Sonntag, 28. Oktober 2012
married, with children
und wieder einmal endet ein abend so wie schon so einige.

er war mir schon im foyer aufgefallen. groß, schlank, extrem gutaussehend, overdressed und teuer gekleidet. alleine.

wir kommen schnell ins gespräch. er ist 39, verheiratet, zwei kinder. erfolgreicher schiffbauer, steinreich, gelangweilt. da kommt eine abgebrannte depri-tante wie ich natürlich genau recht.

erst macht er mir komplimente, dann will er mich nach hause fahren, gentleman, jaja, ganz ohne hintergedanken. die hintergedanken hat mir allerdings schon seine rechte schulter geflüstert, die im gespräch immer näher rückte. und die unzähligen kleinen gesten, die nähe herzustellen versuchten.

wir vögeln auf der rückbank im auto. er findet das irre und fühlt sich wie 17. ich finde das ganz nett und muss die ganze zeit dran denken, dass ich wieder im alten schema gelandet bin. sogar fahrzeugklassentechnisch: mercedes c-klasse, ledersitze. aber ein schwanz ist ein schwanz ist ein schwanz.

am ende erklärt er lang und breit, dass das alles keine absicht war und er sich nie hätte vorstellen können, dass ihm sowas passiert. ich winke ab und meine, das sagen sie alle. er fragt mich, ob ich ihn für unmoralisch halte. ich erwidere, dass die frage nach der moral nichts anderes als eine saublöde manifestation des schlechten gewissens ist. und dass, bevor man von moralisch oder unmoralisch redet, vielleicht erstmal für sich wissen sollte, was moral ist und ob man sie braucht.

er ist ein bisschen verstört, findet mich krass und klug und fragt dann, ob wir uns wiedersehen.
ich lache und steige aus.
soweit kommts noch.

ihr seid alle keine prinzen. und die märchenstunde ist längst vorbei.

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Montag, 22. Oktober 2012
radwege in hamburg
radwege in hamburg werden von folgenden gruppen für folgende zwecke genutzt:

von autofahrern:

... als parkplatz*
... als auslade-ablagefläche nach samstagseinkäufen*
... als werkstatt-zone für den reifenwechsel*

von lastwagenfahrern:

... als zusätzliche fahrbahn, wenn man in der kurve den umfang / den ausscher-winkel des eigenen fahrzeugs falsch einschätzt***
... als stellplatz bei umzügen*

von fußgängern:

... als roter faden für hormongesteuerte muttis mit kinderwagen**
... als behinderten-humpel-zone**
... als zweidimensionale ausnüchterungszelle bzw. -strecke**
... für ein kaffeekränzchen*
... als geeigneter ort, um dem kind die jacke zuzumachen oder die schuhe zu schnüren**
... um mülltonnen abzustellen*

von bäumen:

... als idealer ort, um wurzeln zu schlagen***
... um nachts straßenlaternen abzudunkeln und unfälle zu provozieren***

von radfahrern:

... um andere radfahrer durch langsam-fahren zu ärgern*
... um kinder in entsprechenden fahrradaufsätzen als airbag / fleshbag zu missbrauchen**
... als ausweichzone, wenn man weder auf der straße noch auf dem fußweg fahren kann

legende:
* um radfahrer ganz doll zu ärgern
** um sich selbst oder dritte (oftmals kinder, i.d. regel die eigenen)zu töten, radfahrer dient dabei als waffe / knautschzone
*** direkte mordabsicht am radfahrer

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Freitag, 19. Oktober 2012
krankenlager
die lederjacke ist krank. sportunfall beim boxen, vermutlich bandscheibenvorfall. zwei zuckersüße wochen krankschreibung.

ich begleite die humpelnde lederjacke in die apotheke.
"morphine, kannst du mir erkären, was mir mein arzt da verschrieben hat?" hält mir die lederjacke zwei rezepte vor die nase.
"schmerzmittel. das eine wirkt einfach nur als painkiller, das da ist ein muskelrelaxer und das, na, das kennst du, ibu eben, das ist auch ein bisschen entzündungshemmend."
"oh nee, von ibu wird mir immer schlecht."
"na, ibu ist im vergleich zu den beiden anderen harmlos. das da sind benzos, damit wäre ich vorsichtig. das macht schummrig und wacklig und müde."
"nimmst du sowas auch?"
"naja, nicht offiziell. ich kriege das von jemandem, der in einer klinik arbeitet und mir das bei bedarf klaut."
"praktisch, praktisch."

als wir an der apotheke stehen, ist die lederjacke ganz fahl vor lauter anstrengung und schmerzen.
"danke, dass du mitgekommen bist", sagt sie.
"na hör mal. du hast mich auch schon an schlimm-depressiven tagen erlebt. und wenn ich was kenne, dann sind das rückenschmerzen."
"bleibt das so, wenn das ein bandscheibenvorfall ist?"
"ich habe eigentlich immer schmerzen. meist leichte, die merke ich nur, wenn ich länger sitze oder stehe. manchmal aber ist es auch schlimmer und ich komme morgens nicht aus dem bett oder ich habe wochenlang kopfschmerzen."
"oh gott, oh gott", stöhnt die lederjacke.
"jetzt mach dir mal keinen kopf", sage ich. "lass erstmal das mrt machen."
"da hab ich ja überhaupt keinen bock drauf."
"dann lebst du halt weiter in ungewissheit."
"du bist ganz schön schroff", findet die lederjacke.
"ist es mein körper oder deiner?" frage ich zurück.
"naja, hast ja recht. danke fürs schubsen. machst du ja auch schon bei meiner promotion."

dann wackeln wir mit einem sack pillen wieder zurück in die wg. die lederjacke ist dankbar, als ich sie ins bett dirigiere und dann die erstdosierung der medikamente übernehme.
"du weißt so viel über arneimittel", meint die lederjacke mit staunen in der stimme.
"ja, meine mom hat früher in einer apotheke gearbeitet."
"ich meine das jetzt nicht als kompliment, du."
ich puffe die lederjacke leicht in die seite, aber schon krümmt sie sich zusammen.
"aua, du bist ja brutal."
"sorry. war doch gar nicht so doll."

nachdem die painkiller wirken, meint die lederjacke selig:
"jetzt würd ich mir gern einen brennen."
"untersteh dich", warne ich.
die lederjacke sieht mich bedauernd an.
"es tut mir so leid, dass ich so langweilig bin."
"macht nichts. bei passender gelegenheit schluchze ich wieder in dein hemd oder halte dich mit meinem alptraum-gezappel nachts wach."
"okay, deal", findet die lederjacke.

dann schlummert die lederjacke ein, ich küsse sie sachte auf die wange, nehme meine jacke und mache mich leise auf den weg nach hause.

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Samstag, 13. Oktober 2012
beckenbodenplastik
beruflich betrachtet verticke ich alles, was gesund, schön und schlank macht, und damit indirekt reich, mächtig und glücklich. auch beckenbodenplastiken (gut für ausgeleierte muttis nach geburten, die ihr sexleben noch nicht an den nagel hängen wollen und gleichzeitig was gegen inkontinenz brauchen) gehören ins leistungsspektrum.

nach einem skurrilen kundengespräch mit einem schon recht betagten gynäkologen träumte ich dann einen sehr strangen traum: eine unheimlich fette alte frau lag im op-saal und bekam eine beckenbodenplastik. dafür versenkte der gynäkologe erstmal ein riesenspekulum in ihrer möse. theoretisch hätte das ding wieder aus ihrem hals rauskommen müssen, tat es aber nicht. dann schnippelte der arzt eine weile, bevor er die möse stück für stück einfach zunähte. ich guckte wohl so, wie ich auch im nichttraum gucken würde, denn der arzt lachte und meinte, das würde natürlich nicht alles komplett zugenäht. da müsse ja auch noch was reinpassen. mir schwante übles, dann zog er auch schon seinen schwanz aus der op-hose und ging zur "anprobe" über.

als ich aufwachte, war mir immer noch ein bisschen schlecht. und als wäre das noch nicht genug, gähnte mich miss kittin mit schwerem hühnchen-lachs-mundgeruch an.

wenn ich dem kunden wieder begegne, werde ich immer an das riesenspekulum und den schwanztest denken müssen.

leute, so kann ich nicht arbeiten.

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Sonntag, 7. Oktober 2012
betrunkene und andere wahrheiten
zeichen und wunder, klappe II

ich habe beschlossen, dass es ein teurer abend wird. zunächst das covenant-konzert. ein bisschen kultur muss ja sein. wenn die halbe welt verreist und auf festivals weilt, muss man wenigstens den heimvorteil nutzen und mitnehmen, was geht.

ich komme erwartungsfrei zum konzert und bin in neutraler laune. covenant spielen vorwiegend neu aufgemotzte ältere sachen. der sound ist anfangs schlecht eingestellt, zu viele höhen, ich kriege zunächst kein feeling, aber irgendwann springt der funke über. eskil wirkt hyperaktiv wie immer, kommt dann aber runter und beginnt nach vielen vielen "can you feel it" den faden zur konzertmission zu spinnen. wovon träumst du? wer bist du? wohin gehst du? wo möchtest du jetzt gerade sein?
meine eine ist froh, hier am platz zu sein, auch wenn die überbordernde sehnsucht durch solche fragen neuen treibstoff bekommt. neben mir steht ein schöner mann, der mich anguckt, ich gucke zurück. dann entdecke ich den ehering. neuerdings schreckt mich das. ich will raus aus den alten mustern, auch wenn die verheirateten-nummer immer noch hervorragend easy klappt.

später treffe ich ein paar bekannte im foyer. eigentlich bin ich müde und krank, lasse mich dann aber noch breitschlagen, auf die aftershow-party zu gehen. eskil wolle auch noch kommen, wissen die insider, das lockt mich zusätzlich. vielleicht würde ich mich ein wenig unterhalten können und herausfinden, ob covenant ein neues album planen. dann könnte ich darüber schreiben. networking ist ja das a und o in meinem job. also gehen wir zusammen zur s-bahn und fahren nach altona. zwischendurch ruft mr. shyguy an.
"wir fahren noch in den club", informiere ich ihn.
"och nööö... wir sind auf dem kiez. im club ist doch heute sonst keiner."
"was meinst du damit?"
"naja, k. wollte mit kollegen losziehen, t. hat nachtschicht und das objekt ist pleite und muss auch arbeiten, soweit ich weiß."
"das ist doch ganz hervorragend", finde ich. "das heißt, ich kann entspannt feiern."
mr. shyguys missbilligung ist unüberhörbar, aber meine eine ist happy. kein objekt, das bedeutet kein geglotze und keine seelischen zwiespalte.

doch als wir den eingang passieren, steht da wider erwarten das objekt-fahrrad. drinnen, drei meter hinter dem eingang, kommt mir gleich der dritte entgegengestürmt und umärmelt mich wild.
"na, schöne frau, wieder mal alleine da?"
ich nicke.
"macht nichts, ich auch!"
der dritte nimmt mich mit nach hinten, um eine zu rauchen. wir kuscheln ein wenig. das objekt steht schräg gegenüber an der bar und unterhält sich, aber ich merke, dass es uns beobachtet.
"du wirst mir verdammt fehlen", sage ich zum dritten, der zusammen mit der drittefreundin wegziehen wird.
"vorher will ich aber noch, dass du wieder mit dem objekt redest."
"ich will keine freundschaft mehr, das übersteigt meine kräfte."
"aber reden könnt ihr doch trotzdem miteinander. das objekt braucht dich. du bist die einzige, die den mumm hat, ihm konter zu geben, und der er das vor allem auch verzeiht."
"hör auf mir zu schmeicheln."
der dritte nimmt mich in den arm. ich fühle seine wärme und rieche seinen duft. er war mein jüngster lover, verdammt, und bald ist er weg.

wir trinken zusammen ein paar kurze, dann wanken wir auf die tanzfläche. kurz darauf findet sich auch das objekt ein. wir ignorieren einander angestrengt und eisern. der dritte muss darüber schmunzeln und stupst abwechselnd mich und das objekt an. doch wir bleiben beherrscht und wagen keinen blick.
"ihr seid voll der kindergarten", lacht uns der dritte aus. "in sachen sturheit nehmt ihr euch absolut nichts."

dann werde ich abgelenkt, als mich eine junge frau anlächelt und kurz darauf auch anspricht. wir gehen zusammen rauchen und trinken einen caipi. inzwischen bin ich reichlich angeschickert.
"sag mal... rauchst du eigentlich nur zigaretten?"
ich muss einen augenblick nachdenken, was sie meint.
"nein, ich rauche auch ständig crack und heroin."
die frau lacht.
"naja, weißt du, wir könnten doch mal kurz rausgehen. ich hab was dabei."

draußen nieselt es.
"pfui", sage ich. meine neue bekanntschaft nimmt mich daraufhin in den arm und rückt ganz nah an mich heran. sie riecht gut, also lasse ich sie gewähren.
sie dreht einen joint und reicht ihn mir dann.
"bitteschön. du darfst anrauchen."
"ich hab aber keine ahnung, wie sich das mit meinen psychopharmaka verträgt."
"was nimmst du denn?"
ich nenne ihr meine medikamente.
"witzig, das eine nehme ich auch."
"wie, hast du auch depressionen?"
dann erzählt sie mir ihre geschichte. mit 18 schwanger geworden, inzwischen drei kinder, zwischendurch die ausbildung zu ende gemacht, wegen der kinder aber keinen job bekommen, immer abgebrannt, weil zwei von drei kindsvätern nicht zahlen und der dritte versucht, ihr das sorgerecht wegzunehmen.
"da kann man schon mal durchdrehen", finde ich.
"ja, aber dann schau ich mir meine kinder an, und dann sag ich mir, kinder sind das licht der welt... ich bin so stolz auf die drei und auch auf mich, dass ich es trotzdem immer irgendwie schaffe."
"solange du dir kein viertes kind von irgendeinen idioten andrehen lässt."
"nein, im moment will ich keinen mann mehr."
aha. nachtigall, ick hör dir trapsen.

wir sitzen eine dreiviertelstunde im nieselregen, dann stelle ich fest, dass ich total ausgefroren bin. ich will wieder rein. der joint hat einen angenehmen nebel um mich gepackt. als ich aufstehe, kann ich mich kaum auf den beinen halten.
"war das zu viel", fragt die frau besorgt.
"geht schon", antworte ich.

drinnen wird die frau schon von ihren freunden gesucht, die langsam aufbrechen wollen. die frau verabschiedet sich, nicht ohne mir ihre telefonnummer aufs auge zu drücken und mir das versprechen abzunehmen, dass wir uns wiedersehen.
"ansonsten könnte ich natürlich noch bleiben, aber dann komme ich nicht mehr nachhause", sagt sie.
das geht mir jetzt doch ein bisschen schnell. eine fremde durchgeknallte mutti mit vermutlich sexuellen absichten in meiner wohnung zu beherbergen übersteigt meinen aktuellen spontanitätsgrad. ich gehe nicht weiter drauf ein, und die frau deutet mein schweigen richtig.

als die frau weg ist, merke ich, wie unheimlich breit ich bin. ich kann nicht mehr richtig tanzen, alles dreht sich.
als ich um die ecke schwanke, wird mir schummrig und ich klammere mich am nächsten mir entgegenkommenden menschen fest. der riecht gut und vertraut. da funkt die erkenntnis in mein schwindendes bewusstsein: ich halte das objekt im arm.
das objekt lächelt mich nicht weniger betrunken an und sagt dann verschmitzt "hallo".
"oh, scheiße, also ich mein, du bist ja auch besoffen", sage ich sehr clever und will das objekt loslassen. doch es zieht mich fest an sich und drückt mich, bis mir die luft wegbleibt.
"morphine", sagt es in mein haar und für einen moment fühle ich mich geborgen wie in abrahams schoß.
dann beginnt sich das objekt aus der umarmung zu winden und stottert:
"ich kann das nicht... ich darf das nicht... ich meine, ich weiß, dass ich das nicht verdient habe. ich hab dich einfach nicht verdient."
in seinem blick spiegeln sich panik, schuld und abwehr, und ich frage mich, warum ich die einzige von uns beiden bin, die einen amtlich bestätigten dachschaden hat. ich halte das objekt fest und zwinge es, mir in die augen zu sehen.
"es ist alles gut... hörst du?!"
das objekt nickt, aber die angst in seinen augen bleibt.
"ich muss gehen", sagt es und flüchtet richtung tanzfläche.

ungefähr eine stunde später, als die lichter angehen, treffen wir zum zweiten mal aufeinander. ich komme gerade nach draußen in den hof, als das objekt sein fahrrad aufschließt.
"morphine", ruft es mir zu und kommt dann ganz nah. es ist noch betrunkener als vorhin, und auch mein alkoholpegel hat sich noch nicht wirklich gelichtet.
"na, wen hassu heute abgeschleppt?" fragt mich das objekt wie einen alten kumpel.
"gaakain. die frau wollte mit, aber ich wollt die nich in meiner wohnnng."
"die habch gesehn. die war abba sssehr... anhänglich."
"diess nett! aber die willwasss... von mir."
das objekt findet das süß und kichert wie schulmädchen und gibt anschließend seine story des abends zum besten:
"hassu die gaaanz dicke frau da vorhin gesehnnn? die fragte mich, obch heute ssu dritt nach hause will."
ich lache laut. "wer waaann der dritte? warse schwanger? oda zwilling?"
"nee, dasss waaa... ihre freundin. die waa ganz hübsch, aba die wollt dann nich. aba ich wollt ja aunich. aba die dicke wollt ebn, alleine. und ich dacht so, scheiße, wie werd ichn die wieda los?"
"unndann!"
"dannnn... habch gesagt, ich bin voll, ichglaubch krieg heut kein mehr hoch. aba das hat sie üüüübahaup nich abgeschreckt!"
"unndann!"
"sie so, ich mach dassss... ich krieg den bei allen typn hoch, du kannsss allss von mir habn wassu willz..."
"neeeiiinn, echdez?!"
"dannn habchh gedach, so, dann bisse mal n arschloch."
"jaja, dasss kannsuu ja besonders gut."
"ja, passauf... allso sachich, okay, dann willch n ordentlichn tittenfick. aba dazu mussu echt titten habm, die voll in ordnung sinn, also vonner konsistenzzz."
ich kann mich inzwischen vor lachen nicht mehr auf den beinen halten und lehne an einer hauswand.
"unndann!"
"unnndann habch noch gesagt, aba ich will dabei fernsehn könn... also mussu den tittenfick so machn, dass das nich stört, mitm kopf zwischen den bein und so... das daaaf dann nichim bild sein und so...", kichert das objekt haltlos.
"unndann!"
"das hati alles üüüübahaup nich abgeschreckt. sie hat mia dann ihre telfffonnumma gegebn."
"isnichwaa!"
"unndann isse mir den gaaaaanzen ammmd hinterher... unnu beim gehn hattse mich gefragt, hassu meine numma noch? und alzich dann meinte, nee, habich weggeschmissen, daaaaaaaaann warse aba gepisst."

wir lehnen inzwischen beide an der hauswand und lachen, bis uns die tränen kommen, obwohl die story nüchtern betrachtet nicht mal so sehr komisch, sondern einfach nur arschlochmäßig ist.
"morphine", sagt das objekt wieder und nimmt mich in den arm.
"wo schläfstu heute?"
"suuhause. bei meiner katze."
"ach."
"ich muss... nachhause, die katze hat hunger."
"jaja... sachma, gehtn das? du torkelss mir zu sehr."
"muss."
"wievilll geld hassn noch?"
"weißnich... drei, vier euro?"
"weißu was, ich geb dir geld unnn du fährss bessa mitm taxi."
"das geht nich. daassu teuer."
"wie vielll issn das?"
"fünnunffzwannzich euro odda so."
das objekt kramt in seinem portemonnaie.
"nein, du, ich will dasnich. du hass doch aunix, unndu hass n kind."
aber das objekt steht schon auf der straße und wirft sich vor ein ankommendes taxi, das daraufhin eine vollbremsung machen muss.
"brinngsie die junge dame sicher nachhause", befiehlt das objekt dem taxifahrer. "bisss... voa die hausstür, ja?!"
es steckt dem taxifahrer 30 euro in die weste und schubst mich in den wagen.
"keine widerrede, madame."

das objekt schwingt sich auf das fahrrad und schwankt damit über die fahrbahn. der taxifahrer schüttelt den kopf. ich denke mir meinen teil. und bin doch ganz happy. welcome back, absolute madness. morgen muss ich das unbedingt dem dritten erzählen...

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Samstag, 6. Oktober 2012
wild awake

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Mittwoch, 3. Oktober 2012
die nacht der deutschen einheit
subtitle: zeichen und wunder

nachdem ich gestern sehr ausgeglichen und happy meinen tag im büro abgesessen habe, mache ich mich schick für party. ich bin noch einmal mit der krankenschwester und außerdem mit mr. shyguy verabredet.

ziemlich spät mache ich mich auf den weg. das auto von mr. shyguy steht schon vor dem club, ich bin mal wieder die letzte. der nette garderobenmann ruft mir wie immer zu "jeder später der abend, desto hübscher die gäste" und winkt mit der gästeliste.

vor der zweiten tür steht das objekt-fahrrad. so ein mist. eigentlich ist es mir egal, ich ignoriere das objekt einfach und es macht mir eigentlich nicht viel aus. doof ist nur, dass sich unser freundeskreis im club stark überschneidet und ich weiß, dass ich wieder kaum ein wort mit mr. shyguy wecheln werde, wenn das objekt die aufmerksamkeit abzieht.

zum glück ist die krankenschwester gleich um mich rum. wir setzen uns an die bar und trinken ein bier. gegenüber sitzen mr. shyguy und das objekt. mr. shyguy kommt rüber und herzt mich, das objekt bleibt sitzen und starrt an die wand. es ist sehr blass und hat tiefe augenringe.

"der sieht aber mies aus", sage ich zu mr. shyguy.
"dem gehts, glaub ich, nicht gut."
"was ist denn schon wieder?"
"keine ahnung, er sagt, er will nicht drüber reden. frag du ihn doch. oder sprecht ihr immer noch nicht wieder miteinander?"
"du, ich bin durch mit dem. kein bock mehr auf monologe."
"du bist echt hart."
"reiner selbstschutz."
"ich versteh das schon, aber schade ist es trotzdem."

wir tanzen viel. das objekt und ich nutzen die entgegengesetzten seiten der tanzfläche, daher gibt es kaum unangenehme aufeinandertreffen. ich merke, dass es mich des öfteren ansieht.
ich kann es handeln. ich kann heute alles handeln. ich fühle mich beschwingt, bin unalkoholisiert und ganz da. mit den richtigen leuten sind solche abende wunderbar. ich verbringe einige zeit beim dj und lasse mich in neue musikalische entwicklungen einweisen, dann lehne ich zufrieden in meiner ecke und gucke den menschen zu.

das objekt hängt auf einem barhocker und hat das gesicht in die hände vergraben. dann sieht es wieder zu mir her. ich stehe auf und wechsle den raum. das geglotze wird mir langsam zu viel. ich will aber auch noch nicht nach hause gehen. ich habe noch nie ein revier geräumt, damit fange ich heute, am tag der deutschen einheit, bestimmt nicht an. außerdem bin ich schadenfroh, dass das objekt mit der situation offenbar doch nicht so eiskalt umgehen kann wie es gerne den anschein geben würde. doch meine neu erworbene bedürfnislosigkeit schützt mich vor herzerweichung.

mr. shyguy hat ein mädchen kennengelernt. das freut mich über die maßen.
"die hat aber einen fetten arsch", mault mr. shyguy.
"dafür hat sie im gegensatz zu den ganzen dürren mädels hier ein hübsches gesicht... und einen fabelhaften humor."
darüber hinaus hat sie auch gute ideen und überredet mr. shyguy und mich, am übernächsten wochenende auf eine andere party zu gehen, auf der ich schon zwei jahre nicht mehr war - eigentlich ohne grund oder allein aus bequemlichkeit, weil der stammclub als zweites wohnzimmer einfach verlockender war.
mr. shyguy zweifelt noch, aber als ich ihm gut zurede, sagt er zu. ich merke, wie sich das mädchen freut, und das ist wichtig. mr. shyguy besitzt nämlich eine unheilvolle vorliebe für arschloch-weiber, die in der regel sehr hübsch sind, sich aber nur im auto rumfahren und getränke bezahlen lassen, sonst aber komplett hohl und herzlos sind. dieses mädchen ist anders, das spüre ich, und seit der lederjacke weiß ich wieder, dass gefühle manchmal überraschend kommen. vielleicht kann mr. shyguy darüber hinwegsehen, dass sie keine 90-60-90-puppenproportionen hat.

als wir so sitzen, kommt das objekt in den raum. es ist kurz nach fünf und das objekt offenbar am aufbrechen. es trägt seine motorradjacke und kämpft mit seinem schal.
"tschüß", sagt es zu mr. shyguy und dem mädchen, mit dem es sich vorhin auch unterhalten hat.
ich überlege kurz, ob ich schnell aufstehen und aus dem raum gehen soll. aber das objekt steht direkt vor mir und ich komme nicht mehr weg.

dann erlebe ich die überraschung des jahrhunderts. das objekt sucht meinen blick und sagt dann:
"tschüß, morphine..."
"tschüß", antworte ich vollkommen perplex.
das objekt geht nicht. es bleibt vor mir stehen und sieht mich sehr traurig an. dann stupst es mich mit dem fuß an und macht eine verzweifelte geste. ich bleibe stumm sitzen und weiß nicht, was ich tun oder sagen soll.
dann sagt das objekt ein zweites mal "tschüß, morphine" und verlässt langsam den raum.

mr. shyguy und ich starren uns an.
"wwwwas war denn das?" findet mr. shyguy als erster die sprache wieder.
ich zucke die achseln und gucke groß.
"mann, das war eine entschuldigung!" mr. shyguy ist ganz aufgeregt. "wahnsinn!"
"ja, ne?" berapple ich mich.
mr. shyguy rüttelt mich an den schultern.
"der will wieder mit dir reden! der will wieder freunde sein mit dir! das ist der anfang vom neuen anfang..."
ich bin wie betäubt und weiß noch nicht, was ich von der situation halten soll. in einer ecke meines herzens steigt freude auf. in der anderen angst.

ich erzähle der krankenschwester davon.
"ihr könnt doch sowieso nicht ohne einander", meint sie.
"ich kann sehr gut ohne ihn. die letzten wochen waren sehr okay so."
die krankenschwester sieht mich nachdenklich an.
"er hat mal mit mir über dich gesprochen... ich habe ihn gefragt, warum ihr nicht zusammen seid, denn dass ihr euch liebt, sieht ein blinder mit krückstock. er meinte dann, das sei für ihn wie im ehegarten... er wisse, dass ihr zueinander gehört, aber da seien immer wieder frauen, die er dann manchmal mehr liebt oder begehrt. und er könne diese geraden weg nicht gehen, er müsse all die verschlungenen pfade absuchen."
"verstehst du jetzt, warum ich nicht mehr kann? was soll ich mit jemandem, der abwesend ist? oder phasenweise so intensiv da ist, dass es einem das herz aus dem leib fetzt, wenn er dann wieder woanders ist? ich verlange ja nicht viel. ich brauche keine monogamie und ich brauche nicht viel zeit mit jemandem, weil ich selber viel zeit für mich will. aber ich brauche meine anknüpfungspunkte. oder die sicherheit, dass jemand anruft, auch wenn ihm mal nicht danach ist, einfach weil ich ihm wichtig bin, so wichtig, dass er es schafft, über seinen schatten zu springen."
"na, eben isser doch über seinen schatten gesprungen. du hast mir doch erzählt, dass er sich niemals entschuldigt und so."
"ja."
"na dann. sei doch mal zufrieden. du kannst nicht alle an deinen maßstäben messen. für seine verhältnisse war das wahrscheinlich eine anstrengung ohne gleichen. die hat ihm mut gekostet."
"hmhm."
die krankenschwester schubst mich:
"du kannst mir nicht erzählen, dass du dich gar nicht freust."
"doch doch, irgendwie schon."

gegen sechs uhr morgens lassen wir uns aus dem club kehren. als ich auf dem fahrrad sitze, weide ich mich an dem gedanken, dass sich das objekt auf mich zugewagt und den versuch einer entschuldigung gemacht hat. ich beschließe, das als meine persönliche nacht der deutschen einheit zu werten - und denke dann doch lieber weiter an die lederjacke.

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Montag, 1. Oktober 2012
into your arms
gestern abend treffe ich mich mit der krankenschwester, um nach einem abstinenten wochenende noch mal so richtig abzustürzen. die krankenschwester ist schwer frustriert wegen ihrem bescheuerten sohn, ihrem bescheuerten freund und ihrer bescheuerten arbeit. nach zwei wodka energy und zwei caipis entspannt sie sich allerdings zusehends und kriecht dann in meine arme.
"ich bin so erschöpft. ich bin einfach müde, ich möchte mich hinlegen und nie wieder aufstehen."
"klingt ja fast wie bei mir und meiner depression."
"mir sagt nie einer, dass ich gut bin, verstehst du? mein sohn hält mich für eine miese mutter, mein chef nörgelt an jeder kleinigkeit und mein freund macht mich die ganze zeit runter, um sein kleines ego aufzubessern. genau so wie früher mein vater. bei meinem vater hab ich auch immer umsonst um liebe gekämpft."
ich halte die krankenschwester im arm und streichle sie ein wenig.
"ich hab einen heidenrespekt vor dir und dem, was du tust. ich hab dir ja schon mal gesagt, ich hätte dauernd angst, dass ich jemanden aus versehen umbringe."
die krankenschwester lächelt dankbar und meint dann:
"das war eine verdammt gute idee, dich heute zu treffen. ich hab manchmal das gefühl, es versteht einfach keiner, dass es mir manchmal echt schlecht geht."

kurz nach zwei werden wir aus der bar gekehrt. die krankenschwester torkelt zur s-bahn, ich setze mich schwankend auf mein fahrrad. spontan schreibe ich der lederjacke eine sms: "bin voll und in der schanze."
drei sekunden später klingelt mein handy und die lederjacke ist dran:
"willst du vielleicht vorbeikommen und bei mir schlafen?"
ich fackle nicht lange und sage zu.
"du musst aber noch was zu trinken mitbringen", sagt die lederjacke. "das ist die eintrittskarte."
"okay!"

gesagt, getan. in eimsbüttel finde ich eine shell-tankstelle. als ich ankomme, kippt mir zweimal mein fahrrad um und der tankwart grinst. dann lalle ich meine bestellung durch die scheibe. beim bezahlen fällt mir zweimal der geldbeutel runter, das geld rollt davon. ein autofahrer, der gerade tankt, hilft mir beim aufsammeln und fragt dann, unter meinen minirock linsend, ob ich nicht mitkommen möchte. ich starre ihn böse an und stapfe empört mit meiner tüte voller bier und whiskey davon.

ich radle mit klirrender tüte richtung lederjacke und freue mich an jeder kreuzung wie ein kind, dass ich noch nicht auf die fresse gefallen bin. ich schaffe es tatsächlich heil bis zur lederjacke, die mir schon im treppenhaus grinsend entgegenkommt, um mir die tüte abzunehmen und mich beim gehen zu stützen.

dann sitzen wir bei bier und schnaps auf dem boden herum und hören musik und lachen sehr viel. gegen halb fünf uhr morgens klingelt es an der tür. die lederjacke kriecht auf allen vieren durch den flur und öffnet. draußen steht eine unheimlich dicke alte frau und mosert über die lautstärke. die lederjacke beteuert, sie würde gleich den bass rausdrehen. dann kommt sie wieder ins zimmer zurückgekrabbelt und schaut mich lächelnd an.
"so eine blöde hässliche alte fotze. die beschwert sich auch immer, wenn ich nach 22 uhr die waschmaschine laufen lasse."

ich sehe der lederjacke in die schönen kalten blauen augen. dann strecke ich die hand aus und berühre die sehnen am hals, die sich zu den muskulösen, sommersprossigen schultern hinunterziehen. die lederjacke hält ganz still und sagt nichts mehr.
während unsere blicke einander jagen und fangen, packt mich die lederjacke und zieht mich sanft an den haaren an ihre lippen. wir küssen und küssen uns, dann hebt mich die lederjacke hoch und trägt mich zum bett.

wir wälzen uns nackt durch die laken. ich bin elektrisiert, aber unentspannt. die lederjacke merkt das, nimmt mich ein weilchen in die arme, bis ich weniger zittere.
"alles gut?"
ich nicke.
doch als die lederjacke in mich eindringt, verliere ich mich endgültig rettungslos im labyrinth meiner düsteren tiefen. die alkoholisierte seligkeit ist mit einem schlag weg. ich falle und falle, bis ich merke, dass mir eine träne über das gesicht rinnt. reiß dich mal zusammen, befehle ich mir noch, doch die lederjacke hält schon irritiert inne.
"was ist denn mit dir?"
anstatt einer antwort schluchze ich los. die lederjacke ist sehr erschrocken.
"hab ich dir weh getan?"
ich schüttle den kopf und heule weiter. die lederjacke nimmt mich vorsichtig in den arm, aber ich spüre das große fragezeichen.
"es hat nichts mit dir zu tun", sage ich, als ich wieder sprechen kann.
"ach schade", sagt die lederjacke, "ich wollte mich schon freuen, dass mal eine frau nach meiner performance vor dankbarkeit weint."
ich muss kichern, werde aber gleich wieder ernst.
"entschuldige, das ist mir wirklich verdammt unangenehm."
die lederjacke sieht mich vorsichtig an:
"willst du drüber reden?"
ich schüttle den kopf.

die lederjacke streichelt mein gesicht und meine haare, bis ich ruhiger werde.
"was denkst du?" fragt sie mich.
ich gehe in mich und erhasche den ersten gedanken in meiner bewussteinsebene.
"ich mag dich sehr gerne."
die lederjacke grinst stolz und geschmeichelt und küsst mich zärtlich.
"es tut mir leid, dass ich so bin", entschuldige ich mich abermals. "das liegt an den depressionen."
"schon gut."
ich bin unendlich erleichtert, dass die lederjacke trotz ihres jungen alters so einfühlsam und geduldig mit mir ist. ich krieche näher an sie heran und schnuppere den zarten duft ihres parfums. die lederjacke lässt mich nicht los, sondern dreht sich mit mir auf die seite, umschlingt mich mit armen und beinen und nimmt meine hände in die ihren.
"schlaf jetzt, wenn du kannst."

ich döse weg und erwache dann wieder so, wie ich eingeschlafen bin: auf der seite, vollkommen umschlungen. die sonne scheint durch die jalousie, und ich merke, meine schulter tut weh. als ich mich umdrehe, wecke ich die lederjacke. sie blinzelt mich schlaftrunken an und zieht mich an sich. ich liege auf ihrer brust und höre dem herzen zu, das fest und regelmäßig schlägt. die lederjacke duftet immer noch gut, obwohl wir zu zweit vier bier und eine flasche whiskey sowie mehrere schachteln zigaretten gekillt haben. meine leber müsste theoretisch kapitulieren, aber ich habe wieder mal keinen kater.

die lederjacke streichelt meinen rücken und meinen po. obwohl ich noch verängstigt bin von letzter nacht, entspanne ich mich nach einer weile. die lederjacke ist ganz sanft. sie küsst meinen hals, meine schultern und meine brüste. ich kann es genießen und spüre vertrauen wachsen wie eine kleine, zarte pflanze.
"katze", sagt die lederjacke, genau wie das objekt.
"mau", sage ich.
die lederjacke beobachtet mich einige zeit, bevor sie vorsichtig fragt:
"willst du mit mir schlafen?"
ich überlege nicht lange und nicke.

diesmal klappt es besser. ich kann erwidern, was mir die lederjacke gibt. wir küssen uns die ganze zeit über und ich fühle mich sehr teenagerhaft, will am liebsten verschmelzen und mich auflösen. als die lederjacke kommt, sehen wir uns in die augen und ich spüre, wie mir das herz in die nicht mehr vorhandene hose rutscht.

verknallt.
doch, irgendwie schon.
so ein bisschen wenigstens.

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Sonntag, 30. September 2012
objektives ende
wenn sie in letzter zeit wenig vom objekt gelesen haben, so liegt dies daran, dass ich mich mal wieder verabschiedet habe. im unterschied zum letzten winter benötigte ich dafür aber nicht die lügengeschichten der k.-ex (der ich ebenfalls die freundschaft aufgekündigt habe), sondern kam mal ausnahmsweise ganz von alleine auf den trichter.

nachdem sich das objekt in meiner akuten depressiven phase so rührend um mich gekümmert hatte, wurde der kontakt mit zunehmender stabilisierung weniger und blieb so gegen mitte august dann ganz aus. irgendwann machte ich mir sogar sorgen, da das objekt ja auch zu ausgesprochen düsteren phasen und substanzmissbrauch neigt und man nie ganz sicher sein konnte, dass es nicht mal tot in der wohnung lag. nachdem es sich auf zahlreiche sms nicht meldete, drohte ich mit spontanem aufkreuzen. soweit musste es aber nicht kommen, weil ich das objekt dann doch mal wieder im club traf.

im gegensatz zur letzten begegnung wurde ich nicht geherzt und betüddelt, sondern eiskalt ignoriert. ich war zunächst verunsichert, machte aber dann ein paar energische schritte auf das objekt zu und kriegte es an der bar zu fassen.
"na, schaffst du es, mich in den arm zu nehmen?" fragte ich.
daraufhin bekam ich eine umarmung, die im ersten moment ein schmerzhaftes klammern, dann ein wegschieben war.
"wie geht es dir?" wollte ich wissen.
"darüber will ich jetzt lieber nicht sprechen", erwiderte das objekt.
"bitte keine politik, ja?!"
ich starrte das objekt verletzt an. also wenn, dann wäre ja eigentlich die frage gewesen, wie es MIR geht, fand ich. schließlich hatte sich das objekt fast zwei monate lang zu meinem persönlichen betreuer aufgeschwungen.
wir schwiegen uns unangenehm an, dann meinte das objekt kurz angebunden:
"ich geh tanzen."

es ging allerdings nicht auf die tanzfläche, sondern verschwand in der masse. kurze zeit später stand es schäkernd mit k. zusammen.
"hast du schon mit dem objekt geredet?" fragte mich mr. shyguy, der neben mir stand.
"ja, mehr oder minder."
"hat der wieder probleme?"
ich sah mr. shyguy an:
"der hat ein problem. und zwar, dass er ein riesengroßes arschloch ist."
mr. shyguy grinste:
"du wählst aber harte worte!"
"wenn sie nun mal zutreffen."

den rest des abends rettete mich die lederjacke, die irgendwann schon mittelblau aufkreuzte und ihre lederjacke trug, die ihr so gut stand. wir landeten an der bar, wo die lederjacke weitertrank und auch mich zu ein oder anderen drink überredete, bevor wir dann gegen sechs weiterzogen und nach einer odyssee durch altona in einer türkischen kneipe einlass fanden, wo wir weitere stunden in gesellschaft mehrerer exzellenter exotischer spirituosen und musik zubrachten. anschließend fuhren wir zu mir nach hause, wo das kater-drama dann seine fortsetzung fand.

dem objekt schrieb ich am tag darauf, während die lederjacke noch schlummerte, eine böse sms, in der ich ihm arroganz und unfreundlichkeit vorwarf und mit den worten schloss, dass es meines erachtens mal ordentlich eine geschallert braucht.
ich wusste, dass sich mit dieser sms unser kontakt voraussichtlich erübrigt haben würde und wartete gespannt auf darauf, welche gefühle sich in den nächsten tagen bei mir einstellen würden.

dank lederjacke, mademoiselle hasenfuß und jeder menge psychopharmaka fühlte ich mir allerdings überraschend ausgeglichen. auch, als ich dem objekt am nächsten wochenende erneut begegnete, war ich cool für zehn mann. ich wartete auf das übliche nicht niederzuringende bedürfnis, mit dem objekt zu sprechen und eine umarmung abzustauben. doch nichts regte sich in mir. vielmehr fiel mir gar nichts ein, was ich hätte sagen wollen. ich blieb stumm. das objekt sah mich einige male fragend an, aber ich guckte weg oder ging ihm aus dem weg.

am tag darauf verfasste ich eine weitere sms, in der ich erklärte, dass mir die kraft für einen endlos-monolog fehlt und dass sich unsere wege an dieser stelle trennen. ich empfand nichts dabei. die tränen ließen einige tage auf sich warten, kamen aber dann mit voller wucht zusammen mit denen wegen der job-misere.

die reihe der abschiede ist noch längst nicht zu ende. ich habe den eindruck, mich weiterhin zu zerteilen, mich zu atomisieren, mir täglich das herz aus dem leib fressen zu lassen, vom objekt und von vielen anderen menschen.

aber ich kann nicht mehr anders. sogar einsamkeit ist besser als all das. meinem therapeuten erzähle ich, dass mir zwar die kraft für selbstmord fehle, dass ich aber im prinzip nichts dagegen hätte, wenn mich ein auto überfahren würde. mein therapeut meint daraufhin arschcool, passive selbsttötungsgedanken seien bei einer depression ein ganz normales symptom.
schön. ich bin also normal für das ausmaß meines wahnsinns. das ist doch schon mal ein anfang.

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Samstag, 29. September 2012
ich sehe was, was du nicht siehst
in meinen träumen.




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