Sonntag, 21. November 2010
mi casa es tu casa II
nein, nicht, was sie jetzt denken - mein nachbar hat die letzte nacht brav im eigenen bett verbracht.

vielmehr verweilte ich die nacht, respektive den morgen/den tag mal wieder beim objekt. schon im club war es ungewöhnlich touchy, hielt mich im arm und strahlte völlig stoned durch die gegend. da die konkurrenz nicht anwesend war, landete ich 100 punkte und wenig später in den roten laken. dort einigten wir uns auf einen quickie, weil das objekt heute arbeiten musste. nach der nummer kroch es auch gleich in meine arme und schlief eine minute später ein.

ich selbst lag noch eine weile wach und vergrub die nase im kupferfarbenen objekt-haarschopf, genoss duft, wärme und nähe. dann passierte etwas seltsames: das objekt begann leise zu schnorcheln, dann richtig zu schnarchen. das machte es normalerweise nie. ich drehte vorsichtig seinen kopf, damit es besser luft bekam. das half kurzfristig, danach wurde es wieder schlimmer. schließlich begann das objekt nach luft zu ringen, als stünde es kurz vorm ersticken. ich schubste es zweimal vorsichtig. keine reaktion. dann setzte die atmung ganz aus. ich packte das objekt an den schultern und schüttelte es. endlich atmete es aus, wachte aber nicht auf.
ich war stark beunruhigt. ich fragte mich, welche drogen das objekt wohl genommen haben könnte. im bad fand ich nichts verdächtiges. in der küche stand eine leere flasche wein und eine knapp halbvolle wodkaflasche. im club hatte sich das objekt zudem bestimmt noch mal sieben oder acht kurze und diverse biere hinter die binde gekippt. vielleicht reichte so viel alkohol für eine beeinträchtigung der herz-lungen-funktion?
ich ging wieder ins bett. da hatte das objekt mit dem nächsten erstickungsanfall zu kämpfen. ich schüttelte es wieder. das objekt begann zu murmeln und laut zu stöhnen. ich hielt seinen kopf und rief seinen namen. da endlich schlug es die augen auf. ich war erleichtert wie schon lange nicht mehr:
"sag mal, träumst du oder leidest du an schlaf-apnoe?"
"warum fragst du?"
"du bist eben fast erstickt."
"ich habe was komisches geträumt, ja, aber das war kein alptraum."
"was war es denn dann?"
"ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. es endete aber damit, dass ich wieder klein war und meine mutter mich zum essen rief."
"das ist ja entsetzlich schrecklich", sagte ich sarkastisch.
"ja, das ist es. ich durfte bis zu meinem 18. lebenjahr kein fleisch essen."
"warum das denn?"
"meine eltern haben mich streng vegetarisch erzogen."
ich hatte keine ahnung, was ich dazu sagen sollte. schließlich kannte ich die objekt-eltern nicht und wusste nur, dass sich das objekt nicht mit seinem vater versteht.
"weißt du, worauf ich jetzt bock hätte?" kicherte das objekt.
"wodka?" riet ich.
"falsch."
"ficken?"
"nee, auch nich."
"was dann?"
"ich hätte jetzt gern ein riesiges schnitzel."
ich trat unter der decke nach dem objekt.
"nich hauen", murmelte das objekt, zog mich wieder an sich und vergrub den kopf an meinem hals. kurz darauf schlief es wieder ein, träumte offenbar weiter, redete im schlaf und schlug um sich, atmete aber wieder normal.

als mittags der wecker klingelte, hatten wir sagenhafte vier stunden geschlafen, inklusive der alarm-unterbrechung wegen erstickungsgefahr. das objekt schlug nach dem wecker, der unter das bett fiel, und schlief weiter. ich fischte den wecker wieder hervor und aktivierte die schlummerfunktion. beim zweiten klingeln erlangte das objekt dann anzeichen von bewusstsein. es drehte sich zu mir. wir wünschten einander nabelabwärts einen guten morgen. dann sank das objekt verschwitzt nieder.
"scheiße, ich glaub, ich bin immer noch stoned."
"was hast du denn genommen?"
"ich habe gestern abend mit meinem nachbarn gekifft."
"aber das ist doch jetzt nichts außergewöhnliches für dich."
"naja, ich hatte zuvor schon auf arbeit gekifft", kicherte das objekt. "und am freitagabend habe ich so viel getrunken, dass ich nicht mehr radfahren konnte."
"irgendwann schmeißen die dich raus", warnte ich.
"die haben gestern schon gesagt, wenn du heute abend wieder feiern gehst und morgen zu spät kommst, gibts ärger", grinste das objekt.
"dann steh mal besser auf."
"wie spät ist es denn?"
entsetzt starrten wir auf den wecker: es war 12.57 uhr.
"fuck", rief das objekt. "ich muss in drei minuten auf station sein!"
in windeseile sprang das objekt in die nächstbesten klamotten, die über dem sessel hingen.
"willst du SO gehen?" fragte ich. das objekt sah an sich hinunter. es trug die sexy schwarze hose mit den zwei reißverschlüssen an der entscheidenden stelle sowie sein einärmeliges, transparentes hemd vom vorabend. es sah aus wie die inkarnation eines feuchten traums.
das objekt hatte ein einsehen und kramte im klamottenhaufen. schließlich fand es einen pulli und zog ihn über.
"besser?"
"definitiv. sonst fallen die patienten am ende noch über dich her", grinste ich.
"jetzt muss ich aber los", sagte das objekt und gab mir einen kuss. "schlaf schön weiter!" dann rauschte es die treppen hinunter.

zwei minuten später stürmte es schon wieder in die wohnung.
"fuck", rief es. "ich hab total vergessen, dass in drei stunden meine ex mit meinem sohn vorbeikommt."
"was will die denn hier?"
"die liefert ihn bloß hier ab."
"ja und?"
das objekt sah mich flehentlich an.
"kannst du mir bitte helfen? die wohnung muss halbwegs ordentlich aussehen, sonst macht mir meine ex die hölle heiß. und der kleine soll sich ja auch ein bisschen wohlfühlen, wenn er schon auf mich warten muss."
"geht klar."
das objekt drückte mich und rannte wieder nach draußen.

"halbwegs ordentlich" ist eine vage zustandsbeschreibung, bei der das objekt und ich definitiv unsere differenzen haben. das objekt ist ein eifriger wäschewascher (trägt alle klamotten nur einmal) und ein sensationeller koch, kommt aber mit putzen und aufräumen weniger gut klar. ich selbst erfreue mich an imbissgerichten und kalter küche, lebe aber "total steril", wie es das objekt nennt. das heißt: bei mir wird einmal wöchentlich großreine gemacht und der große klamottenhaufen über dem stuhl auf einen winzig kleinen reduziert. als ich die objektküche betrat, merkte ich, dass sich unsere differzen perfekt ergänzten. der objekt-kühlschrank quoll förmlich über. der kleine würde niemals hungern müssen. neben dem herd standen benutzte schüsseln und töpfe. das objekt hatte, wie ich aus dem eingetrockneten inhalt sowie informationen aus der vergangenheit erschloss, in den letzten tagen quarkknödel mit apfelkompott sowie vanille-pfannkuchen gemacht. dafür geb es nun berge schmutzigen geschirrs. im regal stand kein einziges sauberes glas mehr. also zuerst geschirr spülen. dann fegte ich die küche (ein großer haufen asche plus frühstücksflocken plus fusseln) und machte das objektbett. danach war das piratenzimmer des lütten an der reihe. dort trockneten zwei ständer voller wäsche und nahmen jeglichen spielraum für den sohnemann ein. ich legte die wäsche zusammen und entfernte die wäscheständer. danach machte ich das kinderbett, legte die pixie-büchlein auf einen ordentlichen stapel und räumte zehn kilogramm bauklötze auf einen haufen.
nun war es noch wichtig, alkohol und drogen außer reichweite der kinderhände zu bringen. ich fand unter dem objekt-bett und in der küche insgesamt drei leere und eine halbvolle wodkaflasche, bacardi, jägermeister, korn, tequila sowie unzählige leere weinflaschen und bierdosen. die drogen lagerte ich im verschließbaren badezimmerschrank.
nach über einer stunde lag ich in den letzten zügen der aufräumaktion, wischte noch einmal die flächen, goss die (abgefackelte) topfpflanze und platzierte sie dekorativ in der mitte des küchentischs.
danach machte ich, dass ich nach hause kam. konversation mit der ex musste nicht sein, schon gar nicht mit augenringen bis nach meppen. ich wünschte dem sohnemann für mich viel spaß in der sturmfreien bude, dachte beruhigt an den vollen kühlschrank und mit liebe an das objekt und seinen herrlichen hang zum rettungslosen chaos.