Sonntag, 8. Juli 2012
broken soul can smile a little
die psychokacke bzw. die krankschreibungen an vereinzelten tagen haben nun auch berufliche konsequenzen. die bedeuten, dass sich mein nagelneuer festvertrag wieder in luft auflöst und ich nun vorerst von der hälfte meines gehalts lebe.
der sinneswandel der geschäftsführung trifft mich hart. als das objekt anruft, bin ich längst in todesstimmung. ohne dass ich mehr als "hallo" sagen muss, merkt das objekt sofort, dass ich aus dem rahmen zu kippen drohe.

"bei dir stimmt doch was nicht. wo bist du gerade?" fragt es mich streng.
"zuhause", wispere ich.
"ich wollte dir eigentlich was sagen, was ich schon die ganze zeit in eine sms zu bekommen versuche. bist du gerade aufnahmebereit?"
weltuntergang, denke ich sofort, bestimmt kommt jetzt sowas wie "wir sehen uns nie wieder, weil die objektgespielin schwanger ist und ich sie heirate und wir ins ausland ziehen".
während ich diese potenziellen neuen schrecklichkeiten auf meinen ohnehin schon gewachsenen berg persönlicher misere projiziere, spüre ich plötzlich, wie mir tränen in die augen steigen - tränen, auf die ich monate-, ja jahrelang gewartet hatte, die immer nur als schwerer stein auf der brust lagen.

"du darfst mir nur was sagen, wenn es nichts schlimmes ist", schluchze ich los.
das objekt, das mich so noch nie erlebt hat, ist erschrocken und besorgt.
"weinst du etwa?"
und schwupp, bin ich vollkommen hysterisch am heulen. wahre sturzbäche strömen aus mir aus den augen.
"soll ich vorbeikommen?" fragt das objekt.
auf gar keinen fall! das wäre ja ultrapeinlich!
"nein", flüstere ich.
das objekt zögert.
"morphine, was ich dir sagen will, ist nichts schlimmes, im gegenteil. es soll dir guttun. aber vielleicht willst du erst einmal erzählen, was passiert ist?"

dann lade ich die ganze jobkacke beim objekt ab.
ich merke, wie der kopf des objekts im hintergrund rattert und nach auswegen sucht.
"sag mal, ist das überhaupt rechtlich?" fragt es.
"keine ahnung", sage ich, "ich denke nicht, aber was solls, ich will den job nicht ganz verlieren."
"ruf doch mal beim arbeitsamt an, vielleicht können die dich unterstützen."
den ratschlag finde ich gar nicht mal dumm.

nachdem ich mich wieder ein wenig beruhigt habe, frage ich:
"was wolltest du mir nun eigentlich sagen?"
"also", das objekt holt tief luft, um zu einer längeren rede anzusetzen.
"ich habe so über uns nachgedacht. auch über deine angst, dass deine momentane bedürftigkeit unsere freundschaft zerstört. aber das ist nicht so. es tut mir selber eher gut... und ich hab mir gesagt, ja, ich möchte für dich da sein. ich denke, ich kann dich verstehen und das ist es, was du jetzt brauchst."
"danke", sage ich.
"dafür nicht. überhaupt nicht."

das objekt legt eine künstlerpause ein, dann fährt es fort:
"morphine, du bist ein guter mensch. du bist so unglaublich offen, du hast mir deine freiheit geschenkt, die es mir ermöglicht hat, dir seiten an mir zu zeigen, die kaum einer kennt. und weißt du, ich hab mir so vorgestellt, wenn ich von uns beiden mal als erster den löffel abgebe, dann würde ich mir wünschen, dass du meinem sohn an meinem grab von mir erzählst, so, wie du mich kennst."
ich halte die luft an.
das objekt schweigt ebenfalls, fügt aber dann noch hinzu:
"ich hab dich sehr lieb, und ich möchte, dass du das weißt."

damit ist das objekt am ende seiner kleinen rede angelangt, und ich bin so gerührt, dass ich schon wieder weinen muss.
"ich glaube, sowas nettes hat so noch nie jemand zu mir gesagt."
"das ist traurig", findet das objekt. "dann haben dich die falschen menschen gekannt - und verkannt. deine offenheit macht dich leider auch verletzbar, weil du nichts ausschließt, was dir vielleicht nicht gut tut. und ich kann mir vorstellen, dass viele menschen das ausnutzen und dich so für ihre zwecke missbrauchen. ich habe dich auch oft verletzt, das weiß ich."

langsam, ganz langsam beruhige ich mich.
"sing mal was", fordert mich das objekt auf.
"nee", sage ich, "ich kann nicht."
"darum gehts auch gar nicht", erwidert das objekt.
"nein, da komme ich mir total albern vor."
"ach maus. dann sing ich dir jetzt was."
und das objekt beginnt, mit seiner ultra-bass-stimme atonale melodien zu summen, bis ich kichern muss.
"was war das denn?"
"sag bloß, du hast das nicht erkannt?!"
"nein."
"jetzt bin ich aber getroffen. gleich muss ICH heulen und du darfst mich trösten", scherzt das objekt.

irgendwann beginnt mein akku zu piepen.
"mein akku ist alle", sage ich erschrocken.
"sag mal, wie lange telefonieren wir eigentlich schon wieder?"
"oh mein gott, es ist schon nach zwei."
"wann habe ich dich denn angerufen? kurz vor mitternacht?"
"so in etwa."
"du, ich muss dann mal ins bett und du solltest das auch tun."
"ja", antworte ich und spüre mit einem mal, wie erschöpft ich bin.

als ich unter die bettdecke schlüpfe, fühle ich mich für einen moment geborgen. mir ist warm. bis zum herzen.

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