Montag, 28. September 2015
der fick deines vertrauens
je mehr männer ich treffe, desto weniger kann ich mir vorstellen, jemals wieder einem von ihnen mein vertrauen zu schenken. dabei lerne ich die meisten noch nicht mal näher kennen, sondern lediglich ihre schwänze und ihre sexuellen vorlieben, und gebe mir allenfalls noch ein wenig gelaber, was für geile hengste sie sind und was sie in ihrer ehe so alles vermissen. man sollte meinen, dass bei einer so winzigen schnittmenge nicht viel vertrauenserschütterndes passieren kann. aber manchmal geschehen dinge, dass ich erwäge, alle sexuellen aktivitäten bis auf masturbation vollkommen einzustellen.

so traf ich vor einigen wochen einen mittelalten herrn, der auf den ersten blick ganz astrein in schale schien und auch sehr attraktiv und wortgewandt war. er stellte mir zu anfang die frage, die mir viele stellen:
"können wir auch mal ohne gummi?"
woraufhin ich meine standardantwort gab:
"ich will deine seuchen nicht, und du meine vermutlich auch nicht, die du ja zudem an deine frau weiterreichen würdest, und die mit ein bisschen pech an deine kinder."
einmal klar ausgesprochen verhilft die lebhafte vorstellung von einem von geschwüren übersäten, stückweise abfaulenden schwanz und gesamtfamilärem siechtum den meisten wieder zu so viel verstand, dass das lümmeltütchen ohne murren und knurren getragen wird. diejenigen, die sich mit dem latex noch immer nicht anfreunden wollen, weisen mich in zweiter instanz zumeist darauf hin, dass auch beim oralverkehr krankheiten übertragen werden können. woraufhin ich gerne großzügig anbiete, auch den oralverkehr geschützt zu vollziehen, was dann sehr vorhersehbar jedes mal zu einem abrupten sinneswandel führt.

der mittelalte herr, der sich ein wenig geheimnisvoll gab, was mir sehr gefiel, erklärte sich zunächst mit der üblichen gesundheitsvorsorge einverstanden. als wir dann jedoch nackt voreinander standen und es zur sache gehen sollte, hatte er eine spitzenidee:
"lass uns doch ein bisschen ohne gummi, ich komme auch nicht in dir."
ich sagte nein.
woraufhin der herr zu diskutieren begann:
"dir macht es doch auch mehr spaß ohne."
"aber hiv-positiv sein hinterher halt nicht so sehr."
"ach komm, wir haben doch kein aids! seh ich aus, als hätte ich aids?"
in mir stieg die wut hoch angesichts so viel ignoranz.
"seh ICH etwa aus, als hätte ich aids?"
"na also", meinte der herr. "dann können wir doch..."

und staunte dann, als ich aufstand, in meine kleider stieg und in meine jacke schlüpfte.
"was soll das denn jetzt?" fragte er todbeleidigt.
"weißt du, ich stehe auf männer mit stil", sagte ich. "und das, was du hier gerade abziehst, ist absolut stillos. wir hatten eine klare absprache und du willst dich nicht an sie halten. und deshalb gehe ich jetzt."
der typ sprang auf und wollte mich aufhalten.
"ey, du kannst mich hier doch nicht so stehenlassen, jetzt hol mir wenigstens einen runter!"
ich holte tief luft.
"fass mich an und ich schreie das ganze haus zusammen."
unter üblen beschimpfungen seinerseits zog ich meine schuhe an, nahm meine tasche und ging, gottseidank unbehelligt.

die nächsten tage konnte ich nicht mal an sex denken, ohne dass mir schlecht wurde. da steigen erwachsene männer, die verantwortung für eine familie tragen, mit fremden frauen, die sie im internet aufgegabelt haben, ins bett und machen sich überhaupt gar keine gedanken, wer schon alles in besagter frau drinsteckte und ob die dann auch alle mal ohne gummi wollten. offenbar hatten so einige männlich exemplare schon so lange keinen sex mehr gehabt, dass ihnen alles egal ist, sogar so egal, dass sie zusagen machen, die sie, sobald es zur sache gehen soll, wieder zurücknehmen. viele andere frauen in dieser situation wären, nehme ich an, eingeknickt und hätte des lieben friedens wegen ja und amen gesagt, oder hätten wahlweise noch eine halbe stunde diskutiert, bis jegliche erotische atmosphäre mit sicherheit abgewürgt gewesen wäre.

manchmal verspüre ich regelrechten hass, wenn ich männer auf der straße sehe, unschuldige männer, die mir noch nichts getan haben, und denke mir: auch du bist garantiert nur ein mieser ficker. ich kann mir nicht mal mehr vorstellen, noch einmal nach einer gemeinsamen nacht neben jemandem aufzuwachen. zwei stunden, mehr ertrage ich selten. dann gehe ich, bevor der brechreiz kommt.

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Samstag, 26. September 2015
aggro-tusse
"manchmal werde ich ja echt aggressiv", sage ich beiläufig, während ich den schwanz des fremden in meiner hand halte und ihn dabei beobachte, wie er immer größer und dicker wird.
"wie? echt?" der fremde ist schockiert.
"wie äußert sich das?"
"ich knall leuten schon mal eine", sage ich, "oder muss zumindest schwer an mich halten, es nicht zu tun."
"das heißt, ich muss jetzt aufpassen, was ich sage?"
ich muss lachen.

"okay, beispiel: neulich fuhr ich so auf dem radweg, vor mir eine mutti mit zwei sehr kleinen kindern, die auf ihren stützrädern dahinschaukelten. brandgefährlich im morgendlichen berufsverkehr, ich frage mich ja immer, wie eltern so fahrlässig sein können."
"ohja, das ist gefährlich", wirft der fremde ein, selbst vater zweier kinder.
"die fuhren also so vor mir, die kinder nebeneinander auf dem radweg, und rechts daneben auf dem fußweg die mutti. fahren ist dabei zu viel gesagt, also kriechen oder schleichen wäre schon eher treffend. der fußweg war aber voller menschen, die schon aus dem weg springen mussten, als die mutti da durchwalzte, was bedeutete, man konnte also nicht an dem pack vorbeifahren."
"verstehe, und du hast sie überfahren?" mutmaßt der fremde.
"neeeeieeeeiiin. ich hab mich erdreistet zu klingeln."
der fremde zieht die augenbrauen hoch.
"und dann drehte sich diese fettärschige hormon-tonne um und ranzte mich an: sehen sie nicht, dass hier kinder fahren, können sie nicht rechts überholen?!"
"nicht wahr."
"doch! also nicht nur, dass sie ihren kindern vollkommen falsch die straßenverkehrsordnung vorlebte, sie wollte also auch, dass ich fußgänger über den haufen fahre!"
"und dann hast du ihr eine gelangt?"
"neeeeeeeeiiiiin. ich habe gesagt: ich werde doch nicht fußgänger gefährden, nur weil sie die straßenverkehrsordnung missachten und darüber hinaus auch offenbar nicht fähig sind, eben diese ihren kindern nahezubringen, von rücksichtnahme und anderen schönen tugenden mal ganz zu schweigen."
"und was war dann?"
"sie war irritiert. aber wenn sie noch was freches von sich gegeben hätte - ich war fest entschlossen, anzuhalten und ihr eine zu knallen. also nicht nur so eine harmlose ohrfeige, sondern so richtig, mit der faust."

der fremde lacht amüsiert.
"schlägst du denn auch männer?"
"meinen ex-lover habe ich manchmal ein bisschen gehauen."
"wie, gehauen?"
"so im spaß. er hatte die angewohnheit, mir in der öffentlichkeit den rock hochzuziehen und dann auf den arsch zu hauen. dafür hab ich ihm dann auf den sack geklatscht."
"ich hoffe, du machst das nicht bei mir?"
"du haust mir ja auch nicht auf den arsch, so auf offener straße."
"nein, um gottes willen, wenn das jemand mitbekäme, der mich kennt, und der auch noch meine frau..."
"schon gut, wir hauen uns also nicht, weder du mich noch ich dich. und ich bin ja auch keine ernstzunehmende gegnerin. mein ex-lover hat sich immer köstlich amüsiert, wenn ich mich auf ihn gestürzt habe."
"das hatte sicherlich auch was erotisches, bei dir."
"sagen wir mal so, es ergab immer eine gewisse sexuelle spannung. der kerl war 1,90 m groß und wog fast 100 kilo, und allein die körperliche überlegenheit dieses testosteronbündels hat mich schon nass gemacht."

der fremde grinst.
"dann bück dich jetzt mal schön tief, damit ich dich noch mal von hinten nehmen kann."
"sag bitte."
"einen scheiß werd ich tun."
der fremde packt mich am hals und drückt mein gesicht auf die fläche meines schreibtischs. dann fickt er mich kurz und hart, bis ich explodiere.
auf jeden fall weiß er, wie man mit aggro-tussen umgeht.

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Freitag, 25. September 2015
himmellose wolken
früher, als man noch rätselte, wo die kleinen menschen herkommen, die da im radio sitzen und sachen sagen. als man die vorfreude trug so obligatorisch wie das pflaster auf dem knie oder einen wackelnden milchzahn. als man noch staunte und glaubte, dass dies und das und überhaupt alles geschehe, weil es um das gute gehe und menschen per se gut sein müssten.

ich sehe joggern zu beim kollektiven davonlaufen, den telefonierern, die nichts hören als ihre eigenen stimmen, den jungen, die schon ewiggestrige sind, indem sie glauben, das heute wäre auch morgen noch da.

ich weiß, dass das fallen nicht vermeidbar ist. ich falle elegant und weich und versuchsweise aufrecht, denn auf die haltung kommt es an, auch wenn das rückgrat beim aufschlag ohnehin bricht. ich hoffe und hoffe, und hoffe mir sogar die enttäuschung noch schön.

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Sonntag, 20. September 2015
auf der reeperbahn nachts um halb sechs
um nach 36-stündiger, nur von einem rewe-besuch unterbrochener isolation noch ein wenig sozialen kontakt zu haben, begebe ich mich gestern nacht in richtung st. pauli, um mir in der spelunke einen anzusaufen. ich versuche zuvor noch, v. zum mitkommen zu überreden, aber v. schreibt mir, er fliege in vier stunden in den urlaub und müsse noch die komplette taucherausrüstung zusammenpacken.

also setze ich mich erstmal alleine an den tresen, aber es sind auch zwei bekannte da. wir diskutieren über dieses und jenes, der spelunkenbesitzer knuddelt mich, und langsam, langsam wärmt der alkohol mein herz, das sich vorhin schon wieder ganz merkwürdig kalt von innen raus angefühlt hatte, gerade so, als wolle es den ganzen scheiß gleich nicht mehr mitmachen.

gegen halb sechs will ich die holstenstraße entlang zum bus laufen, als ich merke, dass mir zwei große, sehr dunkelhäutige typen folgen.
"fotze", schreit der eine, und ich kriege magenflattern. soll ich schneller laufen oder lieber nicht? angst zeigen oder mich blind, taub und stumm stellen? außer mir und den beiden idioten ist im näheren umkreis niemand zu sehen, und selbst wenn, würde ich niemals drauf vertrauen, dass jemand im ernstfall eingreift, denn dazu kannte ich schon zu viele geschichten von bekannten, die zusammengeschlagen oder halb abgestochen im rinnstein einer seitenstraße der reeperbahn wieder zu sich kamen, ohne dass auch nur wer einen krankenwagen gerufen hätte.

also ruhig bleiben, tief durchatmen. ich versuche, ganz normal weiterzulaufen, aber jetzt holen die typen auf und dann packt mich einer.
"ey fotze", sagt er wieder und seine weißen zähne leuchten im schwarzen gesicht.
"bitch, du fickificki."
jetzt habe ich todesangst oder zumindest vergewaltigungsangst.
der andere typ kommt nun auch ganz nah. er ist genauso ultradunkel wie sein kumpane, aber sehr fett. er fasst mir an den arsch und lacht mich mit einer gewaltigen alkoholfahne an.
ich schaue mich vorsichtig um, aber ich bin tatsächlich alleine auf der straße. schreien hilft sicher nicht, auf st. pauli wird ausschließlich rumgegröhlt, das juckt keine sau.

gerade als ich überlege, mich vor ein vorbeifahrendes auto zu werfen, in der hoffnung, dass das dann noch rechtzeitig bremst, sehe ich in der ferne ein taxi mit leuchtendem schild auftauchen. ich reiße mich los und renne und winke wie eine irre. ich bete, dass es anhält, doch ich habe glück: es bremst ab und fährt dann rechts ran.

ich öffne die beifahrertür, ein blick über die schulter zeigt, dass die typen mir nicht gefolgt sind. dann lasse ich mich außer atem auf den sitz fallen.
"ich wurde verfolgt von zwei typen" sage ich, "die wollten mich überfallen."
"uuaa", sagt der taxifahrer, ein kleines schrumpeliges männlein. "nix gut."
dann will er wissen, wohin.
gute frage. ich zähle mein geld, es sind knapp zehn euro.
"lassen sie mich einfach an der nächsten u-bahn raus", sage ich.
"aber frau", sagt der taxifahrer, "das geht doch nix, wenn da böse mensch!"
"ich hab aber nur zehn euro und keine ec-karte dabei, ich kann ihnen noch nicht mal anbieten, an einer sparkasse zu halten."
"wo wohn", will der taxifahrer wissen.
"das geht nicht, das kostet mindestens 25 euro", sage ich.
"wo wohn", beharrt der taxifahrer.
ich sage es ihm.
"gut", sagt der taxifahrer. "zehn euro."
und macht das taxameter aus.
"boah danke"; sage ich total gerührt.
"schöne junge frau nix gut allein auf nachts straße mit böse mensch", sagt der taxifahrer. "ich auch tochter, drei. und tochter auch schon tochter."

mir geht das herz auf.
"woher kommen sie denn?"
"pakistan", sagt der taxifahrer. "aber schon 25 jahre deutschland."
"und sie fahren schon seit 25 jahren taxi in hamburg?"
der taxifahrer nickt.
"aber ich nix wohn hamburg, zu teuer. familie wohn kiel."
"das heißt, sie fahren jeden tag von kiel nach hamburg, um in hamburg taxi zu fahren?"
der taxifahrer zuckt die achseln.
"große wohnung billig kiel, und mehr kundschaft hamburg wochenende, und kinder sagen, papa nix hamburg, mein freund wohn auch kiel."
"und wie finden sie deutschland so?"
der taxifahrer lächelt:
"gute land, gutes leut!"

als ich schließlich vor der haustür aussteige, bin ich ziemlich froh, dass jemand diesem menschen seinen aufenthalt in deutschland genehmigt hat.

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Samstag, 19. September 2015
bewerbung absurd
personaler sind in der regel meine feinde, weil sie sich zumeist dagegen entscheiden, mir irgendwelche spannenden vakanzen anzubieten. nur perspektivlose dumpinglohn-jobs werden mir gern hinterhergeworfen, doch möglicherweise gibt es in meiner branche einfach nur noch perspektivlose dumpinglohn-jobs.

hin und wieder passieren aber auch ganz absurde dinge. gestern klingelte das telefon. dran war eine dame, die ich nicht kannte.
"sie haben sich als redakteurin beim großundschlecht-verlag beworben", behauptete sie. "ich würde sie gern zur vorrunde unserer bewerbungsgespräche einladen."
ich konnte mich beim besten willen nicht daran erinnern, mich bei einem großundschlecht-verlag beworben zu haben, aber sie hatte ja nicht "putzfrau" oder "hausmeister" gesagt, sondern "redakteurin", das schien mir irgendwie passend und im bereich des mir möglichen.
"super", sagte ich also, und hoffte, der forcierte enthusiasmus würde die verwirrung in meiner stimme kaschieren.
die dame ratterte ein paar daten runter, ort, uhrzeit, datum, ich sagte zu allem pro forma mal ja und amen, und dann war das gespräch eigentlich schon beendet.
"sagen sie mir bitte noch mal ihren namen", bat ich die dame, denn ich hoffte immer noch, dass mir dann ein lichtlein aufgehen würde.
sie tat dies und fügte hinzu:
"ich arbeite für die jammertal-personalberatung."

und da machte es klick. ich hatte mich tatsächlich vor urzeiten bei der jammertal-personalberatung beworben, allerdings direkt dort und nicht für einen derer klienten, weshalb ich in meinem anschreiben auch lange und ausführlich meine breite erfahrung in der pressearbeit für personaldienstleistungsunternehmen und employer branding erwähnt hatte. das musste doch aufgefallen sein, dass das überhaupt nicht zum großundschlecht-verlag und deren vakanzen passen konnte, dachte ich.

offenbar war also mein anschreiben nur überflogen oder vielleicht auch gar nicht gelesen worden. wahrscheinlich machen es personaler inzwischen ähnlich wie chefinnen von pr-agenturen: sie klicken kurz in den lebenslauf, gucken auf das foto, und wenn sie das gesicht mögen und die proportionen die schlussfolgerung zulassen, dass die person nicht übergewichtig ist ("fette sind immer faul", standard-these in allen weiber-geführten pr-agenturen), und wenn dann auch noch "ledig" (= kein privatleben) und "keine kinder" (= kann gezwungen werden, nie krank zu sein) irgendwo stand, war die kandidatin oder der kandidat eine runde weiter.

wie auch immer, ich bin sehr gespannt auf das bewerbungsgespräch. ich bin noch am überlegen, ob ich zum ende hin das missverständnis aufkläre und mich dabei totlache, oder ob ich einfach nur scheinheilig frage, aufgrund welcher kriterien ich nun genau in die engere auswahl gekommen sei.

irgendwelche vorschläge ihrerseits?

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