Montag, 24. August 2015
wahrheiten
samstagabend - zwischen zwei messetagen - bin ich kurz auf party. ich treffe t. und die objektgespielin, außerdem mr. shyguy und seine freundin.

ich frage t. scheinheilig nach dem verbleib des objekts. das sei bei seinen eltern, erfahre ich. also hat es seinen dreiwöchigen urlaub ohne die gespielin verbracht. ich erfahre weiterhin, dass die objekteltern nun ihren hof verkauft haben und umgezogen sind. also aus der traum für das objekt und seinen alterswohnsitz fernab der großstadt.

die gespielin feiert das brandenburg-aus ganz ungeniert. "wir ziehen dann einfach in ein haus am stadtrand von hamburg", posaunt sie durch die gegend. "so ganz in ruhe, zu zweit, und endlich ohne den objektsohnemann!"

ich muss an die aufbruchspläne des objekts denken "noch fünf jahre, dann breche ich meine zelte hier ab", und denke, so hat jeder seine wahrheit. welche letztlich tragfähig ist, wird sich noch erweisen.

ich habe ein bisschen angst um das objekt. die gespielin ist mental wie körperlich wie eine dampfwalze. alles wird unter ihrem willen geplättet. "die gespielin und diese gemeinsame wohnung sind mir passiert wie mein sohn", hat das objekt gesagt. so, wie ich diese person heute erlebe, glaube ich ihm das. die gespielin ist so unausblendbar wie eine ungewollte schwangerschaft. für eine abtreibung braucht man(n) mut und mittel. die jemand wie das objekt nicht hat, nicht mit seiner abhängigkeit von der wohnsituation.

fast bin ich froh, dass ich wenige stunden später schon wieder arbeiten muss. zu schwer wiegt die erkenntnis, dass die trampelige gespielin das objekt viel zu gut im griff hat. ich werfe mir tramal ein und bewege mich wie im nebel. dann schlafe ich 14 stunden.

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Samstag, 15. August 2015
it´s been a long hot summer
die luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass man beim transpirieren im eigenen schweiß ersaufen muss.

ich will mich nie wieder bewegen, außer um zu tanzen.

der sommer war dennoch fruchtbar. die geklärte objektsituation, und dann die neue frau - meine seele schwingt ruhiger, auf einem level, das nicht mehr so sehr vom bedrohlichen dunkel beherrscht wird.

wie abhängig man doch vom außen ist - ist das nicht charakterschwach?

auf arbeit bietet mir mein chef eine fortbildung an. er will sich um fördergelder dafür bemühen, weil unsere finanzierungsform so etwas nicht vorsieht. ich bin perplex.
"ich weiß doch, wie schwierig die situation für sie ist, und ich möchte nicht, dass sie uns verlassen."

auch wenn mich meine armut ankotzt, hat mein job einen entscheidenden vorteil. wie viele menschen kenne ich, die morgens nicht gerne zur arbeit gehen, weil ihre kollegen konkurrenzbewusst, bossy und falsch sind? oder weil sie sich vor ihren vorgesetzten fürchten oder sich zumindest dauernd über sie ärgern, so wie ich früher in den agenturen? meine situation ist in dieser hinsicht mehr als glücklich. ich fühle mich, was die zusammenarbeit betrifft, rundherum wohl.

vielleicht bekomme ich gerade deshalb keine neue stelle. weil mein schicksal das nicht will. weil ich erkennen muss, dass ich meiner seelischen gesundheit zuliebe vielleicht auf finanzielle sicherheit verzichten muss. möglicherweise sollte ich die zeit nutzen und einfach schreiben.

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Donnerstag, 13. August 2015
drei
um acht stehe ich vor ihrer tür.
"scht", sagt sie zur begrüßung, "ich hab gerade meine tochter zu bett gebracht."
sie nimmt mich an der hand und zieht mich durch den langen flur ihrer großen und eleganten wohnung, bis wir in der küche sind.

dann stehen wir einander gegenüber und schauen uns verlegen lächelnd an, bis ich sie an mich ziehe und wir uns küssen.

sie hat häppchen gemacht. gläser auf den tisch gestellt. wein in eine karaffe gegossen. es wird also ein drumherum-programm geben und kein schnelles finger-und-zungen-in-die-muschis-schieben. das hat was vom objekt. überhaupt, die ganze wärme und freundlichkeit, die sie hier verströmt, gibt mir etwas von dem zurück, was ich mit dem objekt verloren habe.

dann sitzen wir und unterhalten uns. sie hält meine hand dabei und strahlt mich an.
zwischendurch plingt ihr handy.
"das ist s.", sagt sie. s. ist ihr stecher, der auch mit in der spelunke war. "der ist ganz neidisch. hab ihm schon die ganze zeit von dir vorgeschwärmt."

als die häppchen alle sind, wechseln wir auf die couch. knutschen, lassen die hände wandern. die klamotten fallen, die erregung steigt. wieder plingt ihr handy.
"was will der denn die ganze zeit, wird das hier ne konferenz?" frage ich.
"der würde gern vorbeikommen und mitmachen, schreibt er", lacht sie.
ich versuche mich an s. zu erinnern, es gelingt mir nur dunkel. aber als ich mir vorstelle, wie er sie fickt und ich sie dabei lecke, wird mir noch heißer als mir ohnehin schon ist.
"dann lass ihn doch kommen", sage ich. "unter vorbehalt. ich weiß nicht, ob er mein fall ist."
"das ist echt kein muss", sagt sie. "das ist nur ne idee von ihm."
"nee, mach mal. ich bin da ganz offen."
"du bist echt der hammer", findet sie und tippt dann eine nachricht.

eine halbe stunde später klingelt es an der tür und s. steht da. er hat eine flasche wein dabei und trägt ein breites grinsen im gesicht. er ist hübscher als ich ihn in erinnerung habe, und ich bin positiv überrascht.

s. scheint schon ein ganz bestimmtes drehbuch im kopf zu haben. mit ihm gewinnt der abend an fahrt. wir lümmeln im bett, küssen, berühren, erkunden unsere körper. ich fühle mich erstaunlich wohl. ansatzweise geborgen. ich schließe die augen, lehne mich zurück, genieße. bald weiß ich nicht mehr, wessen finger in mir sind, wer mich gerade wo streichelt. tausendfach wandern wonnige schauer meinen rücken entlang.

"darf ich dich auch mal haben", fragt s. irgendwann ganz vorsichtig.
ich nicke.
also schiebt s. mir seinen schwanz bis zum anschlag rein und beginnt, mich tief zu ficken, während sie mich streichelt und an meinen nippeln saugt. und ich komme nach gefühlten drei sekunden.

plötzlich jedoch öffnet sich die tür und ein kleines mädchen in einem rosa nachthemd steht im zimmer und sieht uns entrüstet an:
"mama, ich kann so nicht schlafen!"
wir versuchen, uns den schreck nicht anmerken zu lassen.
"warum denn nicht?" fragt sie und legt den arm um ihr kind, "hast du schlecht geträumt?"
"nee, aber ihr seid so laut!"
"entschuldige, schatz, dann sind wir jetzt ganz leise, ja?"
sie nimmt die kleine an der hand und bringt sie wieder zu bett.

s. und ich sehen uns an und prusten dann los, leise selbstverständlich.
"scheiße", sagt s. lachend, "wir haben gerade ein kind verdorben!"
"das überlebt sie schon", antworte ich. "mein exlover hat auch einen sohn, der kam auch schon mal unvermittelt reingeschneit. wichtig ist glaub ich nur, wie du reagierst, dass du ganz locker bleibst und dem kind nicht das gefühl gibst, es hätte gestört oder dich bei was verbotenem erwischt. der sohn meines ex ist dann manchmal sogar einfach mit ins bett gekrabbelt."
"krass. aber gut", findet s. und fragt dann: "wie spät ist das eigentlich?"
ich angle nach einem wecker, der auf der kommode steht.
"gleich mitternacht."
"fuck, ich muss langsam mal los."

s. sucht seine klamotten und schlüpft in seine hosen.
"gehst du schon", fragt sie, als sie wieder ins zimmer kommt.
"ja, ich muss morgen früh nach berlin, und ich will euch ja auch nicht die ganze nacht klauen."
sie und ich grinsen uns nur an.

nachdem s. sich auf die socken gemacht hat, kuscheln wir uns wieder ins bett.
"wann musst du morgen aufstehen?" will sie wissen.
"sieben."
"ich um sechs."
"oh."
"ich muss doch die kleine fertigmachen."
"schon klar. dann sollten wir jetzt aber mal schnell schlafen."

und so krieche ich in ihre arme und schnuppere mich ins traumland...

p.s. was hatte meine mutter prophezeit?

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Dienstag, 11. August 2015
mütterliche intuition
"na, was haste am wochenende gemacht", will meine mutter wissen.
"och, ich war ein bisschen aus."
"und, wen kennen gelernt?"
"och... nur n nettes pärchen", relativiere ich.
"dann könnt ihr doch aber mal was zusammen machen!"
"ja, ich treff mich sogar schon am mittwoch mit dem mädel."
"vielleicht macht ihr ja dann einen dreier", lacht meine mutter.

haarscharf dran. wie so oft. und ich bin ein bisschen sprachlos.

wenn mir meine mutter mal prophzeit, dass ich nächste woche den jackpot gewinne, ich würde lotto spielen.

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Sonntag, 9. August 2015
pussies
sie fällt mir ins auge, als ich über meinen drink hinweg nach rechts schaue. sie hat etwas, was mich sofort fasziniert, ohne dass ich sagen könnte, was genau. vielleicht ist es diese beinahe-glatze, wie
sinead o´connor in ihren süßesten jahren.

sie ist mit einem typen da, mit dem sie ab und an herumknutscht. es macht spaß, den beiden zuzusehen.

der typ kommt angeschlichen und will feuer. soll er haben. er macht mir ein paar komplimente, was mir peinlich ist, denn sie steht direkt daneben. doch sie lächelt ganz entspannt.
"ihr seid ein süßes paar", sage ich, damit sie weiß, dass ich die zusammengehörigkeit erkannt habe und mich nicht dazwischendrängen werde.
"wir sind nicht zusammen", sagt sie und setzt sich dann neben mich.

sie schaut mich mit großen grünen augen an.
reizvoll. ungeheuer reizvoll.

plötzlich habe ich ihre hand auf der schulter. ihre finger wandern sachte abwärts bis zu meinem handgelenk. und wieder zurück, über meinen hals und meine wange. zart und tröstlich und erregend in einem.

wir grinsen uns an wie zwei bekloppte. ich bin verlegen, nicht ganz da an diesem abend, menschenscheu. sie hingegen ist ganz mutig.
"ich will dich küssen", sagt sie forsch.
dann nähern sich unsere lippen und zungen.

zwei stunden später haben wir die welt um uns herum vergessen. der lieblingsbarkeeper schiebt uns ab und an einen schnaps herüber und macht anzügliche bemerkungen. ich habe ihre hand unter meinem rock, ihre finger wandern auf meinem slip auf und ab.

"wo wohnstn du", sage ich zwischen zwei küssen.
"nicht weit", sagt sie.
"wollen wir gehen", flüstere ich.
"das geht nicht, zuhause warten der babysitter und meine tochter."
"wirf sie raus", sage ich.
sie lacht.
"du kannst am mittwoch zu mir kommen, da ist papa-tag für die kleine."
"ernsthaft?"

sie gibt mir tatsächlich ihre adresse und telefonnummer.
"willst du dir das noch mal überlegen", frage ich, als wir draußen stehen. "ich wollte dich nicht überfallen."
"ich hab schon immer von sowas geträumt", sagt sie. "aber ich hab noch nie einfach so eine frau getroffen, die mir gefallen hat. das ist premiere."
ich lächle nur und küsse sie wieder.

gegen acht uhr morgens komme ich nachhause. die sonne scheint ins zimmer. in mir vibriert und prickelt es.

das leben hält manchmal schon spannende momente bereit.

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Mittwoch, 5. August 2015
ein teil von mir wird dich immer lieben.
als ich zum verabredeten ort fahre, bin ich aufgeregt und zittrig. das objekt ist schon da und stellt gerade das rad ab. ich wähle die andere straßenseite, um mir noch einige sekunden zu geben. das objekt schaut mir beim absperren meines fahrrads zu. es wirkt auf den ersten blick offen und freundlich, so wie ich es kenne.

als wir uns gegenüberstehen, sind wir verlegen. wie soll ich das objekt begrüßen? das objekt macht eine komische geste und streckt mir dabei die hand hin. als ich sie nehme - diese warme, weiche, sommersprossige hand, die mich so gut gekannt hat - zieht es mich an sich und umarmt mich. nicht ganz in objekt-bärenmanier, aber nah dran.

dann suchen wir uns einen platz am teich, weit weg von anderen menschen.
"na, ohne bh unterwegs" fragt das objekt lächelnd und schaut mir auf die titten.
"hm", sage ich. "viel zu warm und unbequem."
ich fummle eine kippe aus der packung, das objekt holt seinen tabak heraus und dreht sich ebenfalls eine. dann paffen wir angespannt und schauen eine weile aufs wasser.

"ich fang einfach mal an", sage ich irgendwann, "ich werde dir alles chronologisch und aus meiner perspektive erzählen. vielleicht möchtest du erstmal einfach zuhören, aber du kannst natürlich auch einhaken."
das kommt selbstbewusst rüber und ich merke, wie mir respekt vonseiten des objekts entgegenschlägt.
ich beginne mit dem langsamen zerfall unserer freundschaft im herbst des letzten jahres, erwähne auch noch einmal den vertrauensmissbrauch in sachen urlaub und komme dann auf den großen crash im dezember zu sprechen.
"ich habe mich mit der gespielin in verbindung gesetzt, auch wenn ich wusste, dann ist es vorbei. aber ich hatte nicht mehr den eindruck, dass ich dir irgendeine form von loyalität schulde. das war alles weg. das war rückblickend ein fehler, und es tut mir leid, weil es kein faires ende war. aber ich hatte das vertrauen nicht mehr."

"ich wusste ja gar nichts", setzt das objekt an. "ich hatte nur eine vollkommen veränderte frau zuhause, und das mitten in einer zeit, die ohnehin beziehungstechnisch eine eiszeit war. ich hatte mich eingeigelt, war unglücklich und unzufrieden, wollte weg. ich hab wochenlang gerätselt, was eigentlich passiert war."
"interessant", sage ich. "b. sagte mir damals, die gespielin habe das unbedingt und sofort mit dir besprechen wollen."
"sie hat nichts gesagt. gar nichts. ich hatte mitbekommen, dass irgendwas rausgekommen war, aber mehr informationen hatte ich nicht. ich hätte was darum gegeben, welche zu haben."
ich muss innerlich den kopf schütteln:
"warum hast du denn nicht gefragt? warum bist du nie zu mir gekommen und hast gesagt, verdammt morphine, was soll denn der scheiß?"
das objekt schweigt und denkt nach, sagt dann:
"ich habe deine nachricht an die gespielin gelesen."

wir starren beide aufs wasser.
"das wars so für mich, weißte? du kannst nicht mit der frau gemeinsame sache machen, mit deren freund du was hast."
"ich hab dir erklärt, warum."
"darum gehts nicht, du musst dich auch nicht entschuldigen bei mir. ich kanns sogar nachvollziehen. verdammt, ich hätte an deiner stelle auch nicht gewusst, wie ich mich richtig verhalte, wenn man in der situation überhaupt von richtig oder falsch sprechen kann, ich glaube nämlich, da gabs es sowas nicht. du hast nach deinem gefühl und deiner überzeugung gehandelt. ich kann dich verstehen, vielleicht wärs mir ähnlich gegangen."

ich starre auf die ente, die einen vergeblichen flugversuch startet, aber von den tiefhängenden weiden abgehalten wird.
"ich war so unglücklich damals", setzt das objekt wieder an. "ich wollte auf und davon. eine kalte frau zuhause, in der arbeit stand ich kurz vor der kündigung. ich wollte weglaufen, wie immer, kennst mich ja, alle paar jahre eine neue stadt und ein neuer job. hab mich aber dann entschieden, zu bleiben. einfach, weil ich mich trotzdem irgendwie rational betrachtet wohlfühle. weil mir klar geworden ist, ich klage vom hohen ross. so die probleme auf arbeit, die ich habe - andere würden mich auslachen. ich habe mir nun vorgenommen, ich will noch fünf jahre hier bleiben - für meinen sohn, bis er mich nicht mehr braucht, und dann will ich noch mal aufbrechen. so mit der aussicht kann ich überleben."

"und so, auf uns bezogen?"
das objekt schaut weg.
"emotional gesehen... du versetzt mich in schwingung. das meine ich nicht sexuell, sondern so von deiner art her. die unterhaltungen mit dir, das hat mir so viel gegeben und ich.... vermisse das so. ich hab mich so wiedergefunden in dir. und ja, natürlich bist du attraktiv für mich."
das objekt schenkt mir einen scheuen seitenblick und blinzelt.
"rational aber möchte ich dir sagen, dass ich, obwohl ich dir sehr positiv gegenüberstehe, es erstmal so belassen möchte. die ambivalenz, die du in mir ausgelöst hast... ich bin einfach froh, die im moment nicht zu haben."
sieh mal einer an, da ging es ja dem objekt genau wie mir!
"ich vermisse auch das, was wir hatten", sage ich, und vermeide sehr bewusst zu sagen, ich vermisse dich. "aber es tut gut, nicht mehr auf dich zu warten."

das objekt schaut weiterhin stur weg und blinzelt wieder. ich bemerke schockiert, dass es feuchte augen hat.
"es ist traurig", sagt es, und dann, ganz leise: "ich bin sehr traurig deswegen."
ich bleibe stumm, überlege, ob ich das objekt berühren soll, untersage es mir dann aber. das objekt wischt sich kurz über die augen, sammelt sich und lächelt dann zögerlich:
"heute so... nach dem ich dich angerufen hatte... ich stand unter der dusche, weil ich ja noch zeit hatte... ich war so aufgeregt."
"ich auch", sage ich.
wir lächeln einander an, dann huscht wieder ein schatten über das objektgesicht. es wendet den blick ab, beugt sich vornüber und schaut gen boden.

ich sage leise:
"aber ist doch gut, dass wir uns heute hier getroffen haben."
das objekt schaut kurz auf, kaut auf den wangen und sagt, scherzhaft aggressiv:
"soll ich das jetzt etwa bestätigen?"
ich lächle entspannt:
"ja. natürlich."
"ich könnte ja auch sagen, du bist ne blöde kuh und ich hasse dich."
"das würde ich dir aber nicht abkaufen."
das objekt vergräbt das gesicht in den händen:
"was soll ich denn sagen? ja - es war gut. es war schön. sehr schön sogar."
wieder schaut es weg. ich merke, wie bewegt es ist.

"ich muss los", sagt das objekt auf einmal.
"wieso das denn?"
"muss in die klinik."
flucht. wie immer flüchtet sich das objekt.
"dass du immer flüchten musst", sage ich, "schon allein deswegen hättest du dir nie sorgen machen müssen, dass ich eine beziehung mit dir will."
das objekt schaut mich durchdringend an:
"ich hatte eine beziehung mit dir. genauso, wie ich mit der gespielin eine habe. da gab es emotional keine unterschiede für mich."
"du hast dich nicht so verhalten", beharre ich.
"ja, verdammt... was soll ich sagen... die gespielin und diese gemeinsame wohnung, das ist mir passiert wie mein sohn. ich hab dann einfach ja gesagt."
"du liebst mich aber nicht", sage ich.
"morphine..." das objekt setzt an und bricht wieder ab.
"du liebst mich nicht", wiederhole ich.
"morphine! das ist meine art zu sein, und ich habe gemerkt, dass du damit nicht klarkommst... ich habe deine sehnsucht immer gespürt, und ich habe es gehasst, dir wehzutun, indem ich unzuverlässig und unloyal war. ich bin dir nicht genug. niemandem. bins nie gewesen."
"ich mach dir deswegen keinen vorwurf", sage ich ganz ruhig.

das objekt packt seine sachen zusammen und steht dann auf:
"nächste woche hab ich drei wochen urlaub."
"und was machst du schönes?"
"ich fahr mit meinem sohn zu meinen eltern."
mit gespielin? oder ohne? ich bin neugierig, traue mich aber nicht zu fragen.
"drei wochen mit den eltern, das ist aber doch ein romantikkiller", sage ich, als nähme ich selbstverständlich an, dass die gespielin mitfahre.
das objekt schaut mich nur komisch von der seite an und sagt nichts.

wir gehen langsam zu den rädern zurück.
"morphine...", beginnt das objekt und verstummt, denkt nach, und setzt noch mal an:
"morphine, ich würde mir was wünschen."
"was denn?"
"dass wir es jetzt erstmal so lassen."
"ja doch."
"aber wenn wir uns mal begegnen sollten, dann.... soll es nicht mehr so eisig sein zwischen uns. mögen die gespräche wiederkommen."
"wenn dir nach geprächen ist... meine nummer haste. vielleicht schicke ich dir auch irgendwann mal eine nachricht."
das objekt schaut zu boden.
"ich hab mein handy nicht mehr."
"dann schick ich dir ne e-mail."
das objekt schüttelt den kopf.
"du kannst mich nicht erreichen."
da verstehe ich, dass es lügt. es hat angst davor, dass alles wieder anfängt.
"du hast schiss vor deinen gefühlen", sage ich.
das objekt zuckt mit den achseln.
"wenn man das so nennen will..."

das objekt ist aber schon beim nächsten gedanken.
"und noch was muss ich dir sagen."
"was denn?"
"wenn du jemals aufhörst zu schreiben, dann bekommst du es mit mir zu tun."
und zum ersten mal stehe ich vor der frage, ob das objekt dieses blog kennt.
ich lächle, schaue zur seite, sage nichts. wenn dem so ist, auch gut. ich habe keine geheimnisse mehr seit heute.

wir stehen uns eine gefühlte ewigkeit gegenüber, dann nimmt mich das objekt in die arme. ich spüre den zwiespalt aus verhaltenheit und vertrautheit und das emotionsknäul, das das objekt umgibt, während ich mich klar fühle, ruhig und ein bisschen traurig. das objekt hat so große angst. aber du kannst keine hand halten, die dich loslässt.

"ciao", flüstere ich.
"machs gut", sagt das objekt.
dann fährt jeder davon.
in eine andere richtung.

dennoch, ein teil von mir wird dich immer lieben.

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Sonntag, 2. August 2015
rock, paper, scissors
weil es diese woche offenbar noch nicht genug objekt gab, treffe ich es heute abend schon wieder. diesmal auf party im alten club. damit hatte ich nicht gerechnet, da das objekt seit dem großen crash kaum mehr ausgeht. allerdings ist es nicht allein, denn die gespielin und t. sind auch dabei.

während ich das objekt und die gespielin der einfachheit halber zu tode ignoriere, möchte ich t. gern begrüßen. das stellt sich als schwieriges unterfangen heraus, denn t. ist nie alleine. wie schon im letzten winter benutzt das objekt t. wie einen schutzschild und vermeidet es offenbar, alleine herumzustehen. erst nach einer stunde habe ich zwei sekunden, schnell zu t. hinüberzuhüpfen.
"lass dich drücken", sage ich.
t. nimmt mich herzlich und fest in die arme und streichelt meinen rücken. ich habe den eindruck, dass ich ihm leid tue. ist ja nicht so schön, den ex und dann auch noch seine alte vor der nase herumturnen zu sehen.
"alles gut", fragt t., und es klingt mehr wie ein trostversuch denn eine frage.
bevor ich auch nur nicken kann, walzt allerdings schon wieder die gespielin auf t. zu, damit ich mich nicht mehr mit ihm unterhalten kann.

mein lieber freund v. ist an diesem abend zum glück ebenfalls anwesend. er gibt mir einen drink aus, dann sondiert er meinen gemütszustand.
"machts dir wirklich so wenig aus, das objekt zu sehen, wie es den anschein hat?"
"mit dem objekt ist alles fein. wir werden demnächst reden. nur seine ekelhafte alte hätte heute gern zuhause bleiben dürfen."
"irgendwas wird sie wohl haben", sagt v. und meint damit positive eigenschaften.
"nen fetten arsch", spotte ich.
"ja, das stimmt, die ist ganz schön.... mächtig inzwischen. aber weißt du, es gibt auch männer, die sehen mehr als den dicken hintern", belehrt mich v.
"das objekt nicht", sage ich. "eigentlich kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass es die noch besteigen mag."
"ich bin sicher, da ist mehr", sagt v.
"klar ist da mehr. am aussehen kanns ja echt nicht liegen. wahrscheinlich eher an der komfortzone."
"du bist ganz schön böse", findet v. "so unattraktiv ist sie auch nicht."
"das kannst du wem anders erzählen! und jetzt sei mir bitte ein freund. lenk mich ab, alkoholisiere mich und steh mir bei, falls ich das bedürfnis bekomme, mich ans objekt heranzuschleichen", maule ich.

doch wider erwarten geht es mir richtig gut an diesem abend. ich bin entspannt, tanze viel, unterhalte mich mit meinen bekannten und habe nicht das leiseste bedürfnis, kontakt zum objekt aufzunehmen. stattdessen erwische ich es des öfteren, wie es mich anstarrt. nachdenklich und betroffen, aber durchaus nicht ohne lüsternheit.
"der guckt aber schon ganz schön oft zu dir", bemerkt irgendwann auch v.
"soll er doch, hat er nachher wenigstens eine schöne wichsfantasie", sage ich.
"willst du denn seine wichsfantasie sein?" fragt v.
"nö, aber ich kanns verstehen, wenn er eine braucht."
"morphine, du bist heute echt..."
"ein mieses schwein", lache ich.
"so ähnlich", schmunzelt v. "wie auch immer, ein bisschen bewundere ich dich. als ich meine ex damals wiedersah und sie ihren neuen stecher dabei hatte, bin ich sofort nach hause gegangen und hab erstmal geheult."
"niemals das revier räumen", sage ich, "ich habe noch nie in meinem leben nach der trennung einen ort gemieden, an dem ich gerne bin."
"das ist selbstbewusst", findet v.
"nee, das ist macht", erwidere ich. "macht und stolz. und in so einem fall auch ein bisschen rache, wenn ich sehe, wie mir jemand hinterherlechzt."

während das objekt weder tanzen noch sich unterhalten mag, sondern sich irgendwann in eine ecke verkrümelt und dort alleine oder von t. abgeschirmt herumlungert, nur um dann recht frühzeitig mit seiner alten nach hause aufzubrechen, habe ich einen durch und durch famosen abend und amüsiere mich mit v. bis die lichter angehen.

als wir draußen stehen und in die morgensonne blicken, sagt v.:
"du bist echt stark. ich hätte gewettet, du fängst eine unterhaltung mit dem objekt an und lässt dich wieder mit schönen worten einlullen."
"worüber hätten wir uns denn unterhalten sollen? über das wetter oder was?" frage ich. "die aktuelle problematik will ich auf einer party, auf der ich mich endlich mal wieder gut amüsiere, nicht aufrollen. und andere themen gibt es nicht. unser gemeinsamer kosmos ist tot."
"harte worte", findet v., der aber auch um meinen weichen kern weiß.

"wie willst du das eigentlich machen, wenn ihr eure unterredung habt?"
"ich schreibe mir einen gesprächsleitfaden", sage ich.
"morphine, du kannst doch keine herzensangelegenheit mit dem verstand lösen!"
"es ist meine einzige chance. ich brauche die ratio in diesem emotionalen kontext. das objekt ist leider clever, das steckt mich sonst in die tasche."
"nicht, wenn du dich nicht in die tasche stecken lässt."
"deshalb der gesprächsleitfaden. ich will unbedingt vollständig alle punkte klären, damit ich hinterher nicht wieder mit einer ungewissheit dastehe, und ich will mich auf seine antworten vorbereiten und mich erinnern, damit ich nicht wieder drauf reinfalle."
"ich würde mich an deiner stelle nicht darauf verlassen, dass du überhaupt antworten kriegst."
"damit muss ich rechnen. das objekt kommuniziert nicht - das objekt lässt raten. das ist seine strategie, damit macht es sich interessant und vermeidet zugleich, dass man es auf etwas festnageln kann."

"und wie willst du dem begegnen?"
"das ist wie mit rock, paper, scissors."
"hä?"
"gewinner wiederholen erfolgreiche taktiken, verlierer ändern ihre strategie. wenn du einmal verloren hast, weißt du schon mal, dass der gegner denselben zug noch mal versuchen wird. so wird das objekt bei mir erstmal alles versuchen, wovon es weiß, dass ich mal drauf angesprungen bin. meine einzige chance ist, mir das ins bewusstsein zu holen. wenn es dann merkt, dass es verliert, ich also nicht mehr auf ein bestimmtes verhalten anspringe, weiß ich schon mal, dass es die taktik dann ändern wird. indem ich bereits recht viele objektmanöver kenne, kann ich hoffentlich abschätzen, was als nächstes kommt. und je mehr taktiken dann nicht mehr funktionieren, desto größer wird seine verunsicherung werden. dann krieg ich ihn am arsch."

v. sieht mich nachdenklich an:
"gehts dir um das objekt oder ums gewinnen?"
ich lächle nur geheimnisvoll.
dann steige ich auf mein fahrrad und drücke v. zum abschied einen kuss auf die wange.
"komm gut nachhause."
"du auch. und lass uns mal wieder was zusammen machen!"
"gern. du weißt, für sushi bin ich immer zu haben."
"gute idee! ich ruf dich an, ja?"
ich nicke und winke.
dann fahre ich in der frischen, duftenden sommerbrise nach hause.

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Freitag, 31. Juli 2015
traumwirklichkeit
schon als ich aufstehe, habe ich den eindruck, in einen besonderen tag zu starten. der traum mit mir als einbrecherin in die objektive wohnung hat etwas in mir verändert. ich denke an das, was mir kürzlich jemand sagte, nämlich dass meine ängste und einstellungen in manchen punkten resultate von vorurteilen und falschen überzeugungen seien.

auf arbeit starre ich tatenlos in den bildschirm. lieber gott, was soll ich tun? gib mir doch einen hinweis. gleichzeitig muss ich über mich schmunzeln: der traum war doch hinweis genug. in eine offen stehende wohnung einbrechen, das heißt doch, dass es keine verschlossenen türen gibt!

zweifle nicht.
verzweifle nicht.


zuhause stelle ich mich unter die dusche, lasse das heiße wasser über mich laufen und lausche tief in mich hinein. wenn mich mein gefühl nicht trügt, hat das objekt heute spätschicht. ich könnte jetzt einfach zur klinik fahren und mit ihm reden.

der verstand erhebt einspruch.
aber die traumgewissheit ist stärker.
ich ziehe mich an und mache mich auf den weg. mir ist schwindelig und übel, ich zittere. aber in mir zeigt mein kompass unbeirrbar eine richtung.

tatsächlich steht das objektive rad vor der klinik. wenn es nicht überpünktlich zur nachtschicht erschienen war, müsste es bald aus dem gebäude kommen.

der himmel zieht feindlich-schwarz über mir und wirft dicke regentropfen ab. inzwischen schlottere ich nicht nur vor angst. ich setze mich abseits auf eine parkbank und rauche eine zigarette. und noch eine. und noch eine.

nach der dritten zigarette kommt das objekt plötzlich um die ecke. es sieht mich nicht. klein wirkt es und um jahre gealtert. ich will ihm hinterherrufen, aber meine stimme streikt. meine zittrigen beine übernehmen die regie und rennen ein paar schritte.

jetzt wird das objekt doch aufmerksam und dreht sich um. es schaut überrascht und ist offenbar zu überrumpelt, um abweisend zu reagieren.
"morphine?" sagt es fast so freundlich wie im traum.
dann stehen wir uns gegenüber.
"hallo", sage ich, denn alle wohldurchdachten sätze sind mit einem male aus meinem gedächtnis herausgefallen.

das objekt findet seine fassung wieder.
"bist du hier gerade in der klinik?" fällt ihm als erstes ein.
ich schüttle den kopf.
"warum bist du dann hier?"
ich schaue nur stumm und kann nicht sagen, wegen dir, weil der traum es mir gesagt hat.
dann lächelt das objekt auf einmal und fragt leise:
"bist du wegen mir hier?"
ich nicke:
"ich dachte, ich bringe es mal hinter mich."
"was genau?"
jetzt kehren die sätze zurück.
"du schuldest mir ein paar antworten, und ich dir wahrscheinlich auch, finde ich."
das objekt schaut weg und sagt dann ziemlich aggressiv:
"ich schulde dir überhaupt keine antworten."

wut flammt in mir auf. was bildet sich das objekt eigentlich ein?!
"also, ich meine, wenn ich im gespräch merken sollte, dass dem doch so sein sollte, bekommst du natürlich antworten", relativiert das objekt dann.
"wie großzügig", spotte ich.
das objekt merkt meinen sarkasmus nicht oder will ihn nicht merken. aber es hat ein gespräch vorgeschlagen, immerhin.
"ich ruf dich die tage mal an, ja?" sagt es. "kann sein, dass ichs von der klinik aus mache, also denk dir nichts dabei, wenn es eine dienstnummer ist."
ich nicke.

wir stehen in der kälte herum und ich merke, dass das objekt gerne gehen würde. fast habe ich nun ein wenig mitleid, wegen des auflauerns, was dem einbrechen im traum schon recht nahe kommt.
"hau schon ab", sage ich. "du hast doch feierabend."
das objekt lächelt wieder und sagt erleichtert:
"ja, genau."
also sage ich schnell und kühl: "tschüß".
"tschüß", antwortet das objekt, dreht sich dann unvermittelt um und geht.

als ich das gelände verlasse, habe ich das gefühl, knapp einer ohnmacht entgangen zu sein. alles dreht sich, die ohren klingeln, und der kalte schweiß klebt an mir. doch in mir kein geilheitsalarm, kein schmetterlingsflattern, nur latente traurigkeit. denn das objekt ist eigentlich schon gar nicht mehr da. nur sein gealterter körper läuft noch durch die straßen dieser stadt.

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Mittwoch, 22. Juli 2015
staatsfeindin nummer eins
im flieger. die letzten minuten vor abflug.
ich simse mit der lederjacke.

ich: "du, da vor mir sitzt ein bundestagsabgeordneter! sag mir mal schnell, wie der sterben soll!"
lederjacke: "lass die finger von dem!"
ich: "ey, lederjacke! das ist eine einmalige gelegenheit! soll ich ihm was ins getränk schütten? oder ihn auf dem klo in seiner eigenen pisse ersäufen?"
lederjacke: "die sau soll sich an sich selbst vergiften!"

tod durch politische selbstvergiftung, genial und einfach. so hätten wir eine merkel, einen gabriel und noch so ein paar probleme weniger.

die lederjacke ist eben ein kluges köpfchen.

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Montag, 20. Juli 2015
die weisheit der fußpflegerin
ich sitze mit einem alten bekannten, seines zeichens dj, im café. es ist mal wieder sauheiß - wie auch in den letzten tagen.

wir schlürfen frappés und schauen uns an.
"scheiß schwül heute", sage ich.
"wenn ich deine brüste sehe, wird mir gleich noch heißer", sagt der alte bekannte, um sich dann zu entschuldigen: "je höher die temperaturen, desto flacher die witze, sorry."
"ich bin ganz gern mal draußen", sage ich, "meine eltern haben das komplette haus abgeschottet. drinnen ist es absolut dunkel. das hält man kaum aus."
"jaja, die werden immer seltsamer im alter."
"die sind aber erst 66."
"okay, das ist noch recht jung. aber sei froh, mein vater ist letzten januar gestorben."
"was hatte er denn?"
"krebs. er hatte die wahl, noch ein paar jahre mit chemo oder ein paar monate ohne."
"und?"
"erst hatte er keinen bock, dann hat er aber doch die chemo angefangen. aber wieder abgebrochen, weil er sie nicht vertragen hat."
"das passiert manchmal."
"bullshit. der sollte keine milchprodukte essen während der chemo. hat er eisern geschworen. aber dann hab ich gemerkt, er macht milch in den kaffee und auch ins müsli. weil sich das so gehört, hat er gesagt, als ich ihn drauf angesprochen habe, oder ob ich wolle, dass er sein müsli mit wasser frisst. keine chance, bei so viel sturheit kann man sich den mund fusslig reden."

"oh mann. und dann?"
"hatte er noch ein paar mal chemo und hat dann aufgegeben. danach hat er ne lungenentzündung gekriegt. im krankenhaus haben sie ihn total blöde mit antibiotikum vollgestopft. damit er dann gesund stirbt, weißte."
"hatte er keine patientenverfügung oder sowas?"
"doch, aber die war veraltet. zum glück hatten wir einen coolen arzt, der das antibiotikum nach ein paar tagen doch abgesetzt hat. am nächsten morgen war mein vater dann tot."
"keine schöne geschichte."
"das schlimmste war meine mutter. am abend, als die das antibiotikum abgesetzt haben, haben sie extra das zimmer freigeräumt und ein bett für meine mutter reingestellt, damit sie bei meinem vater bleiben kann. und was macht die blöde kuh? besteht total hysterisch drauf, dass sie nach hause muss, wäsche waschen."
"vielleicht wollte sies nicht wahrhaben, dass es so schnell geht."
"total realitätsfern! aber so ist die immer! vor ein paar monaten hab ich ihr mal erklärt, dass sie geistig verkalkt, wenn sie sich nicht bemüht, ab und an auch mal was neues zu machen. hat sie mich total blöde angemacht, war ich mal wieder der arsch. eine woche später erzählt sie mir ganz stolz, dass ihr die fußpflegerin erklärt hat, dass man nicht so schnell dement wird, wenn man auch im alter immer wieder dazulernt und neues erlebt. jetzt macht sie sudoku und findet das total cool."
"du bist ja auch nur das dumme kind", grinse ich. "du hast doch keine ahnung!"
"so wirds sein..."

wir schauen eine weile in unsere schmelzenden frappés.
"werden wir auch mal so?" fragt mein bekannter.
"bestimmt", sage ich. "nur setze ich keine kinder in die welt, die dann antidepressiva brauchen, um das und den ganzen schäbigen rest auszuhalten."
"ich auch nicht."
"will deine freundin denn nicht? frauen wollen doch immer was zum eidideidi-duziduzidu."
"nö, wir sind da ganz entspannt."
"wie lange seid ihr nun schon zusammen?"
"sieben jahre."
"und wie isses so?"
"naja, aufregend ist das nicht. man kennt alles am anderen. alles ist vertraut. aber es ist auch toll. neulich beispielsweise, da ist meine freundin auf eine tagung gefahren und hat vorher noch eingekauft, nur für mich, nur so sachen, die ich mag, damit ich das dann habe, wenn sie nicht da ist. das war schön."
"das ist nicht schön, das ist normal", sage ich. "ich kauf mir auch sachen, die ich mag, dafür brauch ich keinen typ, der mich mästet und der mich am ende noch anmeckert: das hab ich extra für dich gekauft, und du freust dich ja gar nicht!"
mein bekannter schaut mich an:
"und wie lebst du so?"
"naja, ich hab so drei, vier typen und ab und an mal eine tussi. aber nur so zum ficken."
der bekannte grinst breit und ich kann das kopfkino hinter seiner stirn sehen.
"das ist aber weniger spannend, als du jetzt vielleicht denkst. also mir ist das wirklich egal, ob ich mir jetzt nen film allein reinziehe oder ob jemand von denen zum vögeln antanzt."
"boah, das ist arrogant", sagt mein bekannter. "warum machst dus dann?"
"naja, ich hab halt auch bedürfnisse. und manchmal will ich halt auch ein bisschen haut, nicht nur nen vibrator."
"und sonst so? zur selbstbestätigung?"
"ja, sicher, auch."
"aber das ist doch arm."
"klar isses das. aber guck mal. ich bin da in hamburg relativ allein. keine familie, keinen partner, nur eine kleine gruppe häufig wechselnder freunde. auch keinen job, der mich happy macht. ich kann noch nicht mal sagen, dass ich mich ja wenigstens an guter gesundheit erfreue, was viele gern mal sagen, wenns in ihrem leben gerade bergab geht. mein körper ist ziemlich kaputt, ich habe ständig schmerzen. ich hänge seit sieben jahren in derselben talsohle und alles, was ich noch tun kann für mein glück, ist, menschen weitgehend aus meinem leben rauszuhalten, damit sie mir nicht mehr wehtun können."
der bekannte schaut mich betroffen an.
"okay, da wird mir mal wieder bewusst, auf welch hohen roß ich so sitze. nimms mir nicht übel."
"quatsch, warum denn. aber bitte kein mitleid, ja? davon kann ich mir auch nix kaufen."

"und was willst du machen?"
"naja, das wichtigste ist erstmal ein neuer job. ich such seit anderthalb jahren wie bekloppt, aber ich vermute mal, dass es nicht funktioniert, wenn man so verbissen rangeht wie ich. gleichzeitig versuch ich, eine neue richtung einzuschlagen. noch mal studieren."
"das klingt doch gut."
"ohne erfolg bislang. ich hab dem arbeitsamt schon die türen eingerannt, aber da ich überqualifiziert bin, krieg ich überhaupt keine förderungen oder so. ich kann mich eigentlich kaum verändern. die warten, bis ich so krank bin, dass ich nur noch hartzen gehen kann. das ist billiger für die, weißte."
"unfassbar! und was ist mit deinen eltern?"
"wenn ich hierher zurückkomme, finanzieren sie mir ne eigentumswohnung."
"na klasse. und wenn du woanders arbeiten willst?"
"dann nicht."
"die haben verstanden, was du brauchst, hm?" grinst mein bekannter.
"keine sorge, ich lass mich nicht erpressen."
"hätt ich dir auch nicht geraten."

es rollt ein gewitter heran und wir zahlen schnell.
"was machst du jetzt noch?" fragt mein bekannter.
"erstmal zurück nach hause."
"ich geh noch ein bisschen ins studio, musik machen."
"viel spaß."
"werd ich haben. war schön, dich mal wieder zu sehen."
"war ja lange genug her", lächle ich.
"zwei jahre? drei jahre?"
"so um den dreh."
"egal, wenn du mal was brauchst, schreib mir."
"mach ich, danke. gilt umgekehrt natürlich auch."
"bis dann!"
"bis bald mal wieder!"

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