Donnerstag, 14. Mai 2015
was man mehr will
dank chemiefreier blutbahnen wächst die anzahl meiner täglichen wach-stunden beträchtlich. alle synapsen stehen unter dauerfeuer. gestern nach dem büro empfange ich erst den dr.-ing., der einen dringenden entsaftungswunsch hat, danach arbeite ich mich in ein neues seo-tool ein, und um mitternacht habe ich die grandiose idee, dass man ja noch ein wenig party machen könnte. also haare gewaschen, nägel lackiert, eine line gelegt und nicht gezogen, denn ich fühle mich auch so high von adrenalin, zwischendurch noch schnell eine waschmaschinenladung aufgehängt, und dann los.

auf dem kiez treffe ich zunächst den liebeskummergebeutelten jammer-typen, und weil ich gerade emotionales oberwasser habe, beschließe ich, ihm mal ganz oberlehrerhaft die leviten zu lesen. überraschenderweise hat er ein einsehen, gibt mir recht darin, dass er ein wenig übertrieben hat und berichtet, dass er die suizidankündigung auf fressenbuch schon selbstständig wieder entfernt habe. na immerhin. ich lobe ihn ein wenig, männer brauchen das auch mal, vor allem, wenn frau sie gerade angekackt hat, nur so bleibt der schwanz ein schwanz inmitten von zickenterror und scheinemanzipation.

den rest des abends bin ich eingeladen und bekomme einen drink nach dem anderen ausgegeben. wir diskutieren über monogamie und polygamie, und während der typ glaubt, wurzel allen übels sei monogamie, berichte ich aus meinem reichhaltigen polyamourösen multisexuellen erfahrungsschatz und schlussfolgere, dass beides eben nun mal vor- und nachteile hat, und dass es allenfalls persönliches ermessen sei, welche art von beziehung das kleinere übel darstellt.

"alles, was du sagst, klingt immer so akribisch durchdacht", sagt der typ irgendwann. "fast wissenschaftlich, und dann aber auch immer irgendwie.... poetisch."
"das objekt hat mich immer wissenschaftlerin des lebens genannt", rutscht mir raus.
"du hängst doch noch an dem", erwischt mich der typ.
"klar. unendlich weh tut das alles immer noch. vor allem jetzt ohne medikamente. da ist das thema unheimlich präsent und ich möchte so gerne wissen, was er denkt und darüber dann mit ihm reden. dennoch ist mir bewusst, dass ich das nicht tun darf. trotzdem, eine tür ist halt immer erst dann zu, wenn man nicht mehr durchs schlüsselloch linst."
"siehst du, das meine ich. du bist so klar, du hast das alles so analysiert... auch wenn du noch nicht drüber stehst. aber du könntest einen ratgeber schreiben. oder wenigstens eine kolunme für die zeitung. du wärst so eine art sibylle berg, nur ganz anders. ich glaube echt, die leute würden das lesen. ich jedenfalls würde das gern lesen."
"ja, das wär mal geil, aber ich habe bisher nur biedermeier-feuilleton geschrieben. und ich heiße halt leider nicht sibylle berg oder sascha lobo. morphine ist kein gutes branding, das ist ein null-branding. und mal abgesehen davon ist es schon eine schon herausforderung, sibylle berg das wasser reichen zu wollen."
"du könntest das. wer, wenn nicht du?"
"frag mich in zehn jahren noch mal", lache ich.

bereits recht blau beschließe ich, noch mal in der neuen spelunke vorbeizuschauen, schließlich wollte ich ja auch dem inhaber dort mal sagen, dass das so nicht geht mit dem dj. ein dj, der die tanzflächen leerspielt, ist gift für eine location, die sich gerade etablieren muss.

drinnen ist es wie erwartet wieder leer, aber ich habe glück, inhaber eins und inhaber zwei sind beide anwesend und ich bitte sie zum beratungsgespräch in eine stille ecke. nach drei wochen ist den beiden immerhin auch schon aufgefallen, dass der dj scheiße ist. heute legt einer der alten stammgäste auf, der ein bekannter von mir ist, das ist schon mal besser, aber auch der ist nun mal kein profi und vor allem kein großer name in der szene, der zieht. marketingtechnisch ungeschickt, das ist wie die sache mit morphine versus sybille berg.

am ende des abends sind alle ein wenig zerknirscht, aber durchaus nicht hoffnungslos, nachdem ich meine 75 hochprofessionellen ideen in die runde gegeben habe. dann trinken wir noch ein paar kurze zusammen, bis ich sodbrennen kriege und mir einfällt, dass ich ja mit dem rad unterwegs bin, und ich steige auf alkfrei um.

erst gegen halb sechs hat sich mein pegel soweit reguliert, dass ich wieder daran glauben kann, auf meinem knapp 10-kilometer-heimweg nicht mehrfach auf die fresse zu fallen. wir stehen draußen, rauchen eine letzte zigarette und schauen in petrolfarbenen morgenhimmel, wo sich schon wieder regenwolken ballen, die sich just dann, als ich in den sattel steige, zu entleeren beginnen. auf meinem heimweg werde ich nass bis auf die haut, aber es ist angenehm, quicklebendig fühle ich mich, und so verdammt mittendrin. in den beinen merke ich ein wenig, dass ich seit über 24 stunden wach bin, aber der kopf ist ganz da, das ist schön, auch wenn er wieder so anfällig für traurige objektgedanken geworden ist.

zuhause stehe ich noch eine ganze weile unter strom, frühstücke ein ben&jerrys-eis und lese blogs und zeitung im vergleich und denke darüber nach, warum man nicht wirklich mehr blogger schreiben lässt statt irgendwelcher drögen gleichgeschalteten wichtigwichser. dann gehe ich langsam zu bett und träume all das, was ich mehr oder besser will als das, was es ist oder ich habe. the power of traum eben, frei nach oliver koletzki, weil der traum einfach das letzte ist was bleibt, während die realität an dir vorbeizieht wie eine abgefeierte bitch auf dem vollgekotzten pavement des lebens.

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Montag, 11. Mai 2015
unfun
samstagnacht, on tour. st. pauli ist hafengeburtstagsbedingt mal wieder ganz kotze und scherben. tagsüber familien-trallala, nachts besoffene touris, das konzept geht immer auf. als ich aus der s-bahn-station auftauche, fühle ich mich splitterfasernackt, kontaminiert mit dem gestank von dönersoße, pisse und alkohol.

ich lande in der neuen spelunke, zwei bekannte sind auch da, sonst ist es halbleer, halbleere gläser allethalben, und der dj hängt auch schon auf halbmast, die musik plätschert vor sich hin und alles ist wie immer, nur ein bisschen trauriger.

ich ziehe mich in den hintersten winkel zurück, wo schon zwei typen sitzen und trinken. der eine schaut mich neugierig an, der andere schläft bereits und berührt mit der stirn den niedrigen tisch. als er mit dem kopf ein paar gläser abräumt, wacht er kurz auf, grinst und klammert sich schwankend an seinen kumpel.

zwei trusen kommen angewackelt, die eine ist blond, mopsig und aufgetakelt, die andere ganz schlicht in jeans. sie schieben ihre ärsche auf die sitze neben mir. die mopsige aufgetakelte sitzt da wie ein nasser sack, alkoholschlaff mit hängenden schultern und titten, und lamentiert. die schlichte tröstet und tröstet, aber es will offenbar nicht fruchten, also wendet sie sich irgendwann an mich:
"entschuldige, ich muss dich mal was fragen!"
"was denn?"
"hat sie noch marktwert?" sagt die schlichte und zeigt auf die mopsige aufgetakelte.
"als was?" frage ich zurück.
"na so bei den typen!"
ich gucke und überlege und bin dann ganz unverblümt:
"also was das alter betrifft, bestimmt, aber sie muss echt an ihrer haltung arbeiten!"

miss mopsig hat das gehört und schaut mich giftig an. ihr ehrgeiz ist anscheinend geweckt. in folge versucht sie, den schlafenden typen anzugraben, der den kopf inzwischen im schoß seines freundes hat, was dem sichtlich unangenehm ist. dass da gerade nichts zu holen ist, hätte ich ihr sofort sagen können. miss mopsig labert und labert, aber der besoffene typ blinzelt und murmelt nur kurz etwas in seinen bart, um sich dann wegzudrehen und sich auf dem sofa zusammenzurollen wie ein überdimensioniertes kätzchen. miss mopsig nimmt das natürlich persönlich, sie beginnt wieder zu jammern, kein glück bei den typen offenbar, was für eine scheiße. ich finde die szene unheimlich witzig und muss grinsen, was miss mopsig noch viel weniger gefällt, woraufhin sie ihre unscheinbare freundin bei der hand nimmt und richtung bar zieht.

meine beiden bekannten kommen und verabschieden sich, es ist noch nicht mal vier, aber die musik ist zum einschlafen und überhaupt kackt die stimmung im laden minütlich ab. also hole auch ich meine jacke und begleite die beiden noch zur s-bahn, dann gehe ich zum bus. auf dem weg klettet sich ein schwarzer an meine fersen, er sagt "hallo hallo hallo", als hätte jemand den repeat-knopf in seinem hirn gedrückt, aber ich ignoriere ihn eisig, und nach dem hundertfünfundzwanzigsten hallo gibt er endlich auf.

im bus fällt mir wie immer das objekt ein, und was für einen spaß wir noch vor einem jahr hatten. meine augen brennen, aber es kommen keine tränen, also mache ich noch einen abstecher zum bäcker und hole ein paar brötchen für sonntag. essen ist der sex des alters, der spruch fällt mir ein, als ich mit den warmen brötchen in der tüte nach hause trapse, vielleicht isses ja nun bei mir auch soweit.

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Sonntag, 10. Mai 2015
nervensägen
pling-pling. es weckt mich wieder einmal die sms eines "freundes", der mir schreibt: 'mir geht es soooooooo schlecht'. normalerweise würde ich jetzt aufspringen und zurückrufen, aber zwei minuten später sehe ich, dass besagter typ auch schon seit sieben stunden sein fressenbuch-profil mit weinerlichen aufrufen zur mitleidsbekundung vollspammt, inklusive suizid-drohung und bestattungstechnisch passender mucke. genau wie letztes wochenende. und wie das davor. also drehe ich mich auf die andere seite und schlafe weiter.

der hintergrund: besagter typ war jahrelang in einer bzw. zwei beziehungen. in dieser phase brachten wir es auf sage und schreibe nullkommanull anrufe, treffen oder was auch immer. manchmal grüßte er mich auf partys nicht mal, wenn er seine alte im schlepptau hatte. dieses asoziale verhalten ist mir nicht unbekannt - viele menschen brauchen eben nur dann freunde, um die miese zeit zwischen zwei beziehungen zu überbrücken. das sind allerdings dann keine menschen, mit denen ich mich befreunden mag.

bis vor wenigen wochen hatte ich schon völlig vergessen, dass wir irgendwann mal die nummern getauscht hatten. das lässt sich nun nicht mehr verdrängen, denn jetzt stehe ich ganz hoch im kurs. neben traurig-sehrtraurig-ganzschlimmtraurig-sms bekomme ich fast allabendlich auch "süße grüße zur nacht", "ganz viel liebe" und andere schleimige schwadronierereien zu lesen, wovon mir jedesmal speiübel wird - zumal ich ahne, dass der typ nie so ganz platonisch an mir interessiert war.

damit sie kein falsches bild bekommen, muss ich vielleicht dazu sagen, dass der jammer-typ ungefähr mitte 50 ist, eine familie mit mehreren erwachsenen kindern, einen super job bei der stadt sowie ein eigenes haus hat. wir haben es also keineswegs mit einer labilen, abgebrannten mitzwangziger-studenten-partybekanntschaft meinerseits zu tun, sondern mit einer gesunden, sozial und materiell privilegierten erwachsenen person.

obwohl ich inzwischen furchtbarfurchtbar genervt bin (bitte jetzt mitleid äußern! sonst muss ich mit suizid drohen!), bin ich doch auch hin- und hergerissen und muss lange mit meinem mir innewohnenenden freundlichen ratgebertanten-gen ringen. doch dann schalte ich das handy aus und schmeiße die person aus meiner fressenbuch-liste. nicht ganz ohne schlechtes gewissen. aber mit großer erleichterung.

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Donnerstag, 7. Mai 2015
imbiss-quickie
die lederjacke ruft an und erwischt mich mitten in der steuer:
"haste nicht lust, was kleines essen zu gehen?"
hab ich eigentlich nicht, denn ich habe gerade gefuttert und fühle mich ohnehin prämenstruell-quasischwanger. aber ich sage zu, denn die lederjacke ist nun mal die lederjacke und mit abstand einer der angenehmsten menschen in dieser stadt.

"gut schauste aus", sagt die lederjacke fast verblüfft, als wir uns in einer kneipe um die ecke treffen.
"echt?" frage ich ein bisschen blöde im vollmädchenmodus.
"ja... irgendwie... frisch!"
"ich hab meine tabletten abgesetzt, vielleicht macht sich das ja bemerkbar."
"bestimmt! du weißt doch, keine macht den drogen!" lacht die lederjacke.

dann wirft die lederjacke einen blick auf die speisekarte.
"mensch morphine, das ist ja das paradies hier! grillhaxe! und pommes mit mayo!" freut sie sich.
"ich bin ja eher hier wegen des urigen charmes und der originellen wanddeko. und warte mal, bis der chef rauskommt, der sieht aus wie n zuhälter."
"haben die überhaupt was für dich hier? du bist doch vegetarierin."
"die haben hühnchen, das geht."
"auja, wollen wir uns zusammen so ein hähnchen reinziehen?"
"von mir aus."

zehn minuten später schiebt uns der chef einen riesenteller mit einem hähnchen, pommes und drei liter mayo hin. die lederjacke ist sprachlos und kann nur noch laute des entzückens von sich geben. dann beginnt sie zu mümmeln, als hätte es seit tagen nichts mehr gegeben.
"nachher jammerste wieder, wenn dein waschbrett verschwunden ist", stichle ich.
"du, ist mir grad egal. ich hab im moment genug zeit zum sport, ich hab mich mal wieder krankschreiben lassen."
"sollte ich auch mal wieder machen. und sport wollte ich ebenfalls noch machen, aber jetzt sitz ich hier mit dir und esse eine eine-million-kalorien-mahlzeit."
die lederjacke kichert nur glücklich zwischen zwei pommes mit viel mayo.

"was macht deine promotion", will ich dann wissen.
"steckt noch in den kinderschuhen. ich bräuchte da mal deine hilfe."
"jetzt schon?!"
"ich hab so eine kleine einführung geschrieben, die muss einfach perfekt werden, davon hängt alles ab. und ich habs doch nicht so mit formatieren und so."
"mein lieblingsthema."
"echt jetzt?"
"nein. bist du irre?"
"schade."
"ja, mann, schick einfach mal rüber, ich gucke mal, was ich machen kann, okay?"

nach dem essen stehen wir noch eine weile unter der tür, weil ein monsumregen über die stadt zieht. wir quarzen eine und ziehen fröstelnd die schultern hoch.
"fuck, sag mir bitte mal, wo bleibt der mai?"
"ich friere auch total. obwohl ich jetzt so viel gefressen habe."
"wie ich dich kenne, hast du schon während des mampfens ausgerechnet, wie viele liegestütz und klimmzüge und barrenarbeit das wieder sind."
die lederjacke grinst nur amüsiert:
"du kennst mich zu gut."

dann muss die lederjacke los.
"du morphine, ich muss unbedingt bald wieder in diese kneipe hier!"
"soll ich dich davon nicht besser abhalten?"
"ja bitte! - oder vielleicht auch doch nicht?"
wir nehmen uns zum abschied in die arme.
"weißt du, was jetzt geil wäre", sagt die lederjacke.
"ein bett", finde ich.
"nee, ein eis!"
ich boxe die lederjacke in ihren verschwindenden waschbrettbauch und lache.
"los, zieh leine."
"aye-aye."

dann schwingt sich die lederjacke in ihre lederjacke und besteigt das rad. und braust im nieselregen davon.



im übrigens sehr nett, dass trentemöller einen song namens "morphine" auf seinem album "lost" hat.

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Freitag, 1. Mai 2015
lost im kreativuniversum oder 14 jahre später
wir treffen uns in der schanze, weil der exmedizinstudent alkoholisierungsabsichten geäußert hat, die ich natürlich nur unterstützen kann, zumal ich medikamentenfrei immer ein paar nervige, dringend auszuschaltende gedanken mit mir herumtrage.
ich komme mit dem fahrrad, und während ich noch einen platz zum anschließen suche, läuft mir schon der exmedizinstudent vor die füße. nach einer verlegenheitssekunde nehmen wir einander fest in die arme.
"ist das schön... du hast dich überhaupt nicht verändert", blubbere ich.
"du hast dich aber auch echt gut gehalten", findet der exmedizinstundent.

dann entern wir die kneipe und der exmedizinstudent holt erstmal zwei gin tonic.
"was machst du denn jetzt beruflich so, das habe ich in den mails noch nicht genau verstanden", will ich von dem exmedizinstudenten wissen.
"dasselbe wie du", sagt der. "schreiben."
ich muss erstmal lachen.
"auch brotlose kunst?"
"nee, das geht schon. ich hab damals mit meiner agentur hart verhandelt."
"erzähl, wie hast du das gemacht?"
"ich hab meinem chef gesagt, pass auf, ich bin alleinerziehender vater, ich brauche zeit, also werde ich nur teilzeit arbeiten, aber trotzdem muss ich natürlich meine familie ernähren, also brauche ich entsprechend geld."
ich gucke groß:
"meine bisherigen arbeitgeber hätten daraufhin gesagt, tschüß, dann nehm ich mir einen volontär oder so."
"nee, das ging, der ist nämlich selber vater, und seine frau arbeitet auch... das war sozusagen ein glücksfall."
"dass es DAS noch gibt!"
"ja, ich hab eigentlich auch nicht gedacht, dass es funktioniert, aber mein chef ist wirklich sehr cool."

"wie bist du denn alleinerziehender vater geworden?"
"ich habe eine frau kennengelernt, die ich sogar geheiratet hätte. wir sind zusammengezogen, dann wurde sie schwanger, und ich hab mich eigentlich riesig gefreut, obwohl es nicht einfach war - ich war damals noch frei und nicht angestellt. aber meine freundin war artdirektorin in einer großen agentur, von daher ging das finanziell."
"und dann?"
"als das kind da war, fiel ihr auf einmal auf, dass sie lieber keines gehabt hätte."
"autsch."
"wir hatten uns dann überhaupt nichts mehr zu sagen. ein jahr hab ich noch versucht, mit ihr zusammenzuleben, auch wegen meiner tochter, aber es ging nicht. wir haben überhaupt keine schnittmenge mehr."
"und wie machst du da jetzt so mit dem kind?"
"naja, es ist sehr tough. ich stehe ultrafrüh um, mache die kleine fertig und bringe sie in die kita, dann mache ich mich für die arbeit fertig und abends das ganze wieder umgekehrt. manchmal holt auch meine ex die kleine ab."
"das heißt, sie ist den ganzen tag in der kita?"
"geht ja nicht anders."
"hm."

wir schweigen, schauen uns an, ordern noch einen gin tonic.
"und bei dir so?" will der exmedizinstudent-texter wissen.
"geht so. ich hab auch jahrelang in agenturen geschuftet, unter hölle-bedingungen für ganz wenig geld... jetzt arbeite ich in einem kleinen unternehmen, unter ganz guten bedingungen und in einem sehr netten team, aber immer noch für so wenig geld, dass ich eigentlich kaum überleben kann."
"kein mann? keine kinder?"
"nein. ich hab hier nie jemanden kennen gelernt, mit dem ich mir eine beziehung hätte vorstellen können. und finanziell, das ginge nicht mit kind, das reicht ja nicht mal für mich - manchmal muss ich sogar meine eltern anbetteln, zum beispiel, wenn ich zum zahnarzt muss."
"schlimm", findet der exmedizinstudent schockiert. "das heißt, du bist total allein und hast obendrein noch nicht mal geld."
ich zucke die achseln.
"und das macht dir nichts aus?"
"doch. zwischendurch will ich immer mal nicht mehr leben."
dann erzähle ich ihm entgegen meiner absichten doch meine psychostory inklusive meines aufenthalts im irrenhaus.
als ich fertig bin, schaut er noch ein bisschen schockierter.

"wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst, ist das okay", sage ich beschwichtigend. "ich weiß, für menschen, die mitten im leben stehen, bin ich nur eine bedauernswerte randgruppe, die aber bitteschön auch hübsch brav am rand bleiben soll."
"nein, nein...", sagt der exmedizinstudent betroffen. "ich habe ja selber eine therapie gemacht."
"neeeeeiiiiin... wegen deiner freundin?"
"ich weiß nicht, kam damals auch viel zusammen. die trennung... und dann war ich ja frei. ich habe für eine große agentur aufträge erledigt, aber das war dort so... die suchten nach fehlern, weißt du. und jeder war komplett für sich, jeder wollte und musste der beste sein. ellenbogenmentalität, und ein unglaublich mieses betriebsklima."
"kenn ich", sage ich.
"und dann hatte ich eine schreibblockade. ich saß da vor dem leeren bildschirm und nichts ging mehr, aber es musste ja was gehen, denn sonst gab es keine kohle. zumal da sehr viele andere talente waren - auf mich hat keiner gewartet."
"kenn ich", sage ich wieder, "also ich war immer in miesen kleinen klitschen, nie in großen agenturen, aber da ist es genauso furchtbar."
"kein zusammenhalt, weißt du... da hat einer den anderen ausgebootet. aber dann hatte ich einen lichten moment."
"lichter moment? biste amok gelaufen?"
"nein, ich bin einfach aufgestanden, hab noch schnell eine übergabe geschrieben, hab meinem chef gesagt, ich gehe jetzt, und dann bin ich gegangen."
"krass."
"und dann hab ich mir einen therapeuten gesucht."
"wovon hast du gelebt?"
"ich hab vier monate gar nichts gemacht, das ging aber auch nur, weil ich noch bei meiner freundin lebte. die musste in dieser zeit halt alles bezahlen, aber das tut man ja in einer partnerschaft."
"macht nicht jeder partner mit."
"dann wärs ja kein partner."
"ich war damals zum zeitpunkt des großen zusammenbruchs sowieso allein. ich konnte nie aufhören zu arbeiten. entweder aufhören und existenziell vor die hunde gehen, oder weitermachen und die seele weiterhin vergewaltigen."
"und du hast dich für letzteres entschieden."
"ja."
"nicht gut. deine eltern hätten dir nicht mal ein paar monate über die runden zu kommen helfen können?"
"die wissen nix. die leben da so in ihrer kleinen welt, die können sich das nicht vorstellen. und die sind schon bei kleinigkeiten immer derart überfordert, die würden sich nur sorgen machen und mich dann mit ihren sorgen ganz verrückt machen."
"dann warst du ja wirklich richtig allein, mann."
"ich bins immer noch. aber ich hab mich arrangiert. ich hab auch ein paar freunde, nicht so sehr hier, aber so ein paar außerhalb, die mich ertragen und die ich dafür sehr, sehr schätze."

"das ist ja richtig harter tobak für ein treffen nach 14 jahren", findet der exmedizinstundent-texter. "ich kanns aber immer noch nicht glauben, dass eine frau wie du keinen mann findet."
"ich hatte viereinhalb jahre eine affaire, die mich ziemlich mitgenommen hatte. da war mein herz einfach ziemlich besetzt, während ich für ihn wenig oder vielleicht auch nichts war außer ein stück fleisch zum ficken."
"und jetzt willst du nicht mehr."
"was heißt, ich will nicht mehr... ich kann einfach keinem mann mehr vertrauen. manchmal glaube ich, es ginge noch eher mit einer frau, aber mit frauen ertrage ich schon kaum eine freundschaft. ich hab einfach einen komplett anderen kosmos als die meisten von denen. ehrlich, du, alleine sein ist das beste, was mir mein leben derzeit zu bieten hat."

der exmedizinstudent-texter schweigt und sieht mich lange an.
"hast du mal dran gedacht, ein buch über all das zu schreiben?" fragt er.
"ja klar. irgendwann mach ich das auch."
"mach das. unbedingt. zu erzählen haste doch genug und schreiben kannste sicher auch."

dann knurrt mein magen laut und peinlich.
"wollen wir was essen gehen", fragt der exmedizinstudent.
"gerne."
"magst du asiatisch?"
"ich lebe quasi von dem zeug."
"ach nee, ich auch!"
"dann mal los."

es ist spät, so spät, dass wir kaum mehr ein geöffnetes restaurant finden, aber dann landen wir doch in einem imbiss und essen lauter kleine köstlichkeiten, bis wir fast platzen.
"das können wir gern mal wieder machen", finde ich. "also falls du willst."
"ja klar", sagt der exmedizinstudent.

als wir gezahlt haben, gehen wir zu meinem rad, das zum glück zwischenzeitlich noch nicht geklaut wurde.
"machs gut", sagt der exmedizinstudent und umarmt mich.
"du auch."
dann fahre ich durch die nacht. mit dem schönen gefühl, dass man an diese begegnung doch theoretisch anknüpfen könnte.

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Sonntag, 26. April 2015
wiedersehen nach 14 jahren
als ich das erste mal nach hh kam, war ich 17. ich hatte im chat einen typen kennen gelernt, mit dem ich mich super verstand. er war laut eigener angaben mitte 30, rechtsanwalt und hatte gerade seine erste eigene kanzlei eröffnet. das imponierte mir und ich machte mich schnell ein jahr älter, damit ich wenigstens nicht mehr minderjährig schien. als unser chat immer mehr ins flirten überging, lud er mich irgendwann nach hamburg ein. mein damaliger freund protestierte und drohte mit schlussmachen, meine eltern gingen auf die barrikaden, aber ich war a) jung und naiv und b) nicht zu halten auf meinem rebellions- und selbsterfahrungstrip. ich ließ den anwalt zugtickets buchen und packte meine koffer.

ich fuhr damals eine etwas komplizierte strecke über celle. celle stieg ein typ in den zug, der sich zu mir setzte. er war zwei, drei jahre älter als ich und erzählte mir, dass er gerade seine eltern besucht habe, die, nachdem er sein medizinstudium geschmissen hatte, not amused waren. meine eine hatte damals noch nicht mal abi, also hörte ich zu und staunte. dann stellte sich heraus, dass der exmedizinstudent auch nach hh musste und dass er dieselbe musik mochte wie ich. kurz bevor wir am hauptbahnhof einfuhren, gab er mir seine nummer und seine e-mail-adresse.

am bahnhof holte mich der anwalt ab. die erste begegnung war ernüchternd: er sah aus wie mindestens 40 und hatte wenig ähnlichkeit mit dem smarten schwarzweiß-foto, dass er mir einst geschickt hatte. wir fuhren zu ihm. er wohnte in einer wahnsinnigen wohnung in uhlenhorst, wo er auch gleich nebenan seine kanzlei hatte. was dies betraf, hatte er nicht gelogen. was sein alter betraf, hingegen offensichtlich schon. ich selbst hatte in diesem kontext zwar auch ein wenig geflunkert, aber das raubte mir garantiert nicht so viel attraktivität.

ich duschte, zog mich um, dann holte der anwalt etwas zu essen.
"sollen wir heute abend ausgehen?"
genauso hatte ich mir meinen hh-aufenthalt vorgestellt.
wir gingen in den club, denselben, der später hier mein zweites zuhause und objekt-begegnungstätte wurde, der sich damals aber noch zwei straßen weiter entfernt befand. die veranstaltungsreihen waren damals schon ähnlich, das ganze neuartige cyber-teeniegeschrubbe kam natürlich erst später dazu. damals dominierten gitarrenklänge und düsterpop. kurzum, der abend wurde bombe. ich vergaß ganz, dass ich mit dem anwalt unterwegs war, trank, tanzte und ließ es mir gut gehen.

irgendwann gegen fünf saßen wir in des anwalts penisverlängerung und gurkten die alster entlang. zu diesem zeitpunkt begann der anwalt, mit mir zu flirten und mir komplimente zu machen. ich hatte jedoch definitiv kein interesse, ging nicht weiter drauf ein und legte mich schließlich - vollständig mit pulli und hose bekleidet - ins bett, nicht ohne dem anwalt vorher noch mal klarzumachen, dass jeder in seiner hälfte des bettes schlafen würde.

jedoch schien der anwalt es mit absprachen so wenig genau zu nehmen wie mit dem alter. mitten in der nacht - oder vielmehr am morgen - wachte ich auf, weil sich der anwalt auf mich gewälzt hatte und seine hände auf meinen brüsten waren. nach heftiger gegenwehr ließ er ab, versuchte es aber noch einmal, als ich wieder eingeschlafen war. wir stritten uns kurz, danach beschloss ich, lieber wachzubleiben und weitere übergriffe zu verhindern.

als wir gegen mittag aufstanden, hatte der anwalt seinen charme verschluckt. er knallte mir eisig ein frühstück hin und verschwand dann zu einer angeblichen kollegin in deren kanzlei. ich blieb allein. was nun? da erinnerte ich mich an die telefonnummer in meiner tasche und ich rief rasch den exmedizinstudenten an. ich hatte glück, er ging an den hörer - handys waren damals noch nicht so verbreitet - und hatte am abend sogar zeit für mich.

ich packte schnell meine sachen und fuhr erstmal in die stadt. da gefiel es mir sehr und mir kam erstmals der gedanke, dass ich vielleicht nicht in meiner heimat studieren sollte. neben hamburg dachte ich noch an berlin - hauptsache raus, hauptsache groß.

der exmedizinstudent hatte mir eine wegbeschreibung durchgegeben, die ich auf ein kaugummipapierchen gekritzelt hatte. gegen halb zehn uhr abends kam ich schließlich am ziel-s-bahnhof an. dort holte mich der exmediziner ab. ich erzählte ihm rasch die ereignisse der letzten nacht und drängte darauf, dass ich bei ihm schlafen konnte.

der exmediziner war kein mann der langen worte und gewährte mir sofort obdach. er wohnte damals mit acht weiteren jungs in einer wg, die meisten studenten. er hatte nur ein winziges zimmer und ein winziges bett, aber ich durfte es nach meiner letzten furchtbaren nacht ganz für mich haben. er selbst schlief im schlafsack auf dem boden. das war mir peinlich, aber ich war auch froh darüber, denn noch eine nacht mit ekel-fummelei hätte ich nicht überlebt.

wir hatten noch eine gute zeit zusammen und gingen unter anderem auf eine krasse technoparty, an die ich mich nur noch in bruchteilen erinnnern kann. sehr süß war, dass sich in der wg alle neun jungs spürbar mühe gaben, es dem weiblichen besuch so angenehm wie möglich zu machen. ein paar tage später fuhr ich dann nachhause - mit dem ticket, das noch der anwalt bezahlt hatte. das fand ich nur gerecht. ich schrieb dem anwalt noch eine einzige mail, in der ich mein wahres alter enthüllte und ihn darauf hinwies, dass er versucht hatte, eine minderjährige zu betatschen. daraufhin muss ihm ziemlich der arsch auf grundeis gegangen sein.

den exmedizinstudenten besuchte ich noch ein einziges mal drei jahre später. seither haben wir uns nicht mehr gesehen, obwohl wir inzwischen beide in hh wohnen und ich immer mal wieder an ihn gedacht hatte.

das wird sich nun morgen ändern.

und ich bin sehr gespannt.

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Freitag, 24. April 2015
feuchte wäsche
direkt neben meiner wohnung im haus befindet sich eine wäschekammer. dort steht gerümpel, das in den keller zu räumen ich zu faul war, und mein wäscheständer, meist mit wäsche, weil ich mich gern direkt einkleide, also ohne lange trockene wäsche zusammenzufalten und ordentlich in den schrank zu legen. man kann sagen, dass ich das zimmerlein als meinen zweitkeller sowie als ankleideraum okkupiert hatte, was aber auch gut ging, da bis dato nie einer meiner nachbarn diesen raum benutzte.

das hat sich nun geändert. vor ein paar wochen entdeckte ich erstmals handtücher und geschirrtücher, die definitiv nicht mir gehörten. das musste wäsche vom neuen nachbarn sein, den ich so richtig noch nicht wahrgenommen hatte. ein paar tage später hingen dann männerunterhosen und männer-shirts zum trocknen. nun war es eindeutig. fortan mied ich es, splitterfasernackt vor die tür zu gehen, um mich dann schnell in der wäschekammer anzuziehen, wie ich es morgens nach dem duschen bisweilen gern getan hatte.

ich sah den neuen nachbarn nie. aber er machte sich bemerkbar. eines tages hing eines meines höschen - zum glück eines der guten mit niedlichen polkadots und spitze - an meinem türknauf. offenbar hatte ich es beim abräumen übersehen oder es war auf den boden gefallen. ich musste grinsen und räumte es schnell in meine kommode.

heute wollte ich meine dunkle wäsche aufhängen. als die waschmaschine durch war, hatte ich gerade masturbiert und befand mich in höchst entspannter stimmung. also schlüpfte ich nur schnell in einen dünnen rock, den schlüpper konnte ich nicht finden, und warf mir ein t-shirt über. dann ging ich zur waschmaschine und holte die nasse wäsche raus.

als ich so vor die tür trat und nach rechts in meine wäschekammer ging, erschrak ich. da war nämlich wer. der neue nachbar.
"nicht erschrecken", sagte er.
"zu spät", erwiderte ich.
der nachbar lächelte.
"ich hab mich noch gar nicht richtig vorgestellt", sagte er dann etwas umständlich, aber sehr nett. er nahm meine hand, schüttelte sie förmlich und nannte seinen namen. ich tat es ihm gleich, dann standen wir da und waren verlegen. ich spürte meine noch nasse muschi unter dem rock. wenn er wüsste, dass er eben einer frau ohne höschen und mit sabbschiger muschi die hand gegeben hatte, kicherte ich in mich hinein.

"du hast n kleines mädel, hm", fragte ich schließlich, weil ich den nachbarn irgendwann mal mit einem kleinen blonden kind gesehen hatte, und um ein wenig artig konversation zu machen.
"ja", sagte der nachbar. "im moment bin ich halt vollzeit-papa."
"kenn ich von meinem ex."

wir quatschten dies und das und kruschten dann eine weile in unseren jeweiligen klamotten. der nachbar faltete, ich hängte wäsche auf.
"wir können ja mal ein bier zusammen trinken", meinte mein nachbar schließlich.
"klar", sagte ich, drehte mich herum und fühlte, wie in diesem moment eine falte meines glatten, dünnen rocks an meiner muschi festklebte und sich in die spalte zog. noch bevor ich mich fragen konnte, wie deutlich das von außen zu sehen war, oder wie ich etwas unauffällig dagegen tun konnte, bemerkte ich, wie der nachbar schockiert glotzte. direkt auf meine muschi.

"ich muss dann mal weiter", sagte ich schnell und packte ein bündel wäsche, um es mir vor den bauch zu halten. dann drehte ich mich weg und verschwand fix in meiner wohnung.

auf jeden fall habe ich mal wieder einen bleibenden ersten eindruck hinterlassen. bin gespannt, wie er schaut, wenn wir uns das nächste mal im treppenhaus begegnen. dann vorzugsweise mit unterwäsche.

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Samstag, 18. April 2015
in the dark
der kühlschrank zeigt mir gähnende leere. in schlechten phasen wie aktuell meide ich es, einkaufen zu gehen. jetzt allerdings führt kein weg dran vorbei. nach 22 uhr muss ich ein stück weit fahren, um einen noch geöffneten supermarkt zu finden. ich will mich erst aufs radl schwingen, doch es regnet leicht, also mache ich kehrt und nehme den schirm. dann wirds eben ein ausgedehnter spaziergang.

wie immer nehme ich die abkürzung, die an der klinik vorbeiführt. ich habe den kopf gesenkt und registriere erst recht spät, dass da zwei typen bei den motorrädern stehen und sich unterhalten. als ich mich nähere, verstummen die beiden und ich merke, wie ihre blicke in meine richtung gehen. es sind das objekt und ein kollege, den ich auch vom sehen kenne. das objekt steckt bereits in helm und jacke, ist offenbar nach einer spätschicht am aufbrechen.

mein puls beamt sich auf ein maximum. was nun? der blinde instinkt entscheidet schließlich und er entscheidet sich dafür, sich blind und taub und stumm zu stellen, einfach weiterzugehen, ohne den schritt zu beschleunigen.

als ich vorbei bin, spüre ich noch die blicke der beiden im rücken, der arme kollege fragt sich oder auch das objekt vielleicht, warum ich ihn nicht grüße, und das objekt wird einen spruch klopfen oder auch einfach nichts dazu sagen.

ich schaffe es bis zum supermarkt, wo die beine regelrecht nachgeben und ich mich erstmal ein weilchen gegen die käsetruhe lehnen muss, bis die übelkeit nachlässt und das herzrasen und der schwindel, und die beine ihren dienst wieder aufnehmen wollen.

es macht mir immer noch so verdammt viel aus.
verdammt.

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Mittwoch, 8. April 2015
überstunden-selbstverarsche
überstunden sind der regelfall für die meisten beschäftigten. ich selbst habe in agenturen oftmals 12- bis 14-stunden-tage geschoben. nicht nur, wenn es mal nötig war, sondern weil es zum guten ton gehörte. weil die anderen es auch taten und ich ein guter teamplayer sein wollte. weil ich ein guter arbeitnehmer sein und mein engagement beweisen wollte. und weil ich glaubte, so schneller an die vor meiner nase baumelnden karotte einer gehaltserhöhung oder beförderung zu kommen.

mit dem letzten jobwechsel habe ich allerdings umgedacht und andere seiten aufgezogen. wenn ich mehrfach überstunden ableiste, fordere ich einen freizeitausgleich. wenn ich am wochenende arbeite, will ich einen freien tag dafür. ich arbeite für wenig geld und möchte, dass sich input und ouput einigermaßen die waage halten. eigentlich selbstverständlich.

das ist nicht gerne gesehen. meine kollegen schieben alle überstunden und knirschen mit den zähnen. als sie mir einmal vorrechneten, wie viel zeit sie - im gegensatz zu mir - freiwillig mehr im büro verbringen, habe ich allen mut zusammengenommen und gesagt, dass das ihre entscheidung sei. dass es meiner meinung für den arbeitgeber den freifahrtschein zur ausbeute bedeute. und dass ich es auch als die gesellschaftliche verantwortung aller arbeitnehmer sehe, dem missstand regelmäßiger immenser mehrarbeit nicht länger nahrung zu geben.

ich habe mich frei gemacht von der angst des arbeitsplatzverlusts. auch emotional erpresserische argumente, dass die mehrarbeit dann an den anderen hängenbleibt, haben bei mir ihre wirkung verloren. ich verteidige meinen wert als humane ressource und meine grenzen als mensch. das ist nicht immer einfach, und ich bin dankbar, dass ich nicht in einem beruf arbeite, in dem ich beispielsweise verantwortung für das leben und die gesundheit anderer menschen trage. hier ist die entscheidung ich versus aufgaben-wucher weniger einfach und bedarf einer größeren solidarität.

trotzdem bin ich der meinung, dass in vielen fällen auch die falsch verstandene freiwilligkeit der arbeitnehmer zu den teils katastrophalen arbeitsbedingungen in vielen unternehmen beigetragen hat. selbstausbeute führt zu qualitätsverlust und reduziert langfristig die wirtschaftskraft. insbesondere qualifizierte und erfahrene arbeitnehmer, die in branchen mit fachkräfte- und nachwuchsproblemen arbeiten, sollten sich hier auf ihren wert besinnen.

die angst der kleinen nährt immer die macht der großen.

so be brave.

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Mittwoch, 8. April 2015
urlaub
drei tage hintereinander mit drei verschiedenen ehemännern geknutscht. nicht, weil ich es unbedingt gewollt hätte. einfach, weil ich es konnte. nur so für die statistik. für meine zeigefinger-statistik. um sagen zu können: erzähl du mir nix von familienglück, sowas glaub ich nur, wenn "ente" davor steht, und zwar auf der speisekarte vom chinesen.

in der u-bahn vom flughafen nachhause plappert mich ein kleines mädchen voll. ich bin müde und genervt.
"du bist ganz schön frech, kleines frollein", sage ich irgendwann und bin dann ein bisschen erschrocken, denn die mutter steht ja nebendran und eigentlich wäre es ihre aufgabe gewesen, darauf zu achten, dass ihr kind keine fremden leute belästigt.
das kleine mädchen ist nicht beeindruckt von meiner rüge. sie formt ein herz mit ihren fingern.
"guck mal, ich kann ein herz!"
"ich hab ein viel cooleres herz", sage ich und ziehe ein schokoherz aus meiner tasche. ich tue, als würde ich hineinbeißen, während mich das kleine mädchen schockiert beobachtet. dann reiche ich ihr das herz.
"geschenkt", sage ich.
"für miiiiihich" juchzt die kleine und wickelt das herz aus dem papier, um es andächtig zu begutachten:
"das ist aber ein schönes herz!"
dann kommt meine station und ich steige schnell aus, bevor ich mir weitere kinderergüsse anhören muss.

zuhause rufe ich meine fickfrau an. mein bett bleibt die nächsten tage und wochen erstmal schwanzfreie zone.

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