Samstag, 2. März 2013
politisch einkaufen
einkauf mit dem objektsohnemann in einer bekannten hamburger drogeriekette.

zuerst stehen wir bei der kosmetik. ich lege das waschgel einer naturkosmetikmarke ins körbchen.

der lütte fragt mich:
"warum kaufst du das, das andere da wäre doch viel billiger? oder macht das nicht so gut sauber?"
"ich kaufe das, weil das ohne tierversuche hergestellt wird", antworte ich. "sauber machen die alle."
der kleine denkt nach und fragt dann weiter:
"ist das, weil du auch kein fleisch isst?"
"nee. fleisch mag ich einfach nicht. aber ich bin dagegen, dass tiere gequält werden, nur, weil ich mein gesicht waschen will."
der lütte nickt anerkennend.
"ja, das ist ja auch voll gemein!"

wir ziehen weiter.
"warum kaufen dann die anderen frauen sachen, die von tierquälern hergestellt werden?" sagt der kleine laut und eine alte schabracke dreht sich irritiert nach ihm um.
"die meisten menschen nehmen das leid anderer in kauf, wenn sie dafür ein paar cent sparen können."
"aber vielleicht sind die ja arm", wagt der lütte einzuwenden.
"die meisten sind nicht arm, sondern einfach nur geizig", entgegne ich.

dann stehen wir vor den bio-brotaufstrichen.
"das schmeckt gut", sagt der sohnemann und zeigt auf eins.
"sollen wir das kaufen?"
der objektsohnemann überlegt:
"wird das auch ohne tierversuche hergestellt?"
ich muss mir ein schmunzeln verkneifen.
"ja, denke schon. da gibts ja auch nichts auf unverträglichkeiten zu testen. entweder es schmeckt oder es schmeckt nicht. sowas testen die menschen selber."
der sohnemann nickt und stellt das glas in den korb. ich sehe, dass der speicher in seinem kleinen kopf auf hochtouren läuft und noch immer die sache mit den tierversuchen verarbeitet.

dann stehen wir an der kasse. neben der kasse befindet sich ein behälter mit blauen windrädern. jedes kind bekommt eines davon von der verkäuferin überreicht.
"warum verschenkt die die?" will der sohnemann wissen.
"das ist eine form von werbung", erkläre ich. "der chef der drogerie will damit zeigen, dass das unternehmen familienfreundlich ist. wenn die kinder was geschenkt bekommen, denken die eltern, ach wie nett, hier kaufen wir gerne wieder ein. und kommen wieder und lassen geld da. und darum geht es dem unternehmenschef in wirklichkeit auch: der will nämlich nicht nett sein, der will möglichst kunden im laden haben und dabei viel kohle machen."
der sohnemann verfolgt die lektion mit weit aufgerissenen augen.
"das nennt man übrigens marketing", schließe ich die erläuterung.

ich schiele angestrengt auf den lütten und hoffe, dass das nicht allzu verwirrend war. der steht in sich gekehrt mit dem grübel-gesichtsausdruck seines vaters neben mir und starrt gebannt auf das kleine mädchen vor uns, das sein windrad in empfang nimmt.

dann sind wir an der reihe. als die verkäuferin kassiert und ich ihr das geld hinüberreiche, fragt sie den objektsohnemann:
"na? möchtest du auch ein windrad oder ist das nichts für große jungs?"
der lütte zögert kurz, überlegt und sagt dann mit in der schwarzen st. pauli-lederjacke stolzgeschwellter brust:
"nein danke, das ist marketing, das brauchen wir nicht."

die verkäuferin starrt mich verblüfft an. ich zucke die achseln und lächle freundlich, schließlich war das statement des kleinen nicht persönlich gemeint. aber es ist ein statement, das ich weder relativieren noch erklären möchte.

dann gehen wir durch die tür nach draußen und ich kann die blicke der spießermuttis hinter uns im nacken fühlen, die jetzt sicherlich die köpfe zusammenstecken und über meine potenziellen erziehungsmethoden, unseren bekleidungsstil sowie meine vermeintliche politische einstellung diskutieren.

draußen gibt mir der kleine die hand. wir grinsen uns verschwörerisch an.
"das hast du eben fein gemacht", sage ich lobend und er strahlt.

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kiez und liebe
nach einer nacht auf dem kiez weiß ich mal wieder: sehr viele menschen scheinen einer vollkommen artfremden spezies anzugehören.

sie ist dumm.
sie ist aggressiv.
und sie hat mindestens zwei promille.

mit dem dritten und der drittefreundin an meiner seite geht das aber. vor allem der dritte strahlt eine ruhe aus, dass man sich einrollen und sämtliche selbstverpflichtungen abgeben möchte. dass die beiden wieder ein paar sind, ist auch ein wenig meine schuld. da bin ich stolz drauf. es macht mich glücklich, andere glücklich zu sehen.

die drittefreundin meinte übrigens, ich sei einfach nicht ausreichend "spackenresistent". wohl wahr. ab und an verliebe mich sogar in den ein oder anderen.

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Sonntag, 24. Februar 2013
sucker
"bitte bitte bitte, nur ein stündchen, ich mag dich so doll und zusammen haben wir immer so viel spaß und du musst da auch niemandem in die fresse hauen, weil ich nur lauter nette leute kenne", jaule ich ins telefon, als die lederjacke anruft, um mir mitzuteilen, dass sie eine mittelohrentzündung hat und deshalb nicht mit in den club gehen kann.
"ach du liebes, ich habe fieber und echt schmerzen... sonst... kennst mich ja, ein paar bier gehen immer", erwidert die lederjacke lachend, wenn auch geschmeichelt. "nur eben heute nicht."
"jetzt weiß ich gar nicht, ob ich heute losziehe, wenn du nicht mitkommst", schmolle ich.
"doch! wehe, wenn nicht!" entrüstet sich die lederjacke. "wenn du schon unglücklich bist, dann vergiss die scheiße wenigstens mal für ein paar stunden und geh tanzen."
"hm", sage ich, total begeistert.
"du kannst ja vorher zu mir kommen. dann musst du später nur noch einmal über die straße."
die idee ist clever, da mich in heftigen depriphasen vor allem öffentliche verkehrsmittel, in denen man fremden spacken nicht entkommen kann, schrecken. wenn ich eine verabredung habe, habe ich allerdings ein wesentlich konkreteres freudiges event vor augen als wenn ich nur in den club gehe und nicht weiß, ob es dort nicht vielleicht richtig scheiße wird. das motiviert mich dann, die gut zwanzigminütige bus- und bahnfahrt doch auf mich zu nehmen.
"okay", sage ich. "ich muss mich nur noch hübsch machen. so in einer stunde, ja?"
"alles klar, ich mach dir schon mal einen tee mit", stellt mir die lederjacke, die eine perverse vorliebe für kamillentee hegt, in aussicht.
"ja, aber bitte earl grey", sage ich.
"sollst du haben. bis gleich!"

als ich bei der lederjacke ankomme, öffnet sie mir in trainingsanzug und mit verwuschelten haaren die türe. so kenne ich die lederjacke, die sonst sehr eitel und etepetete ist sowie laut eigener aussage an einem duschzwang leidet, gar nicht.
"du siehst toll aus", sagt sie zu mir, als ich aus meiner jacke schlüpfe, und zupft an meiner weinroten neuen bluse.
"du nicht", sage ich ehrlich und lache.
die lederjacke zeigt mir den stinkefinger und droht mit einer runde kamillentee.

dann sitzen wir bei der lederjacke im bett, kuscheln und zappen durchs fernsehprogramm.
"was ist denn nun eigentlich los bei dir? du sagtest, du warst diese woche krank?" fragt mich die lederjacke.
"hm", sage ich.
"willst du drüber reden?"
"naja, gibt nicht viel zu sagen. das war so wie in der zeit kurz bevor die depression akut war: tagsüber traurig, nachts angst und schlafproleme. nur diesmal ohne echte schlaflosigkeit, weil die medikamente ja so viel energie schlauchen. trotzdem hab ich viel zu wenig schlaf abbekommen und habe entsprechend mein serotonindefizit noch mal verschlimmert. letzte nacht hab ich erstmals wieder gut geschlafen, 13 stunden lang."
"und sonst?"
"naja, zu viel getrunken hab ich und mir spannende tablettencocktails reingezogen."
"mann!" die lederjacke schlägt mit der faust auf die bettdecke und ich zucke zusammen.
"tschuldigung", sagt die lederjacke, "aber das macht mich so wütend... das ist so scheiße... aber ich weiß ja nicht, wie man das abstellt."
"reg dich ab. ich werde nicht alt so, das ist mir schon klar."
die lederjacke guckt betroffen, sagt nichts und nimmt mich in den arm. dann verkündet sie:
"so! nun aber zum hauptteil des abends... vergnügen und zerstreuung!"
die lederjacke lässt zigaretten, kekse, chips und gummibärchen auf mich niederregnen und schmeißt anschließend einen lustigen film in den dvd-player.

als ich gegen eins von der lederjacke in den club wechsle, ist mir durch und durch warm. das ändert sich schlagartig, als ich den eingang passiere und mit den menschenmengen konfrontiert bin. ich drücke mich eine weile an der garderobe herum und versuche mir einzureden, dass ich gut aussehe und niemand bemerken wird, dass ich in wirklichkeit ein alien bin. ich atme tief ein, dann geht es rein und richtung bar. erstmal ein mädchenbier, so anstatt schnuller. und eine zippe zum festhalten in der anderen hand. na bitte. geht doch.

ich drehe zwei runden und mir begegnen einige bekannte gesichter in der menge. ich lasse mich umarmen, merke, wie das gefühl von fremdartigkeit und anspannung etwas nachlässt. ganz hinten in einer ecke dann entdecke ich das objekt, das sehr in sich gekehrt wirkend eine zigarette dreht. es hat nur einen stehplatz, kann den tabak nirgends ablegen und dreht daher mit einer hand. das ergebnis ist entsprechend krüppelig. das objekt zupft eine weile am papier und versucht den filter noch gerade zu richten, entschließt sich dann aber, dass nicht mehr viel zu retten ist und sucht nach feuer in seinen hosentaschen.

ich schleiche mich an und haue ihm auf den hintern:
"die hätte ja sogar ich besser hingekriegt", sage ich.
"morphine", nuschelt das objekt und will mich umarmen, wobei ihm die krüppelkippe aus dem mund fällt und von vorbeilatschenden füßen zertreten wird.
das objekt guckt bedröppelt.
"das war doch eh nichts richtiges", sage ich.
"nee, hast recht, war nichts richtiges... also diese umarmung, mein ich", lächelt das objekt und nimmt mich noch mal in die arme, drückt mich, bis mir die luft wegbleibt und begrabbelt dann meinen po.
dann versucht es, noch mal eine zigarette zu drehen.
"wirds denn gehen", kommentiere ich das gefummel.
das objekt lässt sich nicht ablenken.
"ich helfe ihnen nachher auch gerne über die straße", biete ich an.
das objekt presst den tabak an seine brust, um eine hand frei zu haben für den stinkefinger, den es mir zeigt. das ist schon der zweite des abends, zähle ich mit, entsprechend muss ich heute doch ganz cool rüberkommen.
"ich erinnere dich an neulich, als du den reißverschluss nicht mehr aufbekommen hast und ich dich aus deiner jacke befreien musste", kontert das objekt. "da wollte ich dir schon anbieten, dass du auch mutti zu mir sagen kannst."
"okay, mutti", erwidere ich und gebe dem objekt einen kuss.

das objekt hat die zigarette endlich fertig, legt den arm um mich und fragt:
"und, wie ist der abend heute für dich?"
"hm, weiß noch nicht."
"doch, das weißt du. eigentlich ist es ein guter abend."
"warum?"
"na guck dir mal die leute an..." das objekt schielt in richtung einer aufgeregt umherwatschelnden frau, die kurzhaarschnitt, eine strenge brille und eine komische handtasche trägt.
"allein wegen der handtasche kann ich dir genau sagen: gebärmaschine."
"naja, das ist eben eine, die sonst nie da ist und für die das hier wahrscheinlich sowas wie der tempel der verheißung ist..."
"das ist so der typ frau, die sucht einfach nur einen, der ihr ein kind macht... heute ist sie hier, nippt an ihrem stillen wasser und tanzt in ihren biederen klamotten wie ein pinguin und morgen erzählt sie dann ihren kolleginnen, boah, am samstag, da hab ich so richtig einen drauf gemacht."
wir kichern beide.
"wir sind fies", sage ich.
"na und", grinst das objekt. "macht doch spaß. über uns tratschen die leute sicher auch. die sagen, da stehen der hippie und die psychotante, die haben sich gesucht und gefunden. da ist das nur fair."

wir stehen herum und nuckeln an den bierflaschen. das objekt hat noch immer den arm um mich gelegt.
"achtung, achtung", stupst mich es mich dann an. "samenspender auf halb acht!"
ich gucke in die beschriebene richtung und sehe einen noch recht jungen typ, format bubi in turnschuhen, der sich der handtaschentussi nähert.
"ooooh... komm", wispert das objekt. "nimm ihn, nimm ihn... der arbeitet bestimmt in ner sparkasse und fährt nen vw kombi und zuhause hat er nen bausparvertrag und ne briefmarkensammlung, die er seit seinem zwölften lebensjahr vergrößert."
ich muss kichern und beobachte, wie die handtaschentussi den bauspartyp ziemlich herablassend abblitzen lässt.
"au, junge, das war schlechte recherche", kommentiert das objekt das geschehen. "die frau ist ein haifisch, da musste anders ran. da musste früher mit dem bausparvertrag wedeln, damit die gleich weiß, das kinderzimmer ist sicher."
ich verschlucke mich vor lachen an meinem bier.
"verstehst du, was ich dir sagen will?" fragt das objekt. "im vergleich zu solchen menschen sind wir so unendlich frei."
"das schon", erwidere ich. "hat aber auch nachteile. wir werden nie wertvolle mitglieder dieser gesellschaft."
"wenn du mal ehrlich bist, willst du das doch gar nicht. und irgendwann wird dich das auch überhaupt nicht mehr interessieren", verspricht mir das objekt. "du bist ne coole frau, du hast unheimlich viel auf dem kasten. du wirst sie alle in die tasche stecken, wenn du dir nur treu bleibst."

das klingt so fest und herzlich und überzeugt, dass ich mich für einen moment vollkommen happy und merkwürdig zweisam fühle. ich habe das bedürfnis, mich richtig anzukuscheln, weiß aber nicht, wie ich das kommunizieren soll und ob das dem objekt dann nicht zu viel wird. also fummele ich unsicher an seinen haaren und kommentiere den schiefen pferdeschwanz, bis das objekt mich offen anschaut, lächelt und dann sagt:
"los, komm her, das willst du doch."
es zieht mich zu sich heran, legt meinen kopf an seiner brust ab, hält mich fest und streichelt sachte meine haare, wangen und nacken. der barkeeper kommt vorbei und macht einen spruch, aber das objekt ignoriert das einfach und streichelt mich weiter.
"schmusekatze", sagt es.
"du musst sagen, wenn dir das zu viel wird, ja?"
das objekt lächelt nur, schüttelt den kopf und wiegt mich beruhigend wie ein kind. ich kann sein herz schlagen fühlen und stelle mich vor, wie dieses herz mein eigenes defibrillieren könnte. liebe ist ein energiespender. man könnte umarmungen verkaufen wie isotonische getränke. interessant, dass es dafür noch keinen markt gibt.

nach einer unendlichkeit lockert das objekt den griff ein wenig, streicht mir die haare aus dem gesicht und fragt leise:
"wie fühlst du dich?"
"das war schön", flüstere ich.
"du bist wie ein trockener schwamm, du brauchst so viel liebe", findet das objekt.
"ich will dich nicht nerven", sage ich. "ich weiß, ich bin zu viel, kein mensch kann das aushalten."
"du siehst das falsch", korrigiert mich das objekt. "was meinst du denn, dass mir das gerade nicht auch etwas gegeben hat?"
ich gucke groß.
"das war doch wunderbar symbiotisch", fährt das objekt fort. "ich hab deinen herzschlag gespürt, das war großartig."
ich weiß nicht, wohin ich gucken soll, nehme den letzten schluck bier aus meiner flasche und flüchte erstmal auf die tanzfläche.
nach einer weile tanzt das objekt neben mir, macht faxen und berührt mich dann und wann, um den zauberfaden, den es gesponnen hat, nicht reißen zu lassen. gegen halb fünf beschließt es, dass ich genug vom abend hatte und besser nach hause sollte, um eine ordentliche mütze schlaf zu bekommen.

draußen stürmt und schneit es. ich werde auf der fahrradstange bis zur bushaltestelle gefahren. dort verabschiedet sich das objekt umständlich und radelt durch den schnee davon.

ich stehe an der haltestelle, spüre die schneeflocken auf meinem gesicht schmelzen und merke, dass ich wirklich da bin, dass ich lebe und dass meine seele nicht wie sonst ein expandierendes vakuum ist. ich denke an das objekt und die lederjacke und die wärme steigt wieder in mir auf, weil es schön ist, dass es diese menschen in meinem leben gibt. diese und noch zwei oder drei andere.

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Samstag, 16. Februar 2013
warum ich single bin
clubbing. ich bin mit dem dritten mann verabredet, der zoff mit der drittefreundin hat und seine neue heimat für ein wochenende verlässt, um in hh ordentlich einen draufzumachen. ich habe dem dritten obdach angeboten, und als wir grinsend voreinander stehen, weiß ich, dass es schwer wird, nein zu sagen.
"ich bin heute nicht dein frustfick, damit das klar ist", positioniere ich mich.
"ich freu mich, dich zu sehen", erwidert der dritte indifferent und drückt und küsst mich.

das objekt ist ebenfalls anwesend. es hat ein sehr junges mädchen im schlepptau. ich erfahre, dass es eine praktikantin ist, die das objekt aus der klinik kennt. ich zähle eins und eins zusammen und spätestens, als das objekt der kleinen gegenüber die frauenverstehermasche auspackt, weiß ich, es kann sich nur um stunden handeln, bis das objekt einlocht.

der dritte ist ein wenig enttäuscht und meint, er hätte schon davon geträumt, dass wir beide heute das objekt mit zu mir nehmen könnten. das klingt verlockend, aber ich weiß, dass die chancen gegen null gehen, wenn ein mädchen anwesend ist, das 10 oder 12 jahre jünger ist als ich. mädchen bis ungefähr 20 sind des objekts besondere vorliebe, weil sie so schön einfach zu knacken sind und das objekt ohne zu hinterfragen anhimmeln.

"bist du immer noch single", fragt mich der dritte.
"ja", sage ich, "und das wird sich auch nicht mehr ändern. ihr männer seid doch alle arschlöcher."
"naja", sagt der dritte. "so 30 bis 40 prozent sind arschlöcher... würde ich sagen..."
"und der rest?"
"der rest sind vollidioten."
"nicht zu vergessen der anteil, der beides ist!"
"du bist ganz schön bitter."
"ich bin realistin."
"es gibt auch nette!"
"so ne wie dich, oder was?"
da schmiegt sich der dritte an meine schulter, aber ich kenne ihn zu gut, um nicht zu wissen, warum er heute abend hier ist.

am ende des abends sitze ich betrunken mit k. auf der einen seite des raums, und auf der anderen sitzen objekt, die praktikanten-tusse und der dritte mann. die körpersprache der drei ist überdeutlich, aber nach der grundsatzdiskussion von vorhin will ich sichergehen und frage nach.
"willst du jetzt heute tatsächlich bei mir pennen?", zupfe ich den dritten am ärmel.
"ja klar", sagt der.
"das sieht aber gerade ganz anders aus", entgegne ich.
"nein, nein", beschwichtigt der dritte, "wenn du gehen willst, pack ich meine sachen und wir brechen auf."
"du musst nicht."
"was denkst du denn von mir?"
"dass du die auch gerne ficken würdest."
"neee... du... das mit meiner freundin ist noch ganz frisch... ich liebe die immer noch... das könnte ich nicht."
"na gut", sage ich, nicht ohne misstrauen.

eine viertelstunde später sitzt das objekt halb beim dritten auf dem schoß und hat den arm um ihn gelegt, den anderen um die praktikantin. k. und ich gucken einander mit hochgezogenen augenbrauen an und harren der dinge, die da kommen werden.
"der schleppt die heute beide ab, das ist eindeutig", sage ich zu k.
"aber der dritte meinte doch vorhin, er käme mit dir mit?"
"ich verwette meinen arsch drauf, dass er das nicht tut. eigentlich weiß er das auch schon, nur dachte er vorhin, er ist besser mal rücksichtsvoll. wäre ja doof, wenn der fick doch nicht klargeht und er noch irgendwo einen schlafplatz braucht."
"du bist ungaublich desillusioniert, weißt du das? du denkst so schlecht von anderen menschen."
"okay, pass auf, ich wette 10 euro mit dir, dass er mit dem objekt und der ische mit will."
"einverstanden." k. schlägt ein.

ein paar minuten später gehen die lichter an und ich hole meinen mantel. abmarschbereit positioniere ich mich vor dem dritten.
da endlich erhebt er sich zerknirscht und meint:
"ich schlafe heute doch beim objekt."
"und das fällt dir jetzt erst ein."
"naja...."
"vergiss es. ich hab das kommen sehen. ihr solltet euch mal sitzen sehen."
dem dritten ist die situation mordspeinlich.
ich winke und sage nur:
"dann fickt schön. und nicht vergessen, gummi benutzen. sonst bist du auch bald vater."
der dritte weiß nicht, wohin gucken, und meint dann nur:
"mann. du weißt immer alles. dir kann man echt nichts vormachen."
"verkauf mich nicht für dumm, mein lieber. ich hab es dir vorhin gesagt: die einen sind arschlöcher, die anderen vollidioten. und beide denken mit dem schwanz. da nehme ich dich nicht aus und das objekt schon dreimal nicht."

dann umarme ich das objekt und wünsche auch ihm fröhliches ficken.
"ich bin mir noch gar nicht sicher, ob da überhaupt was geht", sagt es.
"mir kommen die tränen. guck sie dir an, das ist ne reife pflaume. die ist so weichgespült von deinem gelaber, die musst du nicht mal mehr pflücken, die fällt von alleine."
das objekt guckt irritiert:
"wie du redest."
"ich nenne die dinge beim namen. ich mag es nicht, wenn mir jemand theater vorspielt. und du willst mir ja wohl kaum vormachen, dass du dich in die kleine verliebt hast und dass ihr heute ganz romantisch händehalten und euch allenfalls zart küssen werdet."
das objekt ist verstummt und glotzt mich sprachlos an.
ich klopfe ihm auf die schulter.
"guten schuss", sage ich und ziehe k. mit mir aus dem laden.

draußen auf der straße streckt mir k. einen zehner entgegen.
"hätt ich nicht gedacht, dass du recht behälst", sagt er.
"doch, das war glasklar. ich hätte auch um 50 euro gewettet."
"dann hab ich ja mal glück gehabt, hm?"
"ohja!"
k. bleibt stehen und blickt mich an:
"kann das sein, dass du heute extrem auf krawall gebürstet bist?"
ich halte erstaunt inne.
"du wirkst jedenfalls ultra genervt", sagt k., "gehts dir nicht gut?"
und schwuppdiwupp habe ich tränchen in den augen und fühle mich ertappt.
k. nimmt mich in den arm.
"willst du heute bei mir schlafen? einfach nur zusammen einschlafen und ein bisschen runterkommen?"

das angebot rührt mich und ich muss aufpassen, dass ich nicht losheule. ich verstehe plötzlich meine stimmung und dass die aggression eine komische art von sehnsucht ist, die ich argumentativ noch immer nicht ganz totgekloppt habe: der märchenprinz, der niemals kommen wird, weil die realität nunmal kein gottverdammtes märchen ist.

k., der manchmal ungeheuer hellsichtig ist, ärmelt mich unter, zieht mich über die straße und dann die treppe in seine wohnung hinauf. im bett bin ich immer noch entsetzlich traurig, weil meine beweisführung mal wieder so verdammt gut aufgegangen ist.
"ich hätte mir gewünscht, dass du recht behalten hättest", sage ich zu k., der mich fest umschlungen hält und meinen nacken vorsichtig streichelt.
"ich meine, wie soll ich denn jemals jemandem vertrauen?"
k. kennt die antwort auch nicht, vielleicht stellt er sich dann und wann dieselbe frage. er ist nicht der typ mann, der solche gespräche führt, aber er ist da, warm, groß und wohlriechend, und ich schmiege mich in den kräftigen arm mit der stacheldraht-tätowierung, als könne der die schrecklichen gefühle abwehren.

während k. irgendwann schnarcht, liege ich noch lange wach. ich beobachte, wie das fahle morgenlicht durch die vorhänge kriecht und fühle mich wie der erste mensch, der erkennen musste, dass gott tot ist.

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Donnerstag, 7. Februar 2013
prinzipiell
während der papa in der küche steht und nachtessen macht, sitze ich mit dem objektsohnemann auf papas bett und diskutiere über spiele, die wir beide kennen.

"kannst du schach spielen?" fragt mich der lütte.
"prinzipiell schon, aber ich habe es nur sehr selten gespielt und es ist so lange her, dass man wohl sagen kann, ich bin im schach kein ernstzunehmender gegner."
"kannst du´s denn dann oder nicht", mault der kleine und zieht eine flappe.
"ich kenne so die regeln im groben, aber ich habe nie irgendwelche tricks gelernt."
"also kannst du´s NICHT", trompetet der lütte.
"im prinzip schon, wir könnten es durchaus spielen und für jemanden, der es gar nicht kann, sähe es sicherlich so aus, als könnte ich es, während ein schach-profi wie dein papa sich über meine züge garantiert kaputtlachen würde."

der sohnemann guckt, als hätte ich komplexe algebra-formeln von mir gegeben. dann wird es ihm offenbar zu dumm und er holt ein kartenspiel aus dem regal.
"kannst du das?" fragt er mich total genervt wie ein lehrer, der seinem zurückgebliebenen, faulen schüler eine letzte chance gibt.
ich muss schmunzeln und gucke auf die karten, uno, das habe ich auch schon sicherlich 18 jahre nicht mehr gespielt, doch ich glaube mich erinnern zu können, dass es im vergleich zu schach pipieinfach ist. ich nicke also und der sohnemann seufzt erleichtert, weil die abendgestaltung nun gerettet ist.

beim mischen fallen ihm die karten aus der hand und - angespannt vor hunger und müdigkeit nach einem langen tag - flippt er kurz aus und hat auch gleich tränen in den augen. ich ziehe das sich sträubende kind, das vom toben draußen noch nach frischer luft duftet, an mich heran und knuddle es, bis es sich beruhigt und mir die karten zum mischen gibt. ich kenne einen mischtrick, mit dem sich die karten in wenigen sekunden mischen lassen, und der sohnemann guckt fasziniert. dann gebe ich die karten aus.
"wie viele", frage ich.
"10", sagt der kleine, und als wir dann jeder zehn haben, "15!".
ich seufze und gebe noch jeweils fünf karten drauf.
dann geht es los. ich erinnere mich sofort: farbe auf farbe, oder zahl auf zahl und bei der letzten karte muss man "uno" sagen, sonst muss man neue vom stapel aufnehmen.

dann halte ich eine karte mit pfeilen in der hand und bin unsicher, was sie bedeutet.
"was bedeuten die pfeile?" frage ich.
"richtungswechsel", sagt der kleine, schon wieder genervt.
"also bin ich, wenn wir zu zweit spielen, noch mal dran, richtig?"
"jaaaaaaaaaa...."
ich spiele weiter und sage dann:
"ich hatte jetzt gedacht, das wäre die karte, mit der man die farbe ändern kann."
"nein!" der sohnemann lässt die karten sinken und sagt dann enttäuscht:
"du kannst das auch nicht richtig spielen!"
"doch, kann ich."
"nein, kannst du nicht! höchstens so... prinzipiell! aber nicht richtig!"
ich muss grinsen, weil ich es immer extrem süß finde, wenn der kleine meinen wortschatz adaptiert und ihn dann halbrichtig einsetzt.
"lass uns das zu ende machen und dann spielen wir revanche und dann verspreche ich dir, habe ich mich an alles erinnert und mach dich ratzfatz platt", schlage ich vor, aber plattgemacht werden will der objektsohnemann erst recht nicht, also verzieht er sich in die ecke des bettes, zieht die bettdecke bis zu den ohren hinauf und ist gnatschig, bis ich mein iphone aus der tasche ziehe und wir mein handy-spiel spielen, das der kleine so liebt.

als der papa ins zimmer kommt, sitzen wir einträchtig und aneinandergekuschelt im bett. das objekt lächelt und holt uns in die küche. es gibt einmal fleisch und einmal vegetarisch für mich.
"das hättest du nicht extra machen müssen", sage ich zum objekt.
"aber du magst doch kein fleisch, du bist doch vegetarierin."
"aber das ist hühnchen, das ess ich."
das objekt lässt verblüfft die gabel sinken und fragt dann:
"aber hühnchen ist doch fleisch?"
"naja, für mich eher nicht."
da mischt sich der objektsohnemann ein und meint:
"also isst sie kein fleisch, nur prinzipiell!
"hühnchen ess ich", verbessere ich. "ich weiß auch nicht, das ist für mich wie... wie eine pflanze."
"aber nur im prinzip!" schiebt der objektsohnemann noch mal nach. "weil eigentlich ist es keine pflanze."

das objekt guckt groß und verständnislos zwischen mir und dem sohnemann hin und her, bis ich mit den lippen lautlos "neues wort" forme und das objekt damit erleuchte.
dann essen wir zu ende. als ich die teller in die spüle stelle, huscht das objekt zum kühlschrank und verkündet:
"ich hab euch eine überraschung mitgebracht!"
der objektsohnemann kriegt glänzende augen und fragt:
"was denn?"
"ich hab nachtisch gekauft", sagt das objekt geheimnisvoll und hält die kühlschranktür zu.
"was denn, was denn", springt der kleine an seinem papa hoch.
"es gibt pudding mit sahne", verkündet das objekt da.
"oohhhh", sagt der sohnemann und setzt sich gleich wieder an den tisch.

"welche sorte willst du, vanille oder erdbeere?" fragt das objekt den kleinen.
da zieht der kleine wieder flappe und nuschelt enttäuscht:
"schoko, aber im prinzip vanille."
das objekt zieht die augenbrauen hoch. da es keinen schokopudding hat, stellt es den vanillepudding vor dem lütten auf den tisch und erdbeere an meinen platz.
"nein!" ruft der kleine da, "ich will keinen doofen vanillepudding!"
"du kannst auch erdbeere haben", sage ich, "ich brauche keinen pudding, ich bin sowieso satt."
"nein! ich will gar keinen pudding."
das objekt ist genervt, beherrscht sich aber und fragt dann ruhig nach:
"pass mal auf, aber du hast doch vorhin gesagt, du möchtest vanille?"
"ja!" weint der kleine jetzt lauthals, "aber doch nur im prinzip."

das objekt schaut etwas ratlos zu mir. ich versuche zu dolmetschen:
"ich denke, er meint, er mag am liebsten schoko, aber grundsätzlich auch vanille, nur heute nicht. stimmt das so?" stupse ich den kleinen an.
der nickt wild und schnieft.
"meine güte", seufzt das objekt. "und deshalb musst du jetzt heulen."
"jawohl!" braust der kleine wieder auf, "weil du verstehst gar nix!"

ich gucke zum objekt. an seiner stelle wäre ich spätestens jetzt ausgerastet. doch das objekt bleibt noch immer ruhig, denkt nach und fragt dann den kleinen, der noch immer schluchzt:
"kann das sein, dass du einfach nur müde bist?"
"nein!" schreit der sohnemann. "ich bin gar nicht müde!"
"doch", erwidert der papa fest. "im prinzip bist du sogar furchtbar müde und machst hier deswegen so ein theater. das finde ich scheiße, weil ich hab nämlich lieben besuch."
endlich, endlich beruhigt sich der kleine und gibt zu, dass er im prinzip doch ein kleines bisschen sehr müde sei, ganz prinzipiell zwar nur, aber prinzipiell genug, um sich vom papa über dessen breite schulter werfen und hinüber ins bett tragen zu lassen.

kaum, dass der kleine die matratze berührt, schläft er auch schon. das objekt macht ein kleines licht an, das den raum sanft und heimelig erleuchtet, weil der sohnemann nicht im dunkeln schlafen mag. dann schleichen wir zurück in die küche und rauchen und reden, bis ich sage, dass ich im prinzip ebenfalls müde sei und daher nach hause fahren würde. das objekt bietet mir an, dass ich doch im prinzip bleiben könne, aber ich weiß aus erfahrung, dass ein 1,60-m-bett für drei personen prinzipiell verdammt klein ist. außerdem strampelt und redet der kleine - ganz der vater - im schlaf, weshalb ich mich ständig erschrecke und aufwache. daher beschließe ich, nicht nur prinzipiell, sondern ganz praktisch und mit sofortiger wirkung nach hause zu radeln.

an der tür hält mich das objekt noch lange fest und sagt nachdenklich:
"manchmal macht mir der kleine angst, weil er genauso ist, wie ich als kind war: so wahnsinnig schnell verletzt und beleidigt, und immer hat er gleich den eindruck, dass er nicht verstanden wird."
"aber du machst das doch sehr gut", finde ich. "du bist so unheimlich geduldig und liebevoll. ich wäre da längst ausgeflippt."
"naja, ich will ja nicht die mittel meines vaters anwenden."
so viel andeutung liegt in diesem satz, dass ich innehalten und nachdenken muss, ob ich fragen kann oder darf, bis das objekt dann von selber sagt:
"die faust, meine ich, das war das mittel meines vaters."
da nehme ich das objekt noch mal fester in arme und küsse seine wange und schweige, weil es nichts zu sagen gibt.

schließlich fahre ich nach hause, satt, zufrieden, aber innerlich so bewegt, dass ich lange nicht einschlafen kann.

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Samstag, 2. Februar 2013
immer auf die fresse
anruf von der lederjacke.
"gehst du heute weg?"
"hmhmhm. mal gucken, ich bin eigentlich krank."
"ach komm, nur ein stündchen."
"na gut. aber keine besäufnisse, ja?"
"klar. ich war sowieso gestern schon saufen. ich war in vier kneipen und wollte eigentlich nur ein bisschen in ruhe musik hören. aber die leute waren so aggro!"
"haste dich wieder geprügelt? muss ich dir wieder mit nem strafbefehl helfen?"
"nee, nee. aber weißt du, war so ein typ... ich sitz da ganz friedlich mit meinem bier, er rempelt mich an und meint dann zu mir, ey, wenn ich gleich von der toilette wieder komme, bist du aber weg."
"hä?! spinnt der?"
"die waren da alle total auf krawall gebürstet! langsam hab ich echt keinen bock mehr auf kiez."
"war dann noch was mit dem typ?"
"ich hab dann gesagt, ob er ein problem hat und ob wir das draußen klären sollen. da hat er den schwanz eingezogen."

ich stelle mir die lederjacke vor, wie sie tief einatmet und die brust und schultern breit macht, wie immer, wenn ihr jemand dumm kommt. obwohl sie eher die kategorie leichtgewichtboxer ist, kann sie ziemlich fest zuschlagen und ist zugleich sehr wendig und schnell.
"na gut, dann trage ich heute dafür sorge, dass dir nix passiert. also dass dir keiner krumm kommt und du niemanden die fresse einschlagen wirst."
"ich will mich einfach mit freundlichen menschen umgeben, dann passiert das ja auch nicht."
"ich bin ein super katalysator."
"prima. ich empfehle dich dann bei der un, als friedensbotschafterin."
"dazu ist mein englisch zu schlecht. aber sonst kannste mir gern nen job besorgen."
"ich guck mal. ich bin ja jetzt erstmal in trockenen tüchern. behörden sind schon sehr okay."
"ja, bitte, ich will auch gleitzeit und 13. monatsgehalt!"
die lederjacke lacht.
"holst du mich ab? und bringst du was zu trinken mit?"
"ich hab keinen hard stuff mehr hier."
"bier ist okay."
"ich schau mal, was ich machen kann.
"dann bis nachher!"

gegen mitternacht trudle ich bei der lederjacke in der neuen altonaer wg ein. ich habe zwei bier im gepäck und werde freudig begrüßt. dann inspiziere ich die wohnung.
"sag mal... was ist das denn für ein fußboden?"
"ja, eigentlich gar keiner. wir haben den einfach mit farbe lackiert."
"das sieht gewöhnungsbedürftig aus."
"ist es auch. um ehrlich zu sein, will ich hier wieder ausziehen. deshalb fragte ich ja wegen dem zusammenziehen."
"du wohnst gerade mal vier wochen hier, willst du der sache nicht noch eine chance geben? wenn man da ein bisschen was macht... boden, türen... dann wird das doch ganz gemütlich."
"nee, ich glaube, das ist bei mir was grundsätzliches... ich komme auch mit dem schnitt der wohnung und der enge nicht klar. außerdem hätte ich gerne eine badewanne."
"der herr hat aber ansprüche. jetzt brauchst du erstmal ein paar tausend euro für deinen studienkredit, mein freund, bevor du von badewannen träumen kannst. wenn du erstmal aufgestiegen bist in deiner behörde da, lass ich dir gerne auch ein jacuzzi in unseren zukünftigen palast einbauen!"

die lederjacke lacht, guckt aber dann zerknirscht.
"ich weiß auch gar nicht, ob ich den job so ewig machen will."
"mensch, jetzt freu dich doch mal! du hast ein ordentliches gehalt und super perspektiven da!"
"es ist aber anstrengend."
dann erzählt die lederjacke von den sozialfällen. von hartz-IV-empfängern mit schicken wohnungen, benz vor der tür und iphone 5 auf dem tisch. und von vielen misshandelten und missbrauchten kindern.
"bei denen geht es echt ums nackte überleben, teilweise. und du kannst so wenig machen mit der ganzen scheißbürokratie. und wenn ein kind stirbt, ist wieder die behörde schuld."
"dir geht das nah, hm?"
"klar! ich bin ja nicht aus stein."
"ich fürchte, das musst du dir abgewöhnen. ich darf auch nicht drüber nachdenken, was wir mit unseren pr-aktionen so auslösen."
"da stirbt aber keiner."
"sag das nicht. neulich sollte ich eine übergewichtige frau mit blutdruckproblemen für eine schönheitsop im fernsehen verwursten. die leute machen ja fast alles, wenn sie irgendwie kohle sparen können und die tante wäre auch echt ideal gewesen. ich hab sie aber dann sehr deutlich auf die risiken hingewiesen, so deutlich, bis sie einen rückzieher gemacht hat. andere hätten die in den op geschickt und, wenn sie abgenippelt wäre, noch ordentlich mit der kamera draufgehalten."
"siehst du, du hast auch ein gewissen!"
"na klar."
die lederjacke grinst schadenfroh:
"das musst du dir dringend abgewöhnen!"
"jawoll, herr behördenaufseher, das nächste mal drehen wir sexy cora reloaded!"

die haustür geht auf und herein kommt die mitbewohnerin, eine hübsche blonde frau.
"na, arbeit aus?" fragt die lederjacke.
die junge frau nickt erschöpft.
"war aber gut heute."
sie lächelt mir freundlich zu und verschwindet dann im schlafzimmer.
"was arbeitet sie denn so spät?"
"die ist schauspielerin. die macht theater."
"oh, cool. und davon kann sie leben?"
"die ist ganz gut."
"das heißt ja nix."

wir trinken das bier aus, und die lederjacke schlüpft in ein schickes schwarzes jacket und stoffhosen.
"du bist aber elegant."
"du vergisst, ich repräsentiere die gewalt der stempel!"
"ich erinnere dich daran, wenn wir später den weg zurücktorkeln."
die lederjacke grinst, ärmelt mich unter und schubst mich in den hausflur.

vorm club entdecke ich als erstes das objekt-fahrrad. gut, dass ich heute die hübsche lederjacke an meiner seite habe, denke ich.
drinnen stoße ich auch gleich mit dem objekt zusammen. es umarmt mich, benebelt mich mit seinem frisch-gebadet-kindershampoo-duft und sagt dann nur:
"komm erst mal an."
das klingt nach gesprächsbereitschaft, finde ich, beschließe dann jedoch, heute mal das objekt mit objektwaffen zu schlagen und meine priorität ausnahmslos auf die lederjacke zu richten.

ich war seit wochen nicht mehr im club und fühle mich fremd und depressionsunsicher. tanzen klappt nicht. ich klebe an der seite der lederjacke und lasse mich sanft alkoholisieren. gegen sechs uhr morgens sind wir hell- und mittelblau und beschließen aufzubrechen.
ich sehe mich nach dem objekt um, wenigstens tschüß sagen will ich ihm, aber es ist bereits nach hause gefahren.

die lederjacke zieht mich ganz selbstverständlich zu sich mit nach hause.
"ich bin aber erkältet", wage ich einzuwenden.
"na und?" lallt die lederjacke. "wennich krank werde, kann ich zuhause bleibn."
"na dann sollten wir knutschen", schlage ich vor.
da küsst mich die lederjacke sehr sanft.

als wir vor der haustür der lederjacke stehen, sind wir dort nicht alleine. ein langhaariger metalfreak versucht sich bereits schwankend und fluchend am haustürschloss.
"sollch dir ma helfn", bietet die lederjacke bereitwillig an und winkt mit dem schlüssel.
"oooooooch... daswä sssssso nett voneuch!" der typ sinkt gegen die wand und geht in die knie.
die lederjacke versucht sich derweil als türöffner, scheitert aber ebenso.
"scheißßßßßßße, dasis voll finsta hier!"
irgendwann, kurz bevor uns allen der kältetod droht, schnappe ich der lederjacke den schlüssel aus der hand, manöriere ihn sicher ins schloss und schließe auf.
"oooooccch... danke! dassssis toll!" beim klacken der tür ist auch der metalfreak wieder zum leben erwacht.

gemeinsam stolpern wir die treppen hinauf.
"ichab euch noch nie... geseenn", sagt der metalfreak und hält sich am treppengeländer fest. "wohhtihr auch hier?"
"ja", sagt die lederjacke und vergisst, dass ich aber nicht hier wohne.
"ich nicht", wende ich ein.
"ichwohnnnn... im vieatn stock", lallt der metaltyp.
"wirau", nickt die lederjacke.
"echtez? krass..."
dann stehen wir im dritten stock und ich kann das lederjacken-mitbewohnerinnen-klingelschild lesen.
"achneee... wirwohn jadoch im drittn", erinnert sich die lederjacke.
"jaaaaa... dannn...", der metalfreak will die hand zum gruß erheben, lässt sie dann aber doch lieber am geländer.
"dnnn... schlaf ma gut, ihr süßn."
"ciaociao", winkt die lederjacke nonchalant.

als wir in der lederjacken-wg stehen, hören wir den typ über uns poltern.
"achdu scheißßßße", nuschelt die lederjacke und grinst.
"mann, war der voll", stimme ich zu.
"warer gestern auch schon. und vorgestern. der sagt auimmer, ichab dich noch nnie... hier gesehn, wenn wir zusamm heimkommn", kichert die lederjacke.
"ist nicht wahr!"
"dohoch."
"krass. wie alt der wohl ist?"
"studnnt."
"was?"
"student! deris... student!"
"na, das hab ich mir gedacht. das kann er ja nicht bringen, würde er arbeiten."

dann liegen wir aneinandergekuschelt im bett der lederjacke. die lederjacke streichelt meinen rücken und schiebt dann eine warme hand unter mein t-shirt.
zwei minuten später sind allerdings schon die ersten alkoholisierten schnarcher zu vernehmen. das war ja klar. also rolle ich mich ein, küsse die schlummernde lederjacke sachte auf die stirn und schließe selbst die augen. ich atme den lieblichen lederjacken-duft und bin in nullkommanix im land der träume.

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Samstag, 19. Januar 2013
reich und unsexy
die auftragslage explodiert. gleichzeitig zum stress im büro häufen sich plötzlich die anfragen. hier eine filmkritik, dort ein sponsoring-kampagne und ganz nebenbei bringt der architekt eine möbellinie heraus und hat mich als marketingbeauftragte erwählt.

arbeiten am wochenende finde ich immer ein bisschen traurig. aber es muss ja. und die möbelgeschichte ist mit jeder menge angenehmer meetings in teueren restaurants verbunden. da sitze ich dann mit anzugträgern im meinem kapuzenpulli und den kampfstiefeln und scheiße klug. meine authentizität kommt gut an. es stimmt nicht, was man(n) mir einst prophezeite: dass alles vom richtigen outfit abhängt. hier zählen inhalte, und inhalte kann ich. ich muss mich nicht verkleiden und verleugnen.

ganz nebenbei habe ich tatsächlich mal ein bisschen geld beisammen und kaufe ein paar einrichtungsgegenstände für meine karge wohnung.
"na du geschäftsfrau", begrüßt mich das objekt, das verdammt stolz und natürlich auch ein bisschen neidisch ist, weil ich wegen der möbelkampagne viel mit seinem erzfeind zusammenhänge.
dafür habe ich an den herzenswunsch des objekts gedacht und ihm einen mp3-player gekauft. beim überreichen verstummt das objekt, wird blass und rot und kriegt zunächst kein danke heraus. doch dann umarmt es mich ganz fest und stottert:
"du... du bist so ein toller mensch. sowas hab ich mir schon so lange gewünscht. aber es ist mir peinlich, dass du dich wegen mir in unkosten stürzst."
"du bist es mir wert. du weißt, du bist der mensch, der mir hier am nächsten steht und obwohl wir in keiner klassischen beziehung sind, hast du all meinen exlovern längst den rang abgelaufen."
das objekt ist noch immer verlegen.
"ich weiß gar nicht, was ich sagen soll... ich habe das gefühl, das ich das gar nicht verdient habe... und es tut mir so leid, dass ich so ein schlechter danke-sager bin."
"aber du freust dich doch, das sehe ich."
"ja, und wie!" die augen des objekts leuchten wie die seines lütten, wenn er mit mir am computer spielen darf oder wir etwas aufregendes unternehmen.

das einzige, was mich tierisch nervt, ist die ständige immense müdigkeit. sie schlägt auch auf die libido. anfassen verboten. alle prozesse sind derzeit geistiger natur und manchmal seelischer. kreischgeburten, nennt das objekt das, und mahnt mich, meine kinder lieb zu haben, damit sie sich nicht eines tages wieder gegen mich wenden.

die psychopharmaka helfen dabei, mich zu strukturieren und den herausforderungen einigermaßen angstfrei zu begegnen. mein psychologe ist mir hingegen immer weniger eine unterstützung. ich will die handlungsebene erreichen, konkrete hilfestellungen für den alltag, aber mehr als ein "da müssen sie schauen, wie sie das machen" kommt bei den antworten auf meine fragen nicht heraus. ich bin schlecht darin, mir zauberformeln zu basteln, die mich vor dem großen absturz bewahren, die verhindern könnten, mich in drogen und alkohol zu ertränken. und ich finde nicht, dass das objekt das immer alles übernehmen muss, während ein anderer dafür bezahlt wird, der aber nur stories über meine familie und meine kindheit hören will.

dennoch, ich bin gespannt. es liegt ein elektrisches summen in der luft, wie man es in der nähe von strommasten manchmal hören kann. es könnte tatsächlich etwas passieren...

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Mittwoch, 16. Januar 2013
es bewegt sich
ich bin eine hoffnungsvolle romantikerin und illusionistin, hab ich neulich auch dem ziwo geschrieben. illusionisten kriechen ziemlich langsam durchs leben und ähneln überhaupt nacktschnecken, denen ab und an einer auf den schwanz tritt. wir leben eher so zusammengekrümmt und mit fühlern eingezogen und erwarten von oben dunkle, dreckige schuhsohlen, aber nichts gutes. einfach, weil man als nacktschnecke ziemlich oft unangenehme begegnungen mit schuhsohlen hat. das liegt in der natur der sache.

just als ich neulich so nacktschneckig vor meinem pc saß und hoffnungslos bring-eh-nüscht-bewerbungen tippte, klingelte mein handy. am anderen ende der leitung war eine große agentur, die mich nun kennen lernen will.

na bitte. geht doch. ab und an funzelt auch mal einer einer nacktschnecke mit dem hoffnungsflutlicht vor die fühler.

natürlich hab ich mir sofort jegliche freude verboten. weil es wieder eine kack-agentur ist. und weil freude zum träumen anregt und träumen zum illusionieren und illusionen letzten endes bewirken, dass nichts so sein wird wie ich es mir wünsche und ich dann wieder wo rumsitze und an selbstmord denke.

aber eine flasche sekt gekauft hab ich trotzdem. und spontan jemanden eingeladen, der mir nette, unverbindliche und unromantische gesellschaft leistete. denn freude muss man rasch teilen und kleinsaufen. wegen der illusionsgefahr.

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Sonntag, 13. Januar 2013
rückwärtsrolle
nach einer beschissenen woche plingen samstags smsen auf meinem handy und kündigen mir partylaunige freunde an. nach sehr zurückhaltendem ausgehverhalten in den letzten wochen komme ich endlich wieder in feier-stimmung, schwinge mich in meine guten klamotten, schnüre die kampfstiefel und mache mich auf.

der türsteher winkt mich durch, an der bar bekomme ich einen kurzen spendiert und bestelle gleich noch einen cocktail hinterher. dann fallen mir meine freundin h. und meine neue bekannte j. um den hals. danach kommt k. auf mich zu und drückt mir einen kuss auf die wange. wir strahlen uns an und ich weiß: heute wird ein guter abend. ein k.-abend.

in der ecke im raucherraum sitzt das objekt, mit nassen haaren und sehr glasigem blick. es ist alleine und vollgedröhnt bis obenhin. es schlingt die arme um mich und presst seinen unterleib an meinen.
"du hast ganz nasse haare", sage ich.
"ich bin gerade durch den schnee geradelt, das war sooooo schön", nuschelt das objekt benommen und hält sich dabei an mir fest, weil es kaum mehr aufrecht stehen kann.
"was hast du denn gemacht", frage ich beunruhigt.
"ich hatte heute frei."
"das heißt, du hast den ganzen tag damit verbracht, dich wegzumachen."
das objekt spürt den vorwurf, zieht eine babyschnute und lallt:
"frau lehrerin, entschuldigung. aber ist mir gerade scheißegal."
ich hole aus und scheuere dem objekt eine, dass es klatscht.
es lächelt selig und sagt dann:
"du sieht so hübsch aus heute abend."

ich bin besorgt. so stoned habe ich das objekt seit monaten nicht mehr erlebt. ich bin mir sicher, dass es nicht nur gekifft und getrunken, sondern auch irgendwelche anderen downer eingeworfen hat.
auch k. hält deshalb abstand zum objekt.
"der rallt doch heute gar nix mehr", sagt k. kurz, als ich ihn darauf anspreche.

ich verbringe die nächste zeit mit h., j. und k.
h. lernt an der bar einen typen kennen. er hat sehr lange, fettige haare und ist extrem übergewichtig. es stellt sich raus, dass er ein blind date hat und auf irgendeine tusse wartet, die offenbar nicht kommt. h., die freundlich zu jedermann ist, fragt dies und jenes, bis der typ wissen will, wie alt sie ist.
"29", sagt h.
"aber du siehst aus wie mitte 30", haut der typ da raus. "das kommt bestimmt vom rauchen bei dir."
h., die mäßig raucht und keinen tag älter als 29 aussieht, guckt mich entsetzt an.
"na hör mal, das kannst du aber nicht einfach zu einer fremden frau sagen", sage ich zu dem typen.
"warum nicht", fragt der.
arschlochalarm, verstehe ich. trotzdem bleibe ich noch halbwegs didaktisch, als ich ihm erkläre:
"weil du doch auch nicht möchtest, dass jemand zu dir sagt, du siehst aus als wenn du zu oft bei burger king isst."
damit habe ich einen volltreffer gelandet. der typ ist tödlich beleidigt, vor allem, weil h. neben mir vor lachen zusammenbricht.

wir machen, dass wir wegkommen.
"wo ist eigentlich j. abgeblieben", wundert sich h.
"weiß nicht, hab die schon lange nicht mehr gesehen."
"hoffentlich ist nichts passiert, die hat heute ganz schön viel getrunken."
"was soll der denn passieren?"
"wenn sie getrunken hat, wirft sie sich immer irgendeinem typen an den hals", erläutert h.
"oha."
"ich geh sie mal suchen."
"denn bis nachher!"

als ich richtung couch steuere, begegne ich einem quietschfidelen objekt. offenbar hat die dröhnung nachgelassen, sodass es nun sehr ausgeglichen und wieder ansprechbar ist.
es strahlt mich an und küsst mich.
"du pheromonschleuder", sage ich mit weichen knien und wehre mich ein bisschen, während mich das objekt fester an sich zieht.
dann setzt es sich mit mir in die ecke, lümmelt sich lässig in den kissen und verschränkt die beine zum schneidersitz. die gesamte objektkörpersprache formiert sich zu einer einzigen einladung: fick mich. das objekt ahnt, was ich denke und grinst sich einen.
"hast du feuer", schnurrt es und streckt sich mit zippe zwischen den lippen zu mir herüber. als ich über die flamme meines feuerzeuges schiele, sehe ich zum glück k. auf uns zukommen. er setzt sich zwischen uns und entschärft die situation.

und plötzlich entdecke ich j. sie sitzt zusammengesunken auf einem barhocker, hat den kopf auf den tresen gelegt und schläft. ich gehe zu ihr, streiche ihr die haare aus dem gesicht und rüttle sie sanft. mehr als ein schnorcheln bewirke ich damit allerdings nicht.
ich hole h., die ebenfalls ratlos ist.
"was machen wir jetzt mit j.?"
"ich rufe ein taxi", entscheidet h. "die wohnt ja nicht so weit. aber ich muss sie bringen, die schafft es so nicht bis in die wohnung."
"warum hat sie sich denn so weggeschossen?"
"keine ahnung. das kenne ich gar nicht von ihr, sowas macht sie eigentlich nicht."
"schaffst du das oder soll ich mitkommen?"
"ach, das geht schon. bleib du nur."

ich gehe zurück zu k., der mir noch einen tequila spendiert. der knallt ordentlich rein und mir wird schummrig.
den rest des abends verbringe ich neben k. auf der couch, sage keinen ton mehr und kämpfe gegen die aufsteigende übelkeit.
"willst du nachher bei mir bleiben", fragt k.
"wenn du nichts dagegen hast, dass wir nicht ficken."
"ach quatsch. wir schlafen einfach. ich hab sowieso nen ganz schlimmen schädel."
"na dann ist ja alles super. das ist ja fast wie: schatz, ich hab migräne."
k. grinst und legt den arm um mich.
"na ihr turteltäubchen", sagt das objekt, das uns beobachtet. "schleppt ihr euch heute noch gegenseitig ab?"
"nee, ich schlüpf nur unter", sage ich. "mir ist schlecht."
"lass uns doch rausgehen", schlägt k. vor, "der abend ist sowieso gleich zu ende."

während k. meine jacke holt, stehe ich in der eccke und versuche, mich nicht zu übergeben. das objekt steht bei mir und guckt besorgt.
dann geht es raus in die kälte. die eisige luft wirkt wie ein faustschlag, ich fühle mich plötzlich maximal betrunken und merke, wie die knie nachgeben. objekt und k. fangen mich auf.
als ich wieder stehe, wird mir noch übler. ich klammere mich an die absperrung, und während k. aus der potenziellen kotz-zone geht, hält mich das objekt und sagt:
"tief durchatmen, morphine, ganz ruhig und tief. gleich wirds besser."
nach ein paar minuten habe ich mich wieder gefangen, nicht gekotzt und gehe ich kleinen trippelschritten zwischen k. und dem objekt untergeärmelt die straße entlang, bis wir bei k. sind. dort falle ich angezogen aufs bett und bin fast augenblicklich weg. im halbschlaf merke ich noch, wie mich k. in die arme nimmt. es stellt sich das tiefe gefühl von zufriedenheit und geborgenheit ein, und ich sinke tiefer in den schlund meiner träume.

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Dienstag, 8. Januar 2013
zusammen ist man weniger alleine
objektanruf.
"warum gings dir am samstag so mies?" will das objekt wissen.
"ich suche immer noch erfolgslos neue jobs."
"absage gekriegt?"
"nee, die blöden wichser machen sich nicht mal die mühe, auf meine nachfragen zu antworten. wahrscheinlich müsste ich mich da mit pumpgun vor deren schreibtischen positionieren und brüllen: UND? WAS IS NU? MACHS MAUL AUF ODER ICH PUSTE DEINEN SCHEIßMAC VOM TISCH, DU ARROGANTER MEDIENWICHSER!"
das objekt kichert.
"gleichzeitig hab ich versucht, mit meiner chefin zu reden und ihr zu sagen, dass ich so unstrukturiert nicht mehr arbeiten kann. es werden ja ständig mehr aufgaben. sie hat überhaupt nicht zugehört und wollte nur wissen, ob ich alle projekte erfolgreich am laufen habe."
das objekt kichert nicht mehr.
"scheiße."
"ja, voll scheiße!"

dann schweigen wir beide eine weile, bis ich frage, wie es dem objekt eigentlich gerade geht.
"nunja, ich arbeite viel und habe oft den kleinen. und suche immer noch eine wohnung."
"das wird in dem leben nix mehr", sage ich schroff, realistin, die ich bin.
"danke für die motivation", ist das objekt ein wenig angefressen. "ich weiß schon, dass ich höchstens in einer wg noch eine chance habe."
"dann zieh doch mit deiner sogenannten freundin zusammen. oder willste nicht, weil du dann noch unfreier bist?"
"nee, aber... ich weiß nicht. eher nicht."
"aber dein zimmerlein ist doch nicht so übel."
"nein, nein, das ist es auch nicht. aber dann bin ich bei dir und du wohnst hier so schön und friedlich... so nah am stadtpark... und im sommer, sagst du immer, gehst du in der alster nebenan schwimmen... das finde ich toll."
"kannst ja hier einziehen", sage ich spöttisch. "kurzer arbeitsweg, kinderfreundliche umgebung, gute verkehrsanbindung und internet ist auch schon da."

das objekt druckst ein wenig herum und meint dann:
"ich könnte mir das mit dir sogar vorstellen."
mir klappt der mund auf und wieder zu. als ich mich ein wenig gesammelt habe, frage ich:
"wie meinst du das denn nun?"
"naja, ich hab da halt mal drüber nachgedacht. so übergangsweise könnte man hier doch gut zusammenwohnen. du hast mich außerdem mal gefragt, wenn du die stadt verlassen würdest, ob ich dann deine wohnung will. und das angebot würde ich nicht ausschlagen."
"ich werde die stadt voraussichtlich nicht so schnell verlassen, da musst du dich schon noch ein wenig gedulden", blaffe ich.
"na los, zieh aus", neckt mich das objekt.
"opportunistenschwein", erwidere ich.

erneutes schweigen, dann setzt das objekt wieder an:
"mal ehrlich, morphine. eigentlich täte dir das doch auch gut, wenn du nicht immer so allein wärst."
"dir ist das tatsächlich ernst", frage ich.
"ja klar, warum denn nicht? wenn ich so drüber nachdenke, fällt mir nicht wirklich was ein, was ernsthaft dagegen spricht."
"für drei leute ist die wohnung zu klein", denke ich an den objektsohnemann.
"das könnte man schon irgendwie regeln. dann ist er halt mal eine zeitlang nur zwei tage die woche bei mir."
"du bist unordentlich und unzuverlässig."
"ich würde mir aber ganz viel mühe geben!"

bevor das objekt anbieten kann, dass es mir jeden abend die muschi lecken würde, sage ich schnell:
"naja, also probeweise könnte man das mal versuchen. für zwei wochen oder so. aber dann müssten wir uns eine größere wohnung zusammen nehmen. ich hab schon mal auf zwei zimmern gewohnt mit jemanden, das war schrecklich. obwohl du mir wahrscheinlich nicht so auf die nerven fällst."
"ja, drei zimmer müssten das auf jeden fall sein. oder vier, dann hätte der kleine sein reich und du dein büro."
"ist halt eine kostenfrage. also die einlage bei meiner genossenschaft würde ich natürlich übernehmen, ist ja auch eine super kapitalanlage. aber deinen mietanteil müsstest du voll bestreiten, da bin ich echt keine mutter theresa."
"ich kann so viel zahlen wie du", rechnet das objekt. "das wären also so 650 euro kalt, vielleicht 700."
"drei zimmer", sage ich, "mehr werden das nicht. warm würde ich gerne unter 850 bleiben."
"du, für mich wäre das ein lichtblick, so wie jetzt oder in einer größeren wohnung. und wir mögen uns doch!"
"vor allem, wenn du dann deinen weiberbesuch anschleppst."
"ach morphine, jetzt tu mal nicht so, als würdest du wie eine nonne leben!"
"na gut. lass uns das mal besprechen, wenn es akut wird."
"ja. aber nicht unter den teppich kehren!"
"dafür sorgst du schon, ich kenn dich."
"dann hab einen wundervollen, friedlichen abend, liebste morphine."
"tschüß du schleimer."

was sagt man dazu? ich finde die idee ganz fürchterlich. mein alter ego ist allerdings gerade dabei, sich ein wenig darin zu verlieben. das leben, ein traum.

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