Samstag, 8. Februar 2014
holding on
das objekt meldet sich zum abendlichen seelsorge-telefonat.
"was machst du gerade?"
"mit dir telefonieren und um meine innere mitte schwingen."
das objekt erkennt seine eigenen worte und lacht.
"sei doch froh, nicht jede patientin nimmt deine pflegerischen ratschläge so ernst", beschwere ich mich.
"dir gehts gut, was?" will das objekt wissen.
"war schon mal dramatischer. obwohl ich ja jammern könnte, weil ich krank bin."
"erkältung gibt maximal einen halben mitleidspunkt. das hat gerade jeder."

ich muss lächeln. jeden abend freue ich mich auf diesen anruf und hoffe, dass das objekt ihn tut, dass es ihm nicht selber mies geht oder es drogenbedingt in wolkenkuckucksheim hängt.
"wie hast du letzte nacht geschlafen?"
"ganz okay. sechs stunden."
"du schläfst aber normal mehr?"
"acht bis zehn."
"das kommt wieder. wie viel nimmst du gerade?"
"sieben milligramm."
"und du kommst damit klar?"
"ich habe den eindruck, es wirkt weniger gut als am anfang."
"bei diesem medikament hast du eine schnelle toleranzbildung. heißt, es macht auch abhängig."
"was glaubst du, warum ich das zeug erst jetzt bekommen habe. es war die ultima ratio."
"ich habe auch kein gutes gefühl dabei, wenn du das noch viel länger nimmst. wie wär´s, wenn du einfach was rauchst stattdessen?"
"in letzter zeit hat mich das nur umso wuschiger gemacht."
"okay, das ist nicht gut."

wir schweigen eine weile und ich genieße die zuneigung, die auch mit der stille zu mir herüberschwappt.
"gehst du am wochenende aus?" frage ich das objekt.
"weiß noch nicht. t. kommt vorbei, den kann man ja leider so schwer zu was motivieren."
"ich würde vielleicht weggehen. aber nur, wenn jemand mitkommt."
"dann gebe ich dir bescheid, falls wir doch losziehen."
"das wäre klasse."
"wie kommst du eigentlich mit t. klar?"
"ganz gut, warum?"
"ich frag ja nur."
"hat er irgendwas gesagt?"
"nein."
"du weißt, dass du mir das sagen solltest, wenn es so ist."
"morphine, er hat nichts gesagt! ich frage nur, weil ich dich nicht aus versehen mit menschen konfrontieren will, mit denen du im clinch liegst. ich will, dass du dich wohlfühlst. wenn, dann soll das ein schöner abend werden."
"bis auf deine mitbewohnerin gibt es keine menschen, mit denen ich probleme habe."
das objekt schweigt kurz.
"das war unnötig, morphine. ich habe neulich sogar deine postkarte in der küche aufgehängt."
"wie, echt, so offiziell? und was hat sie gesagt?"
"sie hat gar nichts gesagt. alles, was sie nachfragt, sind unsere langen telefonate."
"dann sag doch, ich bin irgendein kumpel."
"nein. ich will ehrlich sein."
"hoho!"
"mann! ich will, dass du ganz normal bei mir ein und aus gehen kannst. dass ich dich einladen kann und dass wir dann in der küche sitzen können, ohne dass sie sich aufregt."
"das wär ja mal schön."
"sie wird irgendwann akzeptieren, dass es dich gibt."
"nicht, wenn du ihr die volle wahrheit zumutest."
das objekt schweigt wieder. ich merke, wie schwierig das thema ist.

meine gedanken schweifen ab zu unserem letzten sex, zu den tiefen küssen, zu der fast gewaltsamen leidenschaftlichkeit, mit der ich geliebt worden war. ich bekomme eine gänsehaut.
"an was denkst du", will das objekt wissen.
"das ist eine scheißfrage", gebe ich meine standard-antwort.
"es interessiert mich aber."
"ich musste an unsere letzte begegnung denken und jetzt bin ich geil", sage ich offen.
"dann machs dir doch."
"verlockender vorschlag. heißt das, du möchtest, dass ich mir jetzt die finger in die muschi stecke?"
schweigen am andere ende der leitung.
"verdammt, jetzt hast du mich angefixt", sagt das objekt dann zögerlich und atmet tief.
"ich fände es schön, wenn du dabei an mich denkst", sage ich und bin dann peinlich berührt.
"ich denke oft und gerne an dich", erwidert das objekt zärtlich.
ich spüre, wie mein herz und zugleich der puls im unterleib wummern.

dann poltert etwas im hintergrund.
"oh", sagt das objekt betreten, um dann in den raum zu rufen:
"du sollst doch ins bett gehen, schnuffi."
ich muss lachen. vaterfreuden.
"okay, der erotische moment ist hiermit gekillt."
"tut mir leid", sagt das objekt. "du kannst ja gleich weitermachen, ich muss mal sehen, was der kleine gerade treibt."
"dann bis morgen."
"bis dann."

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Freitag, 31. Januar 2014
mein roter schutzgeist
nachdem die wenigen restlichen möglichkeiten zur rettung meiner existenz nach und nach wie seifenblasen platzen, bewege ich mich in einem merkwürdigen schwebezustand, ähnlich wie damals nach der krebsdiagnose. ich renne nach wie vor wie besessen in meine arbeit, wo ich derzeit vorwiegend buchhaltungsinventur mache, ein arschlochjob, aber er hält die gedanken beisammen und erlaubt keine fehler. danach beeile mich, nach hause ins bett zu kommen. da ich nachts nicht mehr schlafen kann, muss ich ein wenig schlaf tagsüber nachholen. ich flüchte mich in den schlaf. nicht denken müssen, die gedanken sind ohnehin nicht produktiv.

das klappt nicht immer. heute erwischt mich das objekt mitten im down.
"ach verdammt", sagt das objekt, als es die lage gepeilt hat, "kannst dus mir erzählen?"
wie immer wenn ich exzessiv heule, bekomme ich schluckauf und kopfschmerzen und kein vernünftiges wort raus. ich setze ein paar mal an, komme aber mit meinen sätzen nicht zum ende.
"weißt du was", sagt das objekt irgendwann, "du hast jetzt 20 minuten, dich zu beruhigen. zwischenzeitlich komm ich kurz rum, ich hab eine stunde, dann muss ich meinen sohn vom sport abholen."
"okay", flüstere ich.

ich taumle ins bad, um kurz meine heulfresse zu begutachten. nix zu machen, finde ich, also bleiben wir heute eben hässlich.
dann klingelt auch schon das objekt an der tür. ich stehe im flur, das gesicht verquollen, trage nur slip und t-shirt und meine bettdecke, die ich um mich schlinge.
das objekt guckt ein bisschen betreten, versucht aber die fassung zu wahren.
"möchtest du dich umarmen lassen?" fragt es vorsichtig.
"ich schäme mich so", sage ich.
"wofür?"
"für alles, was ich bin."
das objekt nimmt mich vorsichtig bei den schultern und zieht mich dann langsam, ganz langsam zu sich heran.
"lass einfach los, wenn du kannst", sagt es. ich lehne die stirn an seine schulter und stecke die nase in die warme achselhöhle. meine tränen tropfen still in den objektiven pullover. das objekt hält meinen kopf, streichelt meinen nacken und wiegt mich beruhigend.

wir setzen uns auf mein bett. ich rolle mich im schoß des objekts ein und das objekt breitet die decke über mich.
"was ist es, was dich im augenblick so runterzieht? die existenzielle situation?"
"ich weiß nicht mehr, was ich machen soll."
"wie ist das mit deiner arbeit? ist das ein guter ort oder kostet dich das gerade kraft, die du nicht hast?"
"das ist ein guter ort, aber es ist im moment schon auch anstrengend. ich kann nicht wirklich klar denken."
"ich würde mich an deiner stelle überlegen, ob du dich nicht krankschreiben lässt und die zeit nutzt, um einen plan zu fassen."
"wenn ich jetzt allein zuhause sitze, komme ich nur auf dumme gedanken."
das objekt schaut skeptisch.
"was meinst du damit konkret?"
ein blick genügt und das objekt hat verstanden.
"dann lass dir halt und struktur geben von deinem job, aber du musst die grenze wahrnehmen, an dem das in verzweifelte routine und kraftraub ausartet."
ich nicke.
"wann ist dein nächster freier tag?"
"samstag."
"und dann?"
"sonntag."
"weißt du, was du da machst? ist da jemand bei dir?"
ich schüttle den kopf.

das objekt überlegt.
"wenn ich sonntag von der arbeit komme, könnten wir uns treffen."
"ich will aber nicht, dass du aus mitleid mit mir rumhängst."
das objekt schaut betroffen.
"morphine, ich will, dass du weißt, dass ich dich sehr gerne habe, und das sage ich nicht in nur wegen der situation. ich finde, du bist eine faszinierende persönlichkeit, und zu dieser persönlichkeit gehört auch deine ganze geschichte. ich mag deine geschichte kennen, mit all ihren dunklen flecken, und ich mag dich auf deinen höhenflügen genauso wie jetzt in deiner verzweiflung."
"es tut mir leid", weine ich, "aber ich kann gerade nichts mehr an mir erkennen, was irgendwie... mit freude verbunden sein könnte, auch für andere."
"ich weiß ja... ich weiß ja...", beschwichtigt mich das objekt und schaut dann etwas ratlos zur wand.

"die lage ist so, wie sie ist, einfach neu für mich", erkläre ich. "ich hab mich bislang immer selber aus der scheiße geholt. oft nur ganz knapp, aber es hat immer funktioniert. inzwischen fehlen mir die ideen zum überleben. es ist alles ausgereizt."
"ich vermute, du musst dich komplett neu orientieren", sagt das objekt vorsichtig. "auch wenn du deinen job magst und ihn gut machst, aber das ist so ein haifischbecken... denk ruhig mal quer und vielleicht magst du tatsächlich was ganz anderes machen. nicht unbedingt schule, weil das wäre meines erachtens der weg vom regen in die traufe. aber so... du hast studiert, du hast fünf jahre gearbeitet, teils sogar in einer leitungsfunktion... da muss doch was gehen."
"ich hab fast ein jahr gesucht, bis ich meinen jetzigen kleinen job hatte. das war der totale horror, das will ich nicht noch mal erleben müssen."
das objekt schmunzelt und schaut mich offen an:
"liebe morphine, ich fürchte, menschen wie du und ich werden es immer schwer haben, weil wir keine arschlöcher sind. und es wird auch nicht leichter mit der zeit, weil die zeiten immer härter werden."
"und wie schaffst du es, davor keine angst zu haben?"
"ich sag ja nicht, dass ich keine angst habe. aber ich weiß, dass ich mich auch mit 80 noch in den spiegel schauen und mir sagen kann, ich habs es gut gemacht. so gut es eben ging, aber mit dem herzen. ich werde nie reich oder glücklich sein, aber ich muss es deswegen noch lange nicht schlecht haben."

ganz unbemerkt habe ich mich gesammelt und aufgehört zu weinen.
"kann ich dich jetzt allein lassen", will das objekt wissen.
ich nicke.
"und mach dir mal gedanken. wenn dus nicht für dich tun willst, dann für mich. mach mich stolz, kleine große morphine."
ich muss grinsen.
"dich hätt ich gern zum vater gehabt. ehrlich."
das objekt lächelt zurück:
"das ist ein schönes kompliment, aber ich hab es lieber so. dann kann ich dir auch mal den schwanz in den mund schieben, damit du die klappe hälst."
ich kichere und schubse das objekt zur tür.

"denk dran, sonntag will ich ergebnisse hören", sagt das objek zum abschied.
ich nicke.
"und wenn dir danach ist, schick ruhig zwischendurch mal eine brieftaube."
ich umarme das objekt.
"danke für alles."
"schnauze, süße", erwidert das objekt und küsst mich einmal tief. dann springt es flink die treppe hinunter und verschwindet wie ein guter geist, der mir ein päckchen zuversicht vorbeigebracht hat.

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Montag, 20. Januar 2014
have a break, have a pussy
"hey! was machst du gerade", fragt mich das objekt heute nachmittag.
"ich hänge im bett und heule."
"hm... die geschichte musste mir gleich erzählen. aber ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir nicht gemeinsam feierabend machen wollen? ich hab zeit und die gespielin kommt erst nach 21 uhr von der arbeit."
"öh..." ich bin perplex, merke aber, wie sich beim begreifen der frage ein zarter flimmer von vorfreude über die depression legt.
"also ich versteh das natürlich, wenn dir gerade nicht danach ist", räumt das objekt ein. "aber, naja, die gelegenheit... ist günstig, sozusagen. mein sohn ist auch nicht da."
ich atme tief durch und sage dann nur:
"ich bin in einer stunde bei dir."
das objekt freut sich nen keks.
"wie viel willst du vorher rauchen?"
"mindestens zwei."
"ich bereite was vor."
"brav. bis dann", lege ich auf, bevor das objekt ins quatschen kommt und wir wertvolle zeit verschwenden.

duschen, die beste unterwäsche aus dem schrank holen, dann ab durch die mitte. arbeit bleibt liegen. die fertige wäsche bleibt in der trommel. mir egal. ich will raus, ich will weg, ich will zum objekt.
als ich vor dem heruntergekommenen haus stehe, klingle ich sturm, dann renne ich die treppen hoch. oben steht das objekt und breitet die arme aus, fängt mich auf, drückt mich und lässt mich nicht mehr los.
"es ist so schön, dass du da bist", sagt es.
"es ist so schön, dass deine alte nicht da ist", sage ich und das objekt grinst und knufft mich.
"wollen wir was essen", fragt es und zeigt richtung küche. "ich könnte was ko..."
da habe ich es schon am hosenbund gepackt und ins schlafzimmer gezogen.
"ist dir nach körperkontakt", fragt das objekt hocherfreut.
"nein, aber du bist barfuß, ich mache mir nur sorgen, dass du dir eine erkältung holst, wenn du nicht gleich ins bett kommst."

das objekt lässt sich bereitwillig neben mich sinken und wendet mir dann das gesicht zu. wir küssen uns. und küssen uns. und küssen uns. die kussintensität und -länge ist ganz objektuntypisch, da küsse zwischen uns nicht zwangsweise zum akt gehören. ein objektiver kuss ist ein verführungsmanöver, ganz im biologischen sinne der lockstoffübertragung, aber oft einfach auch nur eine geste, die zuwendung, zuneigung und die botschaft "du bist attraktiv" beinhaltet. auch ich küsse beim sex eher wenig, kann sogar gut und gerne vollkommen darauf verzichten. heute aber ist etwas anders.
"was ist los", frage ich verzaubert.
"ich hab mich so auf dich gefreut", sagt das objekt.
ich muss debil grinsen. dann stellt sich das objekt breitbeinig über mich und öffnet die hose. es weiß, dass mich diese geste anmacht. als es die hüllen fallen gelassen hat, kniet es sich herunter, drückt mir die handgelenke ins kissen und sagt: "keine bewegung", während es beginnt, mir die kleidung vom leib zu zerren. ich harre vor spannung zitternd aus, dann bin ich nackt und unsere blicke treffen sich. wir atmen uns laut mit offenen mündern an, bis das objekt mit einem kräftigen stoß in mich eindringt.
verhütung, denke ich noch kurz, dann setzt das denken aus und unsere körper übernehmen die regie.

wir ficken wie die wilden tiere. es ist ein brutaler akt, getrieben von einem wollen, wie ich es nur beim objekt kenne. als das objekt kommt, beißt es mich zart in die haut unterhalb meines kehlkopfs, "rrrrrraaaawwww", macht es dabei, dann sinkt keuchend es über mich.
"was für ein ritt, madame", sagt es und haut mir auf den po.
"du hättest deinen schwanz vorher wenigstens rausziehen können, ich bin nicht so scharf auf ein kind von dir", beschwere ich mich.
"ich hatte keine chance", erwidert das objekt lächelnd. "deine süße hat mich verschlungen."
"naja", sage ich, "eine schwangerschaft wäre auch nur noch der gipfel der ganzen katastrophe."

das objekt stützt sich auf und schaut mich aufmerksam an.
"möchtest du was loswerden? willst du mir was anvertrauen? da war doch was?"
ich lasse meinen kopf auf die breite objektbrust sinken und erzähle die ganze kacke.
"ich meine, es ist ja klar, dass nicht immer alles eitel sonnenschein ist. aber ich nehme das persönlich. und ich bin dann nicht gut zu mir."
"wie warst du denn nicht gut zu dir?"
"ich habe böse sachen über mich gedacht, obwohl ich keine schuld an der geschichte hab."
"und hast du auch was gemacht?"
automatisch greift das objekt nach meinen armen, dreht sie und begutachtet sie ausführlich. dann sagt es erleichtert:
"aber wenigstens keine frischen schnitte."
"ich hab nix gemacht. ich hatte zwei gläser whiskey und hab mies geschlafen und gealpträumt, dass ich lehrerin werden muss."
"wenn du das wirklich tust, hab ich angst um dich. du wirst da zerrieben. zumindest im moment. du musst noch stabiler werden."
"ich hab auch angst davor. aber was bleibt mir denn übrig?"
"ich hab schon überlegt, ob du nicht irgendwas bei uns arbeiten kannst."
ich horche auf. da sieh mal einer an! dass das objekt mir mal eine berufliche chance eröffnen könnte, daran hatte ich noch nie gedacht.
"habt ihr was frei in der öffentlichkeitsarbeit? das würde ich ja sofort machen."
"das weiß ich nicht, aber auf unserer station gibt es ein paar halbe stellen zu besetzen. und in zeiten der pflegenot... du kannst zwar noch nichts medizinisches machen, aber du würdest alle voraussetzungen mitbringen: einen pädagogischen hintergrund, viel empathie, geduld und diese fähigkeit, um die ich dich so beneide, allem auf den grund zu gehen."
ich überlege:
"kann man bei euch ein praktikum machen?"
"klar", sagt das objekt.
"ich denk mal drüber nach."
"du könntest das natürlich auch neben deinem jetzigen job machen."
"wenn dann nur so."

wir liegen schweigend eine weile nebeneinander und rauchen. ich streichle die weiche objekthaut, die auch jetzt im winter zarte sommersprossen hat.
"wollen wir einen film gucken", schlägt das objekt vor.
"hmhm."
das objekt schmeißt irgendeinen streifen rein, dann kuschelt es sich wieder an und klemmt mein knie zwischen seine beine. ich kann spüren, dass sich etwas tut.
"hast du nen gummi da?" frage ich diesmal, als würde das noch viel retten.
das objekt nickt und fummelt eine lümmeltüte aus der verpackung.

das zweite mal sind wir zärtlicher, bewusster, mehr beim anderen. das objekt küsst mich wieder und wieder.
"ich wusste gar nicht mehr, wie gut du küssen kannst", sagt es.
es wird ein langer akt, leidenschaftlich und genussvoll bis zur letzten sekunde.
"wahnsinn", stöhnt das objekt beim orgasmus, dann sinkt es völlig erschöpft neben mich. ich merke, wie verschwitzt wir sind.
"sportficken", sage ich, und zeichne die spur eines schweißtropfens auf der objektbrust nach.
"wie geht´s deiner süßen?"
"warm. und feucht."
das objekt grinst sich einen.
"und bei dir?"
"könnt nicht besser sein."

ein blick auf die uhr zeigt, dass es allerdings doch besser hätte sein können, nämlich wenn wir mal auf die zeit geachtet hätten.
"bist du mir böse, wenn ich dich bitte, dass du dir was anziehst", fragt das objekt schüchtern.
"solange dus nicht damit begründest, dass ich so hässlich bin", lache ich.
das objekt küsst meine brustwarze und meint:
"bei dir ist alles super in schuss, mach dir keine sorgen. da können dich 25jährige beneiden."
"dito", sage ich stolz, und das objekt strahlt.

tatsächlich ist es zehn vor neun. ich springe in meine klamotten und das objekt räumt hektisch gummis, taschentücher, zweite gläser und andere verräterische gegenstände weg. als schon alles gut aussieht, fällt mir auf, dass mir ein ohrring fehlt. ein klassiker.
das objekt krabbelt durch das bett und sucht jede ritze ab. dann endlich findet es meinen ohrring in einem kissen.
"hier", sagt es erleichtert.

zum abschied setzen wir uns vor das objektive bücherregal, das zu meiner freude wächst, wozu auch ich beigetragen habe.
"ich will dir so gerne ein bisschen lektüre mitgeben", sagt das objekt, "so zum weiteren heilen und damit du nicht nichts tust, wenn es dir schlecht geht."
das gestaltet sich schwierig, da ich sämtliche objektive lieblingsbücher schon gelesen habe oder selber besitze. endlich findet es mit tolkien einen autor, den ich zwar schätze, aber nicht wirklich mag.
"komm", sagt das objekt und drückt mir den kleinen hobbit in die hände. "leichte kost. versuchs wenigstens, du kannst es mir ja wiedergeben, wenn du es nicht magst."

dann müssen wir uns trennen. wir halten uns umschlungen wie kinder.
"das war sehr schön mit dir", wage ich zu sagen.
"das fand ich auch."
dann drehe ich mich schnell um und gehe, damit ich der gespielin nicht in die arme renne.
"sag bescheid, wenn du zuhause bist, damit ich weiß, du bist gut angekommen", ruft mir das objekt hinterher.
dann fällt die tür ins schloss und ich bin wieder alleine. durchgewärmt. frisch gevögelt. und happy unter der temporären käseglocke von objektglückseligkeit.

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Sonntag, 12. Januar 2014
the dream is over?
ein grund, warum ich mich nicht mehr verliebe, ist unter anderem, dass sich schon nach kürzester zeit, bevor sich ein zartes rosarot vor den realitätsfixierten blick schieben kann, die schwachstellen eines menschen kennenlerne. sie springen mich an und ich kann nicht mehr wegschauen und mich selbst belügen.

der therapeut ist noch immer stark in sachen männerschnupfen beschäftigt. auf vorschläge für die ausgesprochen nahe zukunft in vermutlich vollständiger gesundheit reagiert er mit schmollen und destruktivität, bis mir die lust vergeht, noch irgendein wort zu sagen. die selbstmitleidige, latent aggressive art kenne ich schon von anderen älteren männern, fällt also unter "hatte ich schon, brauche ich nicht mehr".

abwarten und tee trinken oder den tee gleich in den ausguss kippen? ich fackle bekanntlich nicht lange. diesmal fällt mir auf, wie gerne ich mich selbst noch eine weile an unschuldiger träumerei geweidet hätte.

ich heule ein wenig bei frau okavanga rum, die eigentlich schlafen wollte, aber sich dann doch noch zu einem anderthalbstündigen telefonat breitschlagen lässt.

statt deeskalationsstrategien mit dem lieblingsnachbarn gekifft und wein getrunken. hier beim nachbarn ist alles schwul, das heißt, ich kann mich endlich mal entspannt zurücklehnen und den k(r)ampf der geschlechter sein lassen. ich erzähle ein wenig vom objekt und vom therapeuten, und der nachbarn meint, ich müsse ihm das objekt unbedingt mal vorstellen. ich lache und warne: macht süchtig. der nachbarn lacht ebenfalls und berichtet dann, wie er mal koks in eine geschlossene anstalt hineingeschmuggelt hatte. auch so ein wahnsinniger, das finde ich herrlich.

so vergeht ein wochenende in innerer unabhängigkeit und guter laune, allen sturmwarnungen zu trotz.

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Sonntag, 5. Januar 2014
fickflittchen und die sieben zwerge
gestern den ganzen tag müde. schmerzen. zum einkaufen humpeln und wieder in die wohnung kriechen. trotzdem beinahe ein gefühl von lebensfreude in mir. muss am guten wetter liegen. der winter ist bislang ganz nach meinem geschmack. mild und sonnig. die klimakatastophe kann auch vorteile haben.

obwohl ich diese woche schon zweimal tanzen war, beschließe ich, später noch im club vorbeizuschauen. mein innerer kompass sagt, dass auch das objekt sich heute in feierlaune befindet. teleempathie, oder wie man das nennen mag. in teleempathie bin ich objekttechnisch inzwischen ganz gut und habe eine hohe trefferquote. theoretisch könnte man natürlich auch einfach den betreffenden anrufen, aber das wäre nicht halb so spannend.

tatsächlich ist der objekt-arsch das erste, was mir ins auge fällt, als ich den club betrete. das objekt lehnt über dem tresen und unterhält sich mit romeo, einem aufriss von anno dazumal. obwohl romeo ganz smart scheint, ist es mir noch nie gelungen, mich mit ihm zu unterhalten. also beschränke ich mich darauf, dem objekt kräftig auf den arsch zu hauen und dann schnell in der menge zu verschwinden. ich hole mir bei meinem lieblingsbarkeeper eine whiskey-cola und lümmle mich auf die couch, wo schon bekannte sitzen. ein bisschen small talk, ja, an guten tagen kann ich das, ohne mich dann anschließend leer zu fühlen, ohne die kreischende frage im kopf, wars das, ist das alles, wo ist denn da die tiefe, die wahrhaftigkeit und schönheit der echten verbindung?! an guten tagen halten die gedanken inzwischen einfach die klappe und der tapfer etablierte stumpfsinn findet das dann alles ganz nett soweit, auch wenn wir wissen, dass nett die kleine schwester von scheiße ist.

als ich so sitze, fällt mir ein, dass ich ja den therapeuten anfunken könnte, der sich luftlinie nicht mal 100 meter entfernt auf der heimischen couch befinden müsste. im anbetracht der objektanwesenheit verwerfe ich den gedanken allerdings wieder. keine welten verschränken, sagt auch das objekt, das gibt nur probleme. inzwischen halten wir unsere welten so sauber, dass wir nur unter bedacht über anderweitige affairchen im detail sprechen. auch ereignisse aus der wohngemeinschaft mit der vermietergespielin verschweigt das objekt diskret, was mir sehr entgegen kommt.

das objekt ist an diesem abend stark belagert. neben drei frauen zähle ich mindestens zwei männer, an deren blick ich deuten kann, da ist was oder da war mal was. ich halte mich im hintergrund, will die gespräche nicht stören, besonders nicht an tagen wie heute, an denen das objekt offenbar sozial kompatibel und redefreudig ist. erst gegen vier uhr begegnen wir uns ein zweites mal an der tanzfläche, wo das objekt gerade eine kleine dicke blonde frau an der backe hat. ich stelle mich hinter die frau und schaue fragend, soll ich eingreifen und das objekt schickt mir einen hilfesuchenden blick zurück. also schiebe ich mich dazwischen, umarme und küsse das objekt herzlich und schiele dann über meine schulter.
"und weg isse", sage ich.
"du, ich dank dir", sagt das objekt, "das ist heute ganz schlimm. hier sind heute insgesamt sieben frauen und typen, mit denen ich mal was hatte. vorhin hab ich gedacht, ich muss im erdboden versinken, weil die meisten von denen wahrscheinlich denken, oh gott, der arsch ist ja heute auch da."
ich muss lachen.
"das sieht aber nicht so aus", finde ich.
"ich hab mich dann heute mal so mitreißen lassen und mich mit all denen noch mal unterhalten."
"traumabewältigung oder was?"
"so in der art."
das objekt fummelt an meiner tasche.
"was machst dun da?"
"mach mal die tasche da weg."
ich hebe die tasche an und das objekt haut mir seinerseits auf den hintern.
"so, jetzt sind wir quitt."

wir gehen rauchen. es folgen uns die blicke der objektverflossenen, was das objekt nur anspornt, mich in den arm zu nehmen und mich fest an sich zu ziehen.
dann sitzen wir an der bar.
"weißte, an was mich das mit deinen exen hier erinnert? an schneewittchen und die sieben zwerge", sage ich.
das objekt kichert.
"hast du was genommen?"
"ich bin so klar wie nie zuvor. aber denk doch mal drüber nach... fickflittchen und die sieben zwerge..."
"und ich bin das fickflittchen oder was?"
"na wer denn sonst. also das märchen muss halt umgeschrieben werden. aber in zeiten der emanziption kann fickflittchen doch auch männlich sein."
das objekt lacht.
"genau... und ich muss mich dann fragen: wer hat von meinem tellerchen gegessen... wer hat in meinem bettchen geschlafen... wer hat an meinem schwanz gelutscht..."
ich merke, dass ich tränen lache.
"gut, dann musst du ja nur noch meine rolle definieren."
das objekt grübelt nach.
"dann bist du dornröschen."
"hä? also ich meine, besser als die böse königin, aber das ist doch ein anderes märchen."
"das war aber immer mein lieblingsmärchen."
ich grinse geschmeichelt, bis das objekt fortfährt:
"... und ich hab mir immer so gedacht, ich würde das dornröschen gar nicht wachküssen. ich würde das einfach ausnutzen, sie da in ihrem hundertjährigen schlaf packen und mal ordentlich durchficken. so hart und so lange und so oft ich will."
ich packe das objekt an den gürtelschlaufen und ziehe es zu mir heran. da stehen wir unterleib an unterleib und spüren, wie die sexuelle spannung steigt.
"kannst du nicht nachher einfach mitkommen?", flüstere ich dem objekt ins ohr.
"ich würde ja gern, aber ich muss in zwei stunden auf arbeit sein."
"och nö."

als ich die finger aus den gürtelschlaufen ziehe, fällt mit erst auf, dass das objekt auch schon seine dienstmarke an der hose trägt.
"such dir mal nen anderen job, ich finde, das geht gar nicht. austern essen gehen wollten wir ja auch noch, dafür hattest du auch noch keine zeit."
"ja, manchmal wünsche ich mir mein leben so von vor vier jahren zurück. aber ich muss jetzt auch alimente zahlen."
"warum das denn? der kleine wohnt doch eh quasi bei dir?"
"nicht offiziell."
"das ist ja ne ganz linke nummer."
"ja, hat der neue stecher der kindsmutter eingefädelt. der wichser hat sich auch gleich ne neue playstation gekauft, als das durch war... und ich hab genauso wenig geld wie zuvor, als ich noch auf 30 stunden gearbeitet habe."
"das ist ja krass. kann man da nichts machen? da kommt ja nachweislich dann nicht dem kind zugute."
"ich wüsste nicht was. zu weihnachten wollten die kindsmutter und ich dem lütten ein kleines notebook schenken. weil alle in seiner klasse irgendwie sowas haben. wir haben eins gekauft und was ist passiert? der typ hat sich das gekrallt und mein sohn hat sein altes notebook dafür bekommen."
"du steckst echt in der scheiße. nimm dir da mal einen anwalt und frag, was du tun kannst."
"ich will da nicht schon wieder unfrieden stiften, das muss ja alles mein sohn ausbaden."
"so muss er es auch ausbaden."
"naja, hast ja recht, aber weißte, meine kraft reicht immer nicht für alles."
ich nehme das objekt in die arme und wiege es ein bisschen hin und her, so, wie es das immer mit mir macht, wenn es mir nicht gut geht.
"ich denk mal drüber nach, vielleicht fällt mir was ein. ich kenne ja auch ein paar leute, wenn auch leider keine anwälte."
das objekt küsst meine wange:
"danke, aber du, morphine, du hast genug eigene probleme. ich freu mich, wenn dir was einfällt, aber das ist kein muss. echt nicht."
"ich weiß. sonst würde ich das nicht anbieten."

wir stehen noch eine weile beisammen, dann wird das objekt immer unruhiger.
"ich glaube, ich sollte los, ich wollte ich noch schnell umziehen. wie bist du da?"
"mit dem rad."
"tja, dumm gelaufen, sonst hätte ich dich ein stück mit dem taxi mitnehmen können."
"verschwender."
ich küsse das objekt auf die stirn.
"dann viel spaß nachher auf arbeit."
"ja, wird ruhig, weihnachten ist ja nun vorbei."

ich bleibe noch eine halbe stunde und beschließe dann, ebenfalls den heimweg anzustreben. ich fahre ein kleine schleife über die straße, in der der therapeut wohnt, bedenke ihn mit einem warmen gefühl und nehme dann den ring weiter richtung norden. der morgen ist schwarz, sternklar und ruhig, kaum noch menschen unterwegs. ich stelle mir vor, der himmel ist ein dach und die häuser ein zauberwald, und träume mein eigenes kleines märchen, bis ich endlich zuhause bin.

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Freitag, 3. Januar 2014
deine hand
über 3.500 euro aus unbezahlten rechnungen. wie ich das immer schaffe, wenn kunden so lange nicht bezahlen. denke über inkasso nach und verwerfe es wieder, weil die einzelbeträge so niedrig sind.

wegen meiner krebs-krankschreibung nur ein halbes gehalt bekommen. auch gut. ihr wichser.

der therapeut ist krank. grippe. trotzdem ist er ansprechbar, als ich heute morgen eine kleine panikattacke wegen der sich wiederholenden existenziellen krise habe.

deine hand soll mich nicht loslassen. nicht so schnell. bitte.

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Dienstag, 31. Dezember 2013
wonderland
gestern treffe ich den therapeuten wieder.
"kommst du mit auf party?" frage ich vorher am telefon.
"ich weiß nicht, ich werde zu müde sein, ich musste heute arbeiten."
"schade."
"aber geh du doch auf deine party. kannst ja vorher zu mir kommen und dann weiterziehen", schlägt der therapeut vor.
und ich bin sprachlos. 99 von 100 männer hätten in dieser situation darauf beharrt, dass ich, wenn ich zu ihnen komme, gefälligst auch bleibe, weil so eine party in herrgottsnamen doch nicht wichtiger oder genauso wichtig sein kann wie ein typ, schon gar nicht, wenn man sich zum ersten mal privat trifft. doch dieser mann stilisiert sich nicht mal so eben vorneweg zum hauptevent meines lebens. wie unendlich angenehm. und schwupp, bekomme ich noch viel mehr lust, den therapeuten wiederzusehen.

ich schwinge mich auf mein rad und fahre eine sehr vertraute strecke, denn der therapeut wohnt fast genau da, wo das objekt früher mal gewohnt hat. ich blicke voller liebe auf den hauseingang, der nun zu tode renoviert ist und eine hässliche neue tür hat und beschließe, dass es gut ist, dass das objekt nicht mehr dort wohnt. dann fahre ich um die ecke und stehe vor dem haus des therapeuten, ein alter schneeweißer palast mit tausend schnörkeln. wie schön, denke ich bei jeder treppenstufe, die ich nach oben gehe, wie wunderschön, hier würde ich mich auch wohlfühlen.

der therapeut steht unter der tür. er umarmt mich, küsst mich aber nicht. ich bremse meinen ersten impuls der enttäuschung, langsam, du weißt doch wie schwierig das für dich selbst mit der nähe ist, und umarme ihn um so herzlicher zurück. dann betrete ich die wohnung und staune weiter, denn drinnen ist es mindestens so schön wie draußen. es gibt eine küche mit kachelofen, ein wohnzimmer mit riesigem klavier und ein winziges schlafzimmer. alles ist gleich geschmackvoll mit sehr dunklen möbeln und hellen textilien eingerichtet. es herrscht ein moderates chaos, so, wie ich es mag.

"spielst du?" frage ich und deute auf das klavier.
"nicht mehr."
"ich hab auch fünf jahre gespielt und jetzt steht mein klavier auf dem dachboden bei meinen eltern und sie wollen es verkaufen."
"das ist ja schade. was willst du trinken? wein?"
ich nicke und der therapeut flitzt in die küche. als er wiederkommt, wirkt er zerknirscht.
"ich hab leider nur so halbtrockenen wein. ich mag es immer nicht so ganz trocken."
ich lache.
"wunderbar. ich kriege von so saurem wein nur sodbrennen."
der therapeut schaut erleichtert und balanciert dann zwei gläser ins wohnzimmer.
"und sonst? chips? nüsse? irgendwas? ist dir warm genug? oder soll ich die heizung noch weiter aufdrehen?"
ich schüttle den kopf und klopfe auf den couch, damit der therapeut sich endlich setzt und ein bisschen zur ruhe kommt.

dann sitzen wir da und lächeln einander an.
der wein steigt mir nach zwei schlucken zu kopf.
"oha", sage ich.
"geht´s dir nicht gut", will der therapeut wissen.
"doch, doch, mir ist nur schwindlig geworden vom wein, aber das kann sein, weil ich gestern noch mit einem freund was geraucht habe, das war ein bisschen viel, und ich hab auch nicht viel geschlafen."
"geraucht? oder was geraucht?" hakt der therapeut nach.
ich winde mich, peinlich, dass ich immer gleich mit meinen drogenstories rausplatzen muss, bestimmt ist der therapeut als therapeut ein totaler anti-drogen-mensch.
"ähm, also ab und an rauche ich mal gras. aber nur selten", stottere ich.
"oh", sagt der therapeut. "ich rauche auch nur ganz selten, aber jetzt habe lust bekommen, was zu rauchen."
ich mache große augen, und der therapeut steht auf und geht ins nebenzimmer. dann kommt er mit tabak und einer riesentüte voller gras wieder.

"alter, wie kommst du an solche mengen?"
"och, das fliegt jetzt schon ein halbes jahr in meiner wohnung rum. ich hab das von einem klienten."
ich staune mit offenem mund.
"also ich hab dem gesagt, wenn er schon raucht, dann soll er mir mal was mitbringen. das ist jetzt nichts konfisziertes oder so", erklärt der therapeut weiter.
"okay... nicht dass dann irgendwann die kumpels von deinem klienten in deiner wohnung stehen und hier alles kurz und klein schlagen."
der therapeut lacht. dann schiebt er mir die papers rüber und fragt:
"magst du drehen? ich bin da nicht so geübt."
"ich auch nicht."

dennoch nehme ich mich der sache an. zumindest filter falten kann ich wie ein profi, da macht mir so schnell keiner was vor. der therapeut schaut gebannt zu, während ich ein paar sätze über luftkammersysteme verliere.
"woher hast du dieses ganze wissen?" fragt er dann.
ich halte den atem an und überlege, wie ich vom objekt erzählen kann, ohne dass allzu klar wird, in welchem verhältnis wir stehen.
"von einem freund", sage ich dann vage.
"und der raucht wahrscheinlich regelmäßig?"
"das ist der größte kiffer unter der sonne."
"das ist aber nicht gut."
"das weiß der schon."
"kann der so arbeiten?"
"der kann nur so arbeiten."
"was macht der denn?"
"krankenpfleger."
der therapeut schaut skeptisch.
"ich glaube, der ist auch ein bisschen depressiv", sage ich dann zu entschuldigung des objekts.
"ich habe kollegen, die halten einen mäßigen thc-konsum für eine gute möglichkeit, um depressionen zu lindern", sagt der therapeut zu meiner überraschung.

"warum ist dein freund denn depressiv, deiner meinung nach?" forscht der therapeut weiter.
verdammt. das objekt hätte ich heute gern ausgeblendet.
"och... der hatte halt ne beschissene kindheit... der vater ist ein säufer und schläger, der die existenz seines sohnes weitgehend ignoriert hat... die mutter so ne eiskunstlaufmutti, der es immer nur um seine sportlerkarriere ging... und dann lag er mal wochenlang im koma und als er aufwachte, konnte er nicht mehr richtig sprechen und hat gestottert... dann wurde er mit 27 unfreiwillig vater... naja, und auch heute hat er ein sehr kompliziertes leben mit entsprechend vielen seelischen einbrüchen", gebe ich die kurzzusammenfassung.
der therapeut hat sehr aufmerksam zugehört.
"war bei mir ähnlich", sagt er dann. "nur im koma lag ich nie und sportler oder vater war ich auch nicht. ich wollte nur schon sehr früh einfach nicht mehr leben."
"wann war denn früh?"
"so mit vier, fünf jahren."
"oha."
"hat aber dann noch 20 jahre gedauert, bis jemand verstanden hat, dass das eine depression ist."
"ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann es bei mir anfing. ich weiß nur noch, in meiner pubertät gab es immer mal wieder so zwei, drei monate, da ging es mir ganz schlecht, da konnte ich nur weinen oder vor mich hinstarren. ich hab mir dann heimlich johanniskrautkapseln gekauft und immer die achtfache dosis davon geschluckt", kichere ich. "so nach dem motto, viel hilft viel."
der therapeut lacht.
"hats was genutzt?"
"nee, kein bisschen. johanniskraut hat bei mir nicht mal nen placeboeffekt."
"und dann?"
"hab ich mit ephedrin weitergemacht."
"das zehrt dich aber aus."
"hat aber gut geholfen. und legal wars damals obendrein noch."
"naja, auf jeden fall scheinst du eine sehr experimentierfreudige persönlichkeit zu sein."

als der joint fertig ist, stehen wir am fenster und rauchen. der therapeut streichelt meinen nacken und meine arme, bevor seine hände zu meinen brüsten wandern. alarm, schrillt es in mir, willst du das? willst du das jetzt wirklich?
doch es ist warm und angenehm und tröstlich. wir küssen uns, dann schiebt mich der therapeut sanft, aber bestimmt in richtung schlafzimmer.

später liegen wir noch lange nackt nebeneinander. wir kuscheln uns an und erzählen uns mit flüsterstimme geschichten aus unserem leben. wir haben uns wahnsinnig viel zu sagen, stelle ich fest und immer wieder entdecke ich parallelen in der art, nachzudenken oder zu handeln.

gegen zwei erschrickt der therapeut.
"scheiße, ich muss ja morgen um halb sieben aufstehen."
"okay, dann hau ich jetzt ab."
"ja, ich muss leider immer ganz viel schlafen."
ich lache:
"du auch?"
"ja, ich brauche immer so zehn stunden eigentlich."
"geht mir genauso. manchmal auch 12 oder 13."
"manchmal hab ich schon ein schlechtes gewissen, wenn ich den ganzen tag verschlafe", gesteht der therapeut.
"kenn ich. aber hey, herrlich, wenigstens bist du dann keiner der männer, die mir um neun uhr an einem samstag frühstück ans bett knallen und erwarten, dass ich mich freue."
der therapeut lacht und küsst mich.
ich schlüpfe hastig in meine klamotten, dann in stiefel und jacke, gebe dem therapeuten einen letzten kuss und mache mich auf.
"gehst du noch auf party?"
"mal sehen."
"mach das doch und hab viel spaß."

draußen stehe ich in der frischen kälte und fühle ein leises, aber deutliches glück, das mich mit dem nachtwind umweht. dann hole ich mein rad und fahre in den club.

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Sonntag, 22. Dezember 2013
weihnachtsgeschenk
party. das objekt hat zuvor noch angerufen, um zu fragen, ob ich gehe, und um mir mitzuteilen, dass es auch gerne gehen würde, aber die vermietergespielin mache terz, das objekt soll zuhause bleiben, weil sie krank ist.
"wenn die alte krank ist, soll sie schlafen", finde ich. "und dazu braucht sie dich doch nicht."
das objekt druckst eine weile herum und gibt letztendlich zu, dass er sich dem diktat wahrscheinlich beugen werde.
"muss wahre liebe schön sein", sage ich spöttisch und böse, und das objekt ist eingeschnappt, weil ich mal wieder den finger in den wunden punkt gehalten habe.

ich habe trotzdem spaß, denn ich habe freie flirtbahn. zunächst lerne ich einen etwas älteren typ kennen, der mir schon seit geraumer zeit aufgefallen war, weil er schön und prollig zugleich ist, diese rudimentäre "hey baby"-stammtisch-schönheit, wenn sie verstehen, was ich meine. ich weiß, dass er verheiratet ist, seine frau ist heute auch dabei, und irgendwer hatte mal erzählt, sie sei fleischerin, was sehr gut zu ihr passt. sie sieht sehr streng und rüde und zupackend aus und macht mit dem hackebeil zwischen am haken schwingenden schweinehälften bestimmt eine gute figur.

ihr mann spendiert mir eine whiskey cola nach der anderen und labert mir eins an die backe. ich finde ihn sympathisch, mehr nicht. doch als wir blau sind, beginnt er unerwartet, mir komplimente zu machen und mich zu küssen.
"aber deine frau ist doch da", wage ich anzumerken.
er macht nur eine abwehrende geste, bis die olle vor uns steht, zur furie mutiert. ich habe angst, dass sie gleich das schlachtmesser zückt, also renne ich erstmal aufs klo, damit der typ die lage beruhigen kann.

immer die gleichen scheiß-situationen. immer diese eifersüchtigen, besitzergreifenden weiber. die welt könnte so schön sein ohne frauen, denk ich mir manchmal, auch wenn ich selber eine frau bin. ich unterhalte mich mit dem architekten darüber.
"es gibt nunmal jäger und sammler", doziere ich besoffen. "die meisten männchen sind jäger und die meisten weibchen sind sammler, aber das ist nicht immer so. ich bin beipielweise auch ein jäger und ich find das so kacke, dass immer sammler dazwischen kommen und mir die beute grabben wollen. und zwar nicht, weil sie schöner und intelligenter oder sexier wären. sondern weil sie ein konstruiertes recht geltend machen. das führt den sozialdarwinismus ad absurdum!"
der architekt guckt verwirrt und kann mir nicht folgen, aber ich kann mir selber auch nicht mehr ganz folgen. alles was ich habe, ist eine stinkwut auf die gesellschaft mit ihren blöden normen und auf die blöden weiber allethalben.

in der ecke sitzt ein typ mit eckiger intellektuellenbrille und beobachtet meine aufgebrachte rede und mein besoffenes gestikulieren. weil ich noch immer in rage bin, gehe ich hin und frage:
"is was?!"
er schüttelt schüchtern den kopf und lächelt dann ein winziges sympathisches lächeln.
ich stapfe wieder zurück, trinke mein glas leer, jetzt bloß kein alkohol mehr, dann drehe ich ab in richtung tanzfläche.

weil ich wegen des knies nicht tanzen kann, sitze ich am rand der tanzfläche und wippe mit den beinen. keine fünf minuten später taucht der brillentyp auf, setzt sich zu mir und lächelt mich wieder an. ich habe ein sympathisches kribbeln im bauch, der findet mich gut, der findet mich gut, jubiliert das herz, das depressionsbedingt ständig mit selbstzweifeln kämpft, und weil ich ausnahmsweise mal so gelöst bin, nehme ich den typ einfach an der hand und zerre ihn zur bar.
"was willst du trinken?"
der typ guckt sehr überrumpelt.
"äh..."
die bedienung beugt sich über den tresen.
"hi, was möchtest du haben?"
ich bin plötzlich zögerlich, denn der gedanke an noch mehr alkohol verursacht mir brechreiz. auch mein neuer bekannter guckt noch immer verwirrt. die bedienung wird ungeduldig.
"einen kirschsaft", sage ich schnell.
"ich auch", schließt sich der typ an.

dann sitzen wir da und nippen an unserem saft.
"was ich an kirschsaft so mag, ist diese farbe", sage ich zusammenhangslos.
"ah", sagt der brillentyp.
dann schauen wir uns wieder an und grinsen wie die osterhasen.
"ich bin dir total dankbar, dass du mich angesprochen hast", sagt der typ dann. "ich hätte mich nämlich nicht getraut. und was für eine geste! das hatte was."
"ach, ich bin auch total schüchtern", sage ich lakonisch.
"echt?!"
"ja. ich finde mich nicht hübsch oder clever oder so."
"du wirkst aber gar nicht so."
"gute maske, ne?!"

der brillentyp grinst. was ich beruflich mache, will er wissen. ich sage es ihm und frage dann nach seinem job, wenn wir schon bei den heiratsrelevanten eckdaten sind.
"ich bin therapeut."
"was für einer denn?"
"in einer psychiatrie."
ich lache mich halbtot und der therapeut schaut schon wieder verwirrt.
"herzlichen glückwunsch, du unterhälst dich gerade mit deiner klientel", sage ich.
"ach was?"
"ja, leider. soll ich gehen? ist ja langweilig für dich."

und plötzlich habe ich die arme des therapeuten um meine mitte. wir hören auf zu lächeln. ich bekomme angst. aber der therapeut riecht gut. er riecht richtig. er riecht so, dass ich mich einfach in diese arme sinken lasse und den kopf auf seiner schulter ablege, gerade so, als kannten wir uns schon ewig. dann küssen wir uns. und die welt um mich herum versinkt.

es fühlt sich gut an, aber meine angst vor nähe bricht immer wieder durch. er merkt das.
"ich hab so ein nähe-problem", gebe ich zu.
"ich bin auch depressiv, wenn dir das irgendwie hilft", lächelt der therapeut.
ich bin perplex:
"wie geht das denn, therapierst du dich dann selber?"
"ich hab alles an medikamenten genommen, was es gibt. aber nichts hat geholfen. das kann vorkommen, rund 20 prozent meiner patienten profitieren einfach nicht von medikamenten."
"oh mann, das ist nicht leicht."
"depressionen sind generell nicht leicht, egal ob mit oder ohne. aber man kann sehr viel lernen und sich strategien aneignen, mit denen man anderen menschen dann überlegen ist."
"das finde ich auch!"
"leider tröstet das nicht, oder?"
"nee. höchstens ganz selten."
"ganz, ganz selten."
"ich wäre manchmal gerne einfach normal."
"das ist nicht dein ernst."
"nein. aber es gibt so momente. da möchte ich eine glattgebügelte persönlichkeit sein, die dem leistungsprinzip dieser gesellschaft nacheifert, hübsch 1,4 kinder wirft und samstags in die innenstadt geht, um ordnungsgemäß zu shoppen. und die darüber nicht nachdenken muss, ob das richtig so ist."
der therapeut lacht und schaut mich offenherzig an.

ich beschließe, meine nähe-angst vorläufig aufzugeben und einfach sitzenzubleiben, hier, in der wärme, unter den zärtlichen, forschenden blicken des therapeuten. er streichelt meinen rücken und meine schultern und küsst meine wangen, meinen hals und meine lippen. und so verharren wir, bis es halb sieben uhr morgens ist und der tanztempel schließt.

draußen stehen wir noch lange beisammen.
"ich wohne hier gleich um die ecke", sagt der therapeut. "wenn du möchtest, kannst du gerne mitkommen."
"nee", sage ich. "ich bin nicht so die frau für die erste nacht."
"so war das nicht gemeint."
"egal. ich muss nachhause. echt. ich kriege morgen nachmittag besuch."
"okay, dann..."
"dann..."
"gibst du mir deine telefonnummer?"
"klar."
wir tauschen nummern und nehmen uns dann ein letztes mal in die arme.

im bett kann ich lange nicht einschlafen. was hab ich mir da bloß geangelt? mann oder memme, würde das objekt fragen. wird er anrufen? frage ich mich. wird er? oder ist er wie alle anderen?

der therapeut ist ein bisschen wie ein weihnachtsgeschenk. noch unausgepackt. mit rätselhaften inhalten. wir werden sehen,ob es grund zur freude geben wird.

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Mittwoch, 11. Dezember 2013
letzter orgasmus mit dem strick um den hals
und dann sagen sie dir, es ist knochenkrebs.

irgendwie hab ich ja immer gespürt, dass ich nicht alt werde.

eine seltsame ruhe in mir. obwohl über leben oder sterben noch nichts eindeutiges gesagt ist.

um mich herum wird hysterisch geheult. es ist mir zuwider.

ich bin allem enthoben.

der kleine roboter, der überweisungsscheine einholt und sich unter große maschinen legt.

wenn, dann will ich in frieden und würde sterben, mit allen gliedmaßen am leib. das ist schon mal sicher.

wünschen sie mir was.

und wer mich schon immer mal besuchen wollte, hurry up. es ist vielleicht nicht mehr viel zeit.

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Sonntag, 8. Dezember 2013
totale sonnenfinsternis
ich gehe und gehe durch den regen, der meniskus schreit, stopp, mach ich nicht mehr, kann ich nicht mehr, will ich nicht mehr, fast wie die seele in letzter zeit wieder. aber ich hab tramal, voltaren und whiskey im blut, bin der meinung, dass das reichen muss, um so einen meniskus und auch eine seele zum schweigen zu bringen, drohe beiden schließlich auch noch mit tanzen, na bitte, schon geht es wieder für ein paar meter.

im club bin ich brezelbreit entspannt und nicht in habacht-stellung wie sonst. ich grinse offenbar nett in die runde, bekomme gleich einen porno vom barkeeper und just drauf einen jägermeister von einem glatzköpfigen überundüber-tätowierten spendiert. der architekt ist das einzig bekannte gesicht weit und breit, auch so ein der zeit verloren gegangener, auch so ein überqualifizierter sondermüll auf der resterampe.

ich beschließe, mich weiter volllaufen zu lassen, so anstatt leichenschmaus, und hoffe, das ist im sinne des verstorbenen. ich muss an seine freundin denken, seine ganz große liebe, die er erst im herbst kennen gelernt hatte, was für ein schönes paar die beiden waren, und ich bin froh, dass ich niemanden habe, denn dann kann mir auch keiner einfach so wegsterben.

neben mir sitzt eine andere frau, die einen hübschen pullover trägt, einen häkelpulli mit ganz vielen großen löchern, mehr löcher als pulli. ich mag sie auf anhieb, als sie kurz den blick hebt und mich anlächelt, bevor sie den nächsten wodka ordert.

kurz darauf habe ich pech und ein langjähriger verehrer, so unangenehm wie hartnäckig, betritt den raum. mangels objektiver schutz-option und reaktionsschnelligkeit schaffe ich es nicht mehr, vom barhocker zu rutschen und mich in der menge zu verstecken. also muss ich hallo sagen und kann sogar ein bisschen alkoholisiert vor mich hingrinsen, was ich sonst dringend unterlasse, weil ich ihm gegenüber so unfreundlich und arrogant wie nur möglich sein will. der scheinbare erfolg spornt meinen verehrer natürlich an. wie fast immer versucht er, über unseren vermeintlich gemeinsamen musikgeschmack weitere vermeintliche gemeinsamkeiten aufzubauen. ich höre weg und lächle und nicke nur, das scheint eine weile zu reichen, bis der typ schließlich meint:
"konversation ist so deine stärke, was?"
"bin blau", nuschle ich.
"du bist ganz schön gestört", knallt mir der typ da an den kopf.
jetzt muss ich doch lachen und sage:
"richtig, du sprichst hier ja auch mit einer psychiatriepatientin."
dem typ fällt erstmal das gesicht runter, dann meint er allerdings ganz nüchtern:
"sowas hab ich mir schon gedacht."
als ich mit dem kopf auf den tresen sinke, weil ich unfassbar erschöpft bin, von den ereignissen, der anstrengenden arbeitswoche und den ständigen schmerzen, streckt er die hand aus und streichelt meinen nacken. ich formiere mit aller kraft den letzten widerstand und rutsche weg.
"nich anfassen" sage ich brüsk.
endlich trollt sich der typ.

mein widerstand gegen berührungen ist kein grundsätzlicher, aber ich werde viel berührt, von menschen, die mir nichts bedeuten, die ihr wort nicht halten, die mir nicht angenehm sind. früher habe ich berührungen gesammelt, mich daran hochgezogen, hurrah, wie begehrenswert ich bin, doch heute, wo ich in den spiegel sehe und warte, ob er zerspringt angesichts dieser ausgeburt von hässlichkeit, schäme ich mich meiner selbst zu sehr und zugleich verachte ich andere, auch schöne menschen, für ihre subjektive hässlichkeit, ihre bedürftigkeit, ihren hunger nach nähe, gerade so, als stünde ich darüber, ich, die ich butterweich werden und zerfließen kann in einer umarmung, einer richtigen, zur richtigen zeit, am richtigen ort, vom richtigen menschen.

zum ende des abends bekomme ich nicht mehr viel mit, ich sitze da zwischen der frau im schönen pulli und einem bekannten, der auch immer traurig ist, weil sich seine freundin vor ein paar jahren ebenfalls umgebracht und seine mutter ihn verstoßen hat, als er beschloss, sich als transe zu outen. ihm erzähle ich die geschichte, die ich an diesem abend im herzen herumtrage, und weil hinter meinen augen mal wieder die sahara herrscht, weint er stellvertretend ein paar tränchen, kajalstrich und wimperntusche verlaufen und ich muss nun doch lächeln, das erste mal an diesem abend so ein lächeln, bei dem es warm wird rings um diesen eisklumpen in der brust.

gegen halb fünf streiche ich die segel, sehr betrunken, umarme alle und auch die frau im schönen pulli, die mir angesichts meines zustands anbietet, dass sie mich mit zu sich nach hause nimmt, aber ich versichere ihr, es bis zum bus zu schaffen. trotzdem drückt sie mir ihre telefonnummer aufs auge, und noch einmal wird mir wärmer, wie schön, wie schön es doch manchmal ist, am leben zu sein. und vielleicht verbuche ich diesen abend als ein abschiedsgeschenk, weil er so war wie der verstorbene, sehr traurig, aber eben auch ein wenig heiter und herzenswarm, wie ein leises lachen aus einer anderen welt.

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