Donnerstag, 7. August 2014
heaven without honey
mein sommer ist wie honig, der in einem langgezogenen goldenen faden schwerfällig-versiegend von der tischkante tropft.

geduld, ihr kleinsten vögel, ihr schmetterlinge. keine verschwendende bewegung, kein vorschnelles hüpfen und hoffen, keine flucht mit federlosen schwingen.

lasst den späten sonnengott noch ein wenig über die lider flirren, die wie warmes wachs die augäpfel bedecken. bäumchen schüttle dich, bäumchen rüttle dich, wirf schlaf und stille über mich.

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Dienstag, 5. August 2014
titanic
ich arbeite wieder. gegen ärztlichen rat. gegen mein gefühl. weil ich angst habe, diesen fucking job zu verlieren. wobei da ja nicht allzu viel verloren wäre.

seit halb sechs uhr morgens komme ich mir vor wie die titanic, die auf ihren eisberg zuläuft. das objekt ruft an, nachdem ich ich s.o.s. gefunkt habe und kackt mich ein bisschen an. vielleicht ist da ja gar kein eisberg, meint es, und wenn das wasser kalt ist, soll ich einfach ein bisschen schneller schwimmen.

keine angst, sagt es zum abschied. keine angst.

wenn das alles so einfach wäre.

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Samstag, 2. August 2014
drinnen und draußen
nach fünf tagen bin ich wieder in freiheit, auf eigenen wunsch.

in therapeutischer hinsicht ist im endeffekt nicht viel passiert. ein bisschen blubb, neue lustige diagnosen, ein bisschen beschäftigung. ich für meinen teil habe in der ergotherapie wiederentdeckt, wie gerne ich künstlerisch tätig bin. dinge mit den händen machen, formen, machen, ergebnisse sehen und anfassen können.

eingesperrt zu sein ist ein merkwürdiges gefühl. drinnen will man nur raus. draußen dann, so in der u-bahn, hatte ich angst. weil da ja nun wieder all die stinos um einen rum sind, die rücksichtslos ihr ego an einem vorbeipressen.

was ich drinnen unheimlich genossen habe, war, dass mich alle insassen verstanden haben. wir haben alle ähnliches erlebt: die totale ausbeute durch arbeitgeber, fehlende kommunikation, mangelhafter sozialer und familiärer rückhalt, schicksalsschläge, schmerzhafte krankheiten, finanzielle sorgen, flucht in drogen, isolation oder vermeintlich schützende verhaltensweisen. dabei waren die meisten akademiker, hatten teilweise in hochkarätigen berufen gearbeitet und irgendwann mal viel geld verdient. sie wurden ausgesaugt durch scheidungen und unterhaltsverpflichtungen sowie durch die erkrankung, die viele langfristig auf hartz IV zurückgeworfen hat.

alle insasssen zeichnete die gleiche sehnsucht nach verstandenwerden aus. schon am ersten tag hatte ich wirklich gute und tiefgehende gespräche. nicht über probleme, sondern über gott und die welt. und obwohl ich unter depressiven war, habe ich viel gelacht. diese leute waren bis auf wenige ausnahmen klug, witzig und unterhaltsam. die ausnahmen waren eine entmündigte frau, die sich ständig von den mitinsassen gemobbt fühlte und ein angstpatient, der meines erachtens auf der falschen station war. organisatorisch ging überhaupt sehr viel drüber und drunter, sodass ich die ganze zeit das bedürfnis hatte, excel-tabellen zu entwerfen, um dinge zu strukturieren und übersichtlicher zu machen. außerdem wären einige kreative impulse dringend nötig gewesen: der immer und für alle gleiche therapieplan beispielsweise stammte aus dem jahr 2008.

die eigentliche therapie war mich für, mich widerspiegeln zu können in menschen, die - auf ihre individuelle weise - genauso waren wie ich. das hat mich darin bestätigt, dass ich überhaupt nicht verkehrt bin. mein zuständiger oberarzt war die ganze zeit nur auf der suche nach der "richtigen" diagnose, die er mit den "richtigen" medikamenten behandeln wollte. das war ein kapitel, das ich als geradezu entmenschlichend empfand: klassifizieren, einsortieren und dann alles charakterlich störende eliminieren.

ich möchte so sein wie ich bin. mit meinen schwächen und dispositionen, aus denen aber auch stärken hervorgehen. vielleicht brauche ich ein bis zwei chancen mehr als andere. vielleicht darf ich von 90 prozent meiner mitmenschen gar nichts oder eher schlechtes erwarten. aber es muss doch möglich sein, einfach leben zu dürfen.

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Freitag, 25. Juli 2014
kreuzung
ich fahre über eine kreuzung mitten in eppendorf, als ich plötzlich sehe, dass mir das objekt entgegenkommt. es schaut mindestens so überrascht drein wie ich, dann ruft es "hey! hey morphine!" und gestikuliert, ich solle stehenbleiben.

vom bordstein aus beobachte ich, wie das objekt auf der vierspuringen straße zu wenden versucht und dabei zwei autos eine vollbremsung abverlangt. es wird mehrfach gehupt, das objekt macht beschwichtigende gesten und nähert sich mir dann unter protestrufen der aufgebrachten autofahrer. "ich dachte schon, die überfahren mich jetzt", sagt es zur begrüßung, als es endlich neben mir zum stehen kommt.

ich schaue ihm ins gesicht und dann gleich lieber wieder weg, weil ich trotz der dumpfen enttäuschung debil grinsen muss, und das grinsen mag ich dem objekt nicht gönnen.
das objekt selbst ist extrem blass und mustert mich prüfend aus seinen grünen augen.
"wie gehts dir", fragt es zögerlich, um überhaupt etwas zu sagen.
ich zucke die achseln.
"ich dachte, du wohnst schon in köln?"
"berlin, wenn", erwidere ich. "da musst du dich allerdings noch ein, zwei monate gedulden."
das objekt sucht meinen blick.
"ich glaube, es ist die richtige entscheidung, wenn du hier weggehst", sagt das objekt. ich merke, wie vieles es damit meint.

wir starren einander an. es ist unmöglich, einfach die biege zu machen, es ist sehen-sucht im wahrsten wortsinn. ich habe die vorstellung, dass die objektpupillen mich wie saugnäpfe in die dunkle objektseele ziehen können, und muss schnell wieder zu boden blicken. ich überlege, ob ich hämisch fragen soll, ob der urlaub schön war, unterlasse es jedoch.

"ich vermiss dich", sagt das objekt schließlich leise. "deine wärme... deinen kopf... nicht nur das sexuelle. so diese woche hab ich ganz viel an dich gedacht."
ich kann gar nichts sagen, nur hoffen, dass sich der boden auftut und mich verschluckt. es sind nur worte, sage ich mir, und auf seine worte solltest du scheißen.
"ich scheiß auf deine worte", sage ich also, aber es klingt eher wie "ich liebe dich". ganz dünne tarnung. nichts, was das objekt nicht sofort durchschaut.

es sagt erstmal nichts mehr.
"ich hab dir gerade nicht so viel zu sagen", entschuldige ich mich und denke gleich darauf, du blöde kuh, jetzt rechtfertigst du dich schon wieder.
"geht mir nicht anders", sagt das objekt, dankbar, als hätte ich ein düsteres geheimnis zur sprache gebracht.
"aber du, wenn du umziehst... sag mir bescheid, wenn du irgendwie hilfe braucht", bietet es an.
schlechtes gewissen. das war nicht schwer auszurechnen. aber im anbetracht der heiklen situation ein durchaus nicht ganz unnützes freikauf-angebot.
"mal sehen", sage ich indifferent. "ich mag mich gerade nicht auf dich verlassen müssen."
das objekt schaut betreten.
"ja dann..."
"tschüß", sage ich kühl.

keiner fährt los. beide starren.
dann beugt sich das objekt über zwei räder und zieht mich in seine arme. es ist sehr warm und riecht nach arbeit und sommer. ich versuche, ihm nicht entgegenzukommen, merke dann jedoch, wie ich mich entspanne und dem objekt entgegensinke. das objekt seufzt und hält mich ganz fest. eine gefühlte ewigkeit verharren wir so.
irgendwann mache ich mich los und stelle den fuß aufs pedal. das muss ja schließlich auch mal ein ende haben.

"machs gut", sagt das objekt schüchtern.
"ja", sage ich.
dann ziehen wir beide unserer wege.



kennst du das schlaraffenland
hinter den sieben sternen
verglühen die satelliten
keiner ist schöner als du.

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Donnerstag, 24. Juli 2014
und wer
hält mich jetzt von einem akuten objektrückfall ab?

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Dienstag, 22. Juli 2014
sonnenbrand
als ich nach 10 tagen wieder in meine wohnung komme, hat sie saunatemperatur. im zug und in der letzten u-bahn habe ich gefroren, gleichzeitig hatte ich so hunger, dass mir der kreislauf fast abschmierte. beim bäcker am bahnhof habe ich blind drei brötchen gekauft, für die dann, wie ich feststelle, keine butter im kühlschrank ist. also esse ich eines trocken und schenke mir dann einen wodka ein, weil das brötchen in der kehle einen nachgeschmack von feuchter pappe hinterlassen hat. ich habe lust, eine zu rauchen, nachdem ich eine woche lang keine zigarette angefasst habe. aber ich kann mich an keinen zigarettenautomaten in der nähe erinnern, außerdem habe ich kein kleingeld.

unruhe, die sich steigert. ein termitenbau in meinem kopf. am liebsten würde ich das objekt anrufen und ins telefon weinen, aber es ist inzwischen zwei uhr nachts, und ich erinnere mich, dass es das objekt nicht mehr gibt. ich reiße alle fenster auf und lasse sogar die wohnungstüre offenstehen, ich habe den eindruck zu ersticken. ich durchsuche noch einmal alle schubladen, ich habe nur gras, aber keinen tabak.

noch ein wodka, und darauf eine line. ich bekomme sofort schuldgefühle und angst kriecht den rücken hoch, hoffentlich sterbe ich jetzt nicht, vielleicht war das zu viel, nachdem ich meine psychopharmaka die letzten beiden wochen ziemlich hochdosiert habe. gleichzeitig muss ich über diesen anflug paradoxer todesangst lachen.

ich denke an samstag. am samstag habe ich meine erste große liebe wiedergetroffen. wir haben viel über unsere früheren gemeinsamen unternehmungen und urlaube geredet und gelacht. ich mag meine erste große liebe noch immer. das beruht sogar auf gegenseitigkeit. meine erste große liebe gehört zu den sehr, sehr wenigen menschen, die mir zum zeitpunkt der diagnose depression gesagt haben, dass sie mich mögen wie ich bin und dass ich nichts an mir verändern sollte. das zeichnet sie aus und hat sie auch schon früher ausgemacht: diese unbedingte wahrnehmung und beurteilung des urmenschlichen. spätere männer haben meist nur darauf geachtet, ob ich in ihre lebensplanung passe und falls ja, wie.

als ich mit meiner ersten großen liebe durch den park spazierte, fragte sie mich, ob ich mir eigentlich noch vorstellen könnte, dass wir sex haben.
"nein, ehrlich gesagt: nicht", erwiderte ich ungezwungen und lächlte entschuldigend.
"macht nichts", sagte der mann und legte mir den arm um die schultern. "du weißt ja, wir kerle könnten immer."
die frage zerstörte nichts, wir umarmten uns und gingen einfach weiter. es begann zu regnen, wunderbarster sommerregen.

jetzt, als ich in meiner dunklen, heißen wohnung stehe, fühlt es sich eher an wie sonnenbrand, ein krater, der sich langsam von innen nach außen brennt. aber schmerz ist gut, besser schmerz als stumpfsinn. auch der termitenbau im kopf ist nur eine großes manifest der lebendigkeit. der kopf hat mehr verdient als die daily dröhnung, der kopf will raus aus diesem kopf und seine termiten todesmutig den rüssel eines nasenbärs hochschicken, das gehirn infizieren, eine revolution ausbrüten.

dann werde ich doch mit einem male müde. mit einem nassen handtuch packe ich mich ins bett, denke an das objekt, werde erst fickrig, dann weinerlich, vergieße ein paar tränchen und schlummere schließlich ein. hamburg hat mich wieder.

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Sonntag, 20. Juli 2014
verorten
ich will zeigen. ich will die schönen seiten des lebens, die ich noch wahrnehmen kann, unbedingt weitergeben und sagen, da, schau, hör mal, schnuppere, schmecke! - wie wunderbar das ist.

mit menschen, die mir am herzen liegen und von denen ich überzeugt bin, dass sie mich nicht mehr enttäuschen werden, teile ich orte, die ich liebe. die mondlandschaft mit meinem blog-verursacher. die rosenau mit der lieben frau okavanga.

teilen macht glücklich. denn teilen erdet und verortet.

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Sonntag, 29. Juni 2014
dead week-end
die anstrengung der vergangenen woche und der frust über einige freie projekte sitzen tief. 600 euro fehlen. ich frage mich, ob irgendwo in meinen abg ein satz steht wie "verarsch mich bitte". ich lasse mich sogar rechtsberaten, allerdings stünden meine chancen mangels rechtschutzversicherung schlecht, heißt es.

am wochenende schlafe ich einmal 13 und dann noch einmal 10 stunden. an ausgehen ist nicht zu denken, denn die tränen wollen gerne alle geweint werden, laut und in voller theatralik. dazwischen überfrauen mich immer wieder wellen der erschöpfung. ich dosiere meine antidepressiva hoch und warte ungeduldig auf erleichterung. eigentlich müsste ich durcharbeiten, der druck ist hoch, aber mein körper weigert sich. ich gebe mir also bis montagmorgen zeit. kein stress, sage ich mir, der sonntag steht dir zu. trotzdem kommen magenschmerzen und immer neue migräne-attacken.

samstag um 22 uhr im bett liegen fühlt sich komisch an, aber ich bin dann doch gleich weg, nur um halb drei wieder hochzuschrecken, weil man plötzlich hellwach ist, das herz wie verrückt rast und der rücken in regelrechten spasmen die muskeln verkrampft. juhu! zeit für eine mittlere dosis benzodiazepine. noch mal bei facebook reinschauen, die katzen streicheln, eine cola rum auf die benzos kippen und dann wieder ab ins bett.

sonntagmorgen um neun klingelt das telefon. ein kunde ist dran und kackt mich an, weil ihm das projekt zu langsam voranschreitet. ich weise ihn auf seit zwei wochen ausstehenden input seinerseits hin, trotzdem ist er so pissig und unverschämt, dass ich schon gleich wieder ins telefon heulen könnte. nein, ich weigere mich, für einen taschengeld-popeljob meinen sonntag zu opfern.

seit elf sitze ich dann doch da, käffchen und zippe und überlege anstrengt, was die optionen des tages sind. bis noch vor wenigen wochen konnte ich sonntags wenigstens wetten mit mir selbst abschließen, ob das objekt anrufen würde. auf seine geilheit und gespielinnen-gelangweiltheit war ja immer hübsch verlass. jetzt ist darauf verlass, dass es mich nach möglichkeit ignoriert, und vermutlich sollte ich dankbar dafür sein. ein vorteil der depression ist ja auch, dass die libido schrumpft und die vorstellung der eigenen nacktheit brechreiz auslöst.

ich verfalle kurzzeitig dem gedanken, die lederjacke anzurufen, oder vielleicht auch k., denn verdammt, für ein wenig gesellschaft und eine umarmung würde ich mich sogar ficken lassen, aber dann gewinnt die vernunft die oberhand und sagt, die haben sich seit über einem halben jahr nicht mehr bei dir gemeldet, also tust du es bitte auch nicht, das wäre entwürdigend, und überhaupt, du sollst dich nicht auch im privatbereich so dermaßen unter wert verkaufen. das alter ego will daraufhin gerne eine wert-und-unwert-diskussion beginnen, aber der körper schickt die nächste wolke an müdigkeit.

vielleicht also einfach noch mal ins bett gehen. und den sonntag sonntag sein lassen.

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Freitag, 27. Juni 2014
work & travel
zwei tage messe, ein tag preisverleihung. mehrmals quer durch die stadt getourt, eine stunde im fucking bus im fucking elbtunnel verbracht. müde, müde, müde, füße kaputt, migräne und rückenschmerzen.

bei der preisverleihung hätte ich in sachen kleiderwahl übrigens mit garantie den award für das gewagteste outfit abgestaubt. in ermangelung angemessener abendgarderobe hatte ich mich am morgen hektisch für ein gepunktetes rockabilly-cocktailkleid entschieden und dem ganzen mit einem gothic-samtjäckchen versucht, ein wenig mehr eleganz einzuhauchen. interessanterweise gab es dann zahlreiche komplimente, ich sähe "süß" aus, wo ich doch das wort süß sonst eigentlich weniger mit mir verbinde. in illustrer runde hat sich allerdings die 20-euro-ebay-qualität des kleides gezeigt - rasch ausleiherndes ärmelloses oberteil - und für einen busen- beziehungsweise bh-blitzer gesorgt. die anzugtragenden wichtigwichser trugen es aber allesamt mit fassung.

finkenwerder entdeckt und für schön befunden. was leute hingegen an ottensen finden, ist mir schleierhaft. eng, dreckig, laut und shabby. aber man muss ja dort wohnen, wenn man hip sein will, also so alternativ biofressen-hip, nicht so schnicksenschick wie die eppendorfer oder die harvestehuder.

however, schön, wieder zuhause zu sein. die super-puschis freuen sich nen keks und können gar nicht mehr aufhören, sich laut mauzend auf meine füße zu werfen. ein woche hab ich sie noch, die beiden sweeties. dann heißt es bye-bye.

könnte das jahr der abschiede werden.

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Donnerstag, 19. Juni 2014
stellenwert-test
nachdem mein nachbar wieder da ist, ist auch wieder schnee im haus. gleich frech eine line geschnorrt und dann die idee gehabt, diese information doch einfach mal an das objekt weiterzuleiten.

und surprise, surprise: keine stunde später kam der anruf. ich bin nicht rangegangen. eine viertelstunde später der zweite. ich wieder nicht rangegangen. später eine sms geschrieben: "sorry, ist jetzt doch schon alle." objekt so zurückgeschrieben: "ich könnte ja morgen vielleicht mal vorbeikommen." ich nicht geantwortet. zweite objektnachricht: "ich wollte ja auch noch mal mit dir sprechen."

muhahaha.
opportunistenschwein.
es kann gern vorbeikommen. ich werde nicht aufmachen.

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