Montag, 6. August 2012
k.ürzeste nacht des jahres
im club k. aufgegabelt, der betreten in einer ecke steht, sich dann aber sichtlich freut, dass ich doch da bin.
"komischer abend", findet er.
ich sehe mich um und weiß sofort, was er meint: seine ex ist mit ihrem neuen stecher da und knutscht vor k.s augen rum. nicht die feine englische, aber so what. wurde sowieso zeit, dass dieses merkwürdige verhältnis der beiden ein ende fand. es war ein mieses spiel, dass die k.-ex betrieben hatte: sie ließ k. nicht vom haken, bewegte sich in der öffentlichkeit stets auf tuchfühlung und markierte so ein revier, das sie gar nicht mehr besetzte - um ihn dann am ende des abends stehen zu lassen und mit dem objekt oder einem der fünf anderen lover vögeln zu gehen.

trotzdem wirkt k. irgendwie befreit - und auch ich fühle mich entspannter als sonst. als wir zusammensitzen, berühren sich unsere hände. anstatt sie wegzuziehen, umschließen k.s finger irgendwann meine hand. ich fange seinen blick und sein lächeln auf und fühle schon wieder zarte nachtfalter in der magengrube, die richtung herz-licht flattern.

als der abend zu ende ist, gesellen sich unsere bekannte h. und der architekt zu uns. h. und der architekt tauschen blicke und ich spüre, da geht was. h. ist verlegen, weiß sie doch, dass ich den architekten auch gern habe. aber ich freue mich für h. und den architekten. als der club seine pforten schließt, beschließen wir in ausgelassener laune, zum hafen runterzufahren und uns ans wasser zu setzen.

der architekt verfrachtet uns schon reichlich angeschickert in sein auto und dann geht es los. eine viertelstunde später stehen wir an der elbe, blinzeln in die sonne und grinsen wie bekloppt. es ist ein schöner moment. es ist ein schöner moment mit genau den richtigen leuten.
"das nächste mal muss mr. shyguy auch mit", findet k.
ich nicke. heute wäre mr. shyguy allerdings zum fünften rad am wagen mutiert. wir vier hier, das ist perfekt.
"kannst du ein foto machen", bettelt h., die dasselbe empfindet wie ich.
ich habe eine bessere idee und halte den augenblick mit einem handyvideo fest.

der architekt zieht los und besorgt bier und zigaretten. wir sitzen am hafenrand und lassen die beine baumeln. vor uns landen möven im wasser und balgen sich um ein brötchen.
"scheißviecher", sagt k., der generell keine tiere mag.
"als kind hatte ich angst vor möven", fällt mir ein. "weil die so groß sind. nachts hab ich oft geträumt, dass sie sich in eine art geier verwandeln und mich zerfleischen."
"du bist auch nicht ganz dicht", lächelt k. und gibt mir einen kuss auf den hals.

der architekt kommt zurück und verteilt bier und zippen.
als er mir feuer gibt, gucke ich k. in die augen. er hält meinem blick stand.
"ist mir noch nie aufgefallen, dass du grüne augen hast", sage ich.
"ich dachte, die sind blau", entgegnet mir k.
"nee", widerspreche ich, "die sind grün. die haben eine blauen ring, aber in der mitte ist die iris grün."
"gott, ich habe türkise augen", seufzt k. mit gespieltem entsetzen. "das sieht doch bestimmt total schwul aus."
"hast du vorhin mitbekommen, wie mr. shyguy von einem schwulen typen angequatscht wurde?" fällt ihm h. ins wort.
"nee."
"er war total entsetzt und überlegt jetzt, ob er sich die haare anders frisieren soll."
"aber der iro sieht doch nicht weibisch aus."
"ja, weiß auch nicht..."
"vielleicht sollte er lieber nicht den tanzstil des objekts kopieren", kichere ich.
"diesen pseudo-elvis-hüftschwung?"
"elvis-hüftschwung... das ist doch kein elvis-hüftschwung, das ist eher ein hüftwackeln!"
"elvis mit hüftprothese!"
wir biegen uns vor lachen.

"wir könnten noch ein bisschen da runter gehen", zeigt der architekt irgendwann richtung westen.
"oh nee", sagt k., "nicht mehr laufen. ich bin langsam echt müde."
"wie spät?" frage ich.
"gleich halb acht."
"ich will auch lieber ins bett", jammere ich.
"dann geht ihr beide mal schön schlafen, jaja!" zwinkert h. wissend.

k. nimmt mich an der hand und zieht mich auf die straße. wir halten ein taxi an und fahren zu k.
"scheiße", sagt k., als der fahrer vor seiner haustür hält. "mein geld ist weg."
"wie, weg?"
"der geldbeutel... da waren 50 euro drin."
"scheiße", sage ich. "aber warte mal, ich hab noch nen zwanni, ich kann das bezahlen."
"das ist mir aber total unangenehm", erwidert k.
"keine sorge, du hast mir doch mal taxigeld geliehen und wolltest es dann nicht zurückgezahlt haben. also lade ich dich heute ein, und dann sind wir quitt."
k. lässt sich breitschlagen, der taxifahrer seufzt erleichtert, dass er auf seinen 10 euro fahrtkosten nicht sitzenbleibt, und ich freue mich, als ich mich endlich in k.s himmelbett sinken lassen kann.

als k. mich auszuziehen beginnt, setze ich mich wieder auf, nehme meinen mut zusammen und bitte ihn:
"können wir bitte einfach nur schlafen und ein bisschen kuscheln?"
k. stutzt kurz, grinst dann aber und sagt:
"ich habe mich sowieso gerade gefragt, ob ich nach so viel bier und tequila noch einen hochkriegen werde."
"na dann", atme ich auf.

als wir nebeneinander liegen und k. mich in den arm nimmt, sind wir noch eine weile wach.
"du machst mir angst", sagt k. dann plötzlich.
"warum?"
"deine krankheit. deine depressionen..."
ich muss lachen.
"ich bin immer noch dieselbe. es gibt jetzt nur einen namen für meine verfassung."
"das tut mir leid."
"was? dass ich depressionen habe?"
"dass du so ein trauriger mensch bist."
ich begreife, dass k. mehr meint und sieht als das akute stoffwechselchaos in meinem gehirn.
"tja, das musst du entschuldigen", sage ich.
"quatsch. das ist nichts zum entschuldigen. ich hätte mir nur für dich gewünscht, dass du ein bisschen mehr glück und spaß im leben hast."
"den seinen gibts der herr im schlaf. andere müssen sich hingegen den arsch aufreißen, um über die runden zu kommen."
"aber das ist unfair. ich meine, ich hab auch 35 jahre echt pech gehabt... mit meinen bescheuerten eltern, mit meiner scheidung... mit meinen jobs... aber die letzten jahren waren super. mir geht es gut. das würde ich dir auch wünschen."

da krieche ich ganz nah an k. heran und lasse mich von seinem festen griff umschließen, bis ich mich nicht mehr bewegen kann und ich mich geborgen fühle wie ein ungeborenes kind im engen, warmen mutterleib.
"und bitte weck mich, wenn ich schnarche", murmelt k. noch, dann beginnt er auch schon, leise zu schnorcheln und im halbschlaf zu zucken, und ich entspanne meine glieder und überlasse meinen erschöpften körper einem äschernen schlaf.

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Sonntag, 29. Juli 2012
gek.üsst
und während wir so sitzen, knie an knie, schulter an schulter, und während sich unsere körper immer stärker zueinander neigen, bis mein haar seinen hals berührt und sich ein kleines, liebenswertes lächeln auf seine lippen stielt, da merke ich, dass auch k. noch nicht geschichte ist.

später vor seiner haustür schmiegen wir uns aneinander wie junge katzen und dann küsst mich k.

erst ganz sachte, hin, weg, dann intensiver, ich bin hin und weg, und aus seiner armeejacke steigt der duft, den ich aus k.s wohnung kenne, sauber, unendlich sauber und nur ganz leicht nach einem eau de toilette.

dieses lächeln-müssen. das ist kein lächeln, das bei uns ist ein lächeln-müssen. der nackte wahnsinn. die mundwinkel zucken im puls der verlegenheit, während die freude in kleinen wellen durch unsere körper flutet. das ist kein halten, keine konstanz, kein fester boden. der wunsch zu versinken hat etwas unwilliges, paddelt sich immer wieder zurück an die oberfläche der unverbindlichkeit, will sich nicht festlegen.

ich habe als erste von uns beiden den gedanken, dass ich bei k. bleiben könnte. k. würde mich fest umschlingen und so mit mir einschlafen. normalerweise kann ich in den armen eines mannes nicht schlafen, nicht mal wenn das objekt mein bettgenosse ist. bei k. ist es eine absolute ausnahme. k. bewegt sich kaum und lässt nicht los. das fühlt sich beruhigend an. einzigartig beruhigend. es zieht eine grenze zwischen mir und der welt, in der ich nicht sein möchte.

k. ist dennoch schneller und spricht den gedanken aus.
"willst du wirklich noch nach hause?"
"ja", sage ich, weil ich muss, weil ich keinen sex haben kann und weil ich allein sein muss, ohne grund, aber sehr dringend, auch wenn ich zu gerne bei k. bleiben würde, mit dem teil in mir, der wünscht und sehnt und wünscht und sehnt und damit irgendwie nicht aufhören kann.
k. bohrt nicht nach.
"schade."

als ich auf mein fahrrad steige und losfahre, bin ich merkwürdig satt und hungrig zugleich. der morgen ist schön wie immer, aber die lichter zerfließen weicher als sonst auf meiner netzhaut, die haut kribbelt im fahrtwind und an der ecke duftet es unbeschreiblich zart nach zimt und hefe.

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Donnerstag, 26. Juli 2012
nächtlicher besuch
(nein, nein, nicht was sie schon wieder denken. das objekt ist derzeit beruflich unterwegs, und auch die meisten anderen lover habe ich mit meiner psychomacke längst erfolgreich vergrault.)

das erste mal, dass ich besuch bekam, war in der nacht von dienstag auf mittwoch. ich wurde gegen halb drei uhr wach, weil etwas laut rumpelte. einbrecher, dachte ich sofort und sprang aus dem bett. ich ging vom schlafzimmer in die küche und lauschte. eine zeitlang hörte ich nichts mehr, dann klirrte es wieder, als wenn fliesen zu bruch gingen. der lärm kam nicht aus meiner wohnung, sondern aus dem bereich direkt unter dem dach des hauses.

ich war alarmiert. ich ging wieder ins schlafzimmer. dort hörte ich schritte und eine art scharren über mir. das gebälk knarrte. ich bekam gänsehaut. das war gruselig. überhaupt, wie kam ein mensch da hinauf? es gab keine dachluke, über die man vom treppenhaus bis unter den first des hauses gelangen konnte.

der wäscheboden fiel mir ein. der wäscheboden, der sich direkt neben meiner wohnung befand, hatte einen spalt in der decke. wenn man sehr dünn war, konnte man sich da bestimmt hindurch zwängen. die frage war nur, was jemand dort wollte. vielleicht sich verstecken, um das haus auszuspionieren? schließlich war urlaubszeit und mindestens zwei nachbarn nicht da. vielleicht wollte der einbrecher checken, wann die anderen bewohner schlafen gingen und wann demnach ein guter zeitpunkt für einen einbruch war. indem er schon mal im haus lauerte, konnte er dann ohne durch die tür zu müssen und damit die gefahr, beobachtet zu werden, einzugehen, im treppenhaus sein unwesen treiben.

ich schloss alle fenster und checkte, ob ich die tür verriegelt hatte. dann legte ich sicherheitshalber die kette vor. ich horchte noch eine weile an der tür, ob jemand durch den spalt im wäscheboden krabbelte und ins treppenhaus kam. doch der lärm war vorbei. also ging ich wieder zu bett und versuchte zu schlafen. vielleicht ging die miss marple mit mir durch und ich machte mir zu viele gedanken. eventuell war es einfach nur der wind gewesen.

die lösung des rätsels kam in der vergangenen nacht. ich war länger wach und stand spät noch am küchenfenster. auf einmal bewegte sich die tanne neben meinem fenster. ein eichhörnchen, dachte ich, obwohl, nein, ein eichhörnchen war leichter und versetzte die äste nicht derart in schwingung. ein katze vielleicht? aber klettern katzen eine schätzungsweise 20 meter große tanne hoch?

plötzlich plumpste ein dunkles etwas geräuschvoll auf die dachpappe, die zwischen regenrinne und ziegeln eine art kleinen vorsprung bildet. ich streckte mich neugierig aus dem fenster. da wuselte etwas flink an mir vorbei. es hatte die form einer ratte, war aber sehr viel größer, mindestens so lang wie eine katze.

das tier war die dachpappe bis zum ende des hausdaches entlang gerast und kletterte über die ziegel weiter empor, bis ich es nicht mehr sah. aber ich konnte es hören. es machte schnorchelnde schnüffelgeräusche, ähnlich wie ein igel. sehr laut.

plötzlich klirrte es wieder. das sind keine fliesen, sagte ich mir, das sind ziegel, die da klappern. ich ging ins schlafzimmer und lauschte. es dauerte nicht lang, dann konnte ich wieder schritte und scharren über mir hören.

okay, kein einbrecher. das fand ich schon mal super. was mir dennoch sorge bereitete, war die tatsache, dass das tier offenbar ein flinker kletterer war. wenn es über eine tanne auf ein hausdach krabbeln und dreißig zentimeter unter meinem fenster vorbeilaufen konnte, war es ihm sicherlich auch möglich, durch das offene fenster in meine wohnung zu gelangen. es war sogar recht wahrscheinlich, dass es dies irgendwann tun würde, wenn es lebensmittel in meiner küche erschnupperte.

meine gedanken überschlugen sich. okay, mit offenem fenster schlafen war ab sofort unmöglich. ich wollte auf keinen fall ein unbekanntes wildes tier in meiner wohnung, das mit hoher wahrscheinlichkeit dinge anfraß, parasiten verteilte und auf meinen teppich kackte. allerdings war es verdammt heiß. sollte ich die fenster kippen? oder würde das tier auch durch ein kippfenster hereinfinden? was, wenn es wegen meiner anwesenheit in panik geriet und mich biss? konnte es tollwut übertragen? wann war meine meine letzte tetanusimpfung?
ich beschloss auf nummer sicher zu gehen und schlief komplett verbarrikadiert.

heute morgen rief ich bei der hausverwaltung an.
"guten tag, wir haben hier ein tierisches problem", meldete ich meinen nächtlichen besucher.
"lassen sie mich raten", sagte der mann am anderen ende der leitung, "der marder ist wieder da."
"äh, kann sein. jedenfalls wohnt da ein ungefähr katzengroßes, rattenartiges tier im gebälk über meine dachgeschosswohnung. es macht lärm und komische schnüffelgeräusche. für einen waschbär ist es zu wenig pelzig, also könnte das mit dem marder hinkommen."
"das sind in der regel steinmarder", sagte der mann. "wir müssen unserer expertin bescheid geben, die fängt ihn dann ein und wildert ihn wieder aus."
"na gottseidank haben sie jetzt nicht gesagt, dass sie vergiften werden", meinte ich, "sonst wäre es mir lieber, dass er bleibt."
"nein nein", sagte der mann. "die tiere haben es schon schwer genug. es gibt in der großstadt ja kaum ställe und schuppen oder sowas, wo sie sonst zuflucht fänden."
"das finde ich gut, dass sie da drauf achten", erwiderte ich.

ich bin jedenfalls gespannt. ob mein steinmarder auch in dieser nacht wiederkommt. trotzdem bin ich froh, wenn ich bald wieder bei offenem fenster schlafen kann.

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Mittwoch, 25. Juli 2012
a guy called lady
"du kannst gerne reinkommen, ich hab aber besuch", sagt das objekt, als ich unter der tür stehe und die objekt-jacke vorbeibringe, die mir das objekt geliehen hatte, als wir in der aufnahme der psychiatrie saßen und ich ein panisch zitterndes häufchen elend war.
"ich will nicht stören", sage ich und halte dem objekt die frisch gewaschene jacke hin, die es unbedingt braucht, weil es morgen mit seinen patienten in eine art ferienlager fährt.
"du störst nicht. trink einen whiskey mit uns, dann kannst du ja wieder abhauen."

im zimmerchen des objekts sitzt ein typ, den ich vom sehen kenne. er ist schätzungsweise mitte 30, trägt glatze und gerne lack und leder. vom dritten weiß ich, dass er verheiratet ist, ein kind hat und als lehrer arbeitet.

das objekt beugt sich zu dem typ hinunter und küsst ihn leidenschaftlich. dann legt er ihm den arm um die schultern und sagt zu mir: "das ist lady."
lady greift beherzt nach meiner hand und zerquetscht sie.

ich sage nichts, bin ein bisschen perplex, denn dass das objekt etwas von lady will, habe ich nicht geahnt. schließlich steht das objekt laut eigener aussage auf "echte kerle", also keine schwuletten, und lady ist nunmal der inbegriff von tuffigkeit, sorry - ehe und kindern zum trotz.
"ich kenn dich, ich hab dich schon öfter gesehen", sagt lady ganz freundlich zu mir und hat dabei seine hand am objektarsch.
"ähm, ja", sage ich und will nicht unhöflich sein, bin aber immer noch überrascht und ein bisschen sprachlos.
"das ist die morphine", sagt das objekt an meiner stelle, küsst meine wange und herzt mich. "sozusagen mein weibliches spiegelbild."
"klingt nach dem steppenwolf", lacht lady. "du solltest nicht so viel hesse lesen."

das objekt füllt drei gläser mit whiskey und lässt eiswürfel in die bernsteinfarbene flüssigkeit fallen. lady taxiert mich. ich schaue betreten aus dem fenster.

ich muss daran denken, wie das objekt von dem typen erzählte, in dessen arsch er seinen finger hatte, während der typ eine frau vögelte.
"als der typ kam, konnte ich spüren, wie sich seine prostata im takt des orgasmus zusammenzog", hatte das objekt nicht ohne faszination berichtet. ich frage mich, ob lady vielleicht der typ war und die frau ladys frau, aber das objekt nennt ungern die namen seiner liebschaften und flüchtigen begegnungen, und manchmal bezweifle ich, dass es überhaupt danach fragt. wichtiger als namen sind ihm chemie, haut, körpersäfte und die energie, die jemand zu geben bereit ist.

wir stoßen an.
"bah", sage ich, "das ist aber höchstens ne aldi-eigenmarke!"
"ich finde, der geht", erwidert das objekt und schaut in sein glas.
lady sagt gar nichts, guckt nur wissend zwischen mir und dem objekt hin und her und lächelt. dann steht er auf und küsst das objekt tief, und es liegt so viel sex in diesem kuss, dass mir ganz schwindelig vom zugucken wird. wieder stelle ich fest, dass ich küssende männer hocherotisch finden kann, und es tut mir ein bisschen leid, dass es lady und nicht der dritte ist, denn den dritten hätte ich jetzt auch niedergeknutscht, auf der stelle, während ich merke, dass lady ganz objektfixiert ist und mich allenfalls als nette zuschauerin duldet.

ich sehe, wie ladys hand nun schon in die hose des objekts wandert und räuspere mich.
"ich geh dann mal", sage ich schnell, und das objekt bringt mich nach draußen über den hässlich blauen flur bis zum aufzug.
"dann habt mal noch viel spaß", sage ich augenzwinkernd.
das objekt lächelt, hält aber dann inne und fragt:
"sag mal... glaubst du, der ist verliebt in mich?"
"keine ahnung. aber er küsst ja recht leidenschaftlich."
das objekt fühlt sich sichtlich unwohl.
"seine ehe ist kürzlich in die brüche gegangen."
"ups", sage ich.
"seine frau hat ihn betrogen", sagt das objekt sehr ernst.
"also soweit ich beurteilen kann, hat er seine frau aber schon seit ewigkeiten mit männern betrogen", wage ich einzuwenden.
"das ist doch was anderes", findet das objekt.
"so ein blödsinn", halte ich dagegen. "das heißt, es kommt natürlich drauf an, wie seine frau das so sieht. ich denke aber, für die meisten frauen sind männliche geliebte genauso schlimm wie weibliche geliebte oder sogar noch schrecklicher, weil sie einem mann ja nichts entgegenhalten können."
das objekt betrachtet mich erstaunt:
"findet du?"
"ja klar. uns wächst nicht mal eben so ein schwanz."
"du meinst, frauen können auch penisneid entwickeln?"
"sicher, warum denn nicht?"
das objekt schüttelt den kopf:
"aber würdest du denn penisneid entwickeln?"
ich lache:
"nein, aber ich kann nicht zugucken, ohne dass mich das anmacht. also nicht bei zwei schönen männern, von denen ich mindestens einen selbst begehre."

das objekt macht ein nachdenkliches gesicht, aber ich unterbreche es sofort:
"nein! nein, wirklich nicht. du fragst lady nicht."
das objekt grinst breit.
"nein, wirklich nicht, das wäre mir echt unangenehm", versichere ich.
"na gut", sagt das objekt und steckt mir ein bisschen die zunge in den hals. es schmeckt nach lady und vorfreude auf mehr.
"aber du könntest es mir sagen, ja?"
ich winke ab.
"tschüß. und fick schön."
das objekt küsst mich noch einmal und schubst mich dann in den aufzug.

als ich endlich draußen vor dem gebäude stehe, muss ich erst einmal ein bisschen hyperventilieren.

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Sonntag, 22. Juli 2012
würdest du dich für mich prügeln?
party, nach sehr sehr langer zeit mal wieder, im liebeswertesten kreis: das objekt, mr. shyguy, eine bekannte und ich.

als ich ankomme, rennt mir das objekt entgegen und knutscht mich vor versammelter mannschaft nieder:
"my suicide girl! wie geht es dir?"
auch die anderen erkundigen sich brav nach der werten befindlichkeit. von so viel aufmerksamkeit geht es mir gleich besser. ich kann sogar tanzen und mich ein bisschen freuen.

dann sitze ich mit der bekannten rum und rauche. die bekannte hat seit monaten schlimme schlafstörungen. ich gebe ich ihr ein paar medikamente ab und sie freut sich.
"guck mal, da drüben, kennst du den typ", fragt sie dann.
"ja, der ist voll eklig, der hat mich schon zweimal angequatscht und kapiert nicht, dass ich ihn hässlich finde."
"ja, der ist echt hartnäckig und unangenehm. und immer total betrunken."
"bäh. komm, lass uns wieder raus zu den anderen gehen."

wir stehen neben der tanzfläche. mr. shyguy, objekt und die bekannte rocken ab, ich setze mich irgendwann an den rand und gucke.
und plötzlich ist da der ekeltyp, über den wir uns vorhin unterhalten hatten. er glubscht und grinst fies. ich versuche, mich irgendwie unsichtbar zu machen, doch dann kommt er angewackelt und sagt irgendwas, was ich nicht verstehe, weil die musik zu laut ist. ich antworte nicht und gucke weg. und schwupps, habe ich seine hände an meinen brüsten.

ich bin so perplex, dass ich nicht sofort zuschlage, sondern mit offenem mund dem fix davonwuselnden arschloch nachstarre.
die bekannte kommt und fragt: "was ist denn los, was schaust du so?"
ich: "der hat mir gerade an die titten gefasst."
"nein, ist nicht wahr, oder?!"
"doch."
"mir hat der auch mal die hand auf den schenkel gelegt. aber an die brust fassen, das ist ja wirklich die härte."
"ich hätte ihm gleich eine reinhauen sollen."
"ja, hättest du."
"aber ich war so... sprachlos."
"sollen wir es dem türsteher sagen?"
"nee", schüttle ich den kopf, "ich hab ne bessere idee."
"was denn?"
ich grinse: "pass mal auf."

ich schnappe mir das objekt, entführe es in den raucherraum, schenke ihm eine zigarette und frage dann frank und frei: "sag mal, würdest du jemandem für mich eine reinhauen?"
das objekt schaut mich an und fängt dann an zu lachen.
"das ist nicht dein ernst."
"mein voller."
ich gucke streng und beim objekt fällt der groschen, dass ich nicht ohne grund frage.
"ja klar würde ich das machen, nur wem soll ich eine reinhauen und warum?"

ich wusste es. auf das objekt war verlass.
"hast du vorhin den typen gesehen? nicht besonders groß, ziemlich fett und hässlich, mit so ner komischen brille?" hake ich nach.
das objekt überlegt kurz:
"ich glaub, ich weiß, wen du meinst."
"fabelhaft. der hat mir an die titten gefasst."
das objekt macht augen so groß wie untertassen und fragt dann ganz langsam:
"der hat bitte WAS?!"
"der hat mir an die titten gefasst."
das objekt schluckt und meint dann:
"okay, das können wir so nicht auf sich beruhen lassen."

da betritt der ekeltyp zufällig den raum.
"der da?" fragt das objekt und macht eine kopfbewegung in seine richtung.
ich nicke.
schwupps, ist das objekt aufgesprungen und geht in großen schritten auf den grabscher zu. der weicht sofort zurück, wohl ahnend, was ihm gleich blüht, doch das objekt hat ihn schon am hemdkragen gepackt und schleift ihn in den raum nebenan, wo keine leute mehr sind. durch die glasfront kann ich sehen, wie das objekt mit dem verhör beginnt.

während ich darauf warte, dass die auseinandersetzung eskaliert, kommt die bekannte wieder und setzt sich zu mir.
"der ekeltyp kriegt gerade richtig ärger", sagt sie und deutet nach drüben.
"ja, den ärger hab ich ihm auf den hals gehetzt."
"nicht wahr, oder?" die bekannte kichert.
"ich freu mich schon, wenn der da mit veilchen wieder rauskommt."

wir spähen angestrengt nach nebenan, sehen aber nicht viel. das objekt redet sich in rage, gestikuliert wild und schubst den typ ein bisschen, der sich aber nicht großartig wehrt.
"ich hoffe, es passiert ihm nichts", sage ich und meine das objekt.
"glaub ich nicht, der ist doch mindestens einen kopf größer als der ekeltyp... und muckis hat der, der klatscht den doch an die wand."

inzwischen steht der ekeltyp tatsächlich mit dem rücken zur wand. das objekt hat sich bedrohlich vor ihm aufgebaut und den arm zwei zentimeter neben dem ohr des typen an die kacheln gestützt. die stirn des objekts kommt dem gesicht des ekeltypen immer näher.
"oh gott, er bricht ihm aber nicht die nase, oder?" fragt die bekannte.
"von mir aus darf er."

dann stürmt das objekt aus dem raum und kommt zu uns herüber. es ist vor wut ganz rot im gesicht.
"so ein arschloch! so ein widerliches arschloch!"
"was ist denn los?" frage ich.
"er leugnet und versucht sich rauszureden, er könne sich nicht mehr erinnern, weil er zu betrunken sei."
"und jetzt?"
"er hat jetzt fünf minuten zeit, sich zu erinnern und sich bei dir zu entschuldigen, sonst brech ich ihm den kiefer, hab ich gesagt."
das objekt lässt sich neben mich fallen und bittet um eine weitere zigarette.
"du bist ja richtig aufgebracht", stelle ich fest.
"das ist widerlich. genauso ein feiges und versoffenes arschloch wie mein vater. ich will, dass der sich jetzt bei dir entschuldigt. ich geh da sonst echt noch mal rein."

doch das ist nicht nötig. denn vor ablauf der fünf minuten geht die tür auf und der ekeltyp steht vor mir und stottert eine entschuldigung, macht eine kurze versöhnliche geste und verkrümelt sich dann sehr rasch.
das objekt beobachtet die szene kritisch und fragt mich dann:
"willst du das gelten lassen?"
ich überlege nicht lang:
"doch. will ich. deeskalation, sagst du doch sonst auch immer."
das objekt muss lächeln.
"die madame hat sich was gemerkt. schön." und es küsst meine stirn.

dann erhebt es sich.
"ich muss los, ich muss in einer dreiviertelstunde auf arbeit sein."
"machst du mal wieder durch?"
"ja."
"na gottseidank hast du ihm jetzt nicht den kiefer gebrochen, sonst müsstest du noch mal nach hause und dich umziehen und kämst zu spät zur schicht."
das objekt kichert kurz, wird dann aber wieder ernst:
"und wenn das in so ein stalking übergehen sollte... sagst du mir bescheid, ja?"
"glaub ich nicht."
"trotzdem."
"aye-aye."
ich bekomme noch eine bärenumarmung, dann verschwindet das objekt in den morgen.

ich tanze noch ein letztes lied, nehme meine freunde in die arme und mache mich dann ebenfalls auf den heimweg. die sonne scheint mir entgegen, die vögel zwitschern. für den moment ist alles gut. das objekt hat mich beschützt.

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Dienstag, 10. Juli 2012
valsches leben
vor meinem fenster spielt ein vati mit seinem lütten fußball. vati ist um die 40, sportlich, schlank, graumeliert, trägt eine der üblichen medienfuzzibrillen und ist immer gut gekleidet. er geht morgens mit mir mit arbeitstasche unter dem arm aus dem haus und kehrt auch ungefähr um dieselbe zeit (also späääääääääääääät) zurück.

zu vati gehört neben dem offensichtlich sehr mittelmäßig intelligentem kind (schnallt nicht, wohin der fußball fliegt bzw. dass man diesem unwissen mit einer kopfbewegung abhelfen kann) eine unglaublich dicke blonde mutti, die den ganzen tag damit zubringt, telefonierend, essend und rauchend am fenster zu stehen oder, bei gutem wetter, den ganzen tag auf der wiese vor dem haus zu liegen (essend, rauchend, telefonierend). mutti trägt gerne knallige farben und alles, was ihrem volumen noch mehr volumen verleiht (querstreifen, gelb, weiß, gepunktet oder blumentapetenmuster).

im grunde genommen eine sehr beruhigende situation, die mir sagt: wenn ich es schaffe, noch etwa 30 kilo zuzunehmen, meine schwarze garderobe durch neonfarben und muster zu ersetzen, meinen job zu verlieren und den ganzen tag auf der wiese zu lümmeln, bekomme ich eines tages auch einen dieser stilsicheren, beruflich offenbar erfolgreichen, graumelierten männer mit medienfuzzibrille.
und, fuck, dafür würde ich sogar ein balg werfen. kümmert sich ja dann sowieso der vaddi drum.

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Sonntag, 8. Juli 2012
broken soul can smile a little
die psychokacke bzw. die krankschreibungen an vereinzelten tagen haben nun auch berufliche konsequenzen. die bedeuten, dass sich mein nagelneuer festvertrag wieder in luft auflöst und ich nun vorerst von der hälfte meines gehalts lebe.
der sinneswandel der geschäftsführung trifft mich hart. als das objekt anruft, bin ich längst in todesstimmung. ohne dass ich mehr als "hallo" sagen muss, merkt das objekt sofort, dass ich aus dem rahmen zu kippen drohe.

"bei dir stimmt doch was nicht. wo bist du gerade?" fragt es mich streng.
"zuhause", wispere ich.
"ich wollte dir eigentlich was sagen, was ich schon die ganze zeit in eine sms zu bekommen versuche. bist du gerade aufnahmebereit?"
weltuntergang, denke ich sofort, bestimmt kommt jetzt sowas wie "wir sehen uns nie wieder, weil die objektgespielin schwanger ist und ich sie heirate und wir ins ausland ziehen".
während ich diese potenziellen neuen schrecklichkeiten auf meinen ohnehin schon gewachsenen berg persönlicher misere projiziere, spüre ich plötzlich, wie mir tränen in die augen steigen - tränen, auf die ich monate-, ja jahrelang gewartet hatte, die immer nur als schwerer stein auf der brust lagen.

"du darfst mir nur was sagen, wenn es nichts schlimmes ist", schluchze ich los.
das objekt, das mich so noch nie erlebt hat, ist erschrocken und besorgt.
"weinst du etwa?"
und schwupp, bin ich vollkommen hysterisch am heulen. wahre sturzbäche strömen aus mir aus den augen.
"soll ich vorbeikommen?" fragt das objekt.
auf gar keinen fall! das wäre ja ultrapeinlich!
"nein", flüstere ich.
das objekt zögert.
"morphine, was ich dir sagen will, ist nichts schlimmes, im gegenteil. es soll dir guttun. aber vielleicht willst du erst einmal erzählen, was passiert ist?"

dann lade ich die ganze jobkacke beim objekt ab.
ich merke, wie der kopf des objekts im hintergrund rattert und nach auswegen sucht.
"sag mal, ist das überhaupt rechtlich?" fragt es.
"keine ahnung", sage ich, "ich denke nicht, aber was solls, ich will den job nicht ganz verlieren."
"ruf doch mal beim arbeitsamt an, vielleicht können die dich unterstützen."
den ratschlag finde ich gar nicht mal dumm.

nachdem ich mich wieder ein wenig beruhigt habe, frage ich:
"was wolltest du mir nun eigentlich sagen?"
"also", das objekt holt tief luft, um zu einer längeren rede anzusetzen.
"ich habe so über uns nachgedacht. auch über deine angst, dass deine momentane bedürftigkeit unsere freundschaft zerstört. aber das ist nicht so. es tut mir selber eher gut... und ich hab mir gesagt, ja, ich möchte für dich da sein. ich denke, ich kann dich verstehen und das ist es, was du jetzt brauchst."
"danke", sage ich.
"dafür nicht. überhaupt nicht."

das objekt legt eine künstlerpause ein, dann fährt es fort:
"morphine, du bist ein guter mensch. du bist so unglaublich offen, du hast mir deine freiheit geschenkt, die es mir ermöglicht hat, dir seiten an mir zu zeigen, die kaum einer kennt. und weißt du, ich hab mir so vorgestellt, wenn ich von uns beiden mal als erster den löffel abgebe, dann würde ich mir wünschen, dass du meinem sohn an meinem grab von mir erzählst, so, wie du mich kennst."
ich halte die luft an.
das objekt schweigt ebenfalls, fügt aber dann noch hinzu:
"ich hab dich sehr lieb, und ich möchte, dass du das weißt."

damit ist das objekt am ende seiner kleinen rede angelangt, und ich bin so gerührt, dass ich schon wieder weinen muss.
"ich glaube, sowas nettes hat so noch nie jemand zu mir gesagt."
"das ist traurig", findet das objekt. "dann haben dich die falschen menschen gekannt - und verkannt. deine offenheit macht dich leider auch verletzbar, weil du nichts ausschließt, was dir vielleicht nicht gut tut. und ich kann mir vorstellen, dass viele menschen das ausnutzen und dich so für ihre zwecke missbrauchen. ich habe dich auch oft verletzt, das weiß ich."

langsam, ganz langsam beruhige ich mich.
"sing mal was", fordert mich das objekt auf.
"nee", sage ich, "ich kann nicht."
"darum gehts auch gar nicht", erwidert das objekt.
"nein, da komme ich mir total albern vor."
"ach maus. dann sing ich dir jetzt was."
und das objekt beginnt, mit seiner ultra-bass-stimme atonale melodien zu summen, bis ich kichern muss.
"was war das denn?"
"sag bloß, du hast das nicht erkannt?!"
"nein."
"jetzt bin ich aber getroffen. gleich muss ICH heulen und du darfst mich trösten", scherzt das objekt.

irgendwann beginnt mein akku zu piepen.
"mein akku ist alle", sage ich erschrocken.
"sag mal, wie lange telefonieren wir eigentlich schon wieder?"
"oh mein gott, es ist schon nach zwei."
"wann habe ich dich denn angerufen? kurz vor mitternacht?"
"so in etwa."
"du, ich muss dann mal ins bett und du solltest das auch tun."
"ja", antworte ich und spüre mit einem mal, wie erschöpft ich bin.

als ich unter die bettdecke schlüpfe, fühle ich mich für einen moment geborgen. mir ist warm. bis zum herzen.

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Mittwoch, 4. Juli 2012
psycho-männer
ein nicht unbeträchtlicher anteil der psychiatrieinsassen ist männlich. das hat mich zunächst positiv überrascht. da ich sowieso offenbar nicht auf normalos kann, könnte ja ein psycho eventuell der vater meiner unerwünschten kinder werden. leider sind bereits alle kandidaten schon im theorie-check durchgefallen.

problem nummer eins: das angebot ist sehr einseitig. die meisten männlichen insassen sind alkis. und zwar nicht so der typ smarter businesstrinker, der sich regelmäßig abends mit kollegen wegkippt, sonst aber ein geiler hecht wäre. auch keine großen starken peter pans, die interessant und sexy dreinschauen und zusammenhangslos mit der wodka-flasche in der hand falsch weltliteratur zitieren. noch nicht mal nette stammtisch-onkels, zu denen man sich gerne setzt, weil die immer so herrlich platte witze machen. nein, es ist der typ penner. altersdurchschnitt um die 50, schlabberhose-badelatschen-träger mit hoher geruchsintensität und schmalzigen haaren.
pfui deibel.

problem nummer zwei: medikamente machen nicht gerade sexy, wie ich auch im selbsttest deutlich feststellen kann. bevor man auch nur die leiseste chance hat, das lächeln zurückzugewinnen, verliert der körper seine gesamte muskelspannung: die schultern hängen, der kopf ebenso, die füße schlurfen. das ist nicht lasziv. auch nicht auf den zweiten blick. das schlimmste jedoch: das wasser. gesichtsmerkmale wie grübchen, markantes kinn, hohe wangenknochen oder große augen werden von einem mondgesicht verschluckt. der bauch quillt über den hosenbund, die füße sind geschwollen wie im neunten monat einer schwangerschaft. vermutlich könnte man verdurstende retten, indem man uns einfach mit einem strohhalm anpiekt.

problem nummer drei, das aufgrund problem nummer eins und zwei weniger dramatisch ist: die meisten dieser männer haben frauen. die passen zu ihnen wie arsch auf eimer. diese frauen riechen meist nach schnaps und tabak, sodass man eine vorstellung davon bekommt, wie der dazugehörige mann duftete, bevor sich nach dem entzug der körpereigene geruch wieder durchsetzen konnte. die frauen haben übrigens auch gerne mal ein veilchen vom aktuellen onkelmann, der den alki-vater vorübergehend ersetzt. führen sie ein kind mit sich, hat dieses dann meist zwei veilchen, eins vom onkelmann, weil er sauer auf mutti war, und eins von mutti, weil der onkelmann so ein arschloch ist.

der einzig kurzfristig faszinierende mensch war ein noch recht junger gothic-typ mit ausrasierten seiten. leider ist er nicht nur borderliner, sondern auch noch schizophren. die gespräche waren bislang ähnlich wie sein gang: schleppend und unsexy. außerdem teile ich jemanden nicht gerne mit 45 stimmen. da komme ich mir dann irgenwann unwichtig vor.

kurzum: die psychiatrie ist nunmal keine herzblatt-show.
fuck it.

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Sonntag, 1. Juli 2012
realitätstest mit alkohol
da die letzten wochen sehr gefühlsintensiv (im negativen sinne) waren, habe ich menschenansammlungen gemieden. sogar meine freunde - das objekt mal ausgenommen - sind mir neuerdings suspekt.

gestern war nach tagelanger heftiger gewitterstimmung mal wieder licht am horizont. ich machte nach der arbeit gleich einen kundentermin, den ich schon lange hatte haben wollen und lernte einen mann kennen, mit dem ich mich sehr gut auch über außerberufliches unterhalten konnte. am ende hatte ich nicht nur einen herausfordernden kleinen auftrag in der tasche (wissenschaftliche arbeit auf englisch korrigieren), sondern auch eine einladung auf ein gemeinsames abendessen demnächst.

"das klingt doch gut", fand das objekt, das mich schon am morgen per anruf aus dem bett geholt hatte, nachdem es diese woche dauernotfallbedingt eigenmächtig an meiner medikation gedreht hatte und fürchtete, dies könne meine neu erworbene tendenz zum verschlafen / prokrastinieren verstärken.
"dann belohne dich doch mal", schlug das objekt vor. "geh doch mal wieder aus."
wir verabredeten uns, dann meinte ich:
"ich muss aber vorschlafen."
"tu das, schlafen ist total wichtig für dich. wir warten nicht auf dich, du kommst einfach in den club, wenn dir danach ist, okay?"
"gut. bis später."

ich ging frühzeitig zu bett und stellte mir den wecker auf mitternacht. dann warf ich mich in schale und machte mich auf den weg. gottseidank war es trocken und warm, sodass ich mit dem rad fahren und die menschen in der bahn umgehen konnte.

im club war erst niemand. ich wähnte mich versetzt und stürzte stimmungstechnisch im handumdrehen ab. zehn minuten später erschien dann das objekt auf der bildfläche und nahm mich in die arme.
"ich dachte schon, du hast mich vergessen", beschwerte ich mich.
"ich hatte spätschicht, ich musste erst noch was essen... und baden... und dann das auto von n. holen", entschuldigte sich das objekt.

wir standen ein bisschen dumm herum. ich fühlte mich fehl am platze. das objekt versuchte sich in wahrnehmungssteuerung. nach der zehnten verlegenheitszigarette begab ich mich dann doch an die bar und orderte ein mädchenbier.
"prost", sagte ich zum objekt und ließ die flaschen klirren. das objekt guckte sehr skeptisch auf mein bier, hielt aber einen kommentar zurück.

dann standen wir an unserem stammplatz und das objekt machte scherze über das weiberangebot.
"guck mal, dort drüben tanzt die delphinschule", sagte es und zeigte auf ein paar junge blondinen, typ azubinen zur bürokauffrau, die in glitzer-pumps und gefälschtem d&g-täschchen unter der achsel gegen den takt wippten.
"die gehören bestimmt zur pinneberger turnschuhfraktion da drüben", sagte ich. "die haben die mädels heute mitgenommen und ihnen versprochen, dass sie hier mal was gaaaaanz wildes erleben werden."

dann erschien k. und gab eine runde aus. das objekt nahm k. auf die seite und erklärte ihm, warum ich besser nicht weitertrinken sollte. ich zog k. weg und beteuerte, dass es mir super gehe und ich das kleine bier überhaupt nicht spürte. tatsächlich hatte das bier meine stimmung auf angenehme weise gehoben und ich war sicher, dass das zweite dieselbe wirkung haben würde.

nach dem zweiten bier ergriff mich dann der übermut und ich bestellte noch einen wein. und der knallte ordentlich. innerhalb weniger schlucke war ich rotzbesoffen, todmüde und extrem mies gelaunt. ich verkroch mich in einer ecke. eine halbe stunde später fand mich dort k. er sah das weinglas und holte sofort das objekt als profi zwecks krisenintervention.

das objekt fühlte meinen puls, begutachtete die situation kritisch und legte den arm um mich.
"hast gedacht, fühlt sich gut an, alles normal, kannst mal loslassen, hm?"
ich nickte.
das objekt drückte mich kurz, bevor es wieder professionelle haltung annahm.
"okay, madame, es gibt zwei möglichkeiten. entweder sofort nach hause oder mindestens eine stunde warten und derweil viel wasser trinken."
"ich bin mit dem rad da", gestand ich.
"egal, entscheide dich", drängte das objekt.
"ich glaube, ich sollte gleich ins bett", sagte ich.
"dann komm, ich bring dich."
"aber ich bin doch..."
"dein fahrrad klaut jetzt keiner. also mach schon, bevor ich es mir anders überlege."

das objekt zog mir energisch meine jacke über und packte mich dann, um mich nach draußen zu bringen.
"bist du mir böse", fragte ich, die missstimmung des objekts spürend.
"nee", sagte das objekt. "aber ich hab drei bier und ein paar kurze intus und muss dich jetzt mit einem auto, das mir nicht gehört, einmal durch halb hamburg bringen, ohne von den bullen angehalten zu werden."
ich zog schuldbewusst den kopf zwischen die schultern, aber das objekt lachte schon wieder:
"hey, madame, sei unbesorgt... es ist mir eine freude, wenn ich heute noch jemandem eins in die fresse hauen kann." das objekt deutete einen zweikampf mit einem bullen und anschließender verhaftung an.
ich musste trotz aller qualen kichern.
"siehst du, so gefällst du mir am besten", scherzte das objekt.

auf der fahrt döste ich ein und wachte nur immer wieder kurz mit schlingerndem magen auf. dann waren wir da und das objekt verabschiedete mich nun wieder streng und zurückhaltend. ich stieg aus und strebte auf die haustür zu. als ich den schlüssel suchte, hörte ich eine autotür schlagen.
"morphine!"
das objekt kam mir nach und stupste mich an.
"tut mir leid."
"was denn?"
das objekt umarmte mich.
"dass es dir so mies geht... dass ich nicht so für dich da bin wie ich sollte..."
"aber das bist du doch."
"ja?"
"ja, mann. du bist total super. zum beispiel vorgestern.... du hast zweieinhalb stunden mit mir am telefon verbracht, bis ich eingeschlafen war."
"war das soooo lang??"
"ja. war mir im nachhinein total peinlich. war ja dein handyguthaben."
"scheiße, gut, dass du es erwähnst, ich sollte vielleicht mal meine karte aufladen."
ich musste schon wieder kichern.
"wenigstens bringe ich dich zum lachen", meinte das objekt.
"auch."
wir sahen uns an, dann raffte ich mich auf und sagte:
"ich hab dich sehr lieb."
"ich dich doch auch."
ich gab dem objekt einen kuss auf die wange und drehte mich dann um, um die treppen hinaufzuschwanken und mich in mein viel zu warmes bett zu kuscheln.

am samstag blieb ich lieber zuhause, um keine weiteren katastrophen zu produzieren und das objekt in seiner betreuerrolle mal zu entlasten. außerdem macht party ohne alkohol einfach keinen spaß - und mit derzeit noch weniger.

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Mittwoch, 13. Juni 2012
seelendefekt
melancholie ist schwelgen, schöpfen, sturm nach zu langer ruhe. ein bisschen theatralisch blinzelt sie mir mit einem lachenden und weinenden auge zu.

melancholie ist eine kraft, schön und schrecklich zugleich.

diese kraft hat mich nun verlassen.

"du bist krank", sagte das objekt am vorletzten wochenende.

wenn man den müll nicht mehr rausbringt, ist das vermutlich so.
wenn alles außerhalb des bettes einer lebensbedrohlichen expedition gleicht, ist das wohl so.
wenn man alles und jeden aus seinem leben aussperrt, ist das wohl so.

das objekt hat die letzten wochen versucht aufzufangen, was da zu krachen und zu brechen begann. aber es war zu viel für einen menschen oder zwei.
"ich fühle mich dieser situation nicht mehr gewachsen", sagte das objekt. "ich kann das nicht verantworten."

also packte es mich unter den armen und schleifte mich in die psychiatrische notaufnahme. dort kam die angst. ich zitterte. ich wollte nicht verrückt sein. das objekt hielt mich mit seinem eisengriff fest, aber ich konnte seine anspannung spüren.

das objekt versuchte zu lächeln und mir gut zuzureden. ich hörte nichts. ich klammerte mich an diesen muskulösen oberarm und versuchte, irgendwie noch sauerstoff in meine lungen zu pumpen.

"pass mal auf, morphine", schaute mich das objekt eindringlich an. "die werden dich vielleicht fragen, ob sie dich hier aufnehmen sollen. ich würde mir das an deiner stelle überlegen, ob du nicht ja sagst."
ich nickte besinnungslos.
"und wenn die dich nach drogen fragen, dann sei bitte ehrlich. die können dir nichts. die machen auch keine tests, aber es ist wichtig, dass die dich medikamentös richtig einstufen, okay?!"
ich nickte wieder.

nach zwei stunden waren wir an der reihe. das objekt kam mit, weil es sich nicht sicher war, ob ich in der lage war, alles richtig darzustellen.
viel gefragt wurde nicht. ich bekam immerhin sofort medikamente, die mich schachmatt setzten.

auf dem weg nach draußen war ich schon ausgeknockt, schwankte und hatte das bedürfnis, mich zu übergeben. ich kotzte in die büsche und dem objekt ein bisschen auf die füße. wir mussten beide kichern.

danach nahm mich das objekt erstmal mit zu sich nach hause und versuchte, mir essen einzuflösen. es gab kartoffelauflauf und ich quälte mir zwei, drei gabeln voll rein. danach fiel ich in tiefschlaf, seit vielen tagen endlich mal wieder.

seither leben wir im taumel der medikamente, die die depression bekämpfen sollen. es dauert und dauert.

morgens holt mich das objekt telefonisch aus dem bett und versucht mich zu überreden, in den tag zu starten. arbeiten muss ich, sonst droht mir als selbstständige das existenzielle aus. davon abgesehen bedeutet arbeit struktur, zwischenmenschlichen kontakt und die chance auf ein lachen.

ich ziehe meine chefin ins vertrauen und stoße überraschenderweise auf verständnis, wenn auch sorge. als ich am freitag zu spät komme, ruft sie auf meinem handy an und ist außer sich: "du bringst dich aber nicht um, oder???" die frage rührt mich. die arbeit hält mich hoch und ich werde wieder sicherer, dass ich auf keinen fall eine stationäre therapie will.

der azubi, der mehr ahnt als er weiß, zeigt sich von seiner sonnenseite. morgens schickt er mir lustige videos und mittags bringt er mein fahrrad zur reparatur.

ich liebe mein büro, das ist schon mal klar.

mein leben liebe ich auch, theoretisch. eines tages, hoffe ich, werde ich das auch wieder spüren. bis dahin bleibe ich bei meinen zwei netten ärzten aus der psychiatrie und meinem neuen psychologen. auch das objekt bleibt weiterhin präsent und eine konstante, immer dann, wenn ich schwankend werde und an der effizienz und richtigkeit des ganzen zweifle.

und unter der asche zeichnen sich langsam, noch kaum sichtbar, neue strukturen ab.

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