Dienstag, 30. September 2014
fingerprints
deine spuren auf meinen gedanken sind wie fingerabdrücke, man sieht sie nur in einem bestimmten licht. man möchte das hirn in beide hände nehmen, es unter eiskaltes wasser halten und schrubben. und danach in klarsichtfolie wickeln, des besseren durchblicks wegen.

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Montag, 29. September 2014
sehnsuchen
seit drei tagen weiß ich, dass der zweite tumor, den man jetzt gefunden hat, wahrscheinlich auch gutartig ist. noch ein mrt, dann können wir operieren. juchee.

seitdem ich keine todesangst mehr habe, denke ich wieder ans objekt. und habe sehnsucht. ich schreibe ihm dummerweise eine nachricht. eisernes schweigen von der anderen seite. fast bin ich dankbar.

am wochenende dann clubbing. doppelclubbing, obwohl mir nicht nach feiern ist. ich will einfach nur das objekt finden. doch das schicksal bewahrt mich offenbar vor einem fehler. das objekt bleibt wie vom erdboden verschluckt.

heute, im arm meines neuen mannes, überfällt mich die große geilheit. und während man(n) mich bekocht, gehe ich auf sein klo und lege hand an. später sitzen wir da, löffeln suppe und essen selbstgebackenes brot und ich betrachte den mann, dankbar und zärtlich und wehmütig zugleich, weil ich mir so wünsche, dass er den bann brechen könnte, und weil ich so genau weiß, auch er wird es nicht schaffen.

das kann doch alles nicht so weitergehen.

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Samstag, 20. September 2014
krass
"du findest mich krass?"
"ja, das tue ich, denn es scheint, als lebtest du in deiner eigenen welt, und die welt der anderen kann dir nichts anhaben, weil du ja nicht zu ihr gehörst."

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Mittwoch, 10. September 2014
zirkeltraining
diese ungeheuere anstrengung, sich selbst eine plattform zu bauen. ach was plattform, das hier ist eher ein kleiner felsvorsprung. fußbreit. gezimmert aus einer handvoll bröseliger selbstliebe.

da steht man nun und guckt. nach einem ästchen, das irgendwo herabragt. nach allem, was dich ein stückchen weiter nach oben bringen könnte, denn um sich am eigenen schopf aus dem abgrund zu ziehen, dazu hat man einfach schon zu viele federn gelassen.

jeden tag ein klimmzug.

oder das level halten. halten. halten.
wenigstens halten.

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Mittwoch, 3. September 2014
pulse
wie wir uns verschlingen mit blicken.
wie wir einander speisen mit unserem atem.
wie wir uns begegnen im traum, in der erinnerung.

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Mittwoch, 13. August 2014
peak
wenn sich alles in meinem leben so exorbitant steigern ließe wie meine demotivation.

wenigstens das a-amt ist auf meiner seite, was meinen ausbeuterischen arschloch-chef betritt. das zu wissen tut schon mal gut. und gut, dass ich den mumm hatte, diesen sack an himmelschreienden ungerechtigkeiten einmal aufzumachen.

ansonsten mit dem mitinsassen von fernen kontinenten träumen.

wish me luck.

ich bin zu absolut allem bereit.
theoretisch.

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Donnerstag, 7. August 2014
heaven without honey
mein sommer ist wie honig, der in einem langgezogenen goldenen faden schwerfällig-versiegend von der tischkante tropft.

geduld, ihr kleinsten vögel, ihr schmetterlinge. keine verschwendende bewegung, kein vorschnelles hüpfen und hoffen, keine flucht mit federlosen schwingen.

lasst den späten sonnengott noch ein wenig über die lider flirren, die wie warmes wachs die augäpfel bedecken. bäumchen schüttle dich, bäumchen rüttle dich, wirf schlaf und stille über mich.

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Dienstag, 5. August 2014
titanic
ich arbeite wieder. gegen ärztlichen rat. gegen mein gefühl. weil ich angst habe, diesen fucking job zu verlieren. wobei da ja nicht allzu viel verloren wäre.

seit halb sechs uhr morgens komme ich mir vor wie die titanic, die auf ihren eisberg zuläuft. das objekt ruft an, nachdem ich ich s.o.s. gefunkt habe und kackt mich ein bisschen an. vielleicht ist da ja gar kein eisberg, meint es, und wenn das wasser kalt ist, soll ich einfach ein bisschen schneller schwimmen.

keine angst, sagt es zum abschied. keine angst.

wenn das alles so einfach wäre.

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Samstag, 2. August 2014
drinnen und draußen
nach fünf tagen bin ich wieder in freiheit, auf eigenen wunsch.

in therapeutischer hinsicht ist im endeffekt nicht viel passiert. ein bisschen blubb, neue lustige diagnosen, ein bisschen beschäftigung. ich für meinen teil habe in der ergotherapie wiederentdeckt, wie gerne ich künstlerisch tätig bin. dinge mit den händen machen, formen, machen, ergebnisse sehen und anfassen können.

eingesperrt zu sein ist ein merkwürdiges gefühl. drinnen will man nur raus. draußen dann, so in der u-bahn, hatte ich angst. weil da ja nun wieder all die stinos um einen rum sind, die rücksichtslos ihr ego an einem vorbeipressen.

was ich drinnen unheimlich genossen habe, war, dass mich alle insassen verstanden haben. wir haben alle ähnliches erlebt: die totale ausbeute durch arbeitgeber, fehlende kommunikation, mangelhafter sozialer und familiärer rückhalt, schicksalsschläge, schmerzhafte krankheiten, finanzielle sorgen, flucht in drogen, isolation oder vermeintlich schützende verhaltensweisen. dabei waren die meisten akademiker, hatten teilweise in hochkarätigen berufen gearbeitet und irgendwann mal viel geld verdient. sie wurden ausgesaugt durch scheidungen und unterhaltsverpflichtungen sowie durch die erkrankung, die viele langfristig auf hartz IV zurückgeworfen hat.

alle insasssen zeichnete die gleiche sehnsucht nach verstandenwerden aus. schon am ersten tag hatte ich wirklich gute und tiefgehende gespräche. nicht über probleme, sondern über gott und die welt. und obwohl ich unter depressiven war, habe ich viel gelacht. diese leute waren bis auf wenige ausnahmen klug, witzig und unterhaltsam. die ausnahmen waren eine entmündigte frau, die sich ständig von den mitinsassen gemobbt fühlte und ein angstpatient, der meines erachtens auf der falschen station war. organisatorisch ging überhaupt sehr viel drüber und drunter, sodass ich die ganze zeit das bedürfnis hatte, excel-tabellen zu entwerfen, um dinge zu strukturieren und übersichtlicher zu machen. außerdem wären einige kreative impulse dringend nötig gewesen: der immer und für alle gleiche therapieplan beispielsweise stammte aus dem jahr 2008.

die eigentliche therapie war mich für, mich widerspiegeln zu können in menschen, die - auf ihre individuelle weise - genauso waren wie ich. das hat mich darin bestätigt, dass ich überhaupt nicht verkehrt bin. mein zuständiger oberarzt war die ganze zeit nur auf der suche nach der "richtigen" diagnose, die er mit den "richtigen" medikamenten behandeln wollte. das war ein kapitel, das ich als geradezu entmenschlichend empfand: klassifizieren, einsortieren und dann alles charakterlich störende eliminieren.

ich möchte so sein wie ich bin. mit meinen schwächen und dispositionen, aus denen aber auch stärken hervorgehen. vielleicht brauche ich ein bis zwei chancen mehr als andere. vielleicht darf ich von 90 prozent meiner mitmenschen gar nichts oder eher schlechtes erwarten. aber es muss doch möglich sein, einfach leben zu dürfen.

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Freitag, 25. Juli 2014
kreuzung
ich fahre über eine kreuzung mitten in eppendorf, als ich plötzlich sehe, dass mir das objekt entgegenkommt. es schaut mindestens so überrascht drein wie ich, dann ruft es "hey! hey morphine!" und gestikuliert, ich solle stehenbleiben.

vom bordstein aus beobachte ich, wie das objekt auf der vierspuringen straße zu wenden versucht und dabei zwei autos eine vollbremsung abverlangt. es wird mehrfach gehupt, das objekt macht beschwichtigende gesten und nähert sich mir dann unter protestrufen der aufgebrachten autofahrer. "ich dachte schon, die überfahren mich jetzt", sagt es zur begrüßung, als es endlich neben mir zum stehen kommt.

ich schaue ihm ins gesicht und dann gleich lieber wieder weg, weil ich trotz der dumpfen enttäuschung debil grinsen muss, und das grinsen mag ich dem objekt nicht gönnen.
das objekt selbst ist extrem blass und mustert mich prüfend aus seinen grünen augen.
"wie gehts dir", fragt es zögerlich, um überhaupt etwas zu sagen.
ich zucke die achseln.
"ich dachte, du wohnst schon in köln?"
"berlin, wenn", erwidere ich. "da musst du dich allerdings noch ein, zwei monate gedulden."
das objekt sucht meinen blick.
"ich glaube, es ist die richtige entscheidung, wenn du hier weggehst", sagt das objekt. ich merke, wie vieles es damit meint.

wir starren einander an. es ist unmöglich, einfach die biege zu machen, es ist sehen-sucht im wahrsten wortsinn. ich habe die vorstellung, dass die objektpupillen mich wie saugnäpfe in die dunkle objektseele ziehen können, und muss schnell wieder zu boden blicken. ich überlege, ob ich hämisch fragen soll, ob der urlaub schön war, unterlasse es jedoch.

"ich vermiss dich", sagt das objekt schließlich leise. "deine wärme... deinen kopf... nicht nur das sexuelle. so diese woche hab ich ganz viel an dich gedacht."
ich kann gar nichts sagen, nur hoffen, dass sich der boden auftut und mich verschluckt. es sind nur worte, sage ich mir, und auf seine worte solltest du scheißen.
"ich scheiß auf deine worte", sage ich also, aber es klingt eher wie "ich liebe dich". ganz dünne tarnung. nichts, was das objekt nicht sofort durchschaut.

es sagt erstmal nichts mehr.
"ich hab dir gerade nicht so viel zu sagen", entschuldige ich mich und denke gleich darauf, du blöde kuh, jetzt rechtfertigst du dich schon wieder.
"geht mir nicht anders", sagt das objekt, dankbar, als hätte ich ein düsteres geheimnis zur sprache gebracht.
"aber du, wenn du umziehst... sag mir bescheid, wenn du irgendwie hilfe braucht", bietet es an.
schlechtes gewissen. das war nicht schwer auszurechnen. aber im anbetracht der heiklen situation ein durchaus nicht ganz unnützes freikauf-angebot.
"mal sehen", sage ich indifferent. "ich mag mich gerade nicht auf dich verlassen müssen."
das objekt schaut betreten.
"ja dann..."
"tschüß", sage ich kühl.

keiner fährt los. beide starren.
dann beugt sich das objekt über zwei räder und zieht mich in seine arme. es ist sehr warm und riecht nach arbeit und sommer. ich versuche, ihm nicht entgegenzukommen, merke dann jedoch, wie ich mich entspanne und dem objekt entgegensinke. das objekt seufzt und hält mich ganz fest. eine gefühlte ewigkeit verharren wir so.
irgendwann mache ich mich los und stelle den fuß aufs pedal. das muss ja schließlich auch mal ein ende haben.

"machs gut", sagt das objekt schüchtern.
"ja", sage ich.
dann ziehen wir beide unserer wege.



kennst du das schlaraffenland
hinter den sieben sternen
verglühen die satelliten
keiner ist schöner als du.

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