Donnerstag, 17. November 2011
dinner for kloppis oder essen mit überzeugung
nachtessen@altona.
es gibt spaghetti mit tomatensauce. in der sauce schwimmen paprika und etwas weißes, das wie angebratener tofu aussieht.
das objekt schwärmt, wie gut die sauce gelungen sei und haut die teller voll. der sohnemann beginnt sofort zu löffeln. nur paprika mag er nicht, die schiebt er unauffällig an den rand.

ich probiere erst die spaghetti, dann spieße ich was von dem weißen zeug auf und kaue es vorsichtig.
"na?" fragt das objekt. "wie findest dus?"
"soweit ganz lecker. aber was ist das denn, ist das tofu?"
"nee", sagt das objekt und kichert: "tofu, also das wirste bei mir nicht erleben, miss bio."
"was ist das denn dann?"
"wurst", sagt das objekt.

mir fällt die gabel aus der hand.
"das ist ja widerlich, du weißt doch, dass ich kein fleisch esse!" rufe ich entsetzt.
das objekt bleibt ganz ruhig.
"das weiß ich. aber das ist kein fleisch."
"das ist wurst!"
"ja, eben!"
das objekt schaut mich an wie eine kuh wenns donnert.
"heißt das, du magst keine wurst?"
der groschen ist gefallen.
"exakt."
das objekt verdreht die augen und zieht meinen teller zu sich heran.

der lütte hat das gespräch mit großen augen verfolgt.
"warum isst die kein fleisch?" fragt er den papa.
"sag bitte nicht 'die', sondern sag den namen", ist der papa streng. "und wenn du das wissen willst, musst du sie selber fragen."
der kleine wendet sich an mich und fragt schüchtern:
"duhu, warum magst du denn kein fleisch?"
schwierige frage. wie erklärt man das kindgerecht? ich überlege, dann setze ich an:
"naja, zunächst mal schmeckt es mir nicht. und dann, weil... fleisch, also das sind ja tote tiere. tiere, die von menschen umgebracht wurden. ich ess das nicht, weil ich auch nicht wollen würde, dass mich jemand aufschlitzt und umbringt und aufisst, wenn es genug gibt, was man auch so essen kann. das ist meine überzeugung."
der lütte nickt eifrig und fragt dann weiter:
"was ist überzeugung?"
"das sagt man, wenn man fest an was glaubt, es aber nur eine meinung ist."
der lütte ist verwirrt. ich muss ein beispiel bringen.
"also eine überzeugung ist zum beispiel, wenn du sagst, st. pauli ist toll. es gibt sicher ganz viel, was an st. pauli tatsächlich unheimlich toll ist, aber jemand anderes findet vielleicht trotzdem den hsv besser."
das war kein heldenhaftes beispiel, aber nunja, der kleine scheint zu begreifen und nickt.

dann essen wir zu ende. das objekt erbarmt sich meiner portion, ich esse nur spaghetti auf einem sauberen, neuen teller.
der lütte mampft nudeln, sauce und wurst weg, hat aber am ende alle paprika an den rand aussortiert.
der papa runzelt die stirn und blafft:
"was soll das denn jetzt?"
der kleine guckt betreten und verzieht in erwartung eines anschisses weinerlich das gesicht. sofort schlägt das objekt eine andere tonlage an und fragt ganz sanft:
"warum willst du denn die paprikastückchen nicht essen?"
der kleine legt die gabel zur seite und sagt dann ganz leise:
"weil, das ist ja totes gemüse dann. und das ist nicht toll, das ist meine überzeugung."

das objekt sieht mich an und sagt erstmal nichts. ich versuche das lachen zu unterdrücken, doch es gelingt mir nicht. dann steht das objekt auf und schlägt die stirn gegen die schlafzimmertür.
"hilfe! ich bin der einzige mensch ohne essstörung in diesem haushalt!" ruft es laut.
dann grinst es und nimmt erst den kleinen, dann mich in den arm:
"ihr macht das schon richtig. ihr seid eben freigeister."
"was ist freigeister?" fragt der kleine.
"menschen mit eigenen überzeugungen", sagen das objekt und ich wie aus einem mund.