Mittwoch, 4. Dezember 2013
fraktum
wir warten auf den großen sturm. und wenner kommt? dann laufen wir davon! oder schwimmen, wahlweise. gut, dass ich im dachgeschoss wohne.

***

aus kosten- und eitelkeitsgründen trage ich sommerschuhe auch winters. mit dicker sohle. lammfell, kuschlig. doch neulich fehlten morgens, als ich auf dem sprung zur arbeit war und in die schuhe steigen will, die dinger. unauffindbar. ich fror zwei tage lang, dann entdeckte ich die sohlen beim putzen. hinter dem vorhang. im katzenversteck.

tja. nachdem die katze auch gerne meine getragenen höschen klaut, hätte ich mir das eigentlich denken können.

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mein job, das wäre so einer, in den ich mich gern reinstürzen würde. würde er geld bringen. mein vorgesetzter meinte heute, dass er es ungerecht findet, dass er das sechsfache verdient, weil ich im grunde dieselben hohen qualifikationen und denselben hohen arbeitsaufwand habe und total eigenständig arbeite. ist ja mal nett, wenn das einer sieht. auch wenn es nichts ändert.

***

dazu passend mein erster rentenbescheid. 387 euro, wenn ich die nächsten jahrzehnte bis zur rente im selben tempo weiterschufte.
ich habe ein bisschen geweint, obwohl ich von diesem staat nichts gutes, soziales oder menschliches erwarte.

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keine objektnews. keine lederjackennews. manchmal fühle ich mich, als lebte ich in diversen paralleluniversen. you say god-by, i say hello. und täglich grüßt allein die püppirella.

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rückenschmerzen, magenschmerzen, kopfweh und seelenpein. die großen konstanten in meinem leben.

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Sonntag, 1. Dezember 2013
come up and see me
im zuge der grundsätzlichen befriedung und der objektiv-perspektivlosen fick-situation denke ich in letzter zeit weniger an das objekt. es ist da, das ist nett, wir mögen uns, aus. ab und an denke ich stattdessen an meinen vorgesetzten, auch wenn der eigentlich unter meine definition von langweilig fällt. aber er hat was, irgendwie. dennoch, never fuck the company, also muss ich mich zurückhalten.

gestern bin ich eigentlich mit der lederjacke verabredet, wochenend-ausflug, aus dem dann doch nur eine kiez-sauftour werden soll. aber es befällt mich just meine menschenangst und kiezaversion. ich sag ab, igle mich ein. krieche unter die decke, lasse ein paar tränchen. es wird mitternacht. dann ein uhr. um halb zwei gebe ich mir schließlich einen ruck und fahre doch wenigstens in den club. vertraute umgebung, mäßige erwartungshaltung, keine überraschungen.

der architekt ist der erste, den ich begrüße.
"du lässt dir die haare wachsen, hm", frage ich angesichts der fast schulterlangen haarpracht des architekten.
"ähm, ja, ich find das nett, was am kopf zu haben, jetzt, wo es kalt wird", stottert der architekt verlegen.
"steht dir", sage ich großmütig, und es ist nicht gelogen. der architekt ist ein typ für langes haar und überhaupt, ich stehe ja drauf.

ich brauche dringend erst mal einen schnaps. die endorphinausschüttung ankurbeln. als ich an der bar stehe, habe ich plötzlich eine hand am arsch, die auch gleich unter meinen rock wandert. ich wirble herum, bereit, dem schuft eine zu langen, dann schaue ich in das grinsende gesicht des objekts.
das objekt sieht sehr wild aus, da es die haare offen trägt, was es sonst nicht macht, vor allem, seit es den bart hat.
"du siehst aus wie ein wikinger", sage ich geradeheraus.
das objekt sagt erstmal gar nichts, umschlingt mich nur und drückt mich herzlich. es landet einen feuchten kuss auf meinem hals, dann schiebt es mich richtung tresen.
"du wolltest doch gerade was bestellen", meint es.
"ja. was ist, trinkst du einen kurzen mit?"
da kann das objekt schlecht nein sagen.

während das objekt die orangenscheiben auf den tequilagläsern liebevoll mit einer dicken zimtschicht versieht, betrachte ich es von der seite. ich mag dieses profil, denke ich, dann erwischt mich das objekt beim anstarren und starrt zurück.
"was denn", rufe ich ihm unschuldig dreinschauend ins ohr.
das objekt lächelt und das, was von seinem gesicht noch haarfrei ist, verzieht sich zu sympathischen fältchen und grübchen. mein herz macht einen hüpfer. das objekt reicht mir das glas.
"auf dich", sagt es. "ich freu mich sehr, dich zu sehen."

wir kippen uns den schnaps in den hals und beißen in die orangenscheiben. dann nimmt mir das objekt meine ordentlich ausgegessene orangenschale weg und zieht mich auf seinen schoß.
"das nenn ich mal einen sauber gelutschten schwanz", sagt es und hält mir die schale vor die nase.
"na das kann ich gut, weißte doch."
wir sehen uns an und grinsen.
dann dreht das objekt seine eigene fransige orangenschale in den fingern und meint:
"hier so, da weiß ich nicht so recht..."
"ohne zähne, mein freund, das ist das geheimnis", sage ich und das objekt zeigt mir die zunge.

ich merke, wie wir schon wieder angesext aneinander kleben. das objekt hat mich zwischen seinen beine eingeklemmt und mir jegliche bewegungsfreiheit genommen. meine nase befindet sich direkt an seinem hals, ich kann sein parfum schnuppern.
"ich würde mich gerne da rüber setzen", wage ich den befreiungsschlag und deute auf die freie couch.
das objekt kommt einfach mit, pflanzt sich neben mich und beginnt, eine zigarette zu drehen.
"ich hab neulich mal wieder deine nachrichten gelesen", sagt es zusammenhangslos.
"welche nachrichten?"
"als wir uns das letzte mal verabredet haben und die smsen danach. ich saß gerade im bus, kam von der nachtschicht und hab die dann so fünf-, sechsmal gelesen. einfach so. weil man die so schön lesen kann. weil da so viel drin steckt, auch zwischen den zeilen."
ich gucke groß.
"ich hätte bisweilen meinen arsch drauf verwettet, dass du meine smsen nicht mal gesehen hast."
das objekt sieht mich entrüstet an.
"aber natürlich! ich bin mir nur oft nicht so sicher, wie ich sie verstehen soll. dann traue ich mich nicht, was zurückzuschreiben. du bist so... wechselhaft. und sarkastisch. und manchmal schreibst du so sachen... neulich erst hast du mir was geschickt, das klang so, als seist du schwimmen gegangen... und ich hatte noch eine stunde zu arbeiten und war schon am überlegen, schaff ich das noch, wo ist sie wohl schwimmen, komm ich da noch hin, bevor sie weg ist... und dann lese ich die nachricht noch mal und denk mir so, das ist ja gar keine frage. das ist eher so ein... ausrufezeichen: ich hab grad spaß und denk an dich. wie ein gruß aus der ferne, verstehst du?"
ich nicke.
"genau so war das gemeint. ich rechne nicht mehr mit dir."
da schaut mich das objekt herzzerfetzend offen an und sagt:
"komm mal her."
es breitet die arme aus und zieht mich an sich.

und so sitzen wir da. zwei, drei minuten, vielleicht auch länger. ich merke, wie mir warm wird und meine anspannung von mir abfällt. als würde die umarmung einen leeren akku aufladen. magisch, immer wieder von neuem.
dann beginnt das objekt leise in mein ohr zu sprechen:
"ich will dich aber weiter kennen lernen. und ich frage mich gerade, wie das gehen soll. wir mögen uns, aber da ist ja noch mehr. die ganzen emotionen. ich weiß nicht, was passiert, wenn wir wieder sex haben und ob das gut ist. weil immer, wenn wir miteinander schlafen, passiert was, wir sprechen wochenlang nicht miteinander oder streiten uns."
"das liegt doch nicht am sex", erwidere ich. "weil das, was da ist, ist doch sowieso da. ich denke, im letzten jahr kam das eben auch im zuge meiner krankheit so richtig zum tragen."
das objekt lässt mich kurz los, um mir in die augen sehen zu können, dann zieht es mich wieder fester an sich.
"wie geht es dir denn gerade?"
"naja, das letzte wochenende war schrecklich, aber ich fange mich gerade wieder. immer noch minusbereich, aber mit tendenz zu plusminusnull. aber so alles in allem bin ich okay, der einbruch liegt vielleicht auch einfach an weihnachten und dem ganzen anstehenden familienmüll. ich bin im grunde eigentlich wieder gerne mit mir alleine. ich kann das richtig genießen."
"das ist schön. ich auch. also ich meine, ich bin zur zeit auch sehr gerne mal allein."

ich bin noch immer beim objekt eingekuschelt und überlege, wie ich die kleine offenbarung für mich werten soll. als interesse an mir, als interesse an sex oder als diffuse beschwichtigungsaktion, damit ich nicht wieder austicke und das objekt beschimpfe?
dann zuckt das objekt plötzlich zurück, beginnt sich aus der umarmung zu lösen und steht auf.
"ich muss mal tanzen."
und weg ist es.

ich trinke noch ein bier, dann spricht mich ein blonder typ an, ein heavy metal-fan, student, 25 jahre jung. sehr nett. astrein in der gehirnschale. nach anfänglicher zurückhaltung kommen wir richtig ins quatschen.
"und was willst du von so einer alten schachtel wie mir?" frage ich ihn irgendwann frech.
"ich mag keine jungen frauen", sagt er direkt. "also, eigentlich kommt es mir mehr so auf das geistige alter an."
"na, dann bin ich vielleicht doch einer so ende 20 und nicht anfang 30."
"du siehst aber gar nicht aus wie anfang 30."
"okay, wie ende 30, ich weiß."
"nein, gar nicht. ich hätte dich jetzt so auf 28 geschätzt."
also entweder habe ich heute einen fantastischen teint oder der gute ist extrem kurzsichtig, denke ich mir, fühle mich aber nichtsdestoweniger geschmeichelt.
wir unterhalten uns eine ganze weile, dann rücke ich sogar meine telefonnummer heraus, was ich bei anmachen der üblichen art nur noch selten tue. allerdings norde ich den tp gleich auf ein große-schwester-kleiner-bruder-verhältnis ein, sodass diese fronten schon mal geklärt sind.

anschließend mache ich mich auf, damit ich auch noch mal zum tanzen komme. dabei treffe ich das objekt wieder.
"neuer verehrer", will es von mir wissen.
"neenee. also das ist geregelt."
"hm. soll ich uns ein lied wünschen?"
"mach mal."
"was für eines denn?"
ich haue dem objekt auf den arsch.
"eines, das du auch für mich tanzen würdest."

ich drehe noch ein paar runden, trinke eine cola und merke, wie ich langsam müder werde. es ist halb sechs. ich lehne mich an einen pfeiler und beobachte den harten kern, der noch immer begeistert die beats wegschrubbt.
dann schubst mich jemand leicht von der seite. ich gucke. da steht ein kleiner, älterer typ mit anzug und bierbauch und grinst mich an. ich schaue schnell wieder weg und hoffe, das das als kein-interesse-signal reicht.
leider nein. der typ rempelt mich ein zweites mal an und quakt dann:
"hey! ich beobachte dich schon die ganze zeit!"
ich ziehe die augenbrauen hoch. spooky.
der typ fixiert mich weiter und grinst fies.
"magst du die musik hier?"
"sonst wäre ich ja wohl kaum hier", erwidere ich.
"ich finde die musik voll scheiße."
"kannst ja nach hause gehen", sage ich unfreundlich.
der typ ignoriert meinen vorschlag, geht weiter auf tuchfühlung und quakt mich mit seiner blechstimmme voll.

zum glück nähert sich das objekt aus der ferne, mit wallender mähne und bart wie der donnergott persönlich. ich sende ihm einen flehenden blick und es eilt heran.
"verzeihung", sagt es zu dem quaker, "ich finde, du hast dich jetzt lange genug mit meiner frau unterhalten."
es schiebt den typ einfach zur seite, legt den arm um mich und eskortiert mich in den nebenraum.
"puh, danke", sage ich, als wir in sicherer entfernung sind. "der war echt anstrengend."
das objekt tätschelt meinen arm.
"gern geschehen."
ich sehe mich unschlüssig um.
"ich werde dann wohl mal nach hause gehen, bevor mich noch einer vollquatscht."
das objekt nickt.
"ich auch."
wir sehen uns an. ich kann den blick des objekts nicht deuten.
"eigentlich wäre das ja eine schöne gelegenheit", sagt es verlegen.
"um was zu tun?"
da grinst es nur schüchtern und will nicht mit der sprache herausrücken.
nachtigall, ick hör dir trapsen.
"wie was jetzt?" hake ich nach.
das objekt schaut zur seite und traut sich nicht mehr. das ist ungewohnt. ich fühle eine wärme in mir aufsteigen, so sympathisch ist mir diese ungewohnte objektive unsicherheit.
"hey", sage ich und berühre seine wange. "lass uns einfach mal wieder was zusammen machen. einfach treffen."
das objekt strahlt mich an.
"ja, gerne, unbedingt."

dann umarme ich es schnell und eile nach draußen in den nieselregen, wo mein fahrrad auf mich wartet. ich habe schon das schloss geöffnet, als das objekt noch einmal herausstürmt.
"morphine, jetzt kommt das lied, das ich mir gewünscht hatte!"
ich lasse mich mitziehen, gespannt, was mich erwartet. und dann ist es "what else is there" von röyksopp, unser lied von vor drei jahren, als alles begann. ich bin so geflasht, dass ich kurz tränen in den augen habe. das objekt bewegt sich bereits am rande der tanzfläche und macht eine auffordernde geste. ich zögere und zögere, doch beim refrain bin ich dabei.

als ich gegen sieben uhr morgens endlich im bett bin, liege ich noch lange wach. ich fühle mich hochgradig verwirrt. fakt ist, das objekt will mich wieder daten. wie auch immer es das anstellen will. darauf hätte ich in meinen kühnsten träumen nicht zu hoffen gewagt. doch wie ich es kenne, werden wir bis zu realisierung mindestens bis nächstes jahr brauchen. das gibt mir zeit, mir meiner grenzen bewusst zu werden. vielleicht werden wir wild vögeln. vielleicht werden wir auch nur ganz unschuldig ins kino oder in ein museum gehen.

bis dahin kann frau ja erst mal masturbieren. oder studenten daten. oder dem wunderbaren blixa bargeld beim musizieren zuhören.

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Freitag, 29. November 2013
hearts for püppilotta
die püppilotta-püppirella ist nun über ein halbes jahr bei mir. das ist sehr ungewöhnlich, denn eigentlich hat man pflegekatzen nie länger als drei monate. sie hat sich prima gemacht inzwischen, vor allem an wochenenden, wenn ich da bin, ist sie sehr lieb. man merkt, dass sie unter der woche, wenn ich arbeite und gestresst bin, unausgeglichener ist. wahrscheinlich überträgt sich meine fragile laune auf sie.

kurzum, ich suche noch immer ein plätzchen forever für die dicke. sollte jemand lust auf die kleine zicke haben oder jemanden kennen, der sich eine mieze wünscht, sagen sie bitte bescheid. sehr gerne ein ruhiger haushalt ohne kleine kinder. die püppirella ist eine reine wohnungskatze und laut tierärztlichem befund vom mai 2013 kerngesund. stressresistenz in den ersten vier bis sechs wochen der eingewöhnung sind nötig, sie hat halt einen hau und ist eben schon eine ältere lady, die nicht so gerne umzieht und sich schwer einlebt.

wenn sie noch vor weihnachten ein liebes zuhause finden könnte, müsste ich sie über die feiertage auch nicht alleine lassen.

und nein, ich möchte die püppilotta nicht behalten. wir passen nicht so ganz zusammen, außerdem möchte ich weiter platz für andere katzen in not haben, die schnell mal unterkommen müssen.

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Dienstag, 26. November 2013
winterjacke
nachdem mich die lederjacke gestern im tal der tränen erwischt hat, hat sie sich sofort für den heutigen abend auf einen kurzbesuch angekündigt. das finde ich so toll, dass ich gerührt ins telefon schnüffe, danke, und die lederjacke lacht nur und sagt, dass sie sich freut, was ich wieder nicht begreife, denn wie kann man sich auf so eine heulsuse freuen, aber ich vertraue der lederjacke, dass sie mich nicht belügt.

weil die lederjacke um die ecke fortbildung hat, holt sie mich gleich von der therapie ab.
"mann, siehst du scheiße aus", sagt sie zur begrüßung, und ich muss lächeln, weil ich recht hatte und mir um die ehrlichkeit der lederjacke keine sorgen machen muss.

die lederjacke ist allerdings selbst nicht auf der höhe. sie ist krank und fährt mit dem fahrrad im pullover rum.
"du bist ja komplett irrsinnig, wo hast du denn deine jacke?!"
"aufm kiez verloren", zuckt die lederjacke die schultern, die schon wieder breiter geworden sind.
"aber das macht nichts, ich hab drei kilo zugenommen, das schützt auch", erklärt die lederjacke.
"extra für den winter, soso", sage ich schmunzelnd, denn ich weiß, wie penibel die lederjacke auf ihr gewicht achtet.

wir fahren mit den rädern zu mir.
"wo ist das vieh?!" guckt sich die lederjacke panisch um, als sie meine wohnung betritt.
"du meinst die katze."
"ja, genau, deine fette katze, die mich immer anfaucht."
"musste schauen."

die püppirella sitzt wie immer auf der kommode und guckt, als die lederjacke die tür zu meinem wohnzimmer öffnet.
"na, dicki hoppenstedt", begrüßt die lederjacke die püppirella.
die katze glotzt groß.
dann komme ich mit tee und keksen hinterher und die katze macht anstalten, von der kommode zu springen. könnte ja ein krümel abfallen, muss man als katze ja bereit sein.
"oh gott, sie greift an!" ruft die lederjacke. "komm mir bloß nicht zu nahe!"

die püppilotta setzt sich genau gegenüber der lederjacke. im gegensatz zu sonst ist sie kein bisschen schüchtern. sie hat offenbar einen guten tag oder erkennt die lederjacke wieder. sie schaut sie auffordernd an und mauzt ein zartes mauzen.
"du sollst sie streicheln", sage ich.
"im leben nich", sagt die lederjacke. "die kratzt dann bestimmt."
die katze streckt sich vor der lederjacke auf dem boden aus und wälzt sich herum.
"glaub ich nicht", sage ich. "sie signalisiert dir gerade: nimm mich."
"hahaha", lacht die lederjacke.

dann kommen wir zu den ernsten themen und die lederjacke will wissen, warum es mir so scheiße geht.
"keine ahnung."
"das kann doch nicht sein, da muss es doch gründe geben. vielleicht sind das ja irgendwelche unbewussten gründe, also sachen, die dich anstrengen und belasten, ohne dass du direkt sagen kannst, das stresst mich jetzt total."
"naja, ich hatte nun die erste woche in der neuen arbeit..."
"na siehst du."
"aber das war gut."
"aber auch neu. alles, was neu ist, schlaucht."
"ich fand das nicht so schlimm. das ist nichts, was ich mir nicht zutraue. intellektuell pack ich das locker."
"naja, aber ist doch trotzdem eine umstellung", beharrt die lederjacke.

ich erzähle der lederjacke, wie allein ich mich wieder fühle. mit einem mal. und dass ich wieder anfange, böse absichten und unlauterkeiten zwischen jedem wort zu suchen. dass mich mein misstrauen krank macht.
die lederjacke, kopfmensch, rudert mit argumenten.
"naja, du musst mal deine lage sehen... im grunde ist die immer noch prekär... viel stress, keine sicherheiten, wenig dankbarkeit... wenig wertschätzung auch durch deine eltern... und klar bist du allein, so ohne partner oder familie. und da kommt ja auch keiner mal vorbei, hab ich so den eindruck."
"die hassen hamburg."
"aber du bist doch da und sie sollten dich lieben!"

"was sagt denn dein therapeut", will die lederjacke dann wissen.
"dem hab ich meinen traum erzählt. den krass schönen, mit dem typ und dem kind. aber ich hatte nicht das gefühl, dass er den so sieht wie ich."
"wie sieht er ihn denn?"
"naja, er meint, das mit dem kind und so steht für meine sehnsucht. weil ich liebe wahnsinnig suche, aber nie liebe erlebt habe, die ich annehmen konnte. sondern immer nur menschen begegnet bin, die mich erdrückt haben. er meinte heute, ich sei wohl deshalb emotional gestört."
die lederjacke ist empört.
"der spinnt ja wohl, das kann er doch so nicht sagen. ich finde, bei dir ist ganz viel total richtig."
"sagt der emotionslegastheniker."
und wir lachen beide.

nach zwei stunden muss die lederjacke schon wieder los. zum abschied nimmt sie mich ganz fest in den arm.
"lass mal in kontakt bleiben, wegen silvester und so."
"lass mich bloß nicht allein in dieser scheißstadt."
"warum bleibst du nicht bei deinen eltern? ich hab mir schon überlegt, ich setz mich einfach bei meiner oma auf die couch, trink nen portwein mit der und guck was mit didi hallervorden."
"nee. was soll ich denn da? da sind kaum mehr leute, die ich kenne."
"oder du bleibst im bett."
"oder ich schneide mir die pulsadern auf, wie wäre das?"
"wehe", sagt die lederjacke erschrocken.
ich winke ab:
"scherz."
"ich find das nicht witzig."
"schon gut. du musst jetzt los."
"boah, da raus in die kälte jetzt wieder."
"willste nen pulli von mir drunterziehen?"
"ich hab doch sowieso noch klamotten von dir. muss ich dir mal wiedergeben."
"kein stress, ja? und wenn du jetzt frierst, geb ich dir was."
aber die lederjacke will seine härte heldenhaft unter beweis stellen und der kälte trotzen.

die püppilotta und ich verabschieden die lederjacke. ich winke, die katze mauzt. die lederjacke lacht und verschwindet im treppenhaus.
in der wohnung kommt es mir wärmer vor. so, als wäre die temperatur mit der herzenswärme dieses menschen gestiegen. die katze schnüffelt da, wo die lederjacke gesessen hat.
"na, dicke", sage ich. "den würden wir gern behalten, hm?"

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Samstag, 23. November 2013
die summe meiner einzelnen teile
arbeiten, termin bei der bank, physiotherapie, später ein kundentelefonat, wohnung putzen, homeoffice. als ich gestern den laptop zuklappe, ist es mitternacht. eigentlich hatte ich mich gefreut, noch etwas zu machen. auf den kiez zu gehen oder so. jemanden anrufen. ich werfe alles über den haufen, schaffe es gerade noch zähne zu putzen, duschen schenke ich mir. ab ins bett.

ich träume einen der gefürchteten sehnsuchtsträume.
ich bin auf der flucht, keine ahnung wovor. ich glaube, ich soll abitur machen und habe keine lust. ich renne durch wälder, die sonne scheint, ich bin frei. an einem abhang treffe ich einen mann und ein kind. sie ziehen ebenfalls durch den wald.
ich fühle mich sofort verbunden. der kleine will mit mir an einem seil über einem abgrund schwingen. ich tue es, totales selbstvertrauen. ich spüre das raue, feste seil in meinen händen und die wärme des kleinen, der auf meinem schoß sitzt und sich an mich klammert. wir schweben und schaukeln, glück und ausgelassenheit kitzeln in meiner brust. dann ruft der vater zum aufbruch, wir müssen weiter.
wir fahren per anhalter mit einem auto durch eine stadt. sie ist riesig und fremd. ich will wissen, wo wir sind.
"na in köln", sagt die fremde frau am steuer. klar, denke ich mir, warum hab ich das nicht gleich gesehen. durch das fenster erkenne ich die stadt abwechselnd in farbe und schwarzweiß.
wir kommen an einem haus an und erfahren, dass die bewohner im urlaub sind. wir können dort bleiben, sagt die frau, nur aufpassen müssen wir, die nachbarin kommt immer mal vorbei zum blumengießen.
im wohnzimmer steht eine alte couch mit braunem cordsamt. ich streiche mit der hand über den stoff. sie erinnert mich an etwas vertrautes, was ich aber sofort wieder vergesse. dann kuscheln wir drei uns aneinander und schlafen.
als ich aufwache, ist noch ein mädchen im raum. "warum bist du hier", frage ich, und sie sagt, sie wisse es nicht. vielleicht wegen der schlechten noten und weil sie keinen bock mehr auf schule hat.
plötzlich ist die nachbarin im haus. wir müssen uns verstecken. ich krieche in den schlafzimmerschrank, der genau aussieht wie bei meinen eltern. der schrank ist sehr voll, aber ich schaffe es, hineinzukrabbeln und die schiebetür zu schließen, bevor die nachbarin das zimmer betritt.
im schrank hängen klamotten meiner mutter. ich erkenne das parfum. und noch mehr, ich erkenne in den kleidern einen früheren duft, aus einer zeit, als sie mich noch liebte, und einen späteren geruch, der scharf und schlecht nach abneigung riecht.
die nachbarin geht wieder, sie findet uns nicht.
wir wechseln wieder die stadt. diesmal berlin. ich treffe freunde wieder, die ich im traum kenne, aber nicht aus dem wirklichen leben. es ist gesellig und schön. als einziger bekannter tritt das objekt auf, das jetzt offenbar in berlin lebt. ich bin überrascht, erinnere mich dann aber. wir fallen uns in die arme, ich schnuppere den objektgeruch, der immer noch gleich ist, warm, beruhigend und sexy. ich nehme sein gesicht in meine hände, der bart ist noch wilder und länger und weicher, und wir küssen uns.

aufgewacht. hello again, fucking reality.
ich fühle mich am boden zerstört, der schädel dröhnt, der rücken schmerzt. das licht dringt grau durch die vorhänge. es fühlt sich an wie sechs uhr morgens. mein handy sagt allerdings, dass es 11:30 uhr ist.

ich denke zurück an den traum und an das traumkind. die zärtlichkeit, die ich empfunden hatte. und ich verstehe, dass ich das traumkind bin, und vielleicht auch ein stück der objektsohnemann, den ich vermisse, oder die konstellation oder die tatsache, dass dieses kind mir eine zuneigung entgegenbrachte, die jetzt auf meinem schmalen liebeskonto fehlt.

noch ein stunde stumpf im bett liegen. dann kämpfen und aufstehen. in den kaffee weinen. ein ibuprofen schlucken. mails checken, zu arbeiten beginnen.

möge dieser tag irgendwie vorüber gehen.

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Mittwoch, 20. November 2013
the inbetweens
"ich finde das so traurig, dass ich, wenn ich spätschicht habe, erst um acht rauskomme und die sonne schon weg ist", vertraut mir meine physiotherapeutin heute an.
ich muss schmunzeln und will nicht fragen, was würdest du davon halten, wenn du pr machen würdest, also quasi immer frühschicht hättest und trotzdem erst um 20 uhr nach hause gehst?

stattdessen gebe ich mich der massage hin. es ist 16 uhr, ich komme - halbtagsjob sei dank - gerade aus dem büro, bin schläfrig, habe meine tage und fühle mich dennoch ein bisschen angesext, als sie mir meinen slip über den po schiebt, um an muskeln rund um das steißbein zu kommen.

eigentlich ist physiotherapie ein geiler job, denke ich. ständig ist man dabei, leute anzufassen. man weiß also vorher, wie die nackt aussehen, während man selber noch nicht blank ziehen muss. und erst dieser lustige moment, wenn ein mann bittet, sich auf den bauch drehen zu dürfen. wäre ich ein mann, ich wäre heute auf jeden fall in die verlegenheit gekommen.

während ich in der moorpackung liege und ruhen soll, muss ich ein bisschen an mein saunaerlebnis mit dem objekt denken. das war auch wunderbar warm und sexy. sollte man mal wiederholen. ich hangle nach dem handy, stelle fest, ich habe es vergessen, und bin ganz froh darüber. lächerlichmachen erfolgreich verhindert.

dann fahre ich mit dem rad weiter nach hause. in mir ruhe und zufriedenheit. die ersten drei tage im neuen job waren gut. ich mag meine kollegen. zwischen mir und meinem vorgesetzten herrscht große sympathie, ein bisschen zu viel vielleicht sogar. er ist herrlich normal und doch sehr witzig. er kann sogar frivol werden und kichert auch über meine kiffer-witze, während die kollegin nur fragend schaut.

alles sehr fair soweit. keiner erwartet überstunden von mir. nicht für mein kleines gehalt. das finde ich so super, dass ich trotzdem ein bisschen länger bleibe. ich darf im büro sogar an mein handy gehen und eigene kunden betreuen. auch toll: kein dämliches zeitmanagement, das die hälfte der arbeitszeit wegfrisst.

dafür steckt das unternehmen anderweitig noch tief in den kinderschuhen. keiner hat auch nur den leisesten schimmer von pr. alles soll ohne den einsatz finanzieller mittel bewerkstelligt werden. ich lege mich deshalb am zweiten tag mit dem geschäftsführenden obermufti an, mache deutlich, dass so keine ergebnisse zu erwarten sind. ich beharre auf ein mindestbudget. die mauern der sparsamkeit wackeln, man will sich meine anregungen durch den kopf gehen lassen. wir werden sehen. ich habe mir einen langen atem angewöhnt.

die katze ist not amused, dass ich plötzlich wieder weniger zuhause bin. sie dreht morgens, wenn ich das haus verlasse, und abends, wenn ich zurückkomme, einmal völlig hohl: rennen, sachen umschmeißen, sich in den vorhang wickeln. erst, wenn das fressi dasteht, wird sie etwas ruhiger. ich hab sie lieb, aber es ist sehr anstrengend.

soeben verdrängt ruft das objekt an und will wissen, wie es mir geht. ich honoriere die eigeninitiative. das objekt findet, dass ich in letzter zeit wieder mehr in mir ruhe und einen gefassten eindruck mache. ich bin geschmeichelt. worte vom fachmann. dann verabschiede ich mich schnell, weil ich nicht fragen will, bitte bitte sehen wir uns mal wieder, und weil gleich ein hochschulleiter bei mir anrufen will, um weitere aufträge durchzugeben.

es ist alles im flow.
pack die schwimmflügel aus, baby, und paddle um dein leben.

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Sonntag, 10. November 2013
auf binden und zerbrechen
als ich am gestrigen abend gegen halb elf das bett aufsuchte, um mich partyfit zu schlafen, kam ich auf die blöde idee, das objekt zu fragen, ob es heute wegging und wenn ja, wohin. also sms getippt, umgedreht und eingeschlafen. ich war mir relativ sicher, dass sich das objekt ohnehin nicht melden würde, da es sicherlich gerade von der arbeit nach hause gekommen oder in väterliche zubettbringpflichten eingebunden war.

damit hatte ich allerdings die rechnung ohne den wirt gemacht, denn es geschah ein kleines wunder und das objekt meldete sich fast postwendend zurück.
'liebstes großes kleines morphinchen, ich bin breit und bereit, lass uns doch in den club xyz schauen, vorglühen und dann weiterdriften.'
ergo, es war in allerbester ausgehlaune, anscheinend gerade mal nicht unter aufsicht der vermietergespielin und offenbar substanzbedingt leicht bis mittelschwer enthemmt. besser geht nicht, fand ich, nicht im anbetracht der widrigen umstände der sonst anhaltenden dauerbewachung. das war schon quasi eine echte verabredung, so wie früher.

ich machte mich rasch ausgehfein und hetzte durch den starkregen zur bahn. als ich am ort unseres geplanten zusammentreffens ankam, merkte ich, wie schwindelig mir war. das lag daran, dass ich am nachmittag mit einer freundin kaffeetrinken war, wir allerdings mangels freier plätze in den cafés (samstagnachmittage in der schanze sind der horror, ich erinnerte mich dann wieder) in eine bar gehen mussten (bedauerlich!), wo wir zu trinken beschlossen. einen wein und einen cocktail später war ich schon nicht mehr ganz fahrradtauglich, wenn auch noch im besitz der contenance.

ich entdeckte das objekt quasi sofort an der bar, wo es, den leeren gläsern nach zu urteilen, schon einige kurze geleert hatte. ich schlich mich von hinten an und hielt ihm die augen zu.
es schnupperte an meinen handgelenken, küsste meine handinnenflächen und umarmte mich dann stürmisch.
"morphine! was willst du trinken!"
es zeigte auf die einzelnen schnapsgläser, die vor ihm standen:
"jägermeister, tequila weiß, tequila braun, sambuca oder wodka. kann ich alles wärmstens empfehlen."
"tequila."
"braun, nehme ich an, mit extra viel zimt auf der orange?"
immerhin, es wusste noch alles.
es bestellte, dann zog es mich auf einen barhocker, kuschelte sich an und grinste.
"ich bin heute so innerlich total auf... crescendo."
"aha."
"und du?"
"ich freu mich eher leise. kennst mich ja."
"aber du freust dich."
"logisch, mann."
das objekt strahlte und schob mir meinen tequila zu. wir stießen an.
"worauf trinken wir?"
"auf den abend", schlug ich vor.
"auf dich", beharrte das objekt.
"und auf dich auch."
"auf uns", fasste das objekt zusammen. "und dass wir uns nie mehr solche nachrichten wie vor zwei wochen schreiben werden."
wir exten die braune flüssigkeit, die warm in meinem magen explodierte.
"hach, die alte nutte alkohol", seufzte das objekt selig.

wir strahlten uns an und ich suchte hektisch nach einer gedanklichen fliegenklatsche, um die fröhlich losflatternden schmetterlinge in der magengrube zu töten. seit ich das objekt kenne, kann ich nachvollziehen, wie sich mütter nach dem werfen fühlen: obwohl sie stundenlang derbste schmerzen ertragen haben und die mumu in fetzen hängt - das glück des moments überstrahlt alles und sorgt für umgehendes vergessen der ausgestandenen qualen. frauen scheinen irgendwelche biochemischen schalter dafür zu haben. oder wenigstens ich.

das objekt angelte nach meinem becher.
"was trinkst dun da eigentlich?"
"sprite."
das objekt lachte sich halb tot.
"wenn du mit mir unterwegs bist, musste du auch was anständiges trinken. zumindest heute. also falls das geht. oder nimmst du gerade wieder medikamente?"
"nein."
"braves mädchen."
das objekt beugte sich abermals über den tresen und orderte zwei weitere tequilas und für mich eine whiskey cola.

nach dem zweiten tequila verstärkte sich der schwindel und ich hielt mich am objekt fest.
"trägst du gar keinen bh", wollte es wissen, da ich schulterfrei unterwegs war und es keine bh-träger entdecken konnte.
"das oberteil hat quasi einen integrierten bh." ich tippte auf die leicht gepolsterte front.
das objekt grinste und fragte weiter:
"und was für einen slip trägst du?"
"kannst ja nachgucken", erwiderte ich frech.
das objekt lüfte meinen rock.
"och nee, du hast ja ne strumpfhose an!"
"zu kalt für alles andere."
das objekt zog eine schnute.

"aber sag mal, was hast du denn da eigentlich an?" fragte ich und zupfte an seinem einärmeligen oberteil, das unter der weste hervorlugte.
das objekt grinste wieder, schlüpfte aus der weste und vollführte dann eine kleine pirouette. ich musste schlucken. das oberteil war bis auf zwei schmale verbindungen vollkommen rückenfrei und zeigte die objektive rückenansicht in ihrer vollen schönheit.
"mir war heute nach porno", sagte das objekt.
"mir ist auch gleich nach porno", erwiderte ich. "wenigstens hab ich nun eine schöne wichsvorlage für später."
das objekt schlüpfte wieder in die weste.
"warum ziehst du die jetzt wieder an?"
"ich fühle mich so nackt damit", meinte das objekt auf einmal schüchtern.
"das heißt, das war jetzt eine exklusivvorführung?"
"genau."
"wo hast du das teil her, warst du in nem fetischladen? sowas kriegt man doch nicht bei h&m in der damenabteilung", fragte ich, da ich wusste, dass das objekt gerne mal damenblusen kaufte, weil die noch figurbetonender sind und immer so kurz, dass mann ab 1,90m garantiert auch die blicke der schwulen auf sich zieht.
"ich war neulich auf der extravaganxa."
"achso. stimmt, die war ja."

wieder mal fiel mir auf, dass das objekt immer "ich" sagte und nie "wir" wie meine anderen beziehungsferngesteuerten freunde. was war mit der vermietergespielin? ein gedanke, der zu nichts führen würde, also verbot ich ihn mir.
"ich hab neulich mal wieder mit dem dritten gevögelt", erzählte ich.
das objekt lächelte.
"ja, das ist schon ein guter. wir haben vor ein paar moanten zusammen einen mann abgeschleppt."
"ach."
"jahaaaaa..."
"und? erzähl mal."
"da hat der dritte aber nur zugesehen."
"ja und sonst? hast du ihn so richtig gefickt?"
da legte das objekt den zeigefinger auf die lippen und markierte den schweigenden kenner, wohl wissend, dass ich vor neugierde schier platzte.

wir gingen zusammen tanzen. das objekt dirigierte mich in seine richtung und wir machten faxen.
nach einer weile schien sich die zarte konstruktion des objektiven oberteils zu lösen.
"kannst du mir mal helfen?" bat mich das objekt.
"einfach nur binden?"
"ja."
ich tat ihm den gefallen und küsste es dabei zwischen die schulterblätter. und dann noch mal ein paar muskelstränge tiefer.
das objekt fuhr herum und bedachte mich mit seinem löwe-frisst-antilope-blick.
"du weißt schon sehr genau, was du da tust", sagte ich, das verführungsmanöver durchschauend.
"rrrrrrrrraaawwwww", machte das objekt und presste seinen unterleib an meinen.
"du doch auch", wisperte es. "du weißt doch, was die männer wollen."
wir küssten uns nicht, sahen uns nur an und spürten die schnellen, heißen atemzüge des jeweils anderen.
ich legte den objekt die hände die auf die brust.
"du hast ganz harte nippel", sagte ich.
das objekt schloss die augen und begann, unter der berührung meiner finger leicht zu zittern.
dann bahnten sich seine hände ihren weg unter mein top.
"du auch", raunte es. "und wie ich dich kenne, bist du schon herrlich nass."
"ich würde dich jetzt gerne ficken", sagte ich. "meinetwegen hier auf der tanzfläche, scheißegal."

das objekt näherte sich weiter und ich zog sein gesicht an meine lippen. ich küsste seine schläfen, wangen und haare.
dann sagte ich:
"aber du bist dir doch hier eh nur appetit holen. gegessen wird später zuhause bei mutti, right?!"
das objekt fuhr zurück.
"damit liege ich doch richtig, oder?!"
das objekt ließ sich neben mich auf eine bank plumpsen und schaute mich verletzt an.
"jetzt hast du´s kaputt gemacht."
"was? hättest du mich etwa heute mitgenommen?"
"naja, das geht leider nicht."
"na also. hören wir doch auf zu träumen."
das objekt guckt zerknirscht.
"ich hab dich trotzdem lieb", sagte es und lächelte zaghaft. "ich weiß, meine situation erlaubt es nicht, dass wir jetzt in die vollen gehen."
ich umarmte es, dann machte ich mich los.
"schon gut."

das objekt ging noch eine runde tanzen, dann verabschiedete es sich.
"ich gehe, kommst du noch mit zur bahn?"
"nee, ich bleibe noch. ist ja erst fünf."
das objekt verabschiedete sich sehr herzlich und dankte mir für den schönen abend. dann zog es seiner wege. ich sah ihm nach, zündete mir noch ein zigarette an und dachte: du fickst mich nicht mehr. auch wenn ich dich immer noch viel zu gerne hab.

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Samstag, 9. November 2013
piek mich, baby, oder: ein abend mit karos
ich nutze unverbindliche sexuelle abenteuer, um mir meine weekly oder monthly dose an zärtlichkeiten zu holen. (mein therapeut schlägt angesichts dieser tatsache immer die hände über dem kopf zusammen, aber ich finde, man muss als singlefrau ja nicht auf alles verzichten.) internet sei dank geht das ja heutzutage 1,2,3 (oder auch 3,2,1) und man muss nicht erst lange um jemanden buhlen.

vergangene woche hatte ich jemanden am wickel, der sich als dominant beschrieb und meinte, er stünde auf harten sex. ich hatte schon viel spaß mit dominanten menschen gehabt, die keine zimperlichen rehstreichler waren, also tauschten wir irgendwann die nummern.

es ließ sich zunächst gut an. der typ war nicht nur frivol, sondern konnte auch noch orthografie und arbeitete in derselben branche wie ich. er hatte einen analfetisch, meinte aber, ich müsse den nicht zwangsweise teilen. nach zwei tagen lustigen und lustvollen tippens beschlossen wir, dass er vorbeikommen solle. entweder würden wir dann wild vögeln oder uns nach 10 sekunden an der haustür wieder trennen.

als es klingelte, war ich gerade fertig mit herausputzen. ich öffnete die tür. draußen stand jemand in jeans und kariertem jackett und mit ziemlich krassen nasolabialfalten, die ihn definitiv älter wirken ließen als den menschen auf dem foto, das ich zuvor bekommen hatte. aber na gut, dachte ich, nachdem er begeistert strahlte und in meine wohnung drängte, wollen wir mal niemanden an seinem karierten jackett oder seinen alterserscheinungen richten. schließlich muss er nachher auch mit meiner beginnenden cellulitis klarkommen.

der typ begann, seine mitbringsel auszupacken. der wein und die gummis befanden sich einen bast-einkaufskorb, wie ihn sonst nur hausfrauen haben. den wein hatte er sorgfältig in mehrere geschirrtücher (schon wieder karos!) geschlungen, gerade so, als ob eine flasche mal eben so zerbrechen könne, wenn man auto fährt und anschließend eine treppe hochgeht.

das eröffnungsgespräch schenkten wir uns, frei nach dem motto, action speaks louder than words. der typ vögelte mich direkt auf den küchenboden. das war nicht nur wegen des kalten parketts ziemlich unangenehm. es stellte sich nämlich heraus, dass der typ einen kleinen schwanz hatte, der relativ unnachgiebig fast senkrecht nach oben stand. statt wohliger g-punkt-stimulation piekte der schmerzhaft irgendwo dort, wo es garantiert keine erogenen zonen gab. ich hoffte, dass sich das beim nächsten fick in einer anderen stellung gab.

nach dem ersten fick wechselten wir ins mein wohnzimmer und köpften den wein. da uns irgendwie keine guten gesprächsthemen einfallen wollten, erzählte der typ irgendwann vom golfen und seinem golfclub. es gibt ja nicht viel, womit man mich mehr langweilen könnte. ich unterdrückte ein gähnen, dann dirigierte ich meinen besuch ins schlafzimmer, wo wir in die zweite runde gingen. ich manövrierte ein wenig, damit der merkwürdige schwanz in einen günstigeren winkel kam, was sich als nahezu sinnloses unterfangen herausstellte.

ich merkte, wie meine gedanken zu meinem letzten sex mit der frau abschweiften und dann weiter zum objekt, während der gummi in mir schubberte und der schwanz weiter piekte. auf einen orgasmus war nicht im entferntesten zu hoffen.

"du kannst dich gerade nicht so gut entspannen, was?" fragte der typ irgendwann.
ich verneinte, meinte dann aber, das sei nicht so schlimm.
"das geht aber nicht, ich habe noch jede frau zum orgasmus gebracht", erwiderte der typ.
oh nein. ein leistungsficker.
und los ging es.

zuerst muschilecken. sehr ausdauernd, aber auch auch völlig unintuitiv-blindlings und absolut nicht da, wo sich was tut. haben sie schon mal beim auto- oder fahrradfahren die augen zugemacht und versucht, in der spur zu bleiben? funktioniert nicht, oder? nach ein paar hinweisen meinerseits bezüglich des wo und wie gab der typ auf.
mann hat ja schließlich auch hände.

dieses experiment war kurzzeitig von erfolg gekrönt, denn irgendwie erreichten seine finger die unmittelbare nähe meines g-punkts. allerdings pausierte er jedes mal, wenn ich mich dem höhepunkt näherte. meine guter wille, der dem motto "nun gut, junge, lass es uns hinter uns bringen" gefolgt war, zerschellte.

wieder unkoordiniertes muschilecken. ich schob ihn weg.
"aber du so eine schöne muschi, ich muss die noch mal..." und schwupps, hatte er wieder angedockt.
"lass mal gut sein", sagte ich.
"ist das jetzt ein rauswurf?" wollte der typ leicht beleidigt wissen.
ich seufzte.
"soll das heißen, du findest es nicht geil?" bohrte der typ weiter und seine nasolabialfalten verhärteten sich noch mehr.
"äh, nunja... ich würde das experiment an dieser stelle einfach mal als gescheitert betrachten."
ehrlichkeit währt ja bekanntlich am längsten und inzwischen war mir alles lieber als ein piekender schwanz oder eine schleimige zunge in der muschi.

stinkebeleidigt schwang sich der typ aus dem bett und begann, sich anzuziehen. dann holte er den restlichen wein, verkorkte ihn sorgfältig und wickelte die flasche wieder in die karierten geschirrtücher, bevor er sie in den korb legte und in seine karierte jacke schlüpfte.
"du magst karos, was?" fragte ich und musste leider kichern.
der typ schwieg, schenkte mir einen letzten verachtungsvollen blick und stürmte aus der wohnung.

herrje.
wie kleinkariert.

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Freitag, 8. November 2013
[hilfe!]
ich brauche dringend einen steuerberater. kennt wen wer in hh? medienbranche? problematik fehlerhafter steuerbescheid?

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Donnerstag, 7. November 2013
wunschkonzert
"mit welchen gefühlen schauen sie auf ihren neuen job", fragt der therapeut.
"hm, eigentlich mit ganz guten", antworte ich erst, merke dann aber, dass etwas in mir zu wackeln beginnt. "also... ähm, ich meine, natürlich habe ich auch angst."
der therapeut nickt dem kaninchen, dass er mal wieder aus dem hut gezaubert hat, zu.
"definieren sie diese angst."
"ich habe angst, dass ich die anforderungen nicht erfüllen kann", sage ich. "weil mir in diesem bereich total die kontakte fehlen. dass es zu lange dauert, bis ich da wirklich drin bin und die mich kicken. ich habe auch angst, dass die eigentlich ne richtige beraterin wollen, aber die stelle als projektassistenz ausgeschrieben haben, um geld zu sparen. dann wäre ich wieder im dilemma des alten jobs: ein assistentengehalt für einen job mit führungsanspruch."
der therapeut nickt.
"und sonst?"
"naja, und sonst hab ich natürlich angst, dass die merken, wie verrückt ich bin."
jetzt lacht er.
"diese angst kann ich ihnen schon mal nehmen, die ist unbegründet."
"ich habe inzwischen das gefühl, dass es mir auf die stirn geschrieben steht: achtung, emotional instabil, nutzen sie gerne ihre gutmütigkeit aus, halten sie sich aber sonst fern von ihr!"
der therapeut schaut ernst und meint dann:
"also das problem sehe ich auch, dass sie sich vielleicht wieder übernehmen werden. gerade zusammengenommen mit ihrer versagensangst... da müssen sie klar bleiben und gut auf sich aufpassen."
ich seufze.
"eigentlich ist es ja bloß ein brötchenjob."
"aber sie entscheiden, wie hart das brot ist, das sie da essen werden. lassen sie sich nicht kirre machen, schon gar nicht von ihrem kindlichen leistungs-ich."

ich gucke skeptisch und abwartend.
"wünschen sie sich mal was."
"für den job?"
"muss nicht sein."
"muss es realistisch sein?"
"sie können sie ja was realistisches und was unrealistisches wünschen. solange sie wissen, was was ist."
"ich wünsche mir, dass ich bald einen menschen treffe, der das objekt endlich ausblendet."
der therapeut zieht die augenbrauen hoch.
"unrealistisch, oder?"
"kommt drauf an. das mit dem 'bald' ist vielleicht etwas zu viel verlangt. was soll der neue mensch denn konkret ausblenden?"
"diese enorme projektionsfläche für meine total dämliche liebe."
"möchten sie denn lieben?"
ich denke nach.
"wenn der oder die mich dann auch liebt..."
"das ist ein wichtiger knackpunkt, denn wir haben ja schon mal festgestellt, sie haben nichts zu verschenken. sie haben in diesem bereich schon immer zu wenig bekommen."
"ach, ich weiß auch nicht, dann will ich halt doch besser niemanden."
"nana", lächelt der therapeut. "jetzt malen sie aber ganz schwarz."
"ich glaub nicht dran."
"aber sie hoffen drauf. und das zermürbt sie."

ich beschließe zu schweigen.
"na kommen sie", motiviert mich der therapeut. "einen wunsch noch, wenigstens."
"gut", sage ich, "ich hätte gerne einen mann fürs grobe im haus. so eine art diener, der meinen ganzen kaputten scheiß reparieren kann."
"kaputter scheiß?"
"mein schrank bricht auseinander, das fenster ist undicht und es zieht und regnet dauernd rein und das waschbecken ist auch verstopft."
der therapeut lacht.
"das macht ihnen doch der vermieter, oder?"
"den schrank repariert der nicht!"
der therapeut schweigt.
"und meine katze soll endlich vermittelt werden, die fällt mir auf den wecker."
"sie waren doch so glücklich, die zu haben."
"aber die ist jetzt schon ein halbes jahr da."
"das mit dem 'nicht für immer' haben sie also auch bei tieren."
"ich hätte sehr gerne eine katze für immer. eine freundliche, verschmuste katze, die nicht ständig meine wohnung zerlegt und total aggressiv wird, wenn mich jemand besucht."
"und schon haben wir einen realistischen wunsch", freut sich der therapeut.
ich schnaube verächtlich.
"manchmal möchte ich auch ihren job machen."
"warum?"
"stell ich mir easy vor."
"sagen sie das nicht. wenn sie mal einen patienten mit psychose therapieren müssen, ist das kein kinderspiel."
"haben sie solche?"
"ja. sogar ganz junge. jugendliche oder studenten, die beispielsweise zu viel gekifft haben."
"ha!"
der therapeut grinst, weil er weiß, an wen ich denke.

"aber das leben ist nun mal kein wunschkonzert", sage ich frustriert.
"wünsche helfen aber, klar zu werden. auch unrealistische."
"ich werd drüber nachdenken."
ich stehe auf, schüttle meinem therapeuten die hand und gehe nach draußen, wo die sonne in die pfützen strahlt.

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