar hab ich meine affairchen, aber ich glaube, außer k. ist heute sonst niemand da."
"hm", sagte t. "da stand vorhin so ein kleiner typ an der tanzfläche und glotzte dich die ganze zeit an... und schien was dagegen zu haben, dass du so happy aussiehst."
ich zog die augenbrauen hoch.
"das kann ich mir nicht vorstellen."
"na, ich kann mich auch täuschen", wiegelte t. ab.

gegen sechs, als die lichter angingen, verabschiedete ich t. und brachte dann k., der schwer angetrunken war, nach hause. dann durchschritt ich die unterführung und bog in die harkortstraße ab. da ich über meinen mp3-player musik hörte, fiel mir nicht auf, dass jemand hinter mir ging. als sich eine hand auf meine schulter legte, bekam ich fast einen herzinfarkt: der typ war wieder da.

"na, auch auf dem weg nach hause?" fragte er.
ich überlegte schnell.
"nein, ich gehe jetzt zu meinem freund."
der typ guckte:
"achso."
"ja."
"ja dann..."
"tschüß", sagte ich schnell und lief weiter die straße entlang.
als ich schließlich an der bushaltestelle stand, plingte mein handy: es war so schön, dich heute gesehen zu haben.

and here we go again...
das nächste mal nehme ich besser wieder ein taxi.

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Freitag, 6. April 2012
nase voran, der rest wird schon
keine neuigkeiten aus dem roten land, aber auch noch keine großartigen schwangerschaftsanzeichen. neulich war mir schlecht. aber das lag daran, dass ich mit meiner kollegin ein neuartiges diätpulver eines unserer kunden testete. ich hätte gewarnt sein müssen, denn auf der verpackung stand: enthält eine phenylalaninquelle.
"was heißtn das", fragte die kollegin.
"das heißt, dass wir unter umständen gleich richtig gut scheißen können", erwiderte ich.
"morphine, deine offenherzigen äußerungen sind immer wieder unschlagbar", fand die kollegin.

doch meine äußerungen sind in der regel (und außerhalb) nicht nur offenherzig, sondern auch weise, wie sich knapp eine stunde später an zwei lebenden beispielen zeigte.
"KLOPAPIER!" brüllte meine kollegin aus dem über den flur auf dem treppenabsatz gelegenen kabuff und ich reichte ihr die nächste rolle, während ich selbst angespannt auf und ab tippelte.

tja, bei organischen vorgängen ist der wille machtlos. sträuben macht es meist nicht besser. ist bei schwangerschaften wohl ähnlich. immerhin bieten sich gewisse bloggerkollegen, die mich intimer kennen, inzwischen bereitwillig prophylaktisch als böse onkels an.

der mensch hingegen ist sehr still und nachdenklich geworden. er fragt nicht nach, was jetzt ist. aber die art und weise, wie er seine arme um mich legt, hat sich verändert. sie ist tastend, prüfend und nicht mehr vorbehaltlos fest.
wir machen kommunikationsspielchen und reden um den heißen brei herum.
"wovor hast du im leben am meisten angst", frage ich den menschen. "also das erblinden jetzt mal ausgenommen."
"da fällt mir nichts ein", meinte der mensch nach einigem grübeln.
"sicher?" hakte ich nach.
"ja doch", sagte der mensch.
doch der mensch ist wie ich: er hat die erfahrung gemacht, dass die dinge funktionieren, wenn man sie nur wohlüberlegt und vor allem selber anpackt. nase voran eben. mutig sein, manchmal auch todesmutig. anders lässt es sich auch nicht erklären, dass der mensch bisweilen fahrrad fährt.

ostern jetzt noch mal feiern. mit all denen, die nicht da sein konnten: dritter und drittefreundin, objektexfreundin und zwei, drei anderen.
das objekt seineszeichens weilt zusammen mit dem objektsohnemann über ostern bei seinen eltern und ließ sich feige über die objektexfreundin entschuldigen, was mich schon wieder furchtbar ärgerte. zumal ich von der k.-ex wusste, dass es wohl schon wieder erste post vom gericht gab.
"ich warte auf den nächsten haftbefehl", hatte die k.-ex am telefon gesagt. "und dann werde ich ihm nicht mehr helfen."

baustellen, wohin das auge blickt. aber wäre satte zufriedenheit schöner? ich finde nein. sonst würde ich am ende eines tages die nase einziehen, mich in meiner jägerzaun-idyllischen komfortzone verschanzen und alles darauf beschränken, samstag nachmittag den porsche zu wienern. man darf nicht satt werden, wenn man die köstlichkeit des lebens noch mit allen sinnen empfinden können will. es ist anstrengend, ja. aber die horizonte weiten sich so schön ins unendliche.

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