Freitag, 5. September 2014
(being) patient
wenn ich nicht nachdenke, komme ich mit dem leben halbwegs klar. ich schotte mich ab von politischen und wirtschaftlichen news, von katastrophen und vom leid anderer. das widerspricht meinem lebenskonzept, führt aber dazu, dass sich ein hauch von frieden einstellt, der wiederum zur folge hat, dass suizidale gedankengänge und das überwältigende gefühl eigener ohnmacht angesichts der ungeheuerlichen ungerechtigkeiten überall temporär in den hintergrund treten.

so und ähnlich habe ich das heute beim kontrolltermin in der psychiatrie erklärt.
"wie ist das genau mit den suizidgedanken", will der vertretungsarzt wissen.
"ich hab mir ein ultimatum gesetzt", sage ich. "wenn ich bis dahin nichts lebensveränderndes auf die reihe kriege, will ich mich der welt entziehen."
der arzt guckt mich ernst an.
"das ist nur eine deadline, da steht noch kein plan dahinter", füge ich hinzu.
"auch ohne plan schrillen da bei mir alle alarmglocken", antwortet der doc.
"sie können mich zu nichts zwingen", sage ich. "selbst wenn sie mich jetzt wieder in die klapse stecken, irgendwann komme ich raus und dann tu ich es halt dann, wenn ich der meinung bin, jetzt aber."
"aber in einer einrichtung würden sie lernen, dass das keine lösung ist."
"ich weiß, dass das keine lösung ist. es ist die absage an alle lösungen. aber ich habe in der einrichtung auch gelernt, dass mir die einrichtung keine lösungsansätze bieten kann."
"es muss ja nicht diese klinik sein. was machen sie derzeit für eine ambulante therapie?"
"keine. ich therapiere mich selbst. ich bin jetzt zwei jahre zu meinem therapeuten gerannt, da kommen keine neuen erkenntnisse. nicht auf die art und weise, wie er die therapie führt."

der arzt wippt auf seinem stuhl und legt den zeigefinger auf die lippen.
"was machen wir denn dann mit ihnen?"
ich muss angesichts der frage, wegen der ich ja eigentlich da bin, schmunzeln. dann zucke ich lapidar mit den achseln und schlage vor:
"verschreiben sie mir einfach die nächste packung medikamente. das ist das einzige, was sie für mich tun können."
der arzt guckt fast erleichtert, kramt dann stift und zettel heraus und stellt ein rezept aus, damit ich die kommenden drei monate nicht amok laufe und morgens brav zur arbeit erscheinen kann.

ein händedruck, das wars.
ich muss mich weiter in geduld üben.
das glück gibts eben nicht auf rezept.