Donnerstag, 26. Juli 2012
nächtlicher besuch
(nein, nein, nicht was sie schon wieder denken. das objekt ist derzeit beruflich unterwegs, und auch die meisten anderen lover habe ich mit meiner psychomacke längst erfolgreich vergrault.)

das erste mal, dass ich besuch bekam, war in der nacht von dienstag auf mittwoch. ich wurde gegen halb drei uhr wach, weil etwas laut rumpelte. einbrecher, dachte ich sofort und sprang aus dem bett. ich ging vom schlafzimmer in die küche und lauschte. eine zeitlang hörte ich nichts mehr, dann klirrte es wieder, als wenn fliesen zu bruch gingen. der lärm kam nicht aus meiner wohnung, sondern aus dem bereich direkt unter dem dach des hauses.

ich war alarmiert. ich ging wieder ins schlafzimmer. dort hörte ich schritte und eine art scharren über mir. das gebälk knarrte. ich bekam gänsehaut. das war gruselig. überhaupt, wie kam ein mensch da hinauf? es gab keine dachluke, über die man vom treppenhaus bis unter den first des hauses gelangen konnte.

der wäscheboden fiel mir ein. der wäscheboden, der sich direkt neben meiner wohnung befand, hatte einen spalt in der decke. wenn man sehr dünn war, konnte man sich da bestimmt hindurch zwängen. die frage war nur, was jemand dort wollte. vielleicht sich verstecken, um das haus auszuspionieren? schließlich war urlaubszeit und mindestens zwei nachbarn nicht da. vielleicht wollte der einbrecher checken, wann die anderen bewohner schlafen gingen und wann demnach ein guter zeitpunkt für einen einbruch war. indem er schon mal im haus lauerte, konnte er dann ohne durch die tür zu müssen und damit die gefahr, beobachtet zu werden, einzugehen, im treppenhaus sein unwesen treiben.

ich schloss alle fenster und checkte, ob ich die tür verriegelt hatte. dann legte ich sicherheitshalber die kette vor. ich horchte noch eine weile an der tür, ob jemand durch den spalt im wäscheboden krabbelte und ins treppenhaus kam. doch der lärm war vorbei. also ging ich wieder zu bett und versuchte zu schlafen. vielleicht ging die miss marple mit mir durch und ich machte mir zu viele gedanken. eventuell war es einfach nur der wind gewesen.

die lösung des rätsels kam in der vergangenen nacht. ich war länger wach und stand spät noch am küchenfenster. auf einmal bewegte sich die tanne neben meinem fenster. ein eichhörnchen, dachte ich, obwohl, nein, ein eichhörnchen war leichter und versetzte die äste nicht derart in schwingung. ein katze vielleicht? aber klettern katzen eine schätzungsweise 20 meter große tanne hoch?

plötzlich plumpste ein dunkles etwas geräuschvoll auf die dachpappe, die zwischen regenrinne und ziegeln eine art kleinen vorsprung bildet. ich streckte mich neugierig aus dem fenster. da wuselte etwas flink an mir vorbei. es hatte die form einer ratte, war aber sehr viel größer, mindestens so lang wie eine katze.

das tier war die dachpappe bis zum ende des hausdaches entlang gerast und kletterte über die ziegel weiter empor, bis ich es nicht mehr sah. aber ich konnte es hören. es machte schnorchelnde schnüffelgeräusche, ähnlich wie ein igel. sehr laut.

plötzlich klirrte es wieder. das sind keine fliesen, sagte ich mir, das sind ziegel, die da klappern. ich ging ins schlafzimmer und lauschte. es dauerte nicht lang, dann konnte ich wieder schritte und scharren über mir hören.

okay, kein einbrecher. das fand ich schon mal super. was mir dennoch sorge bereitete, war die tatsache, dass das tier offenbar ein flinker kletterer war. wenn es über eine tanne auf ein hausdach krabbeln und dreißig zentimeter unter meinem fenster vorbeilaufen konnte, war es ihm sicherlich auch möglich, durch das offene fenster in meine wohnung zu gelangen. es war sogar recht wahrscheinlich, dass es dies irgendwann tun würde, wenn es lebensmittel in meiner küche erschnupperte.

meine gedanken überschlugen sich. okay, mit offenem fenster schlafen war ab sofort unmöglich. ich wollte auf keinen fall ein unbekanntes wildes tier in meiner wohnung, das mit hoher wahrscheinlichkeit dinge anfraß, parasiten verteilte und auf meinen teppich kackte. allerdings war es verdammt heiß. sollte ich die fenster kippen? oder würde das tier auch durch ein kippfenster hereinfinden? was, wenn es wegen meiner anwesenheit in panik geriet und mich biss? konnte es tollwut übertragen? wann war meine meine letzte tetanusimpfung?
ich beschloss auf nummer sicher zu gehen und schlief komplett verbarrikadiert.

heute morgen rief ich bei der hausverwaltung an.
"guten tag, wir haben hier ein tierisches problem", meldete ich meinen nächtlichen besucher.
"lassen sie mich raten", sagte der mann am anderen ende der leitung, "der marder ist wieder da."
"äh, kann sein. jedenfalls wohnt da ein ungefähr katzengroßes, rattenartiges tier im gebälk über meine dachgeschosswohnung. es macht lärm und komische schnüffelgeräusche. für einen waschbär ist es zu wenig pelzig, also könnte das mit dem marder hinkommen."
"das sind in der regel steinmarder", sagte der mann. "wir müssen unserer expertin bescheid geben, die fängt ihn dann ein und wildert ihn wieder aus."
"na gottseidank haben sie jetzt nicht gesagt, dass sie vergiften werden", meinte ich, "sonst wäre es mir lieber, dass er bleibt."
"nein nein", sagte der mann. "die tiere haben es schon schwer genug. es gibt in der großstadt ja kaum ställe und schuppen oder sowas, wo sie sonst zuflucht fänden."
"das finde ich gut, dass sie da drauf achten", erwiderte ich.

ich bin jedenfalls gespannt. ob mein steinmarder auch in dieser nacht wiederkommt. trotzdem bin ich froh, wenn ich bald wieder bei offenem fenster schlafen kann.