Freitag, 25. Oktober 2013
psychoblogs. ich bin die andere.
manchmal lese psychoblogs. obwohl ich weiß, ich hab ja selber einen, in dem ich ab und an meine depression beschreibe.

was mir dabei auffällt: viele psychisch kranke scheinen ziemlich veränderungsresistent zu sein. zumindest klingt es so. da sind keine erkenntnisse, kein tatendrang, der sich abzeichnet. ich weiß, dass es tage gibt, an denen man einfach nur jaulen kann. an denen man sich selbst extrem hasst und sich wünscht, man wäre nie geboren worden (mein argument nummer eins gegen ein kind: du weißt nicht, ob du dem damit einen gefallen tust). man hadert und igelt sich ein.

kurzum, es überfällt einen also eine gewisse lust, zu salbadern. schön. legitim, will ich meinen.

aber bei so einigen denke ich mir: das kann nicht besser werden. niemals. denn: da fehlt der wunsch zur besserung. da sind menschen, die lieben sich so wenig, die machen nichts aus sich, denn das würde ja bedeuten, dass man die krankheit aufgibt. und damit das vermeintliche anrecht auf mitleid. fällt dieses weg, bleibt ja nichts mehr. oder? also wird sich an das psycholeiden geklammert und gejammert. in einem fort.

ich schäme mich meist, wenn ich mitleidheischend werde. das ist nicht das, was ich gelernt habe. ich habe gelernt: sei stark, sei klug und unterhaltsam und fall bloß niemandem auf den wecker. wehe, wenn doch, dann rappelt´s aber im karton.

ich will nicht behaupten, dass das die beste erziehung war. (denn irgendwann landet man so dabei, dass man jemanden dafür bezahlt, der sich das gejammere anhört. einfachste do-ut-des-mentalität, noch nicht mal konventionelle moral, frei nach piaget.)

aber grundsätzlich tut man psychisch kranken keinen gefallen damit, wenn man ihnen das händchen hält. es ist ein bisschen so wie mit schulkindern: fordern und fördern.

in meinen tiefsten downs hat mich das objekt immer zu absprachen und zum handeln gezwungen. es hat mich kontrolliert und mir damit ein stückchen selbstkontrolle abgenommen. aber ich musste immer meinen arsch hochkriegen. es hat mich in die arbeit geschubst, zum essen bewegt und dazu, meine medikamente regelmäßig zu nehmen. ich habe diese vernunftbestimmte, nicht mal unemotionale strenge genossen und versucht, sie mir abzuschauen. damit sie mir für mich bleibt, wenn das objekt die rolle nicht mehr spielen mag.

ich will nicht behaupten, ich hätte es "geschafft" oder sei "geheilt", nur, weil ich keine medikamente mehr nehme. es werden wieder zeiten kommen, in denen mein schwaches selbstwertgefühl so viel gegenwind bekommt, dass es zusammenklappt. nicht damit zu rechnen, wäre dumm, denn ich bin immer noch ich. extrem verletzlich. und die welt ist immer noch die welt. ein arschloch, meistens.

ich ertappe mich aber dabei, dass ich ein paar illusionen aufgegeben habe. illusion nummer eins war, dass man einen "ordentlichen job" braucht und einen chef, der einem 40 stunden die woche sagt, was man zu tun hat. dieses schützende korsett aus befehlen und pflichten. ich bin freier denn je zuvor. nur 20 stunden pro woche bin ich noch fremdbestimmt. alles andere: ich für mich. noch vor einem jahr hätte ich mich gefürchtet. jetzt sieht es so vielversprechend aus. einfach nur schreiben. dann, wenn ich lust habe. nicht um des erfolges oder des geldes wegen. sondern weil da gerade ein kreativitätsüberschuss ist, den ich gerne abgeben kann. dorthin, wo alles brach und dröge ist. die nachfrage ist stärker als erwartet.

illusion nummer zwei war die sache mit der liebe. ich bin nicht full of love. ich bin vergleichsweise empty. und ich muss mir personen suchen, die selber liebe in sich tragen, anstatt meine wenige zu verbrauchen. denn lieben bedeutet nicht, gebraucht zu werden. diese anspruchshaltung gewisser menschen ist der pure sadismus.
das schwierige ist, dass menschen, die so leer sind wie ich, andere leere menschen anziehen. weil wir gottverdammmich wissen, was man da so fühlt. wie schrecklich, schrecklich alleine man so auf die ein oder andere weise ist. wir verströmen damit ein stückchen erlösung, denn wir können diesen menschen nahe sein wie niemand anderes. im geist. aber in der seele nahekommen, das bedeutet, aufgezehrt zu werden. auch wenn sich das im ersten moment gut anfühlen kann. denn gebraucht werden schmeichelt. nur leider der falschen seite des egos.

die dritte illusion war die der mitte. alles starrt immer auf die mitte, die norm, das gesunde. mir muss es genügen, da in gewissen amplituden drumherum zu pendeln. der zwang, der die norm ausstrahlt, ist nämlich noch gesundheitsgefährender als alles andere. also horche ich in mich hinein und frage mich möglichst freundlich, hey, morphine, wie geht es dir heute? ich bin mein eigenes über-ich. solange ich die meisten tage diszipliniert bin, darf ich auch mal die sau rauslassen. wenn ich traurig bin, weine ich, egal wann oder wo. wenn ich trinken will, kaufe ich mir etwas, was ich auch wirklich mag. und wenn ich eine klinge auf der haut spüren muss, dann habe ich wenigstens desinfektionsspray und pflaster im haus.

maßvolles ausgeflipptsein.

it´s a long down, baby.
aber vielleicht komme ich irgendwann wo an, wo es sich ansatzweise nach zuhause anfühlt.

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